Und dnan mal wieder etwas zur Plfichtverteidigung.
Den Opener macht der BGH, Beschl. v. 09.02.2023 – StB 3/23 – mit folgendem Sachverhalt:
Der GBA führt unter dem Aktenzeichen 2 BJs 450/20-2 gegen Unbekannt und weitere namentlich bekannte Personen ein Ermittlungsverfahren wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 StGB und anderer Straftaten. Beschuldigter in diesem Verfahren war neben anderen Personen auch der Beschwerdeführer (in dieser Sache). Mit Verfügung vom 07.05.2021 hat der GBA das gegen den Beschuldigten gerichtete Verfahren abgetrennt und diesen neben anderen unter dem Aktenzeichen 2 StE 7/21-2 vor dem OLG Dresden angeklagt. Die diesbezügliche Hauptverhandlung dauert an.
Unter dem 17.10.2022 hat der Beschwerdeführer in dem Verfahren 2 BJs 450/20-2 die Beiordnung von Rechtsanwalt M. aus L. als Pflichtverteidiger beantragt mit der Begründung, in der Hauptverhandlung vor dem OLG Dresden sei durch die Einführung von Schriftstücken bekannt geworden, dass das genannte Ermittlungsverfahren weiterhin auch gegen ihn betrieben werde. Der Beschwerdeführer werde dort auch über den Zeitpunkt der Abtrennung hinaus als Tatverdächtiger (Auswertung eines Gutachtens durch das Landeskriminalamt vom 07.06.2021, Anforderung einer kriminaltechnischen Vergleichsarbeit vom 04.082021) bzw. Beschuldigter (Vermerk des Landeskriminalamts vom 20.09.2021) bezeichnet.
Mit Schreiben vom 19.10.2022 hat der GBA dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er weder formal noch materiell Beschuldigter des in Rede stehenden Ermittlungsverfahrens sei.
Dagegen die sofortige Beschwerde, die beim BGH keinen Erfolg hatte.
„Die zulässige, insbesondere mit Blick auf § 311 Abs. 2 StPO fristgerechte sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Gemäß § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO wird bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen demjenigen Beschuldigten ein Pflichtverteidiger bestellt, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist. Hieran fehlt es vorliegend, und zwar unabhängig davon, ob unter der Eröffnung des Tatvorwurfs lediglich die förmliche Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens (vgl. KK-StPO/Willnow, 9. Aufl., § 141 Rn. 3; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 141 Rn. 3) oder darüber hinaus auch die Kenntniserlangung in sonstiger auf die Strafverfolgungsbehörde zurückgehender Weise (vgl. LG Magdeburg, Beschluss vom 24. Juli 2020 – 25 Qs 233 Js 9703/19 [65/20], StV 2021, 162; BeckOK StPO/Krawczyk, 45. Ed., § 141 Rn. 4; SSW-StPO/Beulke/Salat, 5. Aufl., § 141 Rn. 13; BT-Drucks. 19/13829 S. 36) zu verstehen ist. Im Einzelnen:
1. Regelmäßig wird der Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörde durch die förmliche Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens manifestiert (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2019 – StB 14/19, NStZ 2019, 539 Rn. 30; Urteil vom 23. Juli 1986 – 3 StR 164/86, BGHSt 34, 138, 140; Meyer/Goßner/Schmitt, aaO, Einl. Rn. 76, jeweils mwN). Eine derartige Vorgehensweise des Generalbundesanwalts nach Abtrennung des gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfahrensteils ist mit der Beschwerde nicht dargelegt worden und auch sonst nicht ersichtlich.
2. Aber auch die Bezeichnung des Beschwerdeführers als Tatverdächtigen oder Beschuldigten in den mit der Beschwerde angeführten Schriftstücken lässt eine zureichende Manifestation des erforderlichen Verfolgungswillens des Generalbundesanwalts nicht erkennen. Ob eine solche gegeben ist, beurteilt sich danach, wie sich das Verhalten des ermittelnden Beamten nach außen, insbesondere in der Wahrnehmung des davon Betroffenen darstellt (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2019, aaO). Nach diesem Maßstab ist von Belang, dass die in Bezug genommenen Schriftstücke nur verhältnismäßig kurze Zeit nach der Verfahrensabtrennung entstanden sind, das dem Datum 4. August 2021 zugeordnete in Wahrheit bereits am 1. Juni 2021. Sie enthielten – wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift vom 7. November 2022 im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat – jeweils Ergebnismitteilungen zu nicht gegen den Beschwerdeführer gerichteten Ermittlungsaufträgen, die ihrerseits deutlich vor dem 7. Mai 2021 erteilt worden waren. Bei dieser Sachlage konnte der Beschwerdeführer ersichtlich nicht davon ausgehen, dass die Bezeichnung seiner Person mit den Begriffen Beschuldigter bzw. Tatverdächtiger als Manifestation eines ihn betreffenden Verfolgungswillens der Strafverfolgungsbehörden aufzufassen war; naheliegend war vielmehr eine auf Unkenntnis oder Nachlässigkeit des jeweiligen Verfassers zurückzuführende Unvollständigkeit der Bezeichnung, die darin lag, dass die Verwendung eines Zusatzes wie etwa „vormals“ unterblieb. Es kommt hinzu, dass der Generalbundesanwalt mit Schreiben vom 19. Oktober 2022 ausdrücklich klargestellt hat, den Beschwerdeführer in dem in Rede stehenden Ermittlungsverfahren nicht als Beschuldigten zu betrachten, so dass zumindest ab diesem Zeitpunkt von einer Manifestation eines Verfolgungswillens gegenüber dem Beschwerdeführer keine Rede mehr sein kann.
3. Anhaltspunkte dafür, dass der Generalbundesanwalt dem Beschwerdeführer eine verfahrensmäßige Stellung als Beschuldigter willkürlich vorenthielte (zum Maßstab der Willkür in diesem Zusammenhang vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2019, aaO), bestehen nicht, wie auch der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs im Ergebnis zutreffend angenommen hat.“