„Ob die Entziehung der Fahrerlaubnis auch materiell rechtmäßig ist, vermag das Gericht nach summarischer Prüfung nach Aktenlage nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit zu beurteilen.
Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Maßgeblich für die Beurteilung der Kraftfahreignung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juni 2005 – 3 C 25.04 -, juris, Rn. 16, und vom 23. Oktober 2014 – 3 C 3/13 -, juris, Rn. 13; OVG NRW, Beschlüsse vom 22. Oktober 2003 – 19 A 2549/99 -, juris, Rn. 12, sowie vom 6. Juli 2012 – 16 A 1928/11 -, n.v., S. 2 des Beschlussabdrucks.
Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt ein Fahrerlaubnisinhaber insbesondere dann als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 (zu den §§ 11, 13 und 14 FeV) vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Gemäß Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV in Verbindung mit Nr. 3 der Vorbemerkung zu Anlage 4 zur FeV ist die Eignung bzw. die bedingte Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs regelmäßig ausgeschlossen bei Einnahme von Betäubungsmitteln i.S.d. BtMG, ausgenommen Cannabis. Wegen ihres hohen Suchtpotenzials und der Schwierigkeit, ihre Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit einzuschätzen, rechtfertigt bereits ein einmaliger Konsum von sog. harten Drogen im Sinne des BtMG – zu denen Amphetamin zählt – im Regelfall die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis, und zwar unabhängig davon, ob unter dem Einfluss des Betäubungsmittels auch ein Kraftfahrzeug geführt wurde.
Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 – 3 C 9/18 -, juris, Rn. 30; OVG NRW, Beschlüsse vom 7. April 2014 – 16 B 89/14 – juris, Rn. 5, und vom 23. Juli 2015 – 16 B 656/15 -, juris, Rn. 5, jeweils m.w.N. zu der insoweit übereinstimmenden Rechtsprechung der Obergerichte anderer Bundesländer.
Entscheidend für die Verneinung der Kraftfahreignung ist demnach allein, ob feststeht, dass der Kläger jedenfalls einmal Amphetamin konsumiert hat, was einen willentlichen Konsum voraussetzt.
Laut des toxikologischen Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums der I. -I1. -Universität E. vom 00. Mai 2023 fiel die dem Antragsteller am 00. Februar 2023 entnommene Blutprobe positiv auf Amphetamin (338 ng/ml) aus. Die Gutachterin Univ.-Prof. Dr. X. -U. kommt in ihrer Beurteilung weiter zu dem Ergebnis, dass damit der Nachweis eines Konsums von Amphetamin (z.B. Pep) geführt wurde. Auch der am 00. Februar 2023 durchgeführte Drogenvortest verlief positiv auf Amphetamin/Metamphetamin.
Es ist angesichts der beschränkten Aufklärungsmöglichkeiten im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach Aktenlage allerdings nicht hinreichend sicher, dass der Befund nicht – wie vom Antragsteller vorgetragen – auf einer bestimmungsgemäßen, nach ärztlicher Verordnung erfolgten Einnahme des Medikaments F. 00 mg Hartkapseln beruht. In einem solchen Fall würde sich die Frage der Kraftfahreignung nicht nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV, sondern nach Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV richten. Bei einer ordnungsgemäßen Dauerbehandlung mit einem betäubungsmittelhaltigen Arzneimittel i.S.v. Nr. 9.6.2 der Anlage 4 FeV entfällt die Kraftfahreignung „nur“ bei einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen unter das erforderliche Maß. Das Vorliegen einer solchen Beeinträchtigung dürfte wiederum lediglich durch die Einholung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens aufzuklären sein.
Das Medikament F., das der Antragsteller nach eigenen Angaben zur Behandlung seiner XXX-Erkrankung einnimmt, enthält den Wirkstoff Lisdexamphetamin. Bei einer Einnahme kann es bei Tests auf Drogengebrauch – wie auch in der vom Antragsteller eingereichten ärztlichen Bescheinigung des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie I2. vom 00. August 2023 attestiert – zu falsch positiven Ergebnissen kommen.
Vgl. auch die entsprechende Angabe im Beipackzettel des Medikaments F. Hartkapseln, abrufbar unter https://www.takeda-produkte.de/system/files/produkt-info/gebrauchsinformation-elvanse-20-mg30-mg40-mg50-mg60-mg70-mg-hartkapseln.pdf, S. 4.
Eine Analyse der dem Antragsteller entnommenen Blutprobe mittels eines gaschromatographischen Untersuchungsverfahrens wurde bislang nicht durchgeführt. Nach der Beurteilung der Gutachterin Univ.-Prof. Dr. S. -U. im toxikologischen Gutachten vom 00. Mai 2023 sowie nach telefonischer Auskunft des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums der I. -I1. -Universität E. am 00. September 2023 gegenüber dem Antragsgegner (vgl. Bl. 31 VV) könnte bei einer solchen Untersuchung festgestellt werden, ob die im Blut des Antragstellers festgestellte Konzentration an Amphetamin auf der Einnahme des Medikaments F. oder (zusätzlich) auf einem sonstigen Amphetaminkonsum beruht.
Vgl. bezüglich der bei einer ADHS-Erkrankung ebenfalls eingesetzten Medikamente Ritalin und Medikinet dazu, dass bei einer gaschromatischen Untersuchung des Blutes eindeutig zwischen Amphetamin und dem in diesen Medikamenten enthaltenen Wirkstoff Methylphenidat unterschieden werden kann, nur OVG NRW, Beschluss vom 13. September 2019 – 16 B 730/19 -, n.v., S. 2; VG Düsseldorf, Beschluss vom 5. November 2019 – 6 L 2821/19 -, juris, Rn. 7 f. jeweils m.w.N.
Nach alledem vermag das Gericht ohne eine abschließende Klärung im Hauptsacheverfahren in Gestalt einer gaschromatographischen Untersuchung der dem Antragsteller am 00. Februar 2023 entnommen und laut des toxikologischen Gutachtens vom 00. Mai 2023 noch bis Mai 2025 beim V. E. lagernden Blutprobe nicht ausreichend zuverlässig zu beurteilen, ob der Antragsteller zum Zeitpunkt der Entziehung kraftfahrungeeignet und ihm daher (zwingend) die Fahrerlaubnis zu entziehen war.
b) Lässt sich demnach die Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung nicht hinreichend sicher abschätzen, kann das Gericht lediglich eine Interessenabwägung in Form einer Folgenabschätzung vornehmen. Dabei sind die Folgen, die eintreten, wenn die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt wird, die angefochtene Verfügung sich aber als rechtmäßig erweist, gegen die Folgen abzuwägen, die eintreten, wenn die aufschiebende Wirkung nicht wiederhergestellt wird, sich die Verfügung aber später als rechtswidrig erweist. Auf die betroffenen Grundrechte ist in besonderer Weise Bedacht zu nehmen.
Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 -, juris, Rn. 23 ff.
Diese Abwägung fällt zulasten des Antragstellers aus…..“