Auf Rechtsprechungsänderungen muss man immer achten. Deshalb der Hinweis auf eine Änderung beim OLG Frankfurt. Dieses sieht jetzt die auf einen Antrag nach § 33a StPO ergangene Entscheidung auf keinen Fall mehr als anfechtbar an; so auch schon einige andere OLG. Bisher hatte das OLG die Anfechtung in bestimmten Fällen zugelassen. Nachzulesen in OLG Frankfurt, Beschl. v.05.08.2011 – 3 Ws 530/11.
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„Iranern sitzt das Messer zu locker“…..
Die Äußerung: „Iranern sitzt das Messer zu locker“ oder so ähnlich fällt in einem Strafverfahren wegen versuchten Totschlags während einer Vorbesprechung zwischen Berufsrichtern, Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Nebenklagevertretung. Es kommt, was kommen muss: Der die Äußerung tätigende Vorsitzende wird wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der Antrag wird – fast ist man geneigt zu schreiben: was kommen musste – zurückgewiesen mit der Begründung , die Äußerung des Vorsitzenden sei als erkennbar scherzhaft in gelockerter Gesprächsatmosphäre zu bewerten (na ja :-(). An dem Zurückweisungsbeschluss ist der Vorsitzende nicht beteiligt. Der Beschluss ist dann aber Anlass für eine Ablehnung der Beisitzer mit der Begründung der Vernachlässigung einer abweichenden Bewertung durch einen beim Vorgespräch anwesenden Verteidiger und einer daraus vom Angeklagten geschlossenen Billigung der zuvor beanstandeten Äußerung des Vorsitzenden. An dem Beschluss ist der Vorsitzende jetzt wieder beteiligt.
Der BGH hat das im BGH, Beschl. v. 27.10.2011 – 5 StR 376/11 beanstandet:
„Ungeachtet dessen, dass seitens der Strafkammer wiederholte Richterablehnungen – für den Senat nachvollziehbar – als besonders lästig und auf-hältlich empfunden worden sein mögen, hat das Landgericht auch diesen zweiten Antrag zutreffend nicht als unzulässig bewertet. Daher haben die abgelehnten beisitzenden Richter an der Beschlussfassung nach § 27 Abs. 1 StPO auch nicht mitgewirkt. Der Beschluss über das zweite Ablehnungsgesuch erging nun aber unter dem Vorsitz des in dem zuvor gestellten Gesuch abgelehnten Schwurgerichtsvorsitzenden.
2. Das wird von der Revision mit Recht als unvertretbar erachtet.
Auch der Vorsitzende hätte wegen des engen sachlichen Zusammen-hangs beider Ablehnungsanträge nach zutreffendem Verständnis des § 27 Abs. 1 StPO – und zwar ungeachtet der Erfolglosigkeit des ersten Antrags und ohne Rücksicht auf eine inhaltliche Bewertung der Richterablehnungen – an der Beschlussfassung über den zweiten Antrag offensichtlich nicht mitwir-ken dürfen (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 – 5 StR 500/05, BGHR StPO § 27 Entscheidung 3). Denn im Zentrum der Entscheidungsfindung stand weiterhin die Bewertung seiner Äußerung in der Vorbesprechung, die Anlass für die erste Ablehnung gewesen war.
Unter Bedacht auf das Gebot, dass ein „Entscheiden in eigener Sache“ zu vermeiden ist (vgl. BVerfG [Kammer], NJW 2005, 3410), liegt hierin ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG im Ablehnungsverfahren. Dies aber begründet – nicht anders als ein entsprechender Besetzungsmangel im Rahmen unvertretbarer Anwendung des § 26a StPO (BGH, Beschluss vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216) – die Revision nach § 338 Nr. 3 StPO (vgl. schon BGH, Urteil vom 12. Februar 1998 – 1 StR 588/97, BGHSt 44, 26, 28).“
Und dann noch: „Der Senat weist ausdrücklich auf die Bedenken im Aufhebungsantrag des Generalbundesanwalts hin, der die bislang gegebene Begründung für den Tötungsvorsatz als unzureichend erachtet.“ Ds Urteil hätte also auch wohl aus anderem Grund keinen Bestand gehabt. Nur so ging es wahrscheinlich schneller.
BGH als „Streitschlichter“ :-)
Nicht selten wird in der Praxis, häufig nach einem Verteidigerwechsel über die Wirksamkeit einer Rechtsmittelrücknahme gestritten. Der BGH hat dazu – noch einmal – ausgeführt: Wird die Wirksamkeit einer Revisionsrücknahme von einem Verfahrensbeteiligten in Zweifel gezogen, so ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Sache des Revisionsgerichts, hierüber eine feststellende Erklärung zu treffen. Das Rechtsmittelgericht ist zur abschließenden Entscheidung über die Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme berufen (BGH, Beschl. v. 17.02.2011 – 4 StR 691/10)
Nur zufälliges Zusammentreffen, oder neue Verwaltungspraxis?
In den letzten Tagen erreichten mich zwei Anfragen von Kollegen zum Bußgeldverfahren, die eine offenbar neue Verwaltungspraxis – jedenfalls war es mir so bisher nicht bekannt – zum Gegenstand hatten. Was mich stutzig macht, ist das Zusammentreffen von Anfragen einmal aus Baden-Württemberg und einmal aus NRW. Nur zufällig, oder neue Verwaltungspraxis?
In der Sache geht es darum, dass der Verteidiger Akteneinsicht beantragt hat. Als ihm die nach seiner Ansicht nicht vollständig gewährt wird, stellt er Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG. Bevor das AG darüber entscheidet, wird die Sache nach § 69 OWiG an das AG abgegeben. Die Kollegen fragen sich und mich, ob das so geht und was man da machen kann.
M.E. zumindest bedenklich, da die Verwaltungsbehörde durch das Vorgehen dem Antrag nach § 62 OWiG offenbar den Boden entziehen will. Der hat zwar keine aufschiebende Wirkung, m.E. muss darüber aber schon im Hinblick auf § 69 Abs. 3 Satz 2 OWiG entschieden werden, bevor abgegeben wird. Das sollte man beim AG im Wege des nachwirkenden Feststellungsinteresses geltend machen. Und im Verfahren: Nun AE-Antrag beim AG. Ist vielleicht gar nicht so schlecht, weil man über den bei einer Ablehnung mit der Beschwerde zum LG kommt.
Im Übrigen: Ist das wirklich eine neue Verwaltungspraxis oder treffen die beiden Anfragen nur zufällig zusammen?
Der Sermon der Revisionsgerichte, oder: Was heißt „offensichtlich unbegründet“?
Ich habe gerade die Entscheidung des BGH vom 14.1007.2010 -1 StR 123/10 eingestellt und dazu berichtet. Angemerkt hatte ich dazu auch:
Die Ausführungen im Übrigen als Ergänzung zu einem OU-Beschluss. Wenn man dazu rund 5 Seiten schreibt, dann war/ist die Revision aber doch wohl nicht “offensichtlich unbegründet”.
Hintergrund dafür ist, dass der BGH die Revision als offensichtlich unbegründet verworfen hat, dann aber noch etwas 5 Seiten „Ergänzung“ anfügt. Mit Recht merkt ein Kommentator zu dem Post an, dass das eine Unsitte von Revisionsgerichten sei, die es früher zu RG-Zeiten nicht gegeben hat. Das stimmt leider. Zudem ist die Verfahrensweise, wenn nicht falsch, dann aber zumindest bedenklich. Denn wenn die Revision „offensichtlich unbegründet“ ist, dann muss ich m.E. nicht noch fünf Seiten zur Ergänzung anfügen. Denn, wenn ich die brauche, ist die Revision nicht „offensichtlich“ unbegründet.
Daher wäre es m.E. besser, die Revisionsgerichte würden in den Fällen einen „begründeten Beschluss“ machen. Im vorliegenden Fall geht es ja noch, dass der BGH die Ausführungen nur zur „Ergänzung“ anfügt, unschöner sind in meinen Augen die Fälle, in denen in der „Ergänzung“ bzw. dem „Zusatz“ im Einzelnen zu Revisionsvorbringen Stellung genommen wird.
Da fragt man sich dann wirklich: Tatsächlich „offensichtlich“ = auf der Hand liegend unbegründet, oder ist das nur eine Floskel?