Schlagwort-Archive: ESO ES 3.0

Hier wird es technisch, oder. ESO ES 3.0, das AG Meißen, die PTB und eine sachverständige Gegendarstellung

entnommen wikimedia.org Urheber Jepessen

entnommen wikimedia.org
Urheber Jepessen

Ich komme dann noch einmal auf das AG Meißen, Urt. v. 29.05.2015 – 13 OWi 703 Js 21114/14 – zurück (vgl. dazu Ein Schwergewicht/Hammer aus Sachsen: 112 Seiten zu ESO ES 3.0).  Nun, wie nicht anders zu erwarten, gibt es dazu (natürlich) inzwischen eine Stellungnahme der PTB, die mich inzwischen auch erreicht hat.

Ich stelle Sie hier dann mal ein unter „Stellungnahme der PTB zu AG Meißen„, wobei ich einräumen muss: Für mich wird es nun allmählich unverständlich bzw. ich kann es nicht mehr nachvollziehen. Aber „meine“ Sachverständigen von der VUT die können es – meine ich. Und die haben dann auch eine Stellungnahme zu der Stellungnahme der PTB verfasst, die ich hier unter „Stellungnahme VUT_26_01_2016 Gegendarstellung PTB_AG Meissen“ einstelle (hier geht es zur VUT, die heute auch mit einem Newsletter auf ihre Stellungnahme hinweisen).

Die Verkehrsrechtler wird es sicher interessieren….. 🙂

Ein Schwergewicht/Hammer aus Sachsen: 112 Seiten zu ESO ES 3.0

© Kathrin39 Fotolia.com

© Kathrin39 Fotolia.com

Heute hat mir die Kollegin RiAG Kutscher vom AG Meißen ein Schwergewicht geschickt, nämlich das AG Meißen, Urt. v. 29.05.2015 – 13 OWi 703 Js 21114/14. Das ist 112 Seiten lang; ich stelle es dann mal hier zum Download bereit und nicht bei Burhoff-Online, weil das Urteil Lichtbilder enthält, die dort verloren gehen würden. In der hier bereit gestellten PDF-Version bleiben sei erhalten. Die Kollegin hat sich viel Mühe gegeben und ESO ES 3.0 ein wenig auseinander genommen bzw. sich ausführlich mit ES 3.0 auseinander gesetzt. Im Verfahren sind dann auch Chef-Entwickler der Fa. eso GmbH als Zeuge vernommen worden und es haben zwei Sachverständigenbüros mitgewirkt. Also: Umfangsverfahren beim AG 🙂

Das Ergebnis: Der Betroffene ist frei gesprochen worden.

Ich hatte die Kollegin nach der Kernaussage dieses Schwergewichts gefragt, weil ich derzeit keine Zeit habe/hatte, die 112 Seiten zu lesen. Sie hat mich für den „ganz eiligen Leser“ auf S. 3 des Urteils verwiesen. Da heißt es:

„Die innerstaatliche Bauartzulassung, auf deren Grundlage die Eichungen aller eingesetzten ES 3.0 beruhen und die Einhaltung der Bedienvorschriften gewährleistet nicht, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Messergebnisse zu erwarten sind.

Die Beweisaufnahme hat bauartbedingte Fehlerquellen der Geschwindigkeitsmessanlage bei der Messwertbildung zu Tage treten lassen, die nicht innerhalb der zulässigen Verkehrsfehlergrenze liegen und auch nicht durch einen größeren Toleranzwert ausgeglichen werden können.“

Also: Vielleicht/Hoffentlich kann der ein oder andere Blogleser mit der Entscheidung etwas anfangen. Und: Die Entscheidung ist rechtskräftig. Wir hören zu der Frage also dann nichts aus Dresden vom OLG.

Der Kollegin herzlichen Dank für die Sendung – ich freue mich über solche „Gaben“ immer, tragen sie doch zu einer bunten Berichterstattung bei.

P.S. Sollte an sich erst morgen online gehen, aber Fluch der Technik 🙁 .

Auch du mein Sohn Brutus – auch OLG Hamm will nicht wissen, wie ESO ES 3.0 funktioniert

© Sven Grundmann – Fotolia.com

Ich hatte ja schon über den OLG Zweibrücken, Beschl. v. 22.10.2012 – 1 SsBs 12/12 – (VRR 2013, 36 = StRR 2013, 37 = zfs 2013, 51) berichtet, in dem das OLG auch dann keine Bedenken gegen die Verwertbarkeit des Messergebnisses eines Geschwindigkeitsmessergebnisses hatte, wenn dessen Funktionsweise nicht genau bekannt ist. Begründung – etwas verknappt: Es handelt sich um ein standardisiertes Messverfahren. Auf derselben Linie liegt nun der OLG Hamm, Beschl. v. 29.01.2013 – III-1 RBs 2/13 – mit den (amtlichen) Leitsätzen

1. Die mangelnde Kenntnis der genauen Funktionsweise des Geschwindigkeitsmessgerätes ESO ES 3.0 begründet keine rechtliche Unverwertbarkeit des Messergebnisses.

2. Das Gericht ist nicht verpflichtet, aufgrund eines Beweisantrages weitere Ermittlungen zur Funktionsweise dieses Messgerätes anzustellen, wenn keine konkreten Zweifel an der Zuverlässigkeit der Messung bestehen. Es ist dem Betroffenen zumutbar, solche Zweifel konkret darzulegen.

Das OLG Hamm hat in dem Beschluss m-E. nicht viel eigene Gedanken entwickelt, sondern hat die Argumentation des OLG Zweibrücken – teilweise wörtlich – übernommen. Zu dem Beschluss gilt für mich dasselbe wie für die Entscheidung des OLG Zweibrücken: Die Eigenschaft als standardisiertes Messverfahren bedeutet doch nicht, dass der Betroffene diese Messung nicht überprüfen können muss. Und standardisiertes Messverfahren bedeutet i.Ü. auch nicht, dass nicht der Tatrichter von der Ordnungsgemäßheit der Messung überzeugt sein und er sich seine richterliche Überzeugung bilden muss.

Und: An der Stelle beißt sich dann ggf. die Katze in den berühmten Schwanz. Denn soll der Betroffene verpflichtet sein, konkrete Zweifel darzulegen, muss ich ihm dazu auch die Möglichkeit geben. Hier hat dann die Diskussion um die Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung und/oder andere Unterlagen weitere verfahrensrechtliche Bedeutung. Denn diese dient u.a. auch dieser Möglichkeit und der Vorbereitung eines ordnungsgemäßen Beweisantrages, der ohne Kenntnis der Bedienungsanleitung und der ggf. besonderen Umstände der Messung i.d.R. nicht gestellt werden kann. Wie der Betroffene das allerdings können soll, wenn – so im Fall des OLG Zweibrücken – noch nicht einmal ein Sachverständiger mit der Funktionsweise des Messgerätes ESO ES 3.0 klar kommt, bleibt für mich das Geheimnis der OLG. Und bitte: Akteneinsicht pp. ist Vorbereitung des Beweisantrages mit der Folge, dass die Anforderungen an die Begründung des entsprechenden Antrages geringer sein müssen als an einen Beweisantrag. Sonst beißt sich die Katze nicht nur in den Schwanz, sondern ich befinde mich als Verteidiger in einem Teufelskreis.

Was ist nun mit ESO ES 3.0? Verwertbar – auch ohne Kenntnis der Messdaten?

Die Urteile des AG Kaiserslautern (zfs 2012, 407) und des AG Landstuhl (VRR 2012, 273), die den Betroffenen vom Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung frei gesprochen hatten, haben vor einiger Zeit für Aufsehen gesorgt (vgl. zu AG Landstuhl hier). Die Begründung der AG ging im Groben dahin, dass dann, wenn von der Herstellerfirma eines Messgeräte (hier: ESO ES 3.0) die Mess-/Gerätedaten zu einer Messung nicht zur Verfügung gestellt werden, so dass die Ordnungsgemäßheit der Messung nicht überprüft werden könne, ein Verstoß gegen den zu Gunsten des Betroffenen geltenden Grundsatz des rechtlichen Gehörs vorliege, der zur Unverwertbarkeit der Messung führe.

Dass die Urteile nicht bei den AG rechtskräftig werden würden, war vorauszusehen. Und: Die Staatsanwaltschaft ist – zumindest gegen das Urteil des AG Kaiserslautern – in die Rechtsbeschwerde gegangen. Der OLG-Beschluss liegt inzwischen vor. Der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 22.10.2012 – 1 SsBs 12/12 – hat das AG Kaiserslautern-Urteil aufgehoben (vgl. auch hier). Begründung:

Die mangelnde Kenntnis der genauen Funktionsweise des Geschwindigkeitsmessgerätes ESO ES 3.0; das eine Bauartzulassung von der Physikalisch-Technische Bundesanstalt erhalten hat, begründet keine rechtliche Unverwertbarkeit des Messergebnisses. Die genaue Funktionsweise von Messgeräten ist den Gerichten auch in den Bereichen der Kriminaltechnik und der Rechtsmedizin nicht bekannt, ohne dass insoweit jeweils Zweifel an der Verwertbarkeit der Gutachten aufgekommen wären, die auf den von diesen Geräten gelieferten Messergebnissen beruhen.

Nach welchem Prinzip das Geschwindigkeitsmessgerät funktioniert,  ist bekannt (vgl. Böttger in Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, S. 727. ff.). Auch mögliche Ursachen für Fehlmessungen Sind bekannt (Böttger a.a.O.).

Bei dem Messverfahren handelt es sich um standardisiertes. Messverfahren (OLG Koblenz, Beschluss vom 16. Oktober 2009, 1 SsRs 71/09). Dies entbindet den Richter selbstverständlich nicht von der Prüfung, ob die konkrete Messung zuverlässig ist. Zweifel an der Zuverlässigkeit der Messung können aber nur konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlmessung begründen. Fehlt es an derartigen Anhaltspunkten, überspannt der Tatrichter die an seine Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen, wenn er dennoch an der Zuverlässigkeit der Messung zweifelt. Konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlmessung zeigen die Urteilsgründe nicht auf.

Im Ergebnis nicht überraschend. Die Argumentationskette ist bekannt – standardisiertes Messverfahren = Messung verwertbar, so lange nicht konkrete Messfehler geltend gemacht werden.

Allerdings: Die Argumentation der AG war m.E. ein wenig (?) anders. Denn – zumindest vom AG Landstuhl – wurde nicht nur die Frage nach der Funktionsweise des ESO ES 3.0 gestellt – die war dem Amtsrichter bekannt. Sondern er hatte auch beanstandet, dass die Messdaten nicht herausgegeben werden und deshalb eine Überprüfung der Messung nicht möglich sei, so dass der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt sei. Das ist m.E. etwas anderes, so dass die Begründung des OLG Zweibrücken für mich am AG Urteil vorbei geht. Standardisiertes Messverfahren bedeutet doch nicht, dass ich als Betroffener kein Recht habe, die Messung zu überprüfen. Wie soll ich denn „konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlmessung begründen“, wenn ich die Messung nicht kenne und nicht überprüfen kann?

Vielleicht wäre es doch besser gewesen, der Senatsvorsitzende hätte nicht allein entschieden, sondern man hätte sich zu Dritt an die Prüfung gemacht.

Messung mit ESO ES 3.0 – ein oder zwei „Lübecker Hütchen“?

© Light Impression – Fotolia.com

Geschwindigkeitsmessungen mit dem System eso ES 3.0 sind immer „interessant“ bzw. beschäftigen derzeit die Rechtsprechung. So auch beim AG Lüdinghausen. Dort hatte der Verteidiger gegen die Ordnungsgemäßheit der Messung mit ESO ES 3.0 eingewendet, es sei erforderlich, dass die sog. Fotolinie durch zwei sog. Lübecker Hütchen markiert werde. Das hat das AG Lüdinghausen, Urt. v. 05.03.2012 – 19 OWi-89 Js 102/12-12/12 – nicht gelten lassen und dazu ausgeführt:

„Dem ist jedoch zu widersprechen. Die Bedienungsanleitung des genannten Messgerätes sieht ausdrücklich nur zumindest eine Markierung der Linie z.B. durch ein Lübecker Hütchen vor. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass die Dokumentation der Fotolinie für die Frage der Richtigkeit der Messung, d.h. der Richtigkeit des Messergebnisses ohne Relevanz ist. Vielmehr ist die Dokumentation der Fotolinie nur notwendig für die richtige Zuordnung des Messergebnisses, und zwar dann, wenn mehrere Fahrzeuge unmittelbar hintereinander her fahren. Hier ist jedoch auf das Messfoto Bl. 1 d.A. unten zu verweisen (auch hierauf wird nach § 267 I S. 3 StPO Bezug genommen), auf dem sich gerade nur das von der Betroffenen geführte Fahrzeug erkennen lässt. Zuordnungsschwierigkeiten sind damit nicht einmal ansatzweise ersichtlich.

Aus diesem Messfoto ergibt sich im Übrigen auch die von dem Messgerät gemessene Geschwindigkeit. Das Gericht hat nicht nur das Foto der Fotolinie und das Messfoto in Augenschein genommen, sondern auch das Datenfeld des Messfotos urkundsbeweislich verlesen. Hieraus ergab sich eine von dem Messgerät festgestellte Geschwindigkeit von 100 km/h, von der ein Sicherheitsabschlag von 3 km/h vorzunehmen war, so dass sich eine vorzuwerfende Geschwindigkeit von 97 km/h ergab.“

Ein Versuch war es wert, hat allerdings wohl zu Recht keinen Erfolg gebracht. Allerdings: Damit ist ESO ES 3.0 aber sicherlich nicht aus der Diskussion.:_)