Schlagwort-Archive: Durchsuchung

Neues von Edathy: Niederlage in Karlsruhe beim BVerfG

© Klaus Eppele - Fotolia.com

© Klaus Eppele – Fotolia.com

Das BVerfG hat mit BVerfG, Beschl. v. 15.08.2014 – 2 BvR 969/14die Verfassungsbeschwerde des ehemaligen MdB Sebastian Edathy zurückgewiesen. Gerade läuft die PM des BVerfG über den Ticker.

Wir erinnern uns: Gegen Edathy ist ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Besitzes kinderpornografischer Schriften anhängig. In dem sind u.a. Wohnungen, Abgeordnetenbüros und weitere Büroräume durchsucht sowie die Beschlagnahme der Bundestags-E-Mail-Postfächer, der unter seiner Bundestagskennung gespeicherten Daten und zwei privater E-Mail-Postfächer angeordnet worden. Dagegen die Verfassungsbeschwerde.

Den o.a. Beschluss habe ich noch nicht gelesen, daher beschränke ich mich heute hier mal auf die PM, in der es dann u.a. heißt:

1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Immunität als Abgeordneter (Art. 46 Abs. 2 GG) rügt.

a) Die Gewährleistung der parlamentarischen Immunität dient in erster Linie der Funktionsfähigkeit des Parlaments. Jedoch enthält Art. 46 Abs. 2 GG auch ein Verfahrenshindernis, das die öffentliche Gewalt bei allen Maßnahmen, die sie gegen Abgeordnete des Deutschen Bundestages richtet, streng zu beachten hat. Hierauf kann sich auch der einzelne Abgeordnete berufen.

b) Der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts vom 10. Februar 2014 und der diesen bestätigende Beschluss des Landgerichts sind unter Verletzung des Art. 46 Abs. 2 GG zustande gekommen. Nach dem Bundeswahlgesetz verliert ein Abgeordneter die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag unter anderem durch einen wirksamen Verzicht. § 47 Abs. 3 Satz 1 Bundeswahlgesetz bestimmt für diesen Fall, dass der Abgeordnete „mit der Entscheidung“ des Bundestagspräsidenten aus dem Deutschen Bundestag ausscheidet. Danach war der Beschwerdeführer jedenfalls zu dem Zeitpunkt, zu dem das Amtsgericht den Beschluss vom 10. Februar 2014 erlassen hat, noch Mitglied des Deutschen Bundestages. Seine am 6. Februar 2014 notariell beurkundete Erklärung ist dem Präsidenten des Deutschen Bundestages am 7. Februar 2014 zugeleitet worden, der sie am 10. Februar 2014 schriftlich bestätigt hat. Damit ist der Beschwerdeführer nach dem Wortlaut des Gesetzes erst mit dem Wirksamwerden der Entscheidung vom 10. Februar 2014 aus dem Deutschen Bundestag ausgeschieden. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in den sozialen Medien – ebenso wie sein Verteidiger schriftsätzlich – selbst ein früheres Datum genannt hat, und der Bundestagspräsident in seiner Erklärung vom 10. Februar 2014 als Zeitpunkt für die Mandatsbeendigung den Ablauf des 6. Februar 2014 festgestellt hat, vermag daran nichts zu ändern. Denn für die parlamentarische Arbeit ist es von ausschlaggebender Bedeutung, dass Klarheit darüber herrscht, wer dem Parlament angehört und wer nicht (mehr). Die Fachgerichte wären verpflichtet gewesen, vor Erlass einer Durchsuchungsanordnung gegen einen Beschuldigten, der jedenfalls unmittelbar zuvor noch Abgeordneter des Deutschen Bundestages gewesen war, das Verfahrenshindernis der Immunität mit besonderer Sorgfalt zu prüfen.

c) Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht jedoch der Grundsatz der materiellen Subsidiarität entgegen. Ein Beschwerdeführer muss alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreifen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen. Dies hat der Beschwerdeführer nicht getan. Er hat sich weder im fachgerichtlichen Rechtsweg auf das Verfahrenshindernis der Immunität berufen noch den Fachgerichten die Tatsachen vorgetragen, aus denen sich die Verletzung von Art. 46 Abs. 2 GG ergibt.

2. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet, soweit der Beschwerdeführer die Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse des Amtsgerichts in der Gestalt der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts als Verletzung seines Rechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) rügt. Der Beschwerdeführer legt seiner Begründung nicht die Feststellungen und Wertungen der Fachgerichte zugrunde; die von ihm als verfassungsrechtlich grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, ob ein strafprozessualer Anfangsverdacht auch an ein ausschließlich legales Verhalten des Beschuldigten ohne das Hinzutreten weiterer Anhaltspunkte anknüpfen könne, ist daher nicht entscheidungserheblich.

a) Zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung zum Zwecke der Strafverfolgung ist der Verdacht erforderlich, dass eine Straftat begangen wurde. Dieser Anfangsverdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen nicht aus. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht finden lassen. In der Rechtsprechung ist andererseits auch geklärt, dass ein Anfangsverdacht für die Begehung einer Straftat durch ein an sich legales Verhalten begründet werden kann, wenn weitere Anhaltspunkte hinzutreten.

b) Nach seinen verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Ausführungen hat das Landgericht den Anfangsverdacht darauf gestützt, dass es das dem Beschwerdeführer unstreitig zuzuordnende Material entweder bereits für strafrechtlich relevant gehalten oder es jedenfalls in einen von tatsächlichen Wertungen abhängigen Grenzbereich zwischen strafrechtlich relevantem und irrelevantem Material eingeordnet hat. Damit ist es gerade nicht – wie der Beschwerdeführer meint -, davon ausgegangen, er habe sich ausschließlich legal verhalten und es lägen aussagekräftige Gesichtspunkte für einen hinreichenden Anfangsverdacht nicht vor. Vielmehr hat das Landgericht das dem Beschwerdeführer zugeordnete Material als Darstellung „vermeintlicher“ – also nicht tatsächlich vorliegender – Alltagssituationen mit selbstzweckhaften Fokussierungen auf Geschlechtsteile ohne einen erkennbaren Handlungskontext beschrieben und den sexualisierten Charakter der Darstellungen betont. Es ist dabei zu dem Schluss gelangt, dass zu erwarten sei, der Beschwerdeführer werde sich „auch“ aus anderen Quellen kinderpornografisches Material verschaffen. Damit hat es die ausgewerteten Darstellungen als strafrechtlich relevant oder zumindest als Material eingestuft, dessen strafrechtliche Relevanz allein von schwierigen tatsächlichen Wertungen – Alter der Kinder, Einschätzung der dargestellten Handlungsabläufe und Posen als noch natürliche oder als für Kinder schon unnatürliche – abhängt. Ohne die Reichweite des durch Art. 13 GG gewährleisteten Schutzes zu verkennen, ist das Gericht zudem von dem kriminalistischen Erfahrungssatz ausgegangen, dass die Grenze zur strafbaren Kinderpornografie bei dem Bezug solcher als strafrechtlich relevant einschätzbarer Medien über das Internet – jedenfalls bei Anbietern, die auch eindeutig strafbares Material liefern – nicht zielsicher eingehalten werden kann und regelmäßig auch überschritten wird.

3. Als unbegründet erweist sich auch die Rüge, der Beschwerdeführer werde durch die Beschlagnahme seiner E-Mails und der Verkehrsdaten seiner Internetkommunikation in seinem Grundrecht auf Gewährleistung des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG) verletzt. Die Feststellung des Landgerichts, dass weniger eingriffsintensive Maßnahmen zur Sicherung beweiserheblicher E-Mails – etwa eine Beschränkung der Beschlagnahme auf einen Teil des Datenbestands – nicht in Betracht gekommen seien, da eine Eingrenzung anhand von Sender- oder Empfängerangaben oder Suchbegriffen nicht ausreichend geeignet erschien, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es ist bereits nicht ersichtlich und auch von dem Beschwerdeführer nicht vorgetragen, anhand welcher Kriterien eine Eingrenzung der Sicherstellung hätte erfolgen können.

4. Eine Annahme der Verfassungsbeschwerde kommt auch nicht im Hinblick auf den geltend gemachten Gehörsverstoß in Betracht. Das Landgericht hat zwar das Recht des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, indem es die Beschwerde zurückwies, ohne dem Beschwerdeführer zuvor die Möglichkeit einer Stellungnahme zur Beschwerdeerwiderung der Staatsanwaltschaft einzuräumen. Dieser Gehörsverstoß ist jedoch durch die Entscheidung über die Anhörungsrüge geheilt worden. Aus den Gründen dieses Beschlusses ergibt sich, dass das Gericht den Vortrag des Beschwerdeführers zu den ihm zunächst vorenthaltenen Ausführungen der Staatsanwaltschaft nachträglich zur Kenntnis genommen und erwogen hat.“

Also in Punkt 1 den Rechtsweg nicht erschöpft, in Punkt 2 retten dann offenbar die „kriminalistischen Erfahrungen“. Muss man mal in Ruhe lesen.

Durchsuchung im Bußgeldverfahren zulässig? – 1 : 1 in Berlin

ParagrafenIch hatte am 27.05.2014 über den LG Berlin, Beschl. v. 16.04.2014 – 510 Qs 49/14 – berichtet, der im entschiedenen Fall eine Durchsuchung bei einem Betroffenen im Bußgeldverfahren als zulässig angesehen hatte (Mal eben nachschauen im Bußgeldverfahren – Durchsuchung zulässig?). Nun habe ich den LG Berlin, Beschl. v. 11.04.2014 – 506 Qs 43/14 – übersandt bekommen, der bei einem – m.E. – weitgehend identischen Sachverhalt, jedenfalls handelt es sich um denselben Vorwurf, der im Verfahren erhoben wird – Verstoß gegen § 146 GewO und gegen das Berliner StraßenG -, eine Durchsuchung als unzulässig angesehen und den Anordnungsbeschluss des AG aufgehoben hat. Den will ich hier natürlich auch einstellen. In dem Beschluss argumentiert das LG:

„Angesichts der letztendlich geringfügigen Vorwürfe ist die Anordnung der Durchsuchung der Wohnräume des Betroffenen jedoch unverhältnismäßig. Sie steht nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Vorwurfs. Denn eine solche Maßnahme betrifft den gem. Art. 13 GG verfassungsmäßig besonders geschützten Bereich der privaten Lebenssphäre. Der Eingriff hat erhebliches Gewicht und darf nur dann angeordnete werden, wenn er zur Schwere und Bedeutung der Vorwürfe nicht unangemessen ist .

Die Vorwürfe, die dem Betroffene gemacht werden, wiegen nicht besonders schwer. Sie sind eher dem unteren Bereich der Verstöße im Bereich der Ordnungswidrigkeiten zuzurechnen, auch wenn sie angesichts der historischen, städtebaulichen und touristischen Bedeutung des Potsdamer Platzes oder ähnlich prominenter Orte in Berlin gegenüber anderen gleichartigen Verstößen etwas herausgehoben sind. Das in § 145 Abs. 4 GewO-angeordnete Höchstmaß der Geldbuße wird aber angesichts der bisher ermittelte Umstände nicht annähernd ausgeschöpft werden, sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen. Es ist vielmehr eine Buße zu erwarten, die sich eher im unteren Bereich des Rahmens bewegt.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass mildere Mittel nicht auch geeignet wären, den Verdacht der Verstöße gegen die GewO und das BerlStrG zu erhärten. Die Anordnung der Durchsuchung war nicht erforderlich. Denn in der Vergangenheit ist der Betroffene bereits mehrfach bei seinen Tätigkeiten am Potsdamer Platz aufgegriffen worden und seine Materialien wurden beschlagnahmt.. Es-erschließt sich der Beschwerdekammer nicht, dass zur weiteren Sachaufklärung – auch wenn es seitens des Bezirksamtes sicherlich wünschenswert wäre, die Ermittlungsergebnisse zu erweitern und zu untermauern — die Durchsuchung der Wohnräume als ultima ratio unerlässlich wäre, auch wenn die Erwartung bestand, weitere Beweismittel zu finden. Allein diese Erwartung rechtfertigt angesichts der Schwere des Eingriffs nicht die Maßnahme. Die bisherigen Ermittlungen haben bereits umfangreich Ergebnisse erbracht. So wurde der Betroffene bei seiner Tätigkeit bereits fotografiert und auch Tatmittel sichergestellt und beschlagnahmt.“

Also: Einmal schwarz, einmal weiß, oder: Einmal hopp, einmal topp. Jedenfalls steht es beim LG Berlin unentschieden 🙂 . Zu den Auswirkungen auf das Verkehrsrecht verweise ich auf: Mal eben nachschauen im Bußgeldverfahren – Durchsuchung zulässig?

Das ist nicht „Edathy“, aber das könnte Edathy sein.

© Klaus Eppele - Fotolia.com

© Klaus Eppele – Fotolia.com

Das ist -in der Tat (noch) nicht – Edathy, aber es könnte „Edathy“ sein bzw. werden, habe ich gedacht als ich die LTO-Meldung zum BVerfG, Beschl. v. 05.02.2014 – 2 BvR 200/14 gelesen habe.  Da hatte das AG Gießen im Sommer 2013 einen Durchsuchungsbeschluss gegen einen Verdächtigen erlassen. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor erfahren, dass dieser 2007 DVDs mit „Posing-Darstellungen“ erworben hatte. Damals war das allerdings noch nicht strafbar. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main hatte im Juli 2013 den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses, mit dem die Durchsuchung der Wohnräume des Beschwerdeführers wegen des Verdachts des Besitzes kinderpornographischer Schriften im Sinne von § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB angeordnet werden sollte, da zu vermuten sei, dass der Beschwerdeführer noch immer jedenfalls im Besitz der im Oktober 2007 erworbenen DVD mit nunmehr – nach einer Gesetzesänderung im Jahr 2008 – strafbaren Inhalten sei. Der Durchsuchungsbeschluss wurde am 10. o7.2013 vom AG Gießen erlassen und die Durchsuchung am 25. 09. 2013 vollzogen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beschwerdeführers verwarf das LG Gießen  als unbegründet.

Nun hat das BVerfG die Auswertung des beschlagnahmten Materials im Eilverfahren verboten.

„2. a) Die Verfassungsbeschwerde ist weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen.

b) Die somit nach § 32 BVerfGG gebotene Abwägung fällt zugunsten des Beschwerdeführers aus.

aa) Erginge die beantragte einstweilige Anordnung, stellte sich die Verfassungsbeschwerde später aber als unbegründet heraus, würde sich die Auswertung der sichergestellten Beweisgegenstände und damit das gegen den Beschwerdeführer geführte Ermittlungsverfahren lediglich verzögern. Es ist nicht erkennbar, dass wegen dieser Verzögerung ein erheblicher Nachteil für das Wohl der Allgemeinheit zu besorgen wäre. Insbesondere würde der Strafverfolgungsanspruch des Staates nicht gravierend beeinträchtigt, zumal es der Staatsanwaltschaft nicht verwehrt wäre, in der Zwischenzeit anderweitige Ermittlungen im vorliegenden Fall anzustellen.

bb) Unterbliebe der Erlass einer einstweiligen Anordnung hingegen, stellte sich die Verfassungsbeschwerde aber später als begründet heraus, wäre dies demgegenüber mit irreparablen Nachteilen verbunden. In diesem Fall würde die bevorstehende Auswertung der sichergestellten Gegenstände irreversibel das Recht des Beschwerdeführers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) verletzen.
c) Bei Abwägung der widerstreitenden Interessen überwiegen die für den Beschwerdeführer aus einer Auswertung der Unterlagen drohenden Nachteile eines irreparablen Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Auf Seiten der Strafverfolgungsbehörden führt der Erlass der einstweiligen Anordnung lediglich zu einer Verzögerung, nicht aber zur Vereitelung des staatlichen Strafanspruchs.“
Wie gesagt: Ist nicht Edathy drin, aber es erinnert daran-

Durchsuchung II: Vorbereitung auf Ermittlungen begründet keinen Anfangsverdacht

entnommen wikimedia.org Genehmigung (Weiternutzung dieser Datei)  CC-BY-SA-3.0-DE.

entnommen wikimedia.org
Genehmigung
(Weiternutzung dieser Datei)
CC-BY-SA-3.0-DE.

Im zweiten Posting zur Durchsuchung – wir machen einen „Durchsuchungstag – geht es um den BVerfG, Beschl. v. 13.03.2014 – 2 BvR 974/12. Der war vom AG Stuttgart gegen einen Mitarbeiter des Rüstungsunternehmens Heckler & Koch in einem Verfahren wegen Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz und wegen gemeinschaftlicher Bestechung ausländischer und inländischer Amtsträger erlassen worden. Betroffen von der Durchsuchung war der Leiter der Rechtsabteilung des Unternehmens, dessen private Wohnung durchsucht worden ist. Das BVerfG hat das für verfassungswidrig erklärt. Allein die Stellung des Mannes als Prokurist könne keinen Anfangsverdacht für die Durchsuchung begründen. In dem Ermittlungsverfahren prüft die Staatsanwaltschaft unter anderem Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz.

Das AG hat den Anfangsverdacht auf mehrere E-Mails des Prokuristen gestützt. Darin habe er mitgeteilt, ermittlungsrelevante Daten einer Rechtsanwaltskanzlei zur Auswertung übergeben zu haben. Das AG Stuttgart meinte, es könne sich hierbei zwar um eine „normale rechtliche Vorbereitung“ auf eine zu erwartende Durchsuchung handeln. Möglich sei aber auch eine Beweismittelvernichtung, was eine Durchsuchung rechtfertige.

Sonstige Anhaltspunkte zur Begründung des Tatverdachts hat das BVerfG im Durchsuchungsbeschluss nicht entdeckt. Das hat es dann beanstandet. Allein die Stellung des Mitarbeiters als Prokurist könne keinen Anfangsverdacht begründen; das hatte allerdings auch schon das LG ausgeführt. Andere konkrete Tatsachen hatte das AG nach Auffassung des BVerfG nicht dargelegt. Es hat es vielmehr als sachgerecht angesehen, dass der Leiter der Rechtsabteilung sich auf zu erwartenden Ermittlungen vorbereite. Daraus dürfe man nicht schlussfolgern, es könnten Hinweise verschleiert werden.

Durchsuchung I: Verhältnismäßig – 18 Monate nach der Tat wohl kaum

© Klaus Eppele - Fotolia.com

© Klaus Eppele – Fotolia.com

Vor einigen Jahren haben die Entscheidung des BVerfG zur Durchsuchung und Beschlagnahme die Zeitschriften gefüllt. Es verging kaum ein Monat, in dem es nicht eine Entscheidung zur der Problematik aus Karlsruhe gab. Inzwischen ist es, nachdem das BVerfG einige Male „auf den Tisch gehauen“ hat, ruhiger geworden. Allerdings kann man nicht unbedingt sagen, dass das daran liegt, dass die Instanzgerichte die Rechtsprechung des BVerfG alle verinnerlicht haben. Denn dann gäbe es ja überhaupt keine Entscheidungen mehr aus dem Bereich. Das ist aber leider nicht der Fall, wie der BVerfG, Beschl. v. 29.10.2013, 2 BvR 389/13 – beweist.

Da ging es um eine Durchsuchungsmaßnahme in einem BtM-Verfahren – immer noch/wieder das „Hauptspielfeld“ des BVerfG. Gehalten hat das BVerfG noch die Annahme/Begründung des Anfangsverdachts bezüglich des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln. Die sei verfassungsrechtlich (noch) nicht zu beanstanden, wenn die einschlägig vorbestrafte Beschuldigte unter den Kontakten im Mobiltelefon eines gesondert Verfolgten gespeichert sei, der laut einer Zeugenaussage mehrfach Fahrten an den Wohnort der Beschuldigten unternommen hat, welche dem Verkauf von Betäubungsmitteln dienten.

Aufgehoben hat das BVerfG dann aber wegen nicht ausreichender Verhältnismäßigkeit:

„bb) Die angegriffenen Entscheidungen tragen jedoch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht hinreichend Rechnung. Konkrete Anhaltspunkte, die die Erwartung hätten rechtfertigen können, dass sich in der Wohnung der Beschwerdeführerin 18 Monate nach Ende des im Durchsuchungsbeschluss angegebenen Tatzeitraums noch aus den verfahrensgegenständlichen Taten stammende Betäubungsmittel oder andere Beweisgegenstände finden ließen, sind nicht ersichtlich. Zudem ist die Angemessenheit der Durchsuchung nicht tragfähig begründet; im Hinblick auf die Vagheit des Auffindeverdachts und die Schwere des mit der Durchsuchung der privaten Wohnung verbundenen Eingriffs hätte es einer eingehenden Begründung bedurft (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 28. September 2008 – 2 BvR 1800/07 -, juris, Rn. 23).

(1) Dem aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgenden verfassungsrechtlichen Gebot hinreichender Erfolgsaussicht einer Durchsuchung (vgl. BVerfGE 96, 44 <51>; BVerfGK 5, 56 <58, 59>) ist genügt, wenn aufgrund kriminalistischer Erfahrung eine Vermutung dafür besteht, dass die gesuchten Beweismittel aufgefunden werden können (vgl. Wohlers, in: Systematischer Kommentar zur StPO, Bd. II, 4. Aufl. 2010, § 102 Rn. 18 m.w.N.). Insoweit ist vorliegend zu beachten, dass dem Durchsuchungsbeschluss vom 18. September 2012 der Verdacht des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 28. Februar 2011 zugrunde lag. Die gebotene Erfolgsaussicht der angeordneten Durchsuchung wäre daher nur gegeben, wenn nach kriminalistischer Erfahrung eine Vermutung dafür bestand, dass auch 18 Monate nach dem spätest möglichen Tatzeitpunkt Beweisgegenstände zum Nachweis des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln durch die Beschwerdeführerin aufgefunden werden können.

Dies ist weder dargetan, noch in sonstiger Weise ersichtlich. Dabei ist davon auszugehen, dass zum Konsum oder Weiterverkauf bestimmte Betäubungsmittel im Regelfall nur eine geringe Verweildauer beim Ankäufer haben. Einer Durchsuchung, die auf dem Verdacht beruht, dass der Beschuldigte vor erheblicher Zeit Drogen zum Eigenkonsum erworben oder besessen haben soll, kann es daher an der notwendigen Erfolgsaussicht fehlen (vgl. LG Koblenz, Beschluss vom 28. November 2008 – 9 Qs 76/08 -, juris, Rn. 32 ; LG Oldenburg, Beschluss vom 26. Mai 2008 – 2 Qs 103/08 -, juris, Rn. 8 ; LG Zweibrücken, Beschluss vom 11. Juni 1990 – 1 Qs 105/90 -, NJW 1990, S. 2760 ; Wohlers, a.a.O., Rn. 22; vgl. auch Meyer-Goßner, a.a.O., § 102 Rn. 15a; Schäfer, in: Löwe/Rosenberg, Bd. 2, 25. Aufl. 2004, § 102 Rn. 12). Vorliegend war die Beschwerdeführerin verdächtig, Mengen von jeweils 5 bis 6 g Crystal-Speed von dem gesondert verfolgten D. erworben zu haben. Der Verbrauch solcher Mengen mag zwar nicht unmittelbar erfolgen, allerdings konnte bei lebensnaher Betrachtung ausgeschlossen werden, dass 18 Monate nach dem spätesten Erwerb noch Reste dieser Betäubungsmittel bei der Beschwerdeführerin aufzufinden sind. Ebenso wenig war davon auszugehen, dass schriftliche oder elektronische Aufzeichnungen über mindestens 18 Monate zurückliegende Betäubungsmittelgeschäfte aufgefunden werden können.“