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StPO-Reform: Da ist der Regierungsentwurf, oder: Was man dann doch (lieber) geändert hat

© Berlin85 - Fotolia.com

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So, alle Leser Weihnachten gut überstanden? Wenn ja, können wir ja beschwingt und gut gelaunt in die letzte (Arbeits)Woche des Jahres 2016 starten. Und den Startschuß gebe ich dann mit diesem Posting:

Ich hatte ja schon mehrfach über die geplante StPO-Reform berichtet. Zuletzt habe ich dazu im Sommer des Jahres in Zusammenhang mit dem Referentenentwurf gepostet (s. StPO-Reform: Da ist der Referentenentwurf – Bauplan für ein Denkmal der Effektivität?). Inzwischen sind wir ein Stück weiter. Das Bundeskabinett hat am 14.12.2016 dann den Regierungsentwurf „eines Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ beschlossen.

Ich will jetzt hier nicht auf alle geplanten Änderungen eingehen. Dafür ist es vielleicht noch wenig früh, zumal man ja auch nie weiß, was das Gesetzgebungsverfahren denn so alles bringt. Ich will mich heute mit ein paar Hinweisen darauf beschränken, wo der Regierungsentwurf und der Referentenentwurf konform, aber auch, wo sie sich unterscheiden. An Letzterem kann man dann sehen, was so hinter den Kulissen abgelaufen ist bzw. sein dürfte bei der Anhörung der Verbände usw. Im Einzelnen.

  • Nicht mehr enthalten ist das vom Referentenentwurf dem Beschuldigten eingeräumte Recht, schon im Ermittlungsverfahren bei der StA einen Antrag auf Bestellung eines Pflichtverteidigers zu stellen, der dann unverzüglich hätte beschieden werden müssen. Damit bleibt es dabei, dass der Beschuldigte im Ermittlungsverfahren kaum Möglichkeiten hinsichtlich der Bestellung eines Pflichtverteidigers hat und vom „Good will“ der Staatsanwaltschaft abhängt. Der neue § 141 Abs. 3 Satz 3 StPO ist da nur ein geringer Ausgleich.
  • Entfallen ist auch die (teilweise) zwingende audiovisuelle Aufzeichnung von Zeugenvernehmungen (§ 58a StPO). Allerdings muss die richterliche, staatsanwaltliche oder polizeiliche Vernehmung eines Beschuldigten in Bild und Ton aufgezeichnet werden, wenn dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen, oder wenn schutzwürdige Interessen des Beschuldigten durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
  • Ebenfalls nicht aufgenommen worden ist das im Referentenentwurf vorgesehene Verbot der Überwachung von  Anbahnungsgespräche zwischen Verteidigern und inhaftierten Beschuldigten.
  • Der Referentenentwurf hatte die Verpflichtung des Vorsitzenden enthalten, in umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht den äußeren Ablauf der Hauptverhandlung vor der Terminsbestimmung mit dem Verteidiger, der Staatsanwaltschaft und dem Nebenklägervertreter zu erörtern. Vorgesehen war das für Verfahren, die voraussichtlich länger als drei HV-Tage dauern. Das ist eingeschränkt worden auf Verfahren, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage andauern wird.
  • Im Referentenentwurf war das (neue) Recht des Verteidigers vorgesehen, vor der Vernehmung des Angeklagten eine Erklärung zur Anklage abzugeben. das war nicht beschränkt. Im Regierungsentwurf ist dieses Recht jetzt nur noch für Verfahren mit einer Verhandlungsdauer von voraussichtlich mindestens zehn Tagen vorgesehen.

Das ist so das, was mir auf den ersten Blick aufgefallen ist. Die Einschränkungen im Beweisantragsrecht (Erweiterung des § 244 Abs. 6 StPO-E) und die Änderungen bei § 29 StPO sind (natürlich) erhalten geblieben. Das Strafverfahren soll ja schließlich effektiver werden.

Die Karawane zieht weiter… auch Verschärfung des strafrechtlichen Wiederaufnahmeverfahrens

Auch hier eine Verschärfung. Das Land NRW hat im Bundesrat ein Gesetzesvorhaben, das in der letzten Legislaturperiode nicht zu Ende beraten worden war, wieder aufleben lassen, vgl. die BR-Drucksache 222/10. Danach sollen die Wiederaufnahmemöglichkeiten zu Ungunsten des Angeklagten erweitert werden, der vom

  • Vorwurf des Mordes,
  • eines ausschließlich mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedrohten Tötungsverbrechens nach dem Völkerstrafgesetzbuch oder
  • einer mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu ahndenden Anstiftung zu diesen Straftaten

freigesprochenen worden ist.

Eine Wiederaufnahme soll dann zulässig sein, wenn neue, zum Zeitpunkt des Freispruchs nicht vorhandene technische Ermittlungsmethoden nachträglich zu der Erkenntnis führen, dass das freisprechende Urteil falsch ist. Zu diesem Zweck sieht der Entwurf die Einführung einer Nummer 5 in § 362 StPO vor. Zur Gewährleistung einer mit Blick auf Artikel 103 Absatz 3 GG für erforderlich gehaltenen restriktiven Handhabung des neuen Wiederaufnahmegrundes zuungunsten des Angeklagten soll in § 370 StPO vorgesehen werden, dass ein auf ihn gestützter Wiederaufnahmeantrag nur begründet ist, wenn dringende Gründe für die Annahme vorliegen, dass der Freigesprochene verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt werden wird, weil von seiner Schuldunfähigkeit auszugehen ist.

Auch hier also – wie schon durch das Gesetz zur Effektivierung des Strafverfahrens – eine Verschärfung des geltenden Rechts.

Gesetz zur Effektivierung des Strafverfahrens – teilweise zu leicht befunden, oder?

Der Rechtsausschuss des Bundesrates befasst sich heute mit dem „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Effektivität des Strafverfahrens“, indem unter anderem eine Erscheinens- und Aussageverpflichtung für Zeugen bei der Polizei vorgesehen ist (BR-Drucksache 120/10). Wir hatten über dieses Vorhaben der Schwarz-gelben Koalition schon in Zusammenhang mit dem Koalitionsvertrag berichtet. Hierbei handelt es sich um eine Forderung, die schon mehrfach aus dem Bundesrat erhoben wurde. So entspricht der vorliegende Entwurf wörtlich den Gesetzesanträgen des Bundesrates in der Bundestagsdrucksache 14/6079 vom 16.05.2001 und in der Bundestagsdrucksache 16/3659 vom 30.11.2006 – und dies sogar einschließlich der Begründung.

Man fragt sich: Wieso wird das Strafverfahren eigentlich effektiver, wenn Zeugen bei der Polizei erscheinen und aussagen müssen? Und: Wie will man eigentlich die schwierigen Fragen der Zeugnis- und Aussage- bzw. Auskunftsverweigerung regeln. Wenn man sich die Rechtsprechung anschaut, haben ja schon ausgewachsene Kammer Schwierigkeiten, die Fragen des § 55 StPO richtig zu beantworten. Und das macht dann demnächst der vernehmende Polizeibeamte? Und wenn der Zeuge sich mit dem nicht einigen kann, geht es dann gleich in die Beugehaft?

Fazit: Abzulehnen. So übrigens auch der DAV; vgl. auch hier.

Änderungen im U-Haft-Recht

Das BMJ hat vor Kurzem den Verbänden einen RefE für ein „Gesetz zur Überarbeitung des Untersuchungshaftrechts“ zur Stellungnahme zugesandt. Der Entwurf hat in erster Linie die Umsetzung der sich aus der Föderalismusreform ergebenden Auswirkungen auf die Vorschriften zur U-Haft zum Ziel. Der Entwurf sieht eine Neufassung des § 119 StPO vor, welche die bislang von § 119 Abs. 3, 1. Alt. StPO im wesentlichen nur allgemein angesprochenen und lediglich in der UVollzO näher ausgestalteten Beschränkungen für Beschuldigte aus dem Zweck der U-Haft heraus konkret und transparent im Text der StPO regelt. Eine inhaltliche Veränderung der möglichen Maßnahmen im Vergleich zur bisherigen Rechtslage beabsichtigt der Entwurf jedoch nicht. Darüber hinaus wird z.B. in § 114b StPO-E eine Pflicht zur Belehrung von verhafteten und – über die Verweise in §§ 127, 127b, 163c StPO-E – vorläufigen festgenommenen bzw. festgehaltenen Personen über ihre Rechte schon bei der Festnahme normiert. Die Aufgabe zur Belehrung soll der Polizei zufallen. Weitere Änderungen sind nicht vorgesehen.

Was halten Sie davon?