Schlagwort-Archive: Einspruch

Da wundert sich der Verteidiger – ist aber richtig

© a_korn – Fotolia.com

Ein Verteidiger hat mir den OLG Hamm, Beschl. v. 20.02.2013 – III-3 RBs 13/13 – übersandt und sein Erstaunen über den Beschluss zum Ausdruckt gebracht – „übersende ich Ihnen einen Beschluss des OLG Hamm, der mich ein wenig ratlos macht.“ Was ist passiert?

Folgender Sachverhalt: Gegen den Betroffenen ergeht wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften ein Bußgeldbescheid mit einer Geldbuße und einem Fahrverbot von einem Monat. Zugestellt wird der  Bußgeldbescheid dem Betroffenen am 29.02.2012.  Zunächst wird – ich will es mal neutral ausdrücken – mit einem Schreiben des Verteidigers vom 02.03.2012 korrespondiert und angeregt, das verhängte Fahrverbot von einem Monat aufzuheben und die Geldbuße entsprechend anzuheben. Dann wird mit Schreiben des Verteidigers vom 14.03.2012 erneut wie folgt geschrieben: „Rein vorsorglich und fristwahrend lege ich gegen den Bußgeldbescheid (…) Einspruch ein.“ Das Schreiben geht – so das OLG – am 15.03. 2012 bei Bußgeldbehörde ein.

Die Bußgeldbehörde übersendet die Akten nunmehr über die Staatsanwaltschaft dem Amtsgericht, das den Betroffenen mit Urteil vom 15.11.2012 zu einer Geldbuße von 125,00 Euro und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt. Dagegen die Rechtsbeschwerde.

Und nun der Beschluss des OLG Hamm vom 20.02.2013, in dem es heißt:

Auf die Rechtsbeschwerde hin ist das angefochtene Urteil aufzuheben und der Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid als unzulässig zu verwerfen.

Das irritiert den Verteidiger bzw. macht ihn ratlos. Es ist aber richtig. Nach § 70 OWiG Abs. 1 OWiG ist der Einspruch durch das Gericht zu verwerfen, wenn die Vorschriften über die Einlegung nicht beachtet sind. Und wird die Unzulässigkeit erst im Rechtsbeschwerdeverfahren festgestellt, verwirft noch das OLG nach Aufhebung des Urteils, das ja zwischenzeitliche ergangen ist (so schon BGHSt 26, 183). Ist sicherlich ein wenig überraschend, aber h.M. :-).

Eine ganz andere Frage ist die, wie der Verteidiger mit dem Umstand umgehen muss, dass nach seinen Unterlagen, der Einspruch nicht verspätet war, sondern ausweislich des in seiner Handakte enthaltenen Faxberichts der Einspruch bereits am 14.03.2012 – und damit fristgerecht – bei der Verwaltungsbehörde eingegangen ist. Wie damit umgehen? M.E. hat er – die Richtigkeit des Faxberichtes unterstellt – nur die Möglichkeit, eine Gegenvorstellung gegen den OLG-Beschluss zu erheben – irren kann auch ein OLG 🙂 – und – so meine ich – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist zu beantragen. Wie das jetzt noch geht und wo, habe ich auf die Schnelle jetzt nicht geprüft. Aber m.E. müsste es noch gehen, denn der Verteidiger/Betroffene hat ja erst jetzt von der Verspätung erfahren. Das OLG wird es schon richten, wenn es sich tatsächlich vertan hat. Allerdings stellt sich dann die Frage: Was wird es im Ergebnis bringen? Droht dann nicht die Verwerfung der Rechtsbeschwerde als unbegründet?

Und für den Fall, dass die Verspätung zutreffend vom OLG festgestellt ist, ist auf eins noch hinzuweisen: Göhler/Seitz weist bei § 70 Rn. 8 darauf hin, dass die Kosten, die entstanden sind, nach § 21 Abs. 1 GKG (auf jeden Fall) nieder zu schlagen sind, da sie bei richtiger Sachbehandlung durch das AG nicht entstanden wären.

Die englische Woche im Fußball demnächst beim OLG Düsseldorf, oder: Musste Sidney Sam zur HV Kommen?

© bilderstoeckchen – Fotolia.com

Vermutlich wird sich demnächst das OLG Düsseldorf mit der Frage beschäftigen, ob ein Trainingslager zwischen zwei Spielen in einer englischen Woche der Fußball-Bundesliga ein Grund, einen Verhandlungstermin beim (Amts)Gericht nicht wahrzunehmen. Um die Frage ging es nämlich beim AG Düsseldorf. Dort war das Verfahren gegen den Fußballprofi Sidney Sam anhängig. Gegen den war ein Bußgeldbescheid – wohl wegen Verstoßes gegen § 24a Abs. 1 StVG – erlassen worden mit einer Geldbuße und einem Fahrverbot (vgl. u.a. hier).

Nach Einspruch war dreimal die Hauptverhandlung anberaumt worden, dreimal war der Termin verlegt worden. Nun hat es dem AG Düsseldorf gereicht. Die vierte Hauptverhandlung  wurde nicht mehr verlegt. Das war beantragt worden mit der Begründung, der Betroffene könne wegen der anstehenden Vorbereitung auf die Heimpartie gegen Greuther Fürth, bei der er nach Auffassung seines Clubs nicht fehlen durfte, nicht kommen. Die Amtsrichterin hat – so die Pressemeldung – dagegen gehalten, es sei Sam wie jedem anderen Berufstätigen zumutbar, sich auf einen Verhandlungstermin einzustellen und wie in diesem Fall das Mannschaftshotel dafür zu verlassen.

Also: Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG. Die Sache wird sicherlich in die Rechtsbeschwerde gehen und das OLG Düsseldorf beschäftigen. Ohne Kenntnis der Akten wird man die Frage kaum abschließend beurteilen können. Auf der anderen Seite: Wie ist es/war es mit einer Terminsabstimmung?

Ach so: Bayer Leverkusen – da spielt Sidney Sam – hat gegen Greuther Fürth 2 : 0 gewonnen (vgl. hier).

 

„Strafklageverbrauch“ im Bußgeldverfahren? – Hätten Sie es gewusst?

© Martin Fally – Fotolia.com

Vor einige Tagen haben mir die Kollegen vom OLG Nürnberg eine interessante Entscheidung geschickt, die u.a. ein Problem/eine Frage behandelt, die mir so auch nicht bewusst war. Und zwar geht es im OLG Nürnberg, Beschl. 25.07.2012 – 2 St OLG Ss 159/12 u.a. auch um die Frage, welche (Aus)Wirkungen die Beschränkung des Einspruchs im Bußgeldverfahren haben kann, und zwar:

Nach § 84 Abs. Satz 1 OWiG steht ja das rechtskräftige Urteil über die Tat als Ordnungswidrigkeit auch ihrer Verfolgung als Straftat entgegen. Voraussetzung dafür ist aber, dass eine Überprüfung des im Bußgeldbescheid getroffenen Schuldspruchs und der Übergang in das Strafverfahren (noch) möglich sind. Nur dann kann ein Strafklageverbrauch nach dieser Vorschrift eintreten. Das ist jedoch nicht mehr der Fall, wenn der  Betroffene seinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid wirksam auf die Rechtsfolgen beschränkt hat. Dann sind der Teil des Bußgeldbescheids, in dem die Sachverhaltsfeststellungen und die rechtliche Würdigung getroffen wurden, in eine rechtskraftähnliche Bindungswirkung erwachsen und können vom AG bei seiner Entscheidung über den beschränkten Einspruch nicht abgeändert werden. Auch der Übergang in das Strafverfahren gem. § 81 Abs. 1 OWiG und eine Verurteilung wegen einer Straftat ist dem AG dann nicht (mehr) möglich.

Das sind als einerseits die Vorteile einer Beschränkung. Der auch zu bedenkende Nachteil ist, dass die Wirkungen des § 84 Abs. 1 Satz 1 OWiG nicht mehr eintreten können. Für das OLG folgt „das bereits  aus dem Wortlaut der Vorschrift, da für einen Strafklageverbrauch „ein rechtskräftiges Urteil über die Tat als Ordnungswidrigkeit“ und nicht nur über die Rechtsfolgen der Tat erforderlich ist„.

Haben natürlich alle Mitlesenden gewusst. 🙂 😉

 

Durcheinander beim AG – Rechtsschein eines Urteils

© Stefan Rajewski - Fotolia.com

Das OLG Celle hatte im OLG Celle, Beschl. v. 12.4. 2012 – 311 SsBs 26/12 – über folgenden – in meinen Augen kuriosen – Sachverhalt zu entscheiden:

Der Betroffene hatte gegen einen Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt. Udn – kürzer geht es leider nicht :-):

Unter dem 14. Oktober 2011 bestimmte das Amtsgericht Hannover Termin zur Hauptverhandlung auf den 27. Oktober 2011 und lud den Betroffenen hierzu. In der Sitzung erschien der Betroffene nicht. In dem Protokoll der Hauptverhandlung heißt es:
„Die ordnungsgemäße Ladung d. Betroffenen konnte noch nicht festgestellt werden. Entschuldigung lag nicht vor. Es soll ? vorbehaltlich einer ordnungsgemäßen Ladung ? verworfen werden.“
Sodann enthält das Protokoll einen Fertigstellungsvermerk vom 27. Oktober 2011 und die Unterschriften des Amtsrichters sowie der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle. Handschriftlich hat der Richter auf dem Protokoll zudem vermerkt, dass ihm der Vorgang nach Eingang der Zustellurkunde, spätestens nach drei Wochen wieder vorgelegt werden solle.
Dem Protokoll nachgeheftet befinden sich in dem Vorgang diverse Urkunden und Schriftstücke, die offenbar von der Vertreterin der Verwaltungsbehörde im Hauptverhandlungstermin am 27. Oktober 2011 überreicht worden waren. Lediglich die erste Seite dieser Unterlagen trägt das Kürzel der Urkundsbeamtin, die weiteren Seiten sind ohne entsprechenden Vermerk. Dem folgt im Vorgang ein Schreiben der Landeshauptstadt H. vom 21. Oktober 2011, das den Eingangsstempel des Amtsgerichts Hannover vom 26. Oktober 2011 trägt. Der im Anschluss daran in den Vorgang gehefteten Zustellungsurkunde über die Ladung des Betroffenen zum Termin am 27. Oktober 2011 ist zu entnehmen, dass diese dem Betroffenen erst am 24. Oktober 2011 zugestellt worden ist. Zwei weitere Seiten später findet sich ein vom Richter und der Urkundsbeamtin unterschriebener Formulartext, der üblicherweise im Fall des Ausbleibens des Betroffenen im Hauptverhandlungstermin trotz Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen verwendet wird. Hierin heißt es, dass gegen den Betroffenen ein Urteil durch Verlesen der Urteilsformel unter mündlicher Mitteilung der wesentlichen Urteilsgründe verkündet worden sei. Der Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid werde verworfen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Betroffene zwar rechtzeitig Einspruch gegen den Bußgeldbescheid erhoben habe, nach der bei den Akten befindlichen Zustellungsurkunde ihm die Ladung am 24. Oktober 2011 zugestellt worden und er dennoch der Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben sei. Das Schriftstück trägt einen von der Justizangestellten M. gezeichneten Stempel, wonach das Urteil zur Geschäftsstelle am 16. November 2011 gelangt sei. Auf der Rückseite der vor diesem Text im Vorgang abgehefteten Seite findet sich die Verfügung des Amtsrichters, wonach das Verwerfungsurteil an den Betroffenen gegen ZU zuzustellen sei. Diese Verfügung trägt ebenfalls das Datum 16. November. Im Anschluss daran findet sich in dem Vorgang eine Leseabschrift eines Urteils des Amtsgerichts Hannover vom „27. Oktober 2011“, das unter Ergänzung des Rubrums im Übrigen dem Text des Urteils, das am 16. November 2011 zur Geschäftsstelle gelangt ist, entspricht. Eine entsprechende Ausfertigung ist dem Betroffenen am 26. November 2011 zugestellt worden.“

Das OLG hat „aufgrund der aufgezeigten Unstimmigkeiten im Hauptverhandlungsprotokoll“ – sehr feinsinnig ausgedrückt –  über die Sitzung vom 27. Oktober 2011 und die Verfügungen des Amtsrichters und der Urkundsbeamtin vom 16. November 2011 t dienstliche Stellungnahmen des Amtsrichters und der Urkundsbeamtin zum Inhalt der Hauptverhandlung, zur zeitlichen Fertigung des Protokolls und zu weiteren Umständen eingeholt. Der Amtsrichter hat daraufhin erklärt, wegen der Vielzahl der seither bearbeiteten und verhandelten Verfahren nicht mehr in Erinnerung zu haben, ob ihm die Zustellungsurkunde noch im Hauptverhandlungstermin vorgelegt worden sei. Die Urkundsbeamtin hat sich in ihrer dienstlichen Stellungnahme derjenigen des Amtsrichters angeschlossen.

Das OLG hat dann das „Urteil aufgehoben:

Da auch die dienstlichen Stellungnahmen des Richters und der Urkundsbeamtin keine weiteren Erkenntnisse ergeben haben, ist davon auszugehen, dass das dem Betroffenen zugestellte „Urteil“ entgegen dessen Rubrum in der Ausfertigung nicht am 27. Oktober 2011, sondern zu einem späteren Zeitpunkt, vermutlich um den 16. November 2011 herum erlassen worden ist. Mit der Übersendung einer Ausfertigung eines gar nicht existenten Urteils hat das Amtsgericht einen Rechtsschein gesetzt, der auf die zulässig erhobene Rechtsbeschwerde des Betroffenen zu beseitigen war. Insoweit handelt es sich auch nicht um eine nur versehentlich falsch datierte Ausfertigung der tatsächlich erlassenen Entscheidung, bei der der Mangel im Rubrum keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit oder den Rechtsmittelerfolg entfalten würde (vgl. BGH NStZ 1995, 221). ….

 

Anreise aus Australien/Neuseeland? Aber nicht in Verfahren mit Geldbuße von (nur) 500 €….

Der Betroffene hatte Einspruch eingelegt gegen einen Bußgeldbescheid wegen eines Verstoßes gegen § 24a Abs StVG mit einer Geldbuße von 500 € und einem Fahrverbot von einem Monat. Es wird Hauptverhandlung anberaumt. Der Betroffene erscheint nicht. Das AG verwirft nach § 74 Abs. 2 OWiG den Einspruch. Das AG sieht das Vorbringen des Betroffenen nicht als ausreichende Entschuldigung an: und führt aus: „ein langfristiger Aufenthalt von einem Jahr Dauer in Australien/Neuseeland stellt keinen Entschuldigungsgrund dar“. Der OLG Hamm, Beschl. v. 21.02.2012 -III-3 RBs 365/11 sagt: Doch.

Für die Prüfung der Möglichkeit oder Zumutbarkeit des Erscheinens in der Hauptverhandlung kommt es damit nicht – wie in den häufig vorkommenden Fällen einer Terminskollision zwischen der Hauptverhandlung und einer (kurzen) Urlaubsreise (vgl. hierzu OLG Hamm, BeckRS 2005, 07058) – primär darauf an, ob für den Betroffenen eine Verlegung seiner Reise möglich oder zumutbar gewesen wäre; entscheidend ist vielmehr, ob dem Betroffenen die kurzzeitige Unterbrechung seines Auslandsaufenthaltes und die vorübergehende Rückkehr nach Deutschland vor dem eigentlich geplanten Rückkehrtermin zum Zwecke der Teilnahme an der Hauptverhandlung hätten zugemutet werden können (OLG Celle, BeckRS 2011, 26738). Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn der – vor allem finanzielle – Aufwand für eine Rückreise außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht und weder unter dem Gesichtspunkt eines drohenden Verlustes von Beweismitteln noch unter dem Gesichtspunkt einer drohenden Verfolgungsverjährung eine Hauptverhandlung vor dem geplanten Termin der Rückkehr nach Deutschland erforderlich ist. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, NJW 1994, 1748. Dort war der Grund für das Fernbleiben nicht – wie hier – ein von vornherein befristeter Auslandsaufenthalt, sondern ein Auslandsaufenthalt von ungewisser Dauer.

 b) Die vorstehend skizzierten Voraussetzungen für eine genügende Entschuldigung liegen vor.

 Der finanzielle Aufwand für eine kurzzeitige Rückkehr aus Australien nach Deutschland hätte in keinem Verhältnis zur Bedeutung der Sache gestanden. Gegenstand des Verfahrens ist lediglich eine Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr mit einem überschaubaren Sachverhalt und einem ebenfalls überschaubaren Sanktionsrahmen. Eine Hauptverhandlung vor der geplanten Rückkehr des Betroffenen nach Deutschland im November 2011 war auch nicht erforderlich, um dem drohenden Verlust von Beweismitteln oder dem Eintritt der Verfolgungsverjährung zu begegnen. Die Verjährungsfrist beträgt im vorliegenden Fall nach § 31 Abs. 2 Nr. 3 OWiG ein Jahr. Das Amtsgericht hätte am Tage der Hauptverhandlung ohne Weiteres eine Unterbrechung der Verjährung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 OWiG durch die vorläufige Einstellung des Verfahrens wegen der Abwesenheit des Betroffenen nach § 46 Abs. 1 OWiG iVm § 205 StPO herbeiführen können.“