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Konsum von Khat – Entziehung der Fahrerlaubnis

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Der Hess.VGH hat in Hess.VGH, Beschl. v. 21.03.2012 – 2 B 1570/11 entscheiden, dass der Konsum von Khat nach der Regelannahme gem. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur  Fahrerlaubnis-Verordnung dazu führt dass sich ein Konsument dieser Droge als ungeeignet  zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Anders haben das in der Vergangenheit das Oberverwaltungsgericht für das Land  Nordrhein-Westfalen im Beschl. v. 31.10.2008 – 16 B 978/08 -, VerkMitt 2009, Nr. 9 =  VRS 117, Nr. 104 und das Verwaltungsgericht Stuttgart, Beschluss vom 17.09.2003 – 3 K  3079/03 gesehen.

Der VGH sieht Khat als BtM an:

„Zutreffend ist das Verwaltungsgericht in seinem angefochtenen Beschluss auch davon ausgegangen, dass es sich bei Khat um ein Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) handelt. Die vom Bevollmächtigten des Antragstellers in der Beschwerdebegründung vom 11. August 2011 geäußerte Ansicht, in der Rechtsprechung sei streitig, ob „… das Betäubungsmittel Khat immer den Wirkstoff“ Cathinon enthalte, ist der vom Antragstellerbevollmächtigten angeführten Rechtsprechung so nicht zu entnehmen. So hat der Bundesgerichtshof in seinem vom Bevollmächtigten des Antragstellers angeführten Urteil vom 28. Oktober 2004 (- 4 StR 59/04 -, NJW 2005, 163 = NStZ 2005, 229 = BA 42, 377 = BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Menge, 14) ausgeführt, zwar sei der Inhaltsstoff Cathinon der Khat-Pflanze chemisch instabil und werde durch enzymatische Reduktion beim Welken, Trocknen , Lagern oder durch unsachgemäßes Verarbeiten innerhalb weniger Tage fast vollständig zu dem achtmal schwächeren Cathin bzw. Ephedrin umgewandelt. Gleichzeitig hat der Bundesgerichtshof in diesem Urteil aber auch festgestellt, dass neben dem Wirkstoff Cathinon, der unter die Anlage I zum Betäubungsmittelgesetz fällt, auch der Wirkstoff Cathin in Anlage III Teil B des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführt ist. Darüber hinaus unterstehen seit dem Inkrafttreten der Zehnten Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften (10. BtMÄndV) am 1. Februar 1998 auch die Pflanzen und die Blätter des Khat-Strauches den Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes, wenn ein Missbrauch zu Rauschzwecken vorgesehen ist.“

Und: Das Mittel ist nach Auffassung des BGH im der FeV auch nicht „vergessen“ worden:

„Insoweit kann auch nicht mit der Beschwerdebegründung davon ausgegangen werden, der Verordnungsgeber habe es „schlicht einfach vergessen“, für Khat eine mit dem Rauschmittel Cannabis vergleichbare Regelung in die Fahrerlaubnis-Verordnung aufzunehmen. Hierzu hat das Verwaltungsgericht in den Gründen seines angefochtenen Beschlusses bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die Anlage 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung mit Rechtsverordnung vom 17. Dezember 2010 (BGBl. I, 2023) neu gefasst, die Regelungen in Nr. 9 der Anlage 4 jedoch nicht geändert wurden. Es kann deshalb ohne konkrete Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, der Verordnungsgeber habe angesichts des bereits erwähnten Urteils des Bundesgerichtshofs vom 28. Oktober 2004 (- 4 StR 59/04 -, a. a. O.) und der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung im Zusammenhang mit dem Konsum von Khat (z. B. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31. Oktober 2008 – 16 B 978/08 -, VerkMitt 2009, Nr. 9 = VRS 117 Nr. 104; VG Stuttgart, Beschluss vom 17. September 2003 – 3 K 3079/03 -, juris) eine dem Konsum von Cannabis entsprechende, differenzierte rechtliche Regelung des Khat-Konsums im Hinblick auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr vergessen. Eine durch Analogieschluss zu schließende Regelungslücke in der Fahrerlaubnis-Verordnung sieht der beschließende Senat insoweit daher nicht. Vielmehr geht der Senat mit dem auch vom Bundesgerichtshof als Gutachter bestellten Leiter des Instituts für forensische Toxikologie der Universität Frankfurt am Main, Prof. Dr. Dr. Kauert, davon aus, dass die Erkenntnisse und „… das Wissen im verkehrsrechtlichen Bereich über die psychoaktive Pflanzendroge Khat spärlich …“ sind (Gutachten von Prof. Dr. Dr. Kauert vom 20. August 2007 – Bl. 72 ff. [93] der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners). Wenn der Verordnungsgeber angesichts des Standes von Wissenschaft und Forschung zu den Wirkeigenschaften der Khat-Inhaltsstoffe im Interesse des hohen Rechtsgutes der Verkehrssicherheit die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr allein an die festgestellte Tatsache der Einnahme von Khat knüpft, ist dies auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der beschließende Senat ist – wie bereits erwähnt – an diese Bewertung des Verordnungsgebers gebunden. Zwar steht einem derartigen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers die Verpflichtung gegenüber, die jeweilige Norm „unter Kontrolle zu halten“ und gegebenenfalls (neue) Erkenntnisse der Wissenschaft zu bewerten und zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, z. B.: Urteil vom 9. Juni 2010 – 9 A 20.08 -, NVwZ 2011, 177 = DVBl. 2011, 36 = NuR 2010, 870). Derartige Erkenntnisse sind aber weder ersichtlich noch vom Antragsteller in der Begründung seiner Beschwerde substantiiert und nachvollziehbar belegt.“

Trennungsvermögen – 1 ng/ml Serum ist/bleibt die Grenze

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In der Rechtsprechung der OVG/VGH spielt im Zusammenhang mit der Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde nach Teilnahme am Straßenverkehr nach einem Drogenkonsum die Frage des mangelnden Trennungsvermögens eine Rolle. In der Diskussion hat sich jetzt noch einmal das OVG Münster gemeldet. Es geht in dem OVG Münster, Beschl. v. 19.03.2012 – 16 B 237/12 – davon aus, dass von einem fehlenden Trennungsvermögen bei eine THC Konzentration von 1 ng/ml ausgegangen werden kann. Insoweit allerdings nichts Neues, sondern Bestätigung der h.M. Nur die Bayern sehen es möglicherweise anders. Das OVG begründet seine Auffassung wie folgt:

„Ausschlaggebend für die Auffassung des Senats ist, dass nach dem Beschluss der sog. Grenzwertkommission vom 20. November 2002 aktualisiert durch Beschluss vom 22. Mai 2007, Blutalkohol 44 (2007), 311 der Grenzwert für die Annahme einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG für THC bei 1 ng/ml Serum liegen soll. Eine solche Konzentration kann einschließlich eines entsprechenden Sicherheitszuschlags sicher nachgewiesen und quantitativ präzise bestimmt werden. Insbesondere erscheint bei Erreichen einer derartigen Konzentration eine Einschränkung der Fahrtauglichkeit möglich.

Vgl. unter Bezugnahme auf wissenschaftliche Stellungnahmen BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2004 1 BvR 2652/03 , […], Rn. 9 und 29 f. (= NJW 2005, 349 = DAR 2005, 70 = NZV 2005, 270 = Blutalkohol 42 [2005], 156).

Nimmt ein Fahrerlaubnisinhaber trotz eines nicht lange zurückliegenden Cannabiskonsums und einer deshalb jedenfalls möglichen cannabisbedingten Fahrungeeignetheit am Straßenverkehr teil, ist das als ein hinreichend aussagekräftiger Beleg dafür zu werten, dass ihm das zu fordernde Trennungsvermögen fehlt. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass nach einer neueren Veröffentlichung konkrete Straßenverkehrsgefährdungen und Unfälle nach Cannabiskonsum bei einer THCKonzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml Serum nicht seltener als bei deutlich höheren Werten dieses Cannabiswirkstoffs auftreten, dass also bei Konzentrationen ab 1,0 ng/ml im Serum sogar mehr als bloß die Möglichkeit der Fahruntüchtigkeit besteht.
vgl. Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul/ Eisenmenger, Blutalkohol 43 (2006), 441.“

Das OVG sieht auch keine Ungleichbehandlung zu Alkoholsündern:

„Wenn der Antragsteller darin eine Ungleichbehandlung von Cannabiskonsumenten im Vergleich zu Alkoholkonsumenten sieht, ist diese im Ausgangspunkt durch die einschlägigen Rechtsvorschriften vorgegeben. Diese sehen bezogen auf einen Missbrauch von Alkohol vor, dass Zweifel an der Fahreignung erst nach wiederholten Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss (§ 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV) oder aber nach einem besonders massiven Verstoß, nämlich dem Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr (§ 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV), bestehen; im Falle des gelegentlichen Cannabiskonsums führt demgegenüber bereits der einmalige nachgewiesene Verstoß gegen das nicht näher umschriebene und daher keine besondere Schwere des Verstoßes voraussetzende Trennungserfordernis zum Wegfall der Fahreignung.“

14 Monate nach der Tat: Weitere „vorläufige“ Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mehr vertretbar

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Dauern die Verfahren, in denen dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen worden ist (§ 111a StPO (zu) lange, stellt sich die Frage der Fortbestands der vorläufigen Maßnahme.

Der „richtige Weg“, gegen die Maßnahme vorzugehen, ist m.E. der Aufhebungsantrag – nach § 111a Abs. 2 StPO ist die Maßnahme aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Den Weg ist der Kollege, der mir AG Montabaur, Beschl. v. 24.02.2012 – 2020 Js 12711/11 42 Cs übersandt hatte, gegangen. Und er hatte Erfolg.

Das AG hat nach 14 Monaten die weitere vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis – unter Berücksichtigung der übrigen Umstände des Einzelfalls – die weitere Fortdauer der Maßnahme als nicht mehr vertretbar angesehen. Dabei hat es darauf abgestellt,

„dass der Angeklagte keinerlei Vorstrafen aufzuweisen hat, zwischenzeitlich nicht straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getreten ist und ein erheblicher Zeitraum nach der vorläufigen Ent­ziehung durch die Einholung und Erstellung eines von der Staatsanwaltschaft beantragten Sach­verständigengutachtens verstrichen ist.“

Und: Nach Auffassung des AG kommt es nicht darauf an, ob die eingetretenen Verfahrensverzögerungen allein auf einem Verschulden der Justiz beruhen. Welche Umstände sonst eine Rolle gespielt haben, sagt der Beschluss nicht. 🙂

Sonntagmorgens gegen 7.45 Uhr 100m am Ende einer Sackgasse gefahren – kein Regelfall der Fahrerlaubnisentziehung

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Im Moment häufen sich die Entscheidungen, in denen bei Trunkenheitsfahrten von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen wird; zuletzt hatte ich am 10.04.2012 über eine Entscheidung des AG Düsseldorf berichtet.

Ein Kollege hat mir daraufhin das AG Essen, Urt. v. 13.05.2011 – 49 Cs-49 Js 501/11-185/11 geschickt, gegen das die StA zunächst Berufung eingelegt hatte, diese inzwischen aber wieder zurück genommen hat. Das  AG Essen hat auch einen Regelfall bei § 316 StGB mit 1,53 Promille verneint, und zwar mit folgender Begründung:

Das Gericht hatte einen Regelfall nach § 69 StGB angesichts der Umstände der Fahrt verneint. Die von dem Angeklagten gefahrene Fahrstrecke von weniger als 100 Metern am Ende einer Sackgasse am Sonntagmorgen gegen 7.45 Uhr ohne Verkehr entsprechen nicht dem Durchschnittsfall einer normalen Trunkenheitsfahrt. Zudem kommen besondere Umstände, die in der Person des Angeklagten liegen, hinzu, die die Vermutung der mangelnden Eignung widerlegen: Er fuhr bisher unbeanstandet im Straßenverkehr und hätte bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes zu rechnen. Die bisherige Beschlagnahme des Führerscheins hat auf ihn bereits einen entscheidenden Eindruck hinterlassen, da er auf den Führerschein angewiesen ist und berufliche Nachteile spürt.“

Kann sich also lohnen, die Tatumstände auf Besonderheiten abzuklopfen.

Statt Führerschein „Ade!“ nur drei Monate Fahrverbot

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Wir hatten vor einiger Zeit über Entscheidungen des AG Leer und eine des AG Gmünden berichtet, die beide bei einer Verurteilung nach § 316 StGB bzw. nach § 315c StGB von der an sich fälligen (Regel)Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen haben.

In die Reihe „passt“ dann auch das schon etwas ältere AG Düsseldorf, Urt. v. 20.07.2011 – 125 Cs 51 Js 128/11-99/11, auf das ich erst jetzt gestoßen bin. Auch in ihm ist das AG – sicherlich ein wenig überraschend – von der Regelentziehung des § 69 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 StGB abgewichen und hat nur ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt.

Leitsatz der Entscheidung:

„Von der Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB kann auch bei Vorliegen eines Regelfalls abgesehen werden, wenn sich zum Zeitpunkt der Entscheidung sich der Führerschein bereits länger sich in amtlicher Verwahrung befindet (hier 6 ½ Monate), lediglich relative Fahruntüchtigkeit mit einem BAK Wert von 0,59 ‰ vorliegt und die Angeklagte ein entsprechendes Seminar für im Verkehr durch Alkohol aufgefallene Verkehrsteilnehmer besucht hat. In Betracht kommt dann jedoch die Verhängung eines Fahrverbotes gemäß § 44 StGB .“

Da auf das Fahrverbot die Zeit der vorläufigen Entziehung angerechnet wird (§ 51 Abs. 5 StGB) bleibt in diesen Fällen meist nichts mehr zu vollstrecken. Wegen des „überschießenden Teils“ besteht an sich grds. ein Anspruch nach dem StrEG, – so auch hier. Auf den wird dann aber ebenso häufig auch verzichtet.