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Fahrtenbuch I: Innerorts 40 Km/h zu schnell gefahren, oder: Das reicht für eine Auflage

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Heute stelle ich dann zwei Entscheidungen zur Fahrtenbuchauflage (§ 31a StVZO) vor.

Zunächst kommt hier der BayVGH, Beschl. v. 13.10.2022 – 11 CS 22.1897. Nichts Besonderes, sondern nur weitgehend das Übliche in diesen Fällen. Gestritten worden ist um eine Anordnung nach einer Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaft um 40 km/h.

Der Antrag des Betroffenen auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Anordnung hatte keinen Erfolg:

„b) Die Fahrtenbuchauflage ist auch materiellrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Der festgestellte Verkehrsverstoß ist hinreichend gewichtig, um die Anordnung des Führens eines Fahrtenbuchs zu rechtfertigen (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, U.v. 28.5.2015 a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Auch ein erst- oder einmaliger Verkehrsverstoß von erheblichem Gewicht kann unabhängig von der konkreten Gefährlichkeit eine Fahrtenbuchauflage rechtfertigen. Dies kann in der Regel angenommen werden, wenn der Verstoß im Fahreignungs-Bewertungssystem (§ 4 des Straßenverkehrsgesetzes – StVG, § 40 der Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) mit mindestens einem Punkt eingestuft ist (vgl. OVG LSA, B.v. 2.2.2020 a.a.O. Rn. 17; OVG NW, B.v. 21.3.2016 – 8 B 64/16 – juris Rn. 31). Nr. 2.2.3 der Anlage 13 zur § 40 FeV i.V.m. Nr. 11.3.6 der Tabelle 1 zur Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) sieht bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften (§ 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVO) um 31 bis 40 km/h eine Bewertung mit zwei Punkten vor. Somit war hier von einem hinreichend gewichtigen Verkehrsverstoß auszugehen.

bb) Ohne Erfolg beruft sich der Antragsteller darauf, dass die Verwaltungsgemeinschaft Oettingen ihn als Fahrzeughalter im Rahmen der Ermittlungen nicht innerhalb von zwei Wochen nach dem Verstoß erstmals angehört und zur Mitteilung des Fahrzeugführers aufgefordert habe.

Die Feststellung des Kraftfahrzeugführers ist im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO unmöglich, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um ihn zu ermitteln. Art und Ausmaß der Ermittlungen hängen insbesondere von der Art des jeweiligen Verkehrsverstoßes und der Bereitschaft des Kraftfahrzeughalters zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrers ab (vgl. etwa BVerwG, U.v. 17.12.1982 – 7 C 3.80BayVBl 1983, 310; BayVGH, B.v. 26.3.2015 – 11 CS 15.247 – juris Rn. 12). Zwar gehört zu einem angemessenen Ermittlungsaufwand grundsätzlich die unverzügliche, d.h. regelmäßig innerhalb von zwei Wochen durchzuführende Benachrichtigung des Fahrzeughalters von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung (vgl. BVerwG, U. v. 13.10.1978 – VII C 77.74 – Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 5), da die Wahrscheinlichkeit, dass der Fahrzeughalter die Frage nach dem Fahrzeugführer noch zuverlässig beantworten kann, mit zunehmendem Zeitabstand geringer wird. Diese Frist hat die Verwaltungsgemeinschaft mit ihrer erstmaligen Anhörung vom 5. August 2021 sieben Wochen nach der Tat deutlich überschritten. Allerdings ist die Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist unschädlich, wenn sie für die Nichtfeststellung des Fahrzeugführers nicht kausal ist, etwa weil die Ergebnislosigkeit der Ermittlungen nicht auf Erinnerungslücken des Fahrzeughalters beruht (vgl. etwa BayVGH, B. v. 20.7.2016 – 11 CS 16.1187 – juris Rn. 11; OVG Saarl, B.v. 18.7.2016 – 1 B 131/16 – juris Rn. 20 f. m.w.N.). So liegt es hier. Der Antragsteller hat als Reaktion auf die verspätete Anhörung keine Erinnerungslücken geltend gemacht, sondern auf dem von ihm zurückgesandten Anhörungsbogen handschriftlich vermerkt, der oder die Fahrzeugführer/in sei „nicht bekannt“. Gegenüber der von der Verwaltungsgemeinschaft um Amtshilfe gebetenen Polizeiinspektion Dinkelsbühl hat er erklärt, er wolle sich nicht zur Sache äußern. Beides bringt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend feststellt, etwas Anderes zum Ausdruck als fehlendes Erinnerungsvermögen aufgrund der vergangenen Zeit. Erst im Rahmen der vom Landratsamt durchgeführten Anhörung zur Fahrtenbuchauflage gab der Antragsteller am 28. Oktober 2021 an, er könne aufgrund der verstrichenen Zeit keine Angaben darüber machen, wer Fahrer des Fahrzeugs gewesen sei. Auf diese Erklärung kommt es jedoch für die Frage der Kausalität der verspäteten Anhörung zur Person des Fahrers im Rahmen des Bußgeldverfahrens für die Unmöglichkeit der Fahrerfeststellung vor Eintritt der Verfolgungsverjährung drei Monate nach der Tat nicht an. Etwaige Erinnerungslücken nach Einstellung des Bußgeldverfahrens stehen der Fahrtenbuchauflage nicht entgegen.

c) Schließlich bestehen auch keine Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit gegen die Dauer der Verpflichtung zur Führung des Fahrtenbuchs. Maßgeblich hierfür ist vor allem das Gewicht der festgestellten Verkehrszuwiderhandlung. Je schwerer das mit dem Kraftfahrzeug des Halters begangene Verkehrsdelikt wiegt, desto eher ist es gerechtfertigt, dem Fahrzeughalter eine nachhaltige Überwachung der Nutzung seines Fahrzeuges für einen längeren Zeitraum zuzumuten. Denn mit zunehmender Schwere des ungeahndet gebliebenen Delikts wächst das Interesse der Allgemeinheit, der Begehung weiterer Verkehrsverstöße vergleichbarer Schwere entgegenzuwirken. Das Bundesverwaltungsgericht sieht es als naheliegend an, wenn sich die zuständige Behörde für die konkrete Bemessung der Dauer der Fahrtenbuchauflage am Punktesystem der Anlage 13 zu § 40 FeV ausrichtet (BVerwG, U.v. 28.5.2015 BVerwGE 152, 180 Rn. 20 ff., ebenso BayVGH, B.v. 31.1.2022 – 11 CS 21.3019 – juris Rn. 11).

Gemessen daran erweist sich die Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs für die Dauer von zwölf Monaten hier nicht als unverhältnismäßig. Die Geschwindigkeitsüberschreitung am 17. Juni 2021 innerorts um 40 km/h wiegt durchaus schwer und ist, wie bereits ausgeführt, mit zwei Punkten bewertet. Bereits die erstmalige Begehung eines solchen Verkehrsverstoßes rechtfertigt die Anordnung einer zwölfmonatigen Fahrtenbuchauflage unabhängig davon, ob es zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen ist oder nicht.“

Fahrtenbuchauflage beim Geschwindigkeitsverstoß, oder: Rechtzeitige Anhörung des Fahrzeughalters

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Heute im „Kessel Buntes“ dann mal wieder zwei Entscheidungen aus dem Verkehrsverwaltungsrecht.

Zunächst der OVG Hamburg, Beschl. v. 23.09.2021 – 4 Bs 140/20, der sich mit § 31a StVZO befasst, also Fahrtenbuchproblematik. Der Antragsteller des Verfahrens ist Halter eines Fahrzeugs, mit dem am 05.07.2020 ein Geschwindigkeitsverstoß begangen wurde. Das Frontfoto von dem Verstoß zeigt eine weibliche Person. Auf das Anhörungsschreiben mit Foto an seine aktuelle Meldeanschrift und eine Erinnerung hat der Antragsteller nicht reagiert. Auf eine Ladung als Zeuge erschien er nicht. Das Bußgeldverfahren wurde dann eingestellt, weil die Feststellung des Täters unmöglich war.

Die Verwaltungsbehörde legte dem Antragsteller die Führung eines Fahrtenbuches für sechs Monate auf und ordnete die die sofortige Vollziehung der Maßnahme an. Der Antragsteller hat vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs wiederherzustellen. Das hat das VG abgelehnt. Die Beschwerde blieb beim OVG erfolglos.

Das OVG schreibt man wieder – wie die VG häufig viel. Daher hier nur die Leitsätze zu dem Beschluss:

  1. Die Behörde trägt die materielle Beweislast für die rechtzeitige Anhörung des Fahrzeughalters. Es obliegt ihr, den vollen Beweis über den Zugang eines Schriftstücks zu erbringen, da dessen Nichterhalt eine sog. negative Tatsache darstellt, die ihrerseits eines Beweises nicht zugänglich ist. Dies ergibt sich für ein Schreiben aus den allgemeinen Beweislastregelungen über den Zugang von Willenserklärungen.

  2. Der Zugang eines mit einfachem Brief bei der Post aufgegebenen Schriftstücks kann nicht im Wege der Beweiserleichterung des Prima-facie-Beweises nachge-wiesen werden.

  3. Das Gericht kann im Wege der Würdigung der Umstände des Einzelfalles nach § 108 Abs. 1 VwGO zu der Überzeugung gelangen, dass ein abgesandtes Schrift-stück den Adressaten erreicht hat.

Fahrtenbuchauflage, oder: Die Probefahrt des unbekannten Käufers

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In der zweiten verwaltungsrechtlichen Entscheidung, dem VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 04.01.2021 – 14 L 1707/20 – geht es mal wieder um eine Fahrtenbuchanordnung. Ergangen ist der Beschluss im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO.

Mit einem auf den Antragsteller als Halter zugelassenen Fahrzeug ist am 26.06.2020 auf einer Probefahrt einer potentiellen Käufers eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen worden.  Die Verwaltungsbehörde hat, das sie den Fahrer nicht ermitteln konnte, die Führung eine Fahrtenbuchs (§ 31a StVZO) angeordnet. Dagegen Widerspruch und der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, mit dem u.a. geltend gemacht wird, die Verwaltungsbehörde sei ihrer Ermittlungspflicht nicht ausreichend nachgekommen.

Das VG lehnt den Antrag ab:

„Der Antragsteller hat – nach vorangeganger Akteneinsicht – mit Schreiben vom 28. August 2020 mitgeteilt, dass er zum Tatzeitpunkt nicht gefahren sei. Den Fahrer könne er nicht benennen. Er habe zum Tatzeitpunkt die Absicht gehabt, sein Motorrad zu verkaufen, weshalb mehrere Personen Probefahrten von längerer Dauer gemacht hätten. Allerdings habe er sich die Namen nicht dauerhaft gemerkt oder notiert. Auch sei das Lichtbild nicht deutlich, weshalb eine Identifizierung nicht möglich sei. Hierzu hat der Antragsteller – wenn auch unsubstantiiert – im vorliegenden Verfahren weiter ausgeführt, dass er sich von den Kaufinteressenten zur Sicherheit den Personalausweis vor jeder Probefahrt habe geben lassen. Auch habe er keine Veranlassung gehabt, die persönlichen Daten zu notieren, insbesondere habe er nicht davon ausgehen müssen, dass ein Interessent eine Geschwindigkeitsübertretung begehen werde.

Die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrers im Tatzeitpunkt beruht in Ansehung dieses Vortrags nicht auf einem Ermittlungsdefizit der Behörde. Es hätte dem Antragsteller oblegen, einen höheren Sorgfaltsmaßstab an die Dokumentation der mit dem auf ihn als Halter zugelassenen Fahrzeug durchgeführten Fahrten obwalten zu lassen.
Vgl. Urteil der Kammer vom 9. April 2019 – 14 K 9805/17 -.

Die von der Rechtsprechung aufgestellte zweiwöchige Regelfrist für Anhörungen in Verkehrsordnungswidrigkeitssachen gilt erkennbar in typischen Fällen, in denen Private, die ihr Fahrzeug gelegentlich an ihnen bekannte Fahrer weitergeben, nach zwei Wochen gewöhnlich noch über eine gute Erinnerung darüber verfügen, wer zum benannten Tatzeitpunkt gefahren ist. In einem atypischen Fall wie der Überlassung an völlig unbekannte Dritte zum – unbegleiteten – Probefahren darf von einem Fahrzeughalter davon abweichend ohne weiteres bereits im eigenen Interesse erwartet werden, dass er, wie beispielsweise ein Kaufmann,
vgl. zur Dokumentationsobliegenheit von Kaufleuten in st. Rechtsprechung z.C. . VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 12. März 2014, -14 L 340/14-, vom 18. Februar 2015 -14 L 213/15-, OVG NRW, Urteile vom 31. März 1995 –25 A 2798/93, NJW 1995, 3335, vom 29. April 1999 –8 A 699/97-, NJW 1999, 3279, Beschlüsse vom 29. Juni 2006 -8 C. 910/06-, juris, vom 15. März 2007, -8 C. 2746/06-, juris, vom 13. November 2013, –8 A 632/13-, juris, vom 23. Mai 2014, -8 C. 340/14-, OVG Bremen, Beschluss vom 12. Januar 2006, – 1 a 236/05-, juris, OVG M.-V., Beschluss vom 26. Mai 2008 –1 L 103/08-, juris, Bay- VGH Beschlüsse vom 29. April 2008, –11 CS 07.3429-, juris, vom 1. Juli 2009 –11 CS 09.1177-, juris, OVG Schl.-Holst., Beschluss vom 26. März 2012 -3 LA 21/12-, juris,

die getätigten Fahrten dokumentiert, um sich bei Verkehrsverstößen oder Schäden an Rechtsgütern Dritter exkulpieren und Anhaltspunkte zum Täter liefern zu können. Es fällt vorliegend auch in die Sphäre des Fahrzeughalters, organisatorische Vorkehrungen dafür zu treffen, dass im Falle einer Verkehrszuwiderhandlung ohne Rücksicht auf die Erinnerung Einzelner festgestellt werden kann, welche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt das Privatfahrzeug benutzt hat, wenn er dies – wie von ihm selbst vorgetragen – an ihm unbekannte Dritte zum unbegleiteten Fahren herausgibt.

Die Notwendigkeit einer Dokumentation entsteht im Vergleich zur Gruppe der Kaufleute sogar in noch verstärktem Maße, als auch jene zwar eine mitunter größere Anzahl an Mitarbeitern mit ihren Fahrzeugen fahren lassen, diese ihnen aber jedenfalls sämtlich bekannt sind und ein Lichtbildabgleich daher regelmäßig zum Erfolg führen wird. Demgegenüber hat der Antragsteller seinem Vortrag zu Folge ihm völlig unbekannten Personen sein Fahrzeug für unbegleitete Fahrten überlassen.

Im Übrigen erscheint es unplausibel, dass der Antragsteller keine Dokumentation zu den Kaufinteressenten angefertigt haben will, denn es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass die Verfolgung von Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten, -straftaten und zivilrechtlichen Ansprüchen Dritter im Zusammenhang mit Rechtsgutsverletzungen im Straßenverkehr oft erst deutlich später eingeleitet wird bzw. der Halter erst später von etwaigen Maßnahmen Kenntnis erlangt. Schon aus diesem Grunde hätte es dem Antragsteller in seinem ureigenen Interesse oblegen, Aufzeichnungen anzufertigen.

Soweit der Antragsteller noch vorträgt, er hätte nicht mit Verkehrsverstößen der ihm unbekannten Fahrer rechnen müssen, vermag ihn auch dies nicht zu entlasten. Der Einwand greift bereits aufgrund der relativen Häufigkeit von – fahrlässig wie vorsätzlich begangenen – Geschwindigkeitsübertretungen usw., die als offenkundige Tatsache zu bewerten ist, nicht durch und kann erst recht bei unbegleiteten Fahrten, bei denen sich der Halter jeder Einflussmöglichkeit über das auf ihn zugelassene Fahrzeug begibt, nicht überzeugen.

Dass der Antragsteller keinerlei Dokumentation aufbewahrt hat und im Zuge dessen nicht in der Lage war, die Ermittlungen des ihm unbekannten Fahrers seines Fahrzeuges zu befördern, geht zu seinen Lasten. Er hat durch seine besondere Sorglosigkeit in der Weitergabe seines Motorrads an Unbekannte die Voraussetzungen für die Nichtermittelbarkeit des Tatfahrers erst geschaffen. Vor diesem Hintergrund ist daher auch unerheblich, ob das Lichtbild – wie vom Antragsteller geltend gemacht – zu undeutlich gewesen ist.

Hinzu kommt, dass der Antragsteller gehalten gewesen wäre, den möglichen Täterkreis nach den ihm vorhandenen Erkenntnismöglichkeiten weiter einzugrenzen. Hierzu hätte ihm beispielsweise die Darlegung – schon im Anhörungsverfahren – des Umstandes oblegen, wie er mit den potentiellen Kaufinteressenten Kontakt aufgenommen hatte.

Die zuständige Stelle des I. durfte nach alledem bereits aus den gänzlich unterlassenen Angaben zum berechtigten Nutzerkreis des Fahrzeugs zulässigerweise auf die fehlende Mitwirkungsbereitschaft des Antragstellers schließen.

Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. August 2013 – 8 C. 837/13 -; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 2. November 2004 –12 ME 413/04-, juris; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 4. Dezember 2003 –12 LA 442/03-, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse 9. Mai 2006 – 8 A 3429/04-, juris und vom 21. März 2016 -8 C. 64/16-, VG Gelsenkirchen, Urteil vom 4. März 2013 –14 K 2369/12-, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Mai 2012 –6 K 8411/10-, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 25. März 2013 –14 L 356/13-, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 25. Juni 2013 –14 L 996/13 -; VG Düsseldorf, Urteil vom 3. Dezember 2013 –14 K 4334/13-, juris.

Dabei ist unerheblich, aus welchen Gründen der Halter keine (detaillierten) Angaben zur Sache macht. Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO setzt vor allem nicht voraus, dass der Halter seine Mitwirkungsobliegenheiten schuldhaft nicht erfüllt hat oder die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers sonst zu vertreten hat……“

Fahrtenbuch II: Das Fahrtenbuch ist keine Strafe, oder: Dein Zeugnisverweigerungsrecht interessiert uns nicht

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Die zweite Entscheidung zum Fahrtenbuch, der OVG Münster, Beschl. v. 12.10.2020 – 8 E 785/20 – hat noch einmal ein Klassiker „Zeugnisverweigerungsrecht“ zum Gegenstand. Der Kläger hatte PKH für seine Klage gegen eine Fahrtbuchauflage beantragt, das VG hatte den Antrag abgelehnt. Die Beschwerde hatte beim OVG keinen Erfolg:

„Gemessen daran hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht versagt. Das Rechtsschutzbegehren des Klägers hat erkennbar keine Erfolgsaussichten. Die angefochtene Ordnungsverfügung vom 2. Juli 2020, mit der dem Kläger die Führung eines Fahrtenbuches für die Dauer von sechs Monaten auferlegt und Kosten in Höhe von insgesamt 107,32 EUR festgesetzt wurden, verletzt diesen nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Rechtsgrundlage der Fahrtenbuchauflage ist § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Danach kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.

a) Die Beklagte ist für den Erlass der hier angefochtenen Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO i. V. m. § 68 Abs. 2 StVZO und § 12 der Verordnung über Zuständigkeiten im Bereich Straßenverkehr und Güterbeförderung NRW zuständig. Das Fahrzeug, auf das sich die Fahrtenbuchauflage bezieht, ist nicht am Wohnort des Klägers (H.), sondern nach Mitteilung der Beklagten in Anwendung von § 6 Abs. 1 und § 46 Abs. 2 FZV am Ort des Betriebssitzes des Klägers zugelassen (sog. Standortzulassung). Mithin ist die Beklagte als die für den Betriebssitz des Klägers zuständige Kreisordnungsbehörde auch für die Fahrtenbuchanordnung zuständig. Der in § 68 Abs. 2 StVZO verwendete Begriff des Handelsunternehmens ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift weit auszulegen.

Vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 68 StVZO Rn. 11; Bay. VGH, Beschluss vom 18. März 2008 – 11 CS 08.268 -, juris Rn. 5 unter Hinweis auf den Begriff der gewerblichen Niederlassung (§ 42 Abs. 2 GewO a. F.; nunmehr § 4 Abs. 3 GewO).

Dass der Kläger in B. eine Schank- und Speisewirtschaft betreibt, ist nach den von ihm vorgelegten PKH-Unterlagen nicht zweifelhaft.

b) Die materiellen Voraussetzungen für den Erlass einer Fahrtenbuchauflage liegen vor. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht entgegen der Auffassung des Klägers zu Recht angenommen, dass die Feststellung des Fahrzeugführers unmöglich im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO war, weil der Kläger von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat und sich der Bußgeldbehörde auch sonst keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Feststellung des verantwortlichen Fahrers ergeben haben. Der Halter eines Fahrzeugs kann nicht verlangen, von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, wenn er in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren ein Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht geltend gemacht hat. Ein „doppeltes Recht“, nach einem Verkehrsverstoß im Ordnungswidrigkeitenverfahren das Zeugnis bzw. die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Ermittlung des Fahrzeugführers von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, besteht nicht.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 1981 – 2 BvR 1172/81 -, juris Rn. 7; BVerwG, Beschlüsse vom 22. Juni 1995 – 11 B 7.95 –, juris Rn. 2 ff., und vom 11. August 1999 – 3 B 96.99 –, juris Rn. 2 f.; OVG NRW, Beschluss vom 15. Mai 2018 – 8 A 740/18 -, juris Rn. 37 f.

c) Die angefochtene Fahrtenbuchauflage ist frei von Ermessensfehlern (vgl. § 40 VwVfG NRW, § 114 Satz 1 VwGO).

Insbesondere ist sie entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb unverhältnismäßig, weil sie im Grunde nur als Bestrafung eingesetzt werde. Eine Fahrtenbuchauflage stellt keine Sanktionierung in Anbetracht des geltend gemachten Zeugnisverweigerungsrechts dar. Ihr Zweck besteht allein darin, die Sicherheit und Ordnung im Straßenverkehr zu gewährleisten und sicherzustellen, dass zukünftige Verkehrsverstöße nicht ungeahndet bleiben.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Mai 2006 – 8 A 3429/04 –, juris Rn. 6 f., m. w. N.

Auf diesen Zweck hat der Beklagte ausweislich der Begründung des Bescheides (vgl. § 39 Abs. 1 VwVfG NRW) den Erlass der Fahrtenbuchauflage auch gestützt.

Ohne Erfolg stellt der Kläger in Abrede, dass die Fahrtenbuchauflage die Verkehrssicherheit und die Aufklärung etwaiger zukünftiger Verstöße fördert. Bei der Anordnung eines Fahrtenbuchs kommt es nicht auf eine konkrete Wiederholungsgefahr an. § 31a StVZO zielt vielmehr auf eine abstrakte Wiederholungsgefahr, die daran anknüpft, dass der verantwortliche Fahrer bei Begehung des Verkehrsverstoßes anonym geblieben ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Juli 2014 – 8 B 591/14 –, juris Rn. 31 ff.

Die Pflicht zur Dokumentation der einzelnen Fahrten hat eine disziplinierende Wirkung und eröffnet Bußgeldbehörden Erkenntnisse über die jeweiligen Fahrer, ohne auf das Erinnerungsvermögen und die Mitwirkungsbereitschaft des Halters angewiesen zu sein.

Ob der für den hier in Rede stehenden Verkehrsverstoß verantwortliche Fahrer erneut das Fahrzeug des Klägers nutzen oder dieser als Fahrzeughalter, wie es in der Beschwerde heißt, in Zukunft eigene verkehrsrelevante Maßnahmen einleiten wird, ist danach unerheblich.“

Und natürlich ist das Fahrtenbuch eine Strafe. Sagt nur keiner ….

Fahrtenbuch I: Die unterbliebene Anhörung des Fahrzeughalters als Zeuge, egal: Wir halten das ….

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Bei den vielen Feiertagen muss man immer schauen, welcher Wochentag eigentlich ansteht. Und heute ist das Samstag :-). Und damit steht der erste „Kessel Buntes“ des neuen Jahres an. Den Reigen im Kessel Buntes 2021 eröffne ich dann mit zwei Entscheidungen zum Fahrtenbuch.

Ich beginne mit dem schon etwas älteren OVG Lüneburg, Beschl. v. 19.08.2020 – 12 ME 114/20 – mit folgendem Sachverhalt: Die Verwaltungsbehörde ist davon ausgegangen, dass am 13.10.2019 um 13:40 Uhr auf der C. Straße in D. mit einem vom Antragsteller gehaltenen Kraftrad die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um (nach Toleranzabzug) 79 km/h überschritten wurde. Auf dem gefertigten Lichtbild sind in Seitenansicht zwei behelmte Personen mit geschlossenem Visier – die hintere mit Zopf – auf einem Kraftrad zu erkennen. In dem eingeleiteten Bußgeldverfahren wurde der Antragsteller mit Schreiben vom 17.10.2019 zunächst als Betroffener angehört. In dem Schreiben hieß es aber weiter: „Hat eine andere Person die Ordnungswidrigkeit begangen, teilen Sie bitte innerhalb einer Woche neben Ihren Personalien zusätzlich die Personalien der verantwortlichen Person unter Nr. 3 „Angaben zur Sache“ mit, hierzu sind Sie nicht verpflichtet. […]“

Der Antragsteller hat sich mit Anwaltsschreiben dahin eingelassen, dass er zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsmessung nicht der Führer des Kraftrades gewesen und auf dem Lichtbild auch nicht als solcher zu erkennen sei. Ausweislich eines Schreibens der Bußgeldstelle vom 11.11.2019 an den hausinternen Ermittlungsdienst sollte der Antragsteller als Zeuge vernommen werden, sofern er nicht als Fahrer in Betracht komme. Nach einem Vermerk des Ermittlungsdienstes konnte der Vater des Antragstellers am 14.11.2019 nicht sagen, wer auf dem Motorrad sitze, und machte der am 15.11.2019 selbst angetroffene Antragsteller keine weiteren Angaben, sondern verwies auf seinen Rechtsanwalt.

Das Bußgeldverfahren ist dann eingestellt worden. Die Bußgeldstelle regte dann eine Fahrtenbuchanordnung an. Die wurde erlassen. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Dagegen die Klage. Das VG hatte die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers wiederhergestellt. Dagegen dann die Beschwerde der Verwaltungsbehörde, die Erfolg hatte:

„2. Der Antragsgegner legt dar, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Bewertung, nach den Umständen des Einzelfalls sei hier eine Zeugenvernehmung erforderlich gewesen, nicht beachtet, dass infolge des gegen den Antragsteller bestehenden Tatverdachts und aufgrund der unterschiedlichen Rechte und Pflichten von Betroffenen und Zeugen die Anhörung als Betroffener gegenüber einer Zeugenvernehmung vorrangig gewesen sei. Er meint, er hätte den Antragsteller nur dann als Zeugen anhören müssen, wenn dieser keinesfalls der Täter hätte sein können. Die Täterschaft des Antragstellers sei jedoch anhand des gefertigten Lichtbildes nicht auszuschließen gewesen. Dem entgegnet der Antragsteller, dass zum Zeitpunkt der Einstellung des Bußgeldverfahrensverfahrens am 25. November 2019 hinreichend Zeit bestanden hätte, ihn als Zeuge zu vernehmen, und dass dies auch nach der neueren Rechtsprechung des Senats geboten gewesen wäre.

Es mag dahinstehen, ob der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Beschl. v. 10.8.2015 – 10 S 278/15 -, VRS 129 Nr. 13, hier zitiert nach juris, Rn. 10) zuzustimmen ist, wonach eine Anhörung des Halters als Zeuge nur dann erfolgen müsse, wenn feststehe, dass der Halter selbst „keinesfalls“ der verantwortliche Fahrzeugführer sein „könne“. Denn Überwiegendes spricht dafür, dass dieser Rechtsauffassung zumindest in abgeschwächter Form Zustimmung gebührt, und zwar insoweit, als eine Anhörung als Zeuge nicht geboten sein kann, solange nicht – anders als hier – die Wahrscheinlichkeit der Täterschaft einer anderen Person klar überwiegt.

Auszugehen ist davon, dass ein Betroffener in einem gegen ihn selbst geführten Bußgeldverfahren nicht als Zeuge vernommen werden kann (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 10.8.2015 – 10 S 278/15 -, a. a. O., juris, Rn. 11). Zulässig dürfte es aber sein, nach der Einstellung eines Bußgeldverfahrens gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 170 Abs. 2 StPO (vgl. Graf, in: BeckOK OWiG, Stand: 1.7.2020, § 47 Rn. 13), das gegenüber dem Halter eines Kraftfahrzeugs – als dem anfänglichen Betroffenen – geführt wurde, ein Verfahren gegen einen bestimmten Dritten oder gegen „unbekannt“ zu führen, in dem der Halter dann die Stellung eines Zeugen erlangt (vgl. Schmitt, in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 63. Aufl. 2020, § 170 Rn. 8 und Einl., Rn. 81). Diese Vorgehensweise kommt aber nur in Betracht, wenn der Halter nicht deshalb erheblich tatverdächtig bleibt, weil er weiterhin als verantwortlicher Fahrzeugführer zumindest (vgl. Schmitt, a. a. O., Einl., Rn. 78) ebenso in Betracht kommt wie ein denkbarer Unbekannter. Denn durch die Einstellung des Bußgeldverfahrens dem Halter gegenüber darf – wie bei einer Trennung verbundener Strafverfahren (vgl. dazu: Schmitt, a. a. O., vor § 48 Rn. 22) – nicht der Grundsatz umgangen werden, dass ein Betroffener kein Zeuge in einem gegen ihn selbst gerichteten Verfahren sein kann. Dabei muss bedacht werden, dass eine Verfahrenseinstellung durch die Bußgeldbehörde nach § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 170 Abs. 2 StPO gegenüber dem Halter keine Rechtskraft erlangt, sodass das Verfahren bei neuen tatsächlichen Hinweisen jederzeit wiederaufgenommen werden kann (vgl. Köbl, in: Münchner Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2016, § 170 Rn. 26). Ein in erheblichem Maße weiter tatverdächtiger Halter wäre deshalb – sollte er tatsächlich der Täter sein – dem Risiko ausgesetzt, entweder bei Geltendmachung seines Auskunftsverweigerungsrechts (§ 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 55 Abs. 1 StPO) oder durch eine vorsätzlich falsche Zeugenaussage weitere Verdachtsgründe gegen sich zu schaffen. Daher dürfte es unzulässig sein, und ist jedenfalls nicht geboten, gegen einen weiter erheblich tatverdächtigen Halter das Bußgeldverfahren einzustellen, um gleichsam zu erproben, ob er bei einer Anhörung oder Vernehmung als Zeuge in einem gegen „unbekannt“ geführten Bußgeldverfahren Angaben zur Sache macht, ein Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch nimmt oder von einem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch macht (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 18.12.2017 – 12 LB 166/17 -, S. 8, erster Absatz, des Abdrucks). Offenbleiben kann, was gilt, wenn es aufgrund der eigenen Einlassungen des Halters oder weiterer Erkenntnisse der Verfolgungsbehörde sehr unwahrscheinlich ist, dass er zur Tatzeit das Fahrzeug selbst geführt hat. Das ist hier nämlich nicht der Fall, weil der Antragsteller im Bußgeldverfahren nur unsubstantiiert bestritt, das Kraftrad zur Tatzeit gefahren zu haben, und weil der Verfolgungsbehörde trotz ihrer Ermittlungsversuche vor Ort bis zur Einstellung des Bußgeldverfahrens keine weiteren Erkenntnisse vorlagen, die eine Täterschaft des Antragstellers ausschlossen oder mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die Täterschaft eines Anderen hindeuteten. Soweit sich der Antragsteller demgegenüber auf die Entscheidung des beschließenden Senats vom 14. Januar 2019 – 12 ME 170/18 – (NJW 2019, 1013 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 19) berufen hat, ist festzuhalten, dass im Falle des Fehlens konkreter Anhaltspunkte für einen bestimmten anderen verantwortlichen Fahrzeugführer das Bestreiten der eigenen Täterschaft durch den Halter nur eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung dafür ist, dass er selbst als Zeuge angehört oder vernommen werden muss.

Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, die Verfolgungsbehörde sei im vorliegenden Falle bereits selbst davon ausgegangen, der Antragsteller sei nicht der Fahrzeugführer. Denn aus dem Auftrag an den Ermittlungsdienst ergibt sich, dass eine Zeugenvernehmung des Antragstellers nur subsidiär vorgesehen war, und die Ermittlungen vor Ort erbrachten gerade keine Erkenntnisse, die nach den oben aufgezeigten Maßstäben eine Anhörung oder Vernehmung des Antragstellers als Zeuge geboten hätten. Unerheblich ist, ob der Ermittlungsbeamte vor Ort trotzdem versucht hat, den Antragsteller (auch) als Zeugen anzuhören. Denn das hat dann jedenfalls zu keinen weiteren Ermittlungsansätzen geführt.

3. Die summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage durch das Oberverwaltungsgericht ergibt, dass dem Antragsteller vorläufiger Rechtsschutz zu versagen ist, weil die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung noch den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt und die gegen die Fahrtenbuchanordnung vom 24. März 2020 (Bl. 31 ff. BA 1) erhobene Klage keine Aussicht auf Erfolg verspricht. Aus dem letztgenannten Grunde überwiegt das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Anordnung das private Interesse des Antragstellers, von deren Vollziehung vorläufig verschont zu bleiben.

a) Soweit der Antragsteller darauf verweist, im Hauptsachverfahren werde zu klären sein, ob tatsächlich eine Ordnungswidrigkeit begangen worden sei, rechtfertigt dies nicht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Denn weder erhebt der Antragsteller substantiierte Einwände gegen die behördliche Feststellung einer am 13. Oktober 2019 mit seinem Kraftrad begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung noch drängen sich dem Senat von Amts wegen Zweifel an der Richtigkeit der Messung auf. Insbesondere handelt es sich bei dem eingesetzten Einseitensensor ES3.0 um ein zugelassenes Messgerät (vgl. D. Schäfer/M. Grün: in Burhoff/Grün [Hrsg.], Messungen im Straßenverkehr, 5. Aufl. 2020, § 1 Rn. 1016).

b) Auch die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO liegen vor.

Die Anordnung der Führung eines Fahrtenbuchs setzt nicht voraus, dass die Nichtfeststellbarkeit des verantwortlichen Fahrzeugführers auf einer – aus welchem Grund auch immer – unzureichenden Mitwirkung des Fahrzeughalters an den Ermittlungen der Verfolgungsbehörde im Bußgeldverfahren beruht (Nds. OVG, Beschl. v. 14.1.2019 – 12 ME 170/18 -, NJW 2019, 1013 ff., hier zitiert nach juris, Rnrn. 16 und 17, m. w. N.). Es kommt vielmehr allein darauf an, dass der verantwortliche Fahrer mit zumutbarem Aufwand der Verfolgungsbehörde nicht festzustellen war. Ohne Belang ist also insbesondere, ob den Fahrzeughalter ein Verschulden an der Nichtfeststellbarkeit des Fahrzeugführers trifft. Eine mangelnde Mitwirkung des Fahrzeughalters an der Ermittlung des Fahrzeugführers hat lediglich eine mittelbare Bedeutung. Wenn sie vorliegt, führt dies nämlich regelmäßig dazu, dass der Verfolgungsbehörde weitere eigene Ermittlungen nicht zuzumuten sind und sich der Fahrzeughalter den Einwand abschneidet, die Feststellung des Fahrzeugführers sei nach der Verkehrszuwiderhandlung sehr wohl möglich gewesen, hätten nur solche weiteren Ermittlungen stattgefunden. Ob die Mitwirkung eines Fahrzeughalters ausreicht, hängt dabei nicht entscheidend davon ab, ob er im Bußgeldverfahren durchsetzbare Rechtspflichten, wie etwa die dort grundsätzlich bestehende Zeugnispflicht (vgl. § 46 Abs. 2 OWiG i. V. m. § 161a Abs. 1 Satz 1 StPO, § 46 Abs. 5 OWiG) verletzt. Vielmehr darf auch ein vollständig rechtmäßiges Verhalten des Fahrzeughalters im Bußgeldverfahren in dem diesem Verfahren nachfolgenden Verwaltungsverfahren zur Anordnung einer Fahrtenbuchführung – unter rein gefahrenabwehrrechtlichem Blickwinkel – als Obliegenheitsverletzung gewürdigt werden, welche den Umfang der Ermittlungen reduziert, die von der Verfolgungsbehörde im Bußgeldverfahren unternommen worden sein müssen, damit im Rahmen des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO davon ausgegangen werden darf, die Feststellung des Fahrzeugführers sei nicht möglich gewesen.

Gemessen an diesen Maßstäben ist hier von zureichenden, aber gleichwohl erfolglosen Ermittlungen der Verfolgungsbehörde auszugehen. Der Antragsteller wurde zunächst zeitig als Betroffener angehört, und es erübrigte sich aus den oben unter II. 2. genannten Gründen, ihn zusätzlich als Zeuge anzuhören oder zu vernehmen. Deshalb mag dahinstehen, ob er durch den Ermittlungsbeamten am 15. November 2019 ordnungsgemäß als Zeuge angehört wurde. Offenbleiben kann zudem, ob er sich an diesem Tage auf ein Aussageverweigerungsrecht berufen hat. Denn jedenfalls hat er auch damals weder den Fahrzeugführer benannt noch einen bestimmten dafür in Betracht kommenden Personenkreis bezeichnet. Soweit er geltend macht, mit einer zusätzlichen Anhörung als Zeuge hätte er als juristischer Laie rechnen dürfen, ist dies schon deshalb nicht überzeugend, weil er, als er sich auf seine Anhörung als Betroffener zur Sache einließ, bereits anwaltlich vertreten war. Zumindest sein Rechtsanwalt hätte jedoch anhand der Rechtsprechung des Senats erkennen können – und möglicherweise auch müssen, dass die dem Antragsteller erteilte Belehrung dem Wortlaut nach richtig, nur eben nicht erschöpfend und daher – für den Laien – missverständlich war (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 14.1.2019 – 12 ME 170/18 -, a. a. O., juris, Rn. 20). Hätte der Anwalt aber die Belehrung nicht fehldeuten dürfen, so hätte er dem Antragsteller auch erläutern müssen, dass ein Bestreiten der Fahrzeugführerschaft, ohne zugleich den tatsächlichen Fahrer zu nennen oder zumindest einen möglichen Täterkreis näher zu bezeichnen, für den Antragsteller im Verfahren zur Anordnung einer Fahrtenbuchführungspflicht als Obliegenheitsverletzung nachteilig werden könnte.

Es kann im vorliegenden Falle aber letztlich dahinstehen, ob hier aus einer missdeuteten Belehrung eine mangelnde Mitwirkung des Antragstellers resultierte, die das Ausmaß der erforderlichen Ermittlungsbemühungen der Verfolgungsbehörde einschränkte. Denn mit der zusätzlichen Beschaffung eines Lichtbildes des Antragstellers, der Anhörung seines Vaters (als Zeuge) und der nochmaligen Befragung des Antragstellers selbst (als Betroffener) hatte die Verfolgungsbehörde alle sich ihr anbietenden Ermittlungsmaßnahmen ergriffen. Der Antragsteller zeigt nicht auf, welchen vernachlässigten, aber erfolgversprechenden Ermittlungsansatz es – außer seiner nicht gebotenen Zeugenanhörung – ansonsten noch gegeben habe. Im Übrigen stellt er nicht einmal dar, weshalb eine Zeugenvernehmung seiner selbst angeblich erfolgversprechend gewesen wäre. Denn er hat bis heute nicht mitgeteilt, wer der Täter ist oder ob er ihn überhaupt kennt.“

Inzwischen ist es m.E. völlig egal, was die Verwaltungsbehörden tun oder nicht tun. Wenn es um ein Fahretbuch geht, halten die OVG (fast) alles.