Schlagwort-Archive: Geschwindigkeitsüberschreitung

Hier wird es technisch, oder. ESO ES 3.0, das AG Meißen, die PTB und eine sachverständige Gegendarstellung

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Ich komme dann noch einmal auf das AG Meißen, Urt. v. 29.05.2015 – 13 OWi 703 Js 21114/14 – zurück (vgl. dazu Ein Schwergewicht/Hammer aus Sachsen: 112 Seiten zu ESO ES 3.0).  Nun, wie nicht anders zu erwarten, gibt es dazu (natürlich) inzwischen eine Stellungnahme der PTB, die mich inzwischen auch erreicht hat.

Ich stelle Sie hier dann mal ein unter „Stellungnahme der PTB zu AG Meißen„, wobei ich einräumen muss: Für mich wird es nun allmählich unverständlich bzw. ich kann es nicht mehr nachvollziehen. Aber „meine“ Sachverständigen von der VUT die können es – meine ich. Und die haben dann auch eine Stellungnahme zu der Stellungnahme der PTB verfasst, die ich hier unter „Stellungnahme VUT_26_01_2016 Gegendarstellung PTB_AG Meissen“ einstelle (hier geht es zur VUT, die heute auch mit einem Newsletter auf ihre Stellungnahme hinweisen).

Die Verkehrsrechtler wird es sicher interessieren….. 🙂

Auch beim standardisierten Messverfahren darf es im Urteil etwas mehr sein….

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Das OLG Bamberg hat eine eigene „Veröffentlichungsabteilung“, die – koordiniert für die Senate – nur das rausgibt/veröffentlicht, was man der juristischen Öffentlichkeit bekannt machen möchte. Ich bin dann immer froh, wenn ich von einem Kollegen mal einen Beschluss des OLG Bamberg zugesandt bekomme, der mal nicht durch diesen „Filter“ gelaufen ist.  Das ist häufig nichts Großes/Weltbewegendes, aber meist doch ganz interessant. Und das gilt dann auch für den OLG Bamberg, Beschl. v. 20.10.2015 – 3 Ss OWi 1220/15, der noch einmal schön zu den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen bei der Geschwindigkeitsüberschreitung und/oder beim standardisierten Messverfahren Stellung nimmt. Hier dann die Leitsätze – nicht amtlich 🙂

  1. Bei einer Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung muss der Tatrichter in den Urteilsgründen neben dem angewandten Messverfahren auch den berücksichtigten Toleranzwert angeben. Hierauf kann nur im Falle eines glaubhaften Geständnisses des Betroffenen verzichtet werden.
  1. Bei Verwendung eines standardisierten Messverfahrens ist in den Urteilsgründen die Mitteilung geboten, aus welchem Grund und zu welchem konkreten Beweisthema der Tatrichter ein Sachverständigengutachten erholt hat. Nur in diesem Fall kann verlässlich beurteilt werden, ob der Tatrichter zunächst gegebenenfalls Anhaltspunkte für eine Fehlmessung hatte und ob diese durch die Beweisaufnahme in ausreichender Weise ausgeräumt werden konnten.
  1. Wenn sich der Tatrichter ohne weitere eigene Erwägungen den Ausführungen des Sachverständigen angeschlossen hat, muss er im Urteil die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist.

Peinlich allerdings, dass ich mir nicht vermerkt habe, welcher Kollege mir den Beschluss geschickt hat. Sorry, dass ich dann nicht als Einsender nennen kann.

Vorsatz bei der Geschwindigkeitsüberschreitung – das ist für die AG häufig schwer

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Die Verurteilung wegen Vorsatzes bei der Geschwindigkeitsüberschreitung ist gefährlich für den Betroffenen, weil sie id.R. ein Absehen vom Fahrverbot mit der auf § 1 Abs. 1 BKatV gründenden Erst-Recht-Argumentation“ – schon bei Fahrlässigkeit ist ein Fahrverbot vorgesehen, dann ist bei Vorsatz erst Recht eins zu verhängen – sperrt. Andererseits gelingt den AG häufig nicht, die Verurteilung wegen Vorsatzes so zu begründen, dass sie beim OLG Bestand hat. Das zeigt dann mal wieder der OLG Celle, Beschl. v- 26.01.2015 – 321 SsBs 176 u. 177/14, der erst jetzt vom OLG veröffentlicht worden ist.

a) Soweit das Amtsgericht davon ausgeht, ordnungsgemäß aufgestellte Verkehrszeichen würden von Verkehrsteilnehmern in aller Regel wahrgenommen, steht dies im Einklang mit der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Celle Nds. RPfl. 2014,189). Es kann jedoch tatsächlich nur für den Regelfall gelten, also jedenfalls dann nicht, wenn sich ein Verkehrsteilnehmer darauf beruft, das geschwindigkeitsbeschränkende Schild nicht gesehen zu haben. So liegt es hier. Der Betroffene hat sich dahin eingelassen, zwar die Beschränkungen auf 120 km/h und auf 100 km/h, nicht aber die Beschränkung auf 80 km/h gesehen zu haben. Er sei entweder durch die unübersichtliche Verkehrslage abgelenkt oder das Verkehrszeichen sei durch andere Fahrzeuge verdeckt gewesen. Da es sich zudem um die erste Beschränkung auf 80 km/h handelte und der Betroffene nicht mehrere Schilderpaare mit dieser Beschränkung passiert hatte, kann ohne weiteres nicht davon ausgegangen werden, der Betroffene müsse die Beschränkung zwangsläufig wahrgenommen haben.

b) Damit steht lediglich fest, dass der Betroffene die Beschränkung auf 100 km/h erkannt hatte. Bei einer Geschwindigkeit von 126 km/h und einer Überschreitung um 26 % ist ein Schluss dahingehend, er habe diese Geschwindigkeitsüberschreitung bemerkt, allerdings noch nicht ohne weiteres zulässig, wie es etwa bei Überschreitungen über 40 % regelmäßig der Fall sein wird (vgl. dazu OLG Celle a. a. O. m. weit. Nachw.). Die äußeren Umstände, die bei solch hohen oder noch höheren Überschreitung zu dem Schluss drängen, diese Überschreitung müsse ein Autofahrer schon wegen äußerer Umstände wie Fahrgeräusche, Fahrverhalten seines Fahrzeuges u. a. wahrnehmen, lassen sich auf eine Überschreitung von 26 % nicht ohne weiteres übertragen (OLG Celle a. a. O.).

c) Soweit das Amtsgericht auf einen Eventualvorsatz schließt, weil der Betroffene sich in einem Geschwindigkeitstrichter befand, nach zwei Beschränkungen mit einer weiteren Beschränkung rechnen musste und deshalb billigend in Kauf genommen habe, diese dritte Beschränkung zu übersehen, drängt sich bereits die Grundannahme nicht auf, dass nach zwei Geschwindigkeitsbeschränkungen zwangsläufig eine dritte Beschränkung folgt.

Ergebnis: Aufhebung und neu machen.

Anmerkung: Was ganz interessant ist, dass auch die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die sich gegen das Absehen vom Fahrverbot geichtet hat, Erfolg hatte. Was mich in dem Zusammenhang erstaunt, dass das OLG mit keinem Wort darauf eingeht, dass wir es – zumindest beim AG – mit einem vorsätzlichen Verstoß zu tun hatten und so an sich die „Vorsatz-Sperre“ eine Rolle spielt. Dafür längere Ausführungen zu den beruflichen Härten mit dem Hinweis für die neue Hauptverhandlung:

„Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass es sich aufdrängen könnte, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatzverlust des Betroffenen zusammenhängenden Fragen durch Vernehmung von Beauftragten seiner Arbeitgeberin zu klären.“

Ein deutlicher Hinweis, dass man dem Betroffenen und vorgelegten Bescheinigungen so einfach nicht glaubt.

Akteneinsicht a la AG Weißenfels: Herausgabe der unverschlüsselten Rohmessdaten, oder: Anders würde ich auch nicht entscheiden…..

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Länger hat es keine Entscheidungen zur Akteneinsicht im Bußgeldverfahren gegeben. An der „Front“ ist es verhältnismäßig ruhig. Aber: Das scheint nur so. Denn inzwischen gibt es in meinen Augen eine zweite „Frontlinie“, die man als Verteidiger im Auge behalten sollte. Nämlich die Frage nach der Herausgabe der sog. Rohmessdaten in unverschlüsselter Form. Die wird von den Verwaltungsbehörden häufig immer noch verweigert. So auch von einer Verwaltungsbehörde in Sachsen-Anhalt in einem Bußgeldverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung. Der Verteidiger hat gegen die Ablehnung dann einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 62 OWiG) gestellt und hatte damit beim AG Weißenfels Erfolg. Dieses hat im AG Weißenfels, Beschl. v. 03.09.2015 – 10 AR 1/15 – die Verwaltungsbehörde angewiesen, die Rohmessdaten herauszugeben:

Aus den Grundsätzen des fairen Verfahrens und der Gewährung rechtlichen Gehörs folgt, dass dem Betroffenen auf dessen Antrag hin die sog. Rohmessdaten in unverschlüsselter Form zur Verfügung zu stellen sind.

Bei dem hier angewandten Messverfahren unter Verwendung des Messgeräts ES 3.0 der Fa. ESO GmbH handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren (so etwa OLG Hamm, Beschl. v. 29. Jan. 2013 – 1 RBs 2/13 –; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19. Okt. 2012 – 1 Ss Bs 12/12 –, jew. zit. n. juris). Liegt ein standardisiertes Messverfahren dem Bußgeldbescheid zu Grunde, so obliegt es dem Betroffenen, konkrete und einer Beweiserhebung zugängliche Umstände zu einem Messfehler vorzutragen. Hierzu bedarf es zunächst neben dem Einsichtsrecht in das Messprotokoll und den Eichschein des Messgeräts auch der Einsichtnahme in die Bedienungsanleitung sowie in die erforderlichen Fotos, beim Gerät ES 3.0 also das Messfoto und das sog. Fotolinienbild. Darüber hinaus muss dem Betroffenen auf sein Verlangen hin aber auch die bei der Messung erstellte Messdatei zugänglich gemacht werden, um ihm – unter Hinzuziehung eines privaten Sachverständigen – die Möglichkeit zu geben, eventuelle Messfehler zu entdecken und im Verfahren substantiiert behaupten zu können.

Würde man – wie hier die Verwaltungsbehörde – dem Betroffenen dieses Einsichtsrecht unter Hinweis darauf versagen, dass die Daten vom Gerätehersteller verschlüsselt werden und nur durch diesen in unverschlüsselter Form zur Verfügung gestellt werden können, würde der Betroffene in seinen Verfahrensrechten unzulässig eingeschränkt.

Ein zentrales Anliegen eines rechtsstaatlich geordneten Bußgeldverfahrens ist die Ermittlung des wahren Sachverhalts als der notwendigen Grundlage eines gerechten Urteils. Ausgestaltungen des Verfahrens, welche die Ermittlung der Wahrheit zu Lasten des Betroffenen behindern, können daher seinen Anspruch auf ein faires Verfahren verletzen. Ferner sichert dieser Anspruch dem Betroffenen, der nicht bloßes Objekt des Verfahrens sein darf, den erforderlichen Bestand an aktiven verfahrensrechtlichen Befugnissen, damit er zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss nehmen kann (so für das Strafverfahren: BVerfGE 46, 202, 210; 63, 45, 61). Hiergegen würde aber verstoßen, wenn dem Betroffenen die Möglichkeit versagt würde, gerade die Daten, auf denen der Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit beruht, nicht prüfen (lassen) zu können.

Der Betroffene kann diesbezüglich auch nicht auf die Möglichkeit des Einspruchs und das anschließende gerichtliche Verfahren verwiesen werden. Wie bereits vorstehend ausgeführt kommt eine Beweiserhebung regelmäßig nur in Betracht, wenn der Betroffene konkrete Umstände zu einem Messfehler vorträgt. Kennt er die Rohdaten nicht bzw. kann diese nicht unverschlüsselt auslesen, so wird ihm diese Möglichkeit zumindest teilweise genommen. Ein Beweisantrag des Betroffenen wäre dann durch das Gericht als „ins Blaue hinein gestellt“ möglicherweise abzulehnen.

Die Verwaltungsbehörde kann sich auch nicht darauf zurückziehen, dass die Daten durch den Hersteller verschlüsselt werden und derzeit lediglich dieser zur Entschlüsselung in der Lage ist. Wie durch das Urteil des OLG Naumburg vom 27. Aug. 2014 (OLG Naumburg, DAR 2015, 27 – 29) eindeutig festgestellt wurde, steht die Befugnis, über die Messdaten zu verfügen, der Behörde zu, die diese Daten erzeugt und abgespeichert hat. Es ist insoweit Sache der Verwaltungsbehörde, die Rohdaten in unverschlüsselter Form zu beschaffen und dem Betroffenen auf sein Verlangen hin zur Verfügung zu stellen. Genauso wenig kann der Betroffene darauf verwiesen werden, die unverschlüsselten Rohdaten unmittelbar bei der Fa ESO GmbH abzufordern, denn diese wäre zu einer Herausgabe an den Betroffenen gar nicht berechtigt, da sie keine Befugnis hat, über diese Daten zu verfügen (OLG Naumburg, a.a.O.).

Sieht sich die Verwaltungsbehörde auf das Verlangen des Betroffenen hin zu einer Überlassung der unverschlüsselten Rohdaten nicht in der Lage, so wird das Gericht bei Vorlage der Akten gegebenenfalls von der Möglichkeit des § 69 Abs. 5 OWiG Gebrauch zu machen haben.

Schöner Beschluss, der auf der Linie der Rechtsprechung zur dieser Frage liegt (vgl. das LG Halle, Urt. v. 05.12.2013 – 5 O 110/13 und dazu: ESO erleidet Schiffbruch beim LG Halle – Rohdatenauslesung zulässig – Instanzentscheidung zu der o.a. Entscheidung des OLG Naumburg und bereits auch AG Kassel, Beschl. v. 27.02.2015 – 381 OWi – 9673 Js 32833/14). Schön auch der Hinweis des AG auf den § 69 Abs. 5 OWiG, von dem viel zu wenig Gebrauch gemacht wird. Also nicht durchwinken, sondern ermitteln.

Ist also wieder Bewegung im Spiel. Und nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern auch an anderen Orten. Denn der amtsrichterliche Kollege, der mir die Entscheidung geschickt hat, hatte als „Betreff“ gewählt: Anders würde ich auch nicht entscheiden. Recht so 🙂 .

Geschwindigkeitsüberschreitung: Die „vollständige Messreihe des Tattages“ bekommst du von mir nicht

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In einem im Bezirk des OLG Düsseldorf bei einem AG anhängige Verfahren wegen einer Geschwindigkeitsübershreitung beantragt der Verteidiger des Betroffenen (in der Hauptverhandlung) die Vorlage der vollständigen Messreihe des Tattages, um die Mesungen durch einen privaten Sachverständigen überprüfen zu lassen Das AG lehnt ab. Dagegen dann die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der der beim OLG Düsseldorf keinen Erfolg hat. Das führt im OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.07.2015 – IV-2 RBs 63/15 – u.a. aus:

„Dem Betroffenen stand indes im Rahmen der Hauptverhandlung kein Recht auf Einsicht in die bezeichneten Messdaten und deren Überlassung zu.

aa) Ein solches Recht folgt nicht aus 147 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG. Die Messdaten des Tattages, die sich nicht auf den Betroffenen, sondern auf andere Verkehrsteilnehmer beziehen, sind nicht Teil der dem Gericht vorliegenden Akte. Sie hätten dem Gericht bei Abgabe des Verfahrens nach Einlegung des Einspruchs auch nicht vorgelegt werden müssen.

Zur Akte gehören grundsätzlich alle Schriftstücke, Ton- oder Bildaufnahmen, Videoaufzeichnungen u. a., aus denen sich schuldspruch- oder rechtsfolgenrelevante Umstände ergeben können (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 147 Rdn. 14; BGH StV 2010, 228, 229; LG Itzehoe StV 1991, 555; OLG Koblenz NJW 1981, 1570). Dabei bezieht sich das Einsichtsrecht nur auf das gegen den jeweiligen Beschuldigten geführte Verfahren, nicht hingegen auf Aktenbestandteile anderer Verfahren, selbst wenn die Verfahren zeitweise gemeinsam geführt und später getrennt wurden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 147 Rdn. 16; BGHSt 52, 58, 62). So gehören etwa polizeiliche Spurenakten nur zu den Akten, soweit sie bei der Verfolgung einer bestimmten Tat gegen einen bestimmten – bekannten oder unbekannten – Täter angefallen sind, falls ihr Inhalt für die Feststellung der dem Beschuldigten vorgeworfenen Tat und für etwaige gegen ihn zu verhängende Rechtsfolgen von irgendeiner Bedeutung sein kann (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 147 Rdn. 16; BVerfGE 63, 45, 62). Es ist zunächst Aufgabe der Ermittlungsbehörden, nach dem Grundsatz der Objektivität zu prüfen, welche Urkunden, Daten o. ä. Relevanz für das Verfahren gegen einen bestimmten Beschuldigten oder Betroffenen haben, und eine entsprechende Auswahl bei der Zusammenstellung der Verfahrensakte zu treffen, bevor diese dem Gericht vorgelegt wird (vgl. BGHSt 30, 131, 139 f.).

Nach dieser Auffassung hätten die Messdaten, die lediglich andere Verkehrsteilnehmer betreffen, dem Gericht nicht vorgelegt werden müssen, da die Ermittlungsbehörden diesen Daten für das Verfahren gegen den Betroffenen keine Bedeutung beigemessen haben und eine solche auch nicht ersichtlich ist…….“

Und: Auch kein Verstoß gegen das Gebot des fairen Verfahrens:

„bb) Im Rahmen der Hauptverhandlung gegenüber dem Gericht ergibt sich ein Recht des Betroffenen auf Einsicht in die Messdaten des Tattages, die lediglich andere Verkehrsteilnehmer betreffen, und auf Überlassung dieser Daten auch nicht aus dem Gebot des fairen Verfahrens……

Aus dem Gebot des fairen Verfahrens kann sich nach herrschender Auffassung unter bestimmten Umständen ein Recht auf Einsicht in Akten, Daten o. a. ergeben, das über das Recht aus § 147 StPO hinausgeht. So wird bezogen auf Bußgeldverfahren die Ansicht vertreten, dass ein Betroffener aus dem Gebot des fairen Verfahrens gegenüber der Verwaltungsbehörde verlangen kann, dass ihm Einsicht in die Messdaten oder Videoaufzeichnungen des Tattages, die sich nicht auf die dem jeweiligen Betroffenen vorgeworfene Tat beziehen, gewährt wird, ohne dass konkrete Anhaltspunkte für Messfehler vorliegen oder vom Betroffenen vorgetragen worden sind (vgl. AG Heidelberg, Beschl. v. 31. Oktober 2011 – 3 OWi 510 Js 22198/11; AG Jena, Beschl. v. 28. Februar 2011 – 11 OWi 1303/10; AG Schleiden, Beschl. v. 13. Juli 2012 – OWi 92/12 (b); Cierniak ZfSch 2012, 664). Hinsichtlich anderer Urkunden ohne unmittelbaren Tat- oder Täterbezug wie etwa dem Wartungsbuch und der Bedienungsanleitung des Messgerätes, dem Schulungsnachweis und der Bestallungsurkunde des Messbeamten wird ein solches allgemeines Einsichtsrecht mit unterschiedlichen Begründungen teilweise bejaht (vgl. AG Bamberg, Beschl. v. 11. Dezember 2011 – 14 OWi 2311 Js 13450/11; AG Düsseldorf, Beschl. v. 18. Oktober 2011 – 312 OWi 306/11 [b]; AG Lüdinghausen DAR 2012, 156; AG Kaiserslautern ZfSch 2012, 407; AG Parchim ZfSch 2012, 716) und teilweise verneint (vgl. vgl. AG Detmold, Beschl. v. 4. Februar 2012 – 4 OWi 989/11; AG Eisenach, Beschl. v. 17. August 2006 – 305 Js 9448/06 1 OWi; AG Straubing DAR 2006, 637).

Es muss hier nicht abschließend entschieden werden, ob grundsätzlich ein allgemeines Einsichtsrecht im Bußgeldverfahren jedenfalls hinsichtlich solcher Daten besteht, bei denen nicht schlechthin auszuschließen ist, dass sich aus ihnen Entlastungsmomente ergeben, ohne dass konkrete Anhaltspunkte für einen entlastenden Inhalt bestehen oder vom Betroffenen vorgetragen werden. Jedenfalls steht dem Betroffenen ein solches Einsichtsrecht nicht im Rahmen der Hauptverhandlung zu…….

Auch der Umstand, dass dem Betroffenen ein etwaiges Einsichtsrecht durch die Bußgeldbehörde verweigert werden könnte, gebietet es nicht, ihm dieses Recht in der Hauptverhandlung einzuräumen. Dem Betroffenen verbleibt die Möglichkeit, gemäß § 62 Abs. 1 OWiG einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu stellen. Sollte auch dieser erfolglos bleiben, so könnte er Verfassungsbeschwerde einlegen und gegebenenfalls im Hinblick darauf einen Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung stellen.“

Wird Herr Cierniak nicht so gerne lesen. Und „charmant“ der Hinweis auf die Verfassungsbeschwerde. Das wird man in Karlsruhe nicht so gerne lesen.