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beA II: Wirksamkeit der Berufungsrücknahme per Fax, oder: Berufungsrücknahme per Fax zulässig

folgenden Text dazu nutzen:
Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay

Die zweite Entscheidung kommt mit dem OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.11.2022 – 1 Ws 312/22. das hat sich in dem Beschluss zur Wirksamkeit einer Berufungsrücknahme geäußert.

Der Angeklagte ist vom AG u.a. wegen versuchter Nötigung und vorsätzlicher Gefährdung verurteilt worden. Sein Verteidiger, Rechtsanwalt A., legte am 29.04.2022 fristgerecht unter Wahrung der Form des § 32d Satz 2 StPO gegen das Urteil Berufung ein. Nach Vorlage der Akten an das LG zeigte Rechtsanwalt B. am 04.07.2022 die Verteidigung des Angeklagten an und reichte nach Gewährung von Akteneinsicht mit am 08.08.2022 beim LG eingegangenem Schreiben die Kopie einer vom Angeklagten am 30.06.2022 unterzeichneten Vollmacht für das Berufungsverfahren vor, in welcher Rechtsanwalt B. ausdrücklich ermächtigt wurde, Rechtsmittel zurückzunehmen. Wenige Tage vor dem anberaumten Termin zur Berufungshauptverhandlung erklärte Rechtsanwalt B. mit Telefax vom 05.10.2022, eingegangen beim Landgericht am 07.10.2022 (11.21 Uhr): „Nehmen wir namens und in Auftrag des Angeklagten die eingelegte Berufung zurück“.

Nach Aufhebung des Hauptverhandlungstermins im Hinblick auf die Berufungsrücknahme, den Verteidigern mitgeteilt per Fax vom 07.10.2022 (12.35 Uhr), „korrigierte“ mit Fax vom 07.10.2022, Rechtsanwalt B. seine Erklärung wie folgt: „Der Beschuldigte nimmt die eingelegte Berufung nicht zurück. Der Beschuldigte wird vom Unterzeichner nicht weiter anwaltlich vertreten. Wir bitten, das Versehen zu entschuldigen, es gab ein Kommunikationsmissverständnis mit dem Mandanten.“ Mit Schreiben vom 14.10.2022 teilte Rechtsanwalt B. ergänzend Folgendes mit: „….wird nochmals klargestellt, dass der Verteidiger Rechtsanwalt B. vom Angeklagten nicht ausdrücklich zur Rücknahme beauftragt wurde. Der Unterzeichner ging fälschlicherweise davon aus, dass eine Berufungsrücknahme gewünscht sei. Dies war aber zu keinem Zeitpunkt der Fall. Die Berufungsrücknahme erfolgte alleine durch einen Kanzleifehler des Verteidigers.“

Das LG hat die Wirksamkeit der Berufungsrücknahme und die Erledigung des Berufungsverfahrens festgestellt. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde (§ 346 Ans. 2 StPO) hatte keinen Erfolg.

Das OLG äußert sich zur Frage der Ermächtigung zur Berufungsrücknahme. Insoweit verweise ich auf den verlinkten Volltext und stelle hier nur den Leitsatz des OLG dazu ein:

Die in einer formularmäßigen Strafprozessvollmacht enthaltene Ermächtigung des vom Angeklagten speziell für das Berufungsverfahren beauftragten (weiteren) Verteidigers zur Rücknahme von Rechtsmitteln ermächtigt als ausdrückliche Ermächtigung i.S.v. § 302 Abs. 2 StPO diesen zur Rücknahme einer (vom anderen Verteidiger zuvor eingelegten) Berufung.

Und dann äußert sich das OLG zur Form der Berufungsrücknahme, und zwar wie folgt:

„4. Die Rücknahme der Berufung konnte wirksam durch von Rechtsanwalt B. unterzeichnetes und per Telefax an das Gericht übermitteltes Schreiben erfolgen; eine Verpflichtung zur Übermittlung der Erklärung in der von § 32d S. 2 StPO vorgeschriebenen Form (über „beA“) besteht nicht. Zwar strebt der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des Rechtsverkehrs v. 05.07.2017 (BGBl. I, 2229) mit dem am 01.01.2022 in Kraft getretenen und mit „Pflicht zur elektronischen Übermittlung“ überschriebenen § 32d StPO ausdrücklich eine Übermittlung aller Dokumente in elektronischer Form an. Dass S. 1 dennoch nur als Sollvorschrift ausgestaltet ist, ist darauf zurückzuführen, dass die strenge Nutzungspflicht nach S. 2 auf Dokumente beschränkt bleiben sollte, bei denen von vornherein ausgeschlossen ist, dass sie in einer besonders eilbedürftigen Situation abzugeben sind, in der die Infrastruktur für eine elektronische Einreichung nicht zur Verfügung steht (BT-Drs. 18/9416, 50). Zwar kann die Erklärung über die Rücknahme der Berufung eine solche Sondersituation nicht für sich in Anspruch nehmen. Gleichwohl hat der Gesetzgeber die Möglichkeit der obligatorisch elektronisch vorzunehmenden Verfahrenshandlungen in § 32d S. 2 StPO ausdrücklich und abschließend auf lediglich einzelne ausgewählte schriftliche Erklärungen beschränkt und auch andere Verfahrenshandlungen wie etwa den Einspruch gegen den Strafbefehl (§ 410 Abs. 1 StPO), bei dem ebenfalls eine besonders eilbedürftige Situation auszuschließen ist, von dieser Verpflichtung – wegen seiner offensichtlichen praktischen Relevanz sicherlich nicht unbewusst – ausdrücklich ausgenommen. Mit der in § 32d StPO geschaffenen Regelung hat sich der Gesetzgeber – bewusst unvollkommen, gleichwohl abschließend – für bestimmte Prozesserklärungen entschieden, welche er in S. 2 exklusiv der strengen Form als Voraussetzung ihrer Zulässigkeit unterwirft.

5. Wortlaut und Systematik des § 32d StPO lassen daher eine erweiterte Auslegung der Vorschrift dahingehend, dass die Form der Rücknahme eines Rechtsmittels sich nach der für dessen Einlegung geltenden Form richte, nicht zu. Soweit die Rechtsprechung den Rechtsmittelverzicht und die Rücknahme eines Rechtsmittels in Ermangelung einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung grundsätzlich an die gleiche Form wie die Einlegung des Rechtsmittels bindet (BGHSt 18, 257, 260; BGH NStZ 2009, 51; BeckRS 2016, 06313; KG NStZ 2015, 236; KG BeckRS 2020, 9976; BeckOK StPO/Cirener, 45. Ed. 1.10.2022, StPO § 302 Rn. 4; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl. 2022 § 302 Rn. 7), gilt dies nur für Erklärungen des Angeklagten selbst. Dieser muss – zum eigenen Schutz vor Abgabe einer übereilten oder nicht überprüften Erklärung – die Rücknahme eines Rechtsmittels schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklären. Schutzbelange des Angeklagten sind aber nicht tangiert, wenn der vom Angeklagten hierzu ausdrücklich ermächtigte Verteidiger die Erklärung über die Rechtsmittelrücknahme nicht über „beA“, sondern per Telefax dem Gericht übermittelt.“

Aber dennoch Vorsicht: Man sollte ggf. doch das beA benutzen. Denn man weiß ja nie….. 🙂

Einspruch gegen Versäumnisurteil per Fax eingelegt, oder: Geht nicht mehr, nur noch durch beA

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Heute „Kessel-Buntes_Tag“ – wie immer am Samstag. Und ich stelle dann noch einmal zwei Entscheidungen zur aktiven Nutzungspflicht und/oder dem elektronischen Dokument vor. Die eine stammt aus einem Zivilverfahren, die andere ist im Strafverfahren ergangen.

Zunächst hier die Entscheidung aus dem Zivilverfahren. Das LG Köln nimmt im LG Köln, Urt. v. 22.02.2022 – 14 O 395/21 – kurz und zackig zur Zulässigkeit eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil Stellung. Das LG hat den Einspruch des Beklagten als unzulässig verworfem.

„Der Einspruch war zu verwerfen, weil er nicht in der gesetzlichen Form eingelegt worden ist (§ 341 ZPO).

Der Einspruch wird gemäß § 340 Abs. 1 ZPO durch Einreichung der Einspruchsschrift bei dem Prozessgericht eingelegt. Seit Beginn des Jahres 2022 gilt § 130d ZPO, wonach „vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt […] eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln“ sind. Insoweit ergeben sich die Einzelheiten aus § 130a ZPO. Auch die Einspruchsschrift nach einem Versäumnisurteil fällt als bestimmender Schriftsatz unter die Pflicht nach §§ 130a, 130d ZPO.

Vorliegend ist der Einspruch vom 13.01.2022 durch die Prozessbevollmächtigte des Klägers lediglich per Fax am 14.01.2022 beim Landgericht Köln eingegangen. Dies genügt nicht den Anforderungen der §§ 130a, 130d ZPO. Die Einspruchsschrift ist auch nach dem Faxeingang nicht als elektronisches Dokument übermittelt worden.

Auch nach Hinweis des Gerichts vom 28.01.2022 auf diesen Umstand ist die Einspruchsschrift nicht als elektronisches Dokument übermittelt worden. Eine Unmöglichkeit der Übermittlung als elektronisches Dokument nach § 130d S. 2 ZPO ist nicht dargelegt worden.

Die Erhebung des Einspruchs per Fax als Prozesshandlung ist folglich unwirksam und nicht zu beachten. Angesichts des Zeitablaufs seit Zustellung des Versäumnisurteils war der formnichtige Einspruch zu verwerfen.“

Ich verstehe nicht, warum man als Prozessbevommächtigte nicht auf den Hinweis des Gerichts reagiert und versucht zu retten, was noch zu retten ist.

Achtung!! Keine Faxen beim Faxen, erst recht nicht kurz vor Fristablauf

UhrAus dem Zivilrecht stammt der BGH, Beschl. v. 19.02.2016 – XI ZB 14/15, der eine „Faxproblematik“ zum Gegenstand hat und die damit zusammenhängende Wiedereinsetzungsfrage. Ergangen ist er zwar im Zivilrecht, er kann aber auch im Strafverfahren von Bedeutung sein. Es ging um den rechtzeitigen Eingang einer Berufungsbegründung:

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat am 05.02.2015 gemäß der Zeitangabe auf seinem Telefaxgerät ab 23:50 Uhr versucht, eine elfseitige Berufungsbegründungsschrift an das Berufungsgericht unter der Durchwahl-nummer -3570 zu senden. Um 23:50 Uhr, 23:52 Uhr und 23:54 Uhr jeweils nach der Zeitangabe des Sendegeräts hat er die Rückmeldung erhalten: „Teilnehmer antwortet nicht“. Um 23:56 Uhr (Zeitangabe Sendegerät) ist ihm das Ergebnis des Sendevorgangs mit „Korrekt“ und die Dauer der Übersendung von zwölf Seiten (letzte Seite zweifach) mit 2 Minuten 50 Sekunden mitgeteilt worden. Eine ebenfalls um 23:56 Uhr (Zeitangabe Sendegerät) von einem zweiten Telefaxgerät veranlasste Übermittlung von elf Seiten an die zweite Durchwahlnummer des Berufungsgerichts -2747 ist mit „OK“ und einer Übertragungsdauer von 2 Minuten 13 Sekunden auf dem Journal des Sendegeräts niedergelegt.

Auf dem Empfangsjournal des Telefaxgeräts des Berufungsgerichts zur Durchwahlnummer -3570 ist für den 05.02.2015 ab 23:53 Uhr der Eingang eines fünfunddreißigseitigen Schriftsatzes der Rechtsanwälte S. dokumentiert, dessen Übermittlung laut Empfangsjournal 6 Minuten 13 Sekunden gedauert hat. Für den 6. Februar 2015 ist ab 00:00 Uhr der Eingang von zwölf Seiten über 2 Minuten 57 Sekunden verzeich-net. Das Empfangsjournal des zweiten Telefaxgeräts dokumentiert für den 6. Februar 2015 ab 00:00 Uhr den Eingang von elf Seiten über eine Dauer von 2 Minuten 23 Sekunden. Die Posteingangsstelle des Berufungsgerichts hat auf einem Telefax zunächst einen auf den 05.02.2015 datierten Eingangsstempel aufgebracht, den sie nachträglich auf den 06.02.2015 korrigiert hat.

Das Berufungsgericht hat nach Erteilung eines Hinweises und Einholung einer dienstlichen Stellungnahme der bei der Posteingangsstelle tätigen Bediensteten die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen und seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Berufung zurückgewiesen. Der Kläger habe die Berufung nicht innerhalb der bis zum 05.02.2015 verlängerten Frist begründet. Die Übermittlung von Telefaxen sei vor Ablauf des 05.02.2015 nicht nur nicht vollendet, sondern ausweislich der Empfangsjournale nicht begonnen worden.

Der BGH hat es „gehalten“:

„2. Das Berufungsgericht hat entgegen der Auffassung der Rechtsbe-schwerde dem Kläger Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Berufung rechtsfehlerfrei und ohne Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG versagt, so dass auch insoweit eine Entscheidung des Senats zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) nicht erforderlich ist. Der Kläger war nicht ohne das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) gehindert, diese Frist einzuhalten (§ 233 ZPO). Insbesondere hat das Berufungsgericht die Anforderungen, die an die Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts zu stellen sind, nicht überspannt.

a) Zwar darf der Prozessbevollmächtigte einer Partei bei der Erstellung und Übermittlung der Berufungsbegründung die ihm dafür eingeräumte Frist bis zur äußersten Grenze ausschöpfen. Ein Rechtsanwalt, der einen fristgebunde-nen Schriftsatz wie hier am letzten Tag der Frist einreichen will, muss aber sicherstellen, dass der Schriftsatz auf dem gewählten Übertragungsweg noch rechtzeitig vor Fristablauf bei Gericht eingeht. Das zur Fristwahrung Gebotene tut der Anwalt bei der Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax nur, wenn er mit der Übermittlung so rechtzeitig beginnt, dass unter gewöhnlichen Umständen mit ihrem Abschluss am Tag des Fristablaufs bis 24:00 Uhr gerechnet wer-den kann (Senatsbeschluss vom 3. Mai 2011 – XI ZB 24/10, juris Rn. 9; BGH, Beschluss vom 27. November 2014 – III ZB 24/14, FamRZ 2015, 323 Rn. 7 mwN).

b) Das war hier nicht der Fall. Nach den vorgenannten Grundsätzen widersprach es den Sorgfaltsanforderungen, erst wenige Minuten vor Fristablauf mit der Übersendung zu beginnen. Eine Partei muss bei der Übermittlung ihrer Schriftsätze nicht nur Verzögerungen einkalkulieren, mit denen üblicherweise zu rechnen ist, wozu insbesondere auch in den Abend- und Nachtstunden die Belegung des Empfangsgeräts bei Gericht durch andere eingehende Sendungen gehört (Senatsbeschluss vom 3. Mai 2011 – XI ZB 24/10, juris Rn. 10; BGH, Beschluss vom 27. November 2014 – III ZB 24/14, FamRZ 2015, 323 Rn. 8). Sie muss auch sicherstellen, dass der Empfang der Sendung noch innerhalb der Frist abgeschlossen werden kann.

Das hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers, dessen Verschulden sich der Kläger zurechnen lassen muss, nicht getan. Entsprach, wovon das Berufungsgericht aufgrund der eingeholten dienstlichen Stellungnahme zutreffend ausgegangen ist, die täglich mit einer Funkuhr abgeglichene Zeitangabe der Empfangsgeräte der physikalisch exakten Zeit und gingen damit die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers verwendeten Sendegeräte vier Minuten „nach“, scheiterte die Übermittlung zwischen 23:54 Uhr (Zeitangabe Sendegerät 23:50 Uhr) und 23:59 Uhr (Zeitangabe Sendegerät 23:55 Uhr) daran, dass, worauf der Prozessbevollmächtigte des Klägers eingestellt sein musste, das Empfangsgerät mit der Durchwahlnummer -3570 ausweislich des Empfangsprotokolls zwischen 23:53 Uhr und 23:59 Uhr belegt war. Damit war, was das Berufungsgericht ohne Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG geschlussfolgert hat, das Fristversäumnis nicht unverschuldet, zumal für die Übermittlung ein zweites Empfangsgerät des Berufungsgerichts zur Verfügung gestanden hätte.“

Dazu passt dann der BVerfG, Beschl. v.15.01.2014 – 1 BvR 1656/09 und dazu Beim Faxen keine Faxen machen, sondern: Sicherheitspolster einkalkulieren.

Wiedereinsetzung? Nein, Empfängerkurzwahl auf Fax-Sendeprotokoll reicht nicht

Fax_MachineUnd hier dann die zweite „Faxentscheidung“ des heutigen Samstag (vgl zur ersten das Posting bei Beim Faxen keine Faxen machen, sondern: Sicherheitspolster einkalkulieren.) Jetzt geht es auch um eine obergerichtliche Entscheidung, aber „nur“ eine des BGH, ergangen in einer Familiensache. Dem BGH, Beschl. v. 11.12.2013 – XII ZB 229/13 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Antragsteller hatte beim OLG fristgemäß Beschwerde eingelegt. Eine Beschwerdebegründung war dann aber nicht fristgemäß eingegangen. Nach richterlichem Hinweis, dass die Beschwerde nicht innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist begründet worden sei, hat der Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Begründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er glaubhaft gemacht, sein Verfahrensbevollmächtigter habe die Beschwerdebegründung am 23. Januar 2013 fertig gestellt und unterschrieben und den Schriftsatz am selben Tag per Telefax gesendet, wobei er die in das Faxgerät eingespeicherte Kurzwahl des Beschwerdegerichts „OLG HRO“ verwendet habe, welche geräteintern mit der Telefaxnummer des Beschwerdegerichts verknüpft sei. Durch einen Sendebericht, mit dem die Übermittlung der Sendung an den Empfänger „OLG HRO“ bestätigt worden sei, habe der Bevollmächtigte sich von der ordnungsgemäßen Versendung des Telefaxes überzeugt. Auch andere Sendungen in anderen Rechtsangelegenheiten seien vor und nach der hier streitigen Sendung erfolgreich unter Verwendung der Kurzwahl „OLG HRO“ an das Beschwerdegericht übermittelt worden.Das hat dem BGH so nicht gereicht. Denn:

Die Ausgangskontrolle muss sich allerdings auch darauf beziehen, dass bei der Versendung des Telefaxes die zutreffende Empfängernummer verwendet wurde (BGH Beschlüsse vom 10. September 2013 – VI ZB 61/12MDR 2013, 1303; vom 30. Oktober 2012 – III ZB 51/12 – juris Rn. 6; vom 7. November 2012 – IV ZB 20/12NJW-RR 2013, 305 Rn. 9; vom 12. Juni 2012 – VI ZB 54/11NJW-RR 2012, 1267 Rn. 7; vom 27. März 2012 – VI ZB 49/11NJW-RR 2012, 744 Rn. 7; vom 12. Mai 2010 – IV ZB 18/08NJW 2010, 2811; vom 3. Dezember 1996 – XI ZB 20/96NJW 1997, 948; BAGE 79, 379 = NJW 1995, 2742). Diese Gewissheit kann das Sendeprotokoll nur vermitteln, wenn es nicht nur eine technisch fehlerfreie Versendung als solche belegt, sondern ebenfalls ausweist, an welche konkrete Empfängernummer das Telefax gesendet wurde. Nur der mit dieser Angabe versehene „OK“-Vermerk kann das Vertrauen auf eine ordnungsgemäße Versendung an den zutreffenden Empfänger begründen.

Dem steht ein „OK“-Vermerk, der sich lediglich auf eine im Faxgerät hinterlegte Kurzwahl bezieht, nicht gleich. Denn ein Sendeprotokoll, das nur die verwendete Kurzwahl ausweist, ermöglicht keine verlässliche Überprüfung, ob die mit der Kurzwahl intendierte Empfängernummer tatsächlich angewählt wurde. Die Verwendung von Kurzwahlnummern birgt gewisse Risiken einerseits von technischen Fehlern bei der geräteinternen Zuordnung der anzuwählenden Nummer, andererseits von Bedienungsfehlern, beispielsweise einer versehentlichen Umprogrammierung der Kurzwahlnummer, gegebenenfalls auch durch andere Gerätebenutzer. Dass sich eine der möglichen Fehlerquellen verwirklicht haben könnte, lässt sich mit hinreichender Sicherheit nur durch einen Sendebericht ausschließen, der die tatsächlich angewählte Telefaxnummer zu erkennen gibt.“

Also auch hier: „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“.

Nach dem Fax muss es fix gehen

Fax_MachineAm Verhandlungstag geht um 10.51 Uhr ein Telefax des Rechtsanwalts beim Landgericht mit dem Hinweis „Eilt ! Bitte sofort vorlegen! Termin um 12.00 Uhr !“ ein, mit welchem er mitteilt, dass der Rechtsanwalt, der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, kurzfristig erkrankt sei und trotz intensiver Bemühungen in der Kürze der Zeit kein anderweitiger Vertreter gefunden worden sei. Zugleich beantragte er mit dem Telefax, den Verhandlungstermin aufzuheben, und fügte ihm eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung betreffend den Rechtsanwalt  vom selben Tage bei, ausweislich derer er seit dem Tag arbeitsunfähig erkrankt war.

Die Einzelrichterin der Zivilkammer des LF erlässt in Unkenntnis dieses Umstandes am Schluss der mündlichen Verhandlung auf entsprechenden Antrag der Klägerin ein zweites Versäumnisurteil. Das Telefax des Prozessbevollmächtigten der Beklagten wurde  ausweislich eines Vermerks erst später vorgelegt.

Das OLG Hamm, ‌Urt. v. 07‌.‌10‌.‌2013‌ –  18 U ‌77‌/‌13‌ – sagt: Keine schuldhafte Säumnis bei mehr als eine Stunde vor Verhandlungsbeginn bei Gericht eingehendem Fax mit Krankmeldung des Anwalts- Gehe bei der zentralen Eingangsstelle des Landgerichts um 10.43 Uhr ein Fax mit dem Hinweis „Eilt! Bitte sofort vorlegen! Termin um 12.00 Uhr!“ ein, mit welchem die Prozesspartei mitteilen lässt, dass der Prozessbevollmächtigte kurzfristig erkrankt und trotz intensiver Bemühungen in der Kürze der Zeit kein anderweitiger Vertreter gefunden worden sei, darf kein Versäumnisurteil ergehen. Zwar könne im Einzelfall das Übersenden eines Telefaxes jedenfalls dann, wenn es nicht an die Serviceeinheit, sondern an die zentrale Eingangsstelle des Gerichtes gesendet wird, trotz darauf befindlichen Dringlichkeitshinweises unzureichend und eine telefonische Unterrichtung der zuständigen Serviceeinheit geboten sein. Dies gelte jedoch dann nicht, wenn bis zu dem Verhandlungstermin noch mehr als eine Stunde Zeit verbleibt. Denn dann könne und dürfe der Absender des Telefaxes, wenn es entsprechende deutlich sichtbare Dringlichkeitshinweise enthält, auch bei Eingang des Faxes auf der zentralen Eingangsstelle darauf vertrauen, dass es dort noch rechtzeitig bearbeitet und vor Verhandlungstermin dem zuständigen Richter vorgelegt wird.