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Durchsuchung II: Rechtsschutz gegen Durchsuchung, oder: Keine „Durchsuchungsanordnung“

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Und hier ist dann als zweite Entscheidung der BGH, Beschl. v. 12.06.2024 – StB 32/24 – zur Überprüfung erledigter Zwangsmaßnahmen und zur Erforderlichkeit des Vorliegens einer Durchsuchungsanordnung

„Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

1. Die Beschwerde gerichtet auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchung ist gemäß § 304 StPO statthaft. Nachdem – nach Übernahme des Ermittlungsverfahrens durch den Generalbundesanwalt – sich der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs mit seiner Nichtabhilfeentscheidung den angefochtenen Beschluss zu eigen gemacht hat (vgl. § 306 Abs. 2 i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 2 StPO), ist der Bundesgerichtshof zuständiges Beschwerdegericht (§ 135 Abs. 2 Nr. 2 GVG; vgl. auch BGH, Beschluss vom 19. Juli 2022 – StB 30/22, juris Rn. 6 f.).

a) In der Sache liegt eine Durchsuchung der Wohnung des Drittbetroffenen E.straße, L., 1. Obergeschoss rechts vor. Wie sich aus dem „Durchsuchungsbericht E. straße, L.“ vom 11. April 2023 ergibt, wurde die Wohnung 1. Obergeschoss rechts geöffnet, dort jedoch keine Person angetroffen und festgestellt. Daraus ist – unabhängig von den von dem Beschwerdeführer vorgelegten Fotos, die den Zustand der Wohnung nach der Maßnahme zeigen sollen – zu entnehmen, dass die Wohnung betreten und zudem überprüft wurde, ob der Beschuldigte M.     sich dort aufhielt. Mithin fand eine Durchsuchung statt. Das Absuchen der Wohnung nach Personen ist der Durchsuchung einer Wohnung zur Ergreifung eines Beschuldigten gemäß § 103 StPO immanent.

b) Soweit sich das angegriffene Erkenntnis auf die Durchsuchung als solche bezieht, ist es mit der Beschwerde anfechtbar (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Oktober 1999 – StB 7 und 8/99, NJW 2000, 84, 85; vom 7. Dezember 1998 – 5 AR (VS) 2/98, 265, BGHSt 44, 265, 274 f.). Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine Entscheidung des Ermittlungsrichters analog § 98 2 Satz 2 StPO handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. November 1993 – StB 20/93, NJW 1994, 465).

aa) Für den Rechtsschutz gegen die Durchsuchung selbst gilt das Folgende:

Gegen eine richterliche Durchsuchungsanordnung kann – solange die Durchsuchung noch andauert – Beschwerde nach §§ 304 ff. StPO mit dem Ziel eingelegt werden, die gesetzlichen Voraussetzungen – also die Rechtmäßigkeit – der Anordnung zu überprüfen. Nach Abschluss der Durchsuchung ist die auf dieses Ziel gerichtete Beschwerde nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zwar zulässig; hierfür muss jedoch ein Rechtsschutzinteresse bestehen. Ein solches Rechtsschutzinteresse ist in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe wie einer Wohnungsdurchsuchung aufgrund richterlicher Durchsuchungsanordnung gegeben.

Ordnen die Staatsanwaltschaft oder ihre Ermittlungspersonen die Durchsuchung kraft ihrer Eilkompetenz an, so kann, solange die Durchsuchung noch andauert, das Gericht entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO mit dem Ziel angerufen werden, die Rechtmäßigkeit der Anordnung zu überprüfen. Das Gericht kann dabei die Grenzen einer solchen Anordnung bestimmen und hat in diesem Rahmen die rechtliche Möglichkeit, Modalitäten ihrer Vollziehung zu regeln. Entsprechendes gilt für bereits vollzogene Durchsuchungen, allerdings nur, soweit für die Feststellung der Rechtswidrigkeit ein Rechtsschutzinteresse besteht (so insgesamt BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1998 – 5 AR (VS) 2/98, BGHSt 44, 265, 267 f. mwN; siehe auch BGH, Beschluss vom 13. Oktober 1999 – StB 7/99 und StB 8/99, NJW 2000, 84, 85).

bb) Auch ohne eine solche Anordnung richtet sich der Rechtsschutz gegen eine Maßnahme der Staatsanwaltschaft oder ihrer Ermittlungspersonen zunächst nach § 98 2 Satz 2 StPO analog. Hier wendet sich der Beschwerdeführer – wie dem letzten Satz der Beschwerdeschrift vom 12. April 2024 eindeutig zu entnehmen ist – gegen die Durchsuchung als solche.

Der Zulässigkeit steht – wie ausgeführt – nicht entgegen, dass die angegriffene Maßnahme bereits durch Vollzug erledigt war. Bei Durchsuchungen von Wohnräumen ist bereits wegen des Eingriffs in das Grundrecht des Art. 13 Abs. 1 GG ein Rechtsschutzinteresse des Betroffenen zu bejahen. Dies gilt vor dem Hintergrund der Bedeutung des betroffenen Grundrechts auch dann, wenn – wie hier – keine Durchsuchungsanordnung vorliegt.

2. Die Beschwerde ist begründet. Die Voraussetzungen der §§ 103, 105 StPO sind nicht erfüllt.

a) Eine grundsätzlich notwendige Durchsuchungsanordnung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 67. Aufl., § 105 Rn. 1; MüKoStPO/Hauschild, 2. Aufl., § 105 Rn. 1) lag nicht vor.

Eine Durchsuchung des Wohnraums des Beschwerdeführers wurde weder seitens der Generalstaatsanwaltschaft beantragt noch durch den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts beschlossen. Der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts ordnete lediglich die Durchsuchung des Wohnraums betreffend weitere Personen an, welche in einer Wohngemeinschaft in der Wohnung 1. Obergeschoss links lebten. Ab dem Zeitpunkt der Erlangung der Kenntnis des Umstandes, dass es sich nicht um die im Durchsuchungsbeschluss genannte Wohnung im 1. Obergeschoss links handelte, hätte es für die Durchsuchung der von dem Beschwerdeführer bewohnten Wohnung im 1. Obergeschoss rechts einer Durchsuchungsanordnung gemäß §§ 103,105 StPO betreffend den Beschwerdeführer bedurft. Insofern hätten die Polizeibeamten die Staatsanwaltschaft über den Umstand informieren und den Antrag auf eine Durchsuchungsanordnung anregen müssen. Zumindest hätte es einer Anordnung durch eine Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft bei Annahme von Gefahr im Verzug bedurft. Dies haben die Strafverfolgungsbehörden nicht geltend gemacht, und dazu ist auch sonst nichts ersichtlich.

b) Eine Durchsuchungsanordnung war nicht ausnahmsweise aufgrund einer Einwilligung des Betroffenen entbehrlich (vgl. dazu Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 67. Aufl., § 105 Rn. 1; MüKoStPO/Hauschild, 2. Aufl., § 105 Rn. 2). Eine solche lag nicht vor, da der Drittbetroffene von der Maßnahme gar keine Kenntnis hatte.

c) Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Durchsuchung ist ohne Bedeutung, dass – wie der Generalbundesanwalt geltend macht – die handelnden Beamten möglicherweise irrtümlich die Wohnung im 1. Obergeschoss rechts öffneten und absuchten. Denn dieser Umstand wäre allenfalls für ein etwaiges Verschulden der handelnden Beamten, nicht aber für die objektiv zu bewertende Rechtmäßigkeit der Maßnahme relevant.

d) Auf die Prüfung der weiteren Voraussetzungen der §§ 103, 105 StPO kommt es demnach nicht mehr an.“

 

StPO II: Prüfung einer Durchsuchungsmaßnahme, oder: Erkenntnisse aus anderen Verfahren reichen nicht

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Bei der zweiten Entscheidung handelt es sich um den LG Stuttgart, Beschl. v. 27.05.2024 – 7 Qs 20/24, ergangen in einem Verfahren wegen Verstoßes gegen das BtmG. Es geht um die nachträgliche Überprüfung einer Duchsuchungsmaßnahme.

Das LG hat die Rechtsmäßigkeit der Durchsuchung, da es nicht prüfen kann, ob ein Anfangsverdacht gegeben war, verneint:

„b) Jedoch ist dem Beschwerdegericht die Überprüfung eines für die Anordnung einer Durchsuchung erforderlichen Anfangsverdachts gegen den Beschuldigten nicht möglich.

(1) Für die Zulässigkeit einer, regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden, Durchsuchung genügt ein über bloße Vermutungen hinausreichender, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützter konkreter Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Beschuldigte als Täter oder Teilnehmer dieser Tat in Betracht kommt (sog. Anfangs-verdacht; vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage, § 152 Rn. 4). Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es – unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit – nicht.

(2) Prüfungsmaßstab bleibt im Beschwerdeverfahren die Sach- und Rechtslage zur Zeit des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses (vgl. Hauschild in MüKo zur StPO, 2. Auflage, § 105 Rn. 41c; BVerfG, Beschluss vom 10. September 2010 – 2 BvR 2561/08, juris). Bei der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung war daher ausschließlich der Inhalt der dem Ermittlungsrichter bei Antragstellung vorgelegten Papierakte zu berücksichtigen, wohingegen die von der Staatsanwaltschaft erst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nachgereichten Stehordner II und III aus dem Verfahren 226 Js 70083/23 bei der Überprüfung keine Berücksichtigung finden konnten.

Voraussetzung für eine eigenverantwortliche Prüfung durch den Ermittlungsrichter und später durch das Beschwerdegericht ist die Vorlage eines Aktenwerks, aus dem der Gang des Verfahrens ohne Abstriche nachvollziehbar ist (vgl. Henrichs/Weingast in KK-StPO, 9. Auflage, § 105 Rn. 2 mwN). Die Ermittlungsbehörde muss die Einhaltung des Grundsatzes der Aktenwahrheit und -vollständigkeit gewährleisten (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage, § 105 Rn. 1d). Schließt die Staatsanwaltschaft ihrem Antrag auf Anordnung einer gerichtlichen Untersuchungshandlung nur ausgewählte Teile der Ermittlungsakte an, so erklärt sie hierdurch stets zugleich, dass diese Auswahl nach ihrer eigenverantwortlichen Prüfung sämtliche bis zum Zeitpunkt der Antragstellung angefallenen maßgeblichen be- und entlastenden Ermittlungsergebnisse enthält (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2020 – 2 BGs 408/20, juris).

Gemessen hieran erweisen sich die von der Staatsanwaltschaft zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses vorgelegten Aktenteile als unzureichend, um die gebotene eigenverantwortliche gerichtliche Überprüfung der gesetzlichen Anordnungsvoraussetzungen für die Durchsuchungsmaßnahme durch die Beschwerdekammer zu gewährleisten.

Die dem Amtsgericht Stuttgart vorgelegte Akte bestand lediglich aus der Durchsuchungsanregung der Kriminalpolizeidirektion Böblingen vom 16. Februar 2024, zehn Inhaltsprotokollen aus der Telekommunikationsüberwachung des Anschlusses pp. im Zeitraum 17. November 2023 bis 12. Januar 2024, den Beschlüssen des Amtsgerichts Stuttgart – Ermittlungsrichter – vom 12. Oktober 2023, 17. November 2023, 27. November 2023, 11. Januar 2024 und 7. Februar 2024, die auf Ermittlungserkenntnisse im Verfahren 226 Js 70083/23 zwar Bezug nehmen, eine eigenverantwortliche Prüfung der Ermittlungserkenntnisse jedoch nicht gewährleisten sowie dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Anordnung der Durchsuchung vom 22. Februar 2024. Sachlich zureichende Gründe für die Anordnung der Durchsuchung lassen sich der vorgelegten Akte nicht entnehmen. Zwar hat der zuständige Ermittlungsrichter in seiner Nichtabhilfeentschei-dung ausgeführt, dass ihm zum Entscheidungszeitpunkt auch die vollständige Akte aus dem ursprünglichen Verfahren 226 Js 70083/23 bekannt gewesen sei, da er die in diesem Verfahren ergangenen Beschlüsse vom 10. Oktober 2023, 27. November 2023, 11. Januar 2024 und 7. Februar 2024 erlassen habe, sodass eine eigenverantwortliche gerichtliche Überprüfung aufgrund der Aktenkenntnis gewährleistet gewesen sei. Auf die in einem separaten Ermittlungsverfahren geführten Akten, die ihm zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses nicht vor-gelegen haben, hätte das Amtsgericht seine Entscheidung jedoch nicht stützen dürfen, da weder die Verteidigung im Rahmen der Akteneinsicht noch das Beschwerdegericht im Beschwerdeverfahren Kenntnis von diesen Aktenteilen nehmen kann, was der Kontrollfunktion des Richtervorbehalts und dem Grundsatz der effektiven Verteidigung entgegensteht. Darüber hinaus richtet sich das Verfahren nach seiner Abtrennung nunmehr gegen den Beschuldigten alleine, dem zudem ein anderer Sachverhalt zur Last gelegt wird. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass bereits der Ermittlungsrichter bei seiner eigenverantwortlichen Prüfung andere – ihm nicht mehr im Gedächtnis befindliche – Erwägungen hätte einbeziehen müssen.“

StPO II: Die Schweigepflicht des Steuerberaters, oder: Entbindung, Durchsuchung, Abwendebefugnis

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Die zweite Entscheidung kommt dann mit dem LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 08.05.2024 – 12 Qs 2/24 – aus Bayern. Das LG hat zur Rechtmäßigkeit einer Durchsuchungsmaßnahme Stellung genommen.

Das AG hat gegen den Angeklagten einen Strafbefehl wegen versuchter Steuerhinterziehung erlassen Der Angeklagte legte hiergegen Einspruch ein. Im Hauptverhandlungstermin am  entband der Angeklagte den Zeugen H, seinen Steuerberater, von der Schweigepflicht. Dieser verweigerte jedoch unter Hinweis auf § 55 StPO die Aussage. Das begründete er damit, dass seine Chefin, die Geschäftsführerin der Steuerberater- und Rechtsanwalts-GmbH, bei der der Zeuge angestellt war, ihm vorab gesagt habe, er solle nicht aussagen. Daraufhin unterbrach der Richter die Sitzung, erließ einen auf § 103 StPO gestützten Durchsuchungsbeschluss für die Räume der GmbH und beauftragte Beamte der Steuerfahndung Nürnberg mit dessen Vollzug. Gesucht werden sollte nach Handakten sowie schriftlichen oder elektronischen Aufzeichnungen, soweit sie das Mandatsverhältnis zwischen der GmbH und dem Angeklagten zum Gegenstand hatten. Bei der Durchsuchung wurden Unterlagen sichergestellt.

Die GmbH legte gegen die Durchsuchung Beschwerde ein. Die hatte keinen Erfolg.

„Die Voraussetzungen des § 103 StPO lagen vor.

1. Eine auf § 103 StPO gestützte Durchsuchung darf allerdings nicht angeordnet werden, wenn sie nur darauf gerichtet ist, einen Gegenstand zu finden, dessen Beschlagnahme ausgeschlossen ist (BGH, Beschluss vom 13.08.1973 – StB 34/73, juris Rn. 4; KG, Beschluss vom 17.03.1983 – ER 9/83, NJW 1984, 1133). Hier durfte sich die Durchsuchung indes auf die im Durchsuchungsbeschluss genannten Gegenstände erstrecken, weil diese nicht beschlagnahmefrei waren.

a) Die Beschlagnahmefreiheit ergab sich nicht aus § 97 Abs. 1 Nr. 1, 2 i.V.m. § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO, weil der Angeklagte den Zeugen H wirksam von seiner Schweigepflicht entbunden hat (§ 53 Abs. 2 Satz 1 StPO, vgl. Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 66. Aufl., § 97 Rn. 24), sodass ihm kein Zeugnisverweigerungsrecht mehr zustand.

Anders als die Beschwerde meint, folgt zu ihren Gunsten nichts daraus, dass der Angeklagte nach dem Wortlaut seiner Erklärung allein den Zeugen von der Schweigepflicht entbunden hat. Es ist mangels aktenkundigen Vertrags nicht abschließend klar, ob der Steuerberatungsvertrag zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen oder – was naheläge und was die Beschwerdeführerin geltend macht – zwischen dem Angeklagten und ihr abgeschlossen wurde. Das kann aber dahinstehen. Denn in jedem Fall erstreckt sich das Zeugnisverweigerungsrecht auch auf Personen, die mit dem Berufsgeheimnisträger im Rahmen der gemeinschaftlichen Berufsausübung an dessen beruflicher Tätigkeit mitwirken (§ 53a Abs. 1 Nr. 1 StPO). Im Gegenzug bedeutet das aber auch, dass die Entbindung des Berufsgeheimnisträgers von der Schweigepflicht auch für diese weiteren Personen wirkt (§ 53a Abs. 2 StPO), denn die Entbindung von der Schweigepflicht ist unteilbar, der Hauptberufsträger und seine mitwirkenden Personen können nur gemeinsam entbunden werden (Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 53a Rn. 14; LR-StPO/Bertheau/Ignor, 27. Aufl., § 53a Rn. 14), wovon auch hier auszugehen ist. Dieses Ergebnis entspricht auch der Auslegung der Entbindungserklärung des Angeklagten: Die Steuerberaterseite sollte nach dessen Willen reden und nicht schweigen.

Der GmbH als solcher, die als juristische Person nicht Zeuge sein kann, stand demgegenüber ein Zeugnisverweigerungsrecht von vornherein nicht zu, sodass sich die Frage nach einer Beschlagnahmefreiheit unter diesem Blickwinkel nicht stellte. Sie hatte auch kein vom Willen des Mandanten losgelöstes, eigenes geschütztes Interesse daran, Umstände und Kenntnisse aus dem Mandatsverhältnis verborgen zu halten. Die Schweigepflicht des Steuerberaters besteht nämlich zugunsten des Mandanten (aus berufsrechtlicher Sicht vgl. StBerG/Koslowski, 8. Aufl., § 57 Rn. 56) und nicht zur Verdeckung etwaiger eigener Fehler oder Versäumnisse bei der Mandatsbearbeitung.

Die vorstehenden Erwägungen gelten uneingeschränkt für die Handakte des Steuerberaters. Handakten beinhalten nach § 66 StBerG die Vertrauensbeziehung betreffende Unterlagen, die der Berufsträger von seinem Auftraggeber ausgehändigt bekommen hat, Schriftverkehr, den der Berufsträger für seinen Auftraggeber geführt hat, und Notizen des Berufsträgers über Besprechungen mit seinem Mandanten oder Dritten (vgl. Wulf/Peters, Stbg 2022, 16, 25). Dies deckt sich weitestgehend mit den in § 97 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StPO bezeichneten Unterlagen, sodass die Beurteilung der Beschlagnahmefähigkeit von Handakten bei gegebener Schweigepflichtentbindung auch demgemäß erfolgt.

b) Wegen der erteilten Schweigepflichtentbindung kommt eine Unverwertbarkeit auch nicht auf der Grundlage des § 160a Abs. 2 Satz 2, 3 StPO in Betracht.

2. Es war damit zu rechnen, dass sich relevante Unterlagen in Räumen der GmbH finden lassen würden (§ 103 Abs. 1 Satz 1 StPO). Der Tatvorwurf gegen den Angeklagten betraf den Veranlagungszeitraum 2018. Die zehnjährige Aufbewahrungsfrist für die Handakten (§ 66 Abs. 1 Satz 2 StBerG) war bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses noch nicht abgelaufen, die Akten mussten demnach noch vor Ort sein.

3. Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der Durchsuchungsanordnung hegt die Kammer nicht. Es spricht alles dafür, dass der Zeuge H die Auskunft zu Unrecht vollständig verweigert hat (vgl. Kammer, Beschluss vom 08.05.2024 – 12 Qs 1/24, juris). Somit, aber auch unabhängig davon, war der Zugriff auf die Unterlagen geeignet und erforderlich, um den Sachverhalt aufzuklären, wie das Amtsgericht in der Begründung des Durchsuchungsbeschlusses näher ausgeführt hat.

Gegen die Verhältnismäßigkeit spricht insbesondere nicht, dass der Beschluss keinen Hinweis auf eine Abwendungsbefugnis enthielt. Grundsätzlich ist nichtverdächtigen Betroffenen zumindest vor der Vollstreckung der Zwangsmaßnahme Gelegenheit zur freiwilligen Herausgabe des sicherzustellenden Gegenstandes zu geben. Diese Abwendungsbefugnis ist regelmäßig in die Anordnungsentscheidung aufzunehmen, sodass dem herausgabewilligen Dritten der Eingriff der Durchsuchung erspart werden kann (BGH, Beschluss vom 06.09.2023 – StB 40/23, juris Rn. 21). Umgekehrt kann die Gewährung einer Abwendungsbefugnis ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass der Betroffene zur freiwilligen Mitwirkung nicht bereit ist und Verdunkelungsmaßnahmen zu besorgen sind (BGH, aaO). So lagen die Dinge hier. Nach Aussage des Zeugen H hat ihm die Geschäftsführerin der GmbH, eine Rechtsanwältin, vorgegeben, er solle bei Gericht nicht aussagen, obwohl die Voraussetzungen für die Auskunftsverweigerung – jedenfalls im beanspruchten Umfang – höchstwahrscheinlich nicht vorlagen (vgl. Kammer, Beschluss vom 08.05.2024 – 12 Qs 1/24, juris). Daraus kann auf fehlende freiwillige Kooperation und gegebenenfalls auf eine Neigung zur Verdunkelung geschlossen werden.“

StPO I: Durchsuchungsgrundlage anonymer Hinweis, oder: Abwarten bis zur richterlichen Entscheidung

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Und heute dann dreimal StPO, und zwar fünf Entscheidungen, zwei aus dem Ermittlungsverfahren, zwei aus dem Bereich der Hauptverhandlung und eine zum Urteil.

Ich beginne mit den beiden Entscheidungen aus dem Ermittlungsverfahren. Beide betreffen die Durchsuchung. Zu beiden stelle ich aber nur die Leitsätze vor, da die Fragen schon häufiger Gegenstand der Berichterstattung waren. Hier sind dann:

1. Eine anonyme Anzeige über ein Hinweisgebersystem kann eine für die Anordnung einer Durchsuchung gemäß § 102 StPO ausreichende Verdachtsgrundlage bieten.
2. Eine derartige Anzeige muss von beträchtlicher sachlicher Qualität sein oder es muss mit ihr zusammen schlüssiges Tatsachenmaterial vorgelegt worden sein.
3. In diesen Fällen müssen die Eingriffsvoraussetzungen des § 102 StPO besonders sorgfältig geprüft werden.

1. Eine noch nicht erlassene Durchsuchungsanordnung kann zeitlich vor ihr liegende Rechtseingriffe nicht rechtfertigen. Grundlage der Maßnahmen ist eine indes eigene Anordnung der Ermittlungspersonen, die diese im Rahmen der Eilzuständigkeit aus §§ 103, 105 Abs. 1 S. 1 HS 2 StPO gegenüber dem Beschwerdeführer getroffen haben.
2. Es entspricht ggf. dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, eine Durchsuchung zunächst nicht durchzuführen, sondern sich bis zu einer richterlichen Entscheidung auf weniger eingreifende Sicherungsmaßnahmen in eigener Kompetenz zu beschränken.
3. Auf diese Weise kann die Beachtung des Richtervorbehalts aus § 105 Abs. 1 S. 1 StPO trotz gegebener Gefahr im Verzug gewahrt bleiben.

StPO II: „Gefahr im Verzug“ im Ermittlungsverfahren, oder: „Berührt, geführt“.

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Die zweite Entscheidung, der LG Kiel, Beschl. v. 12.10.2023 – 10 Qs 48/23 – behandelt eine Problematik aus dem Ermittlungsverfahren. In dem waren nach einer Durchsuchung ein Mobiltelefon und ein Tablet(computer) sicher gestellt worden. Dagegen das Rechtsmittel des Beschuldigten, das beim LG Erfolg hatte:

„Auch in der Sache hat die sofortige Beschwerde Erfolg.

Bei der verfahrensgegenständlichen Ermittlungsmaßnahme handelt es sich entgegen der Ansicht des Amtsgerichts Kiel nicht um eine vorläufige Sicherstellung nach § 110 StPO, sondern um eine Beschlagnahme im Sinne des § 94 Abs. 2 StPO (vgl. dazu unten Abschnitt II 1), welche unter Verstoß gegen den in § 98 Abs. 1 S. 1 StPO statuierten Richtervorbehalt durch die Staatsanwaltschaft angeordnet worden ist (vgl. dazu unten Abschnitt II 2).

1. Das Amtsgericht Kiel hat die verfahrensgegenständliche Maßnahme als vorläufige Sicherstellung im Sinne des § 110 StPO qualifiziert. Für diese Sichtweise spricht, dass die Strafverfolgungsbehörden sich nicht für die beiden technischen Geräte als solche interessieren, sondern lediglich für die darauf gespeicherten Daten, welche zudem im nächsten Schritt auf ihre potentielle Beweisbedeutung gesichtet werden sollen. Allerdings kann ein Sichtungsverfahren nach § 110 StPO, wie bereits dessen Regelungsstandort, aber auch der Wortlaut von § 110 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1 StPO zeigen, immer nur im Zusammenhang mit einer Durchsuchung stattfinden. Und eine Durchsuchungsmaßnahme hat es vorliegend zu keinem Zeitpunkt gegeben, so dass zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit alleine und unmittelbar die §§ 94ff. StPO heranzuziehen sind.

2. Dass die Beschlagnahme der beiden technischen Geräte durch die Staatsanwaltschaft angeordnet worden ist und nicht durch das Gericht, verstieß gegen § 98 Abs. 1 S. 1 StPO. Nach dieser Vorschrift dürfen Beschlagnahmen nämlich nur durch das Gericht, allenfalls bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen, angeordnet werden.

Gefahr im Verzug war vorliegend nicht gegeben. Die Beschlagnahme erfolgte an einem Freitag-mittag, also zu einem Zeitpunkt, an welchem sich ein Ermittlungsrichter im Dienst befindet. Dem-entsprechend ist von den beiden eingesetzten Polizeibeamten auf Anordnung der diensthabenden Staatsanwältin denn auch fernmündlich Kontakt zur zuständigen Ermittlungsrichterin aufgenommen worden. Nachdem diese erklärt hatte, eine Entscheidung erst nach Vorlage der Ermittlungsakte treffen zu können bzw. zu wollen, erging sodann eine mündliche Eilbeschlagnahmeanordnung durch die diensthabende Staatsanwältin. Hierzu war letztere jedoch nicht (mehr) befugt. Denn wenn die Strafverfolgungsbehörden den zuständigen Ermittlungsrichter mit einer Sache befasst haben, ist für ihre Eilkompetenz kein Raum mehr (vgl. dazu und zum folgenden BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016, Az. 2 StR 46/15, RN. 20f. (zitiert nach juris)). Mit der Befassung des Ermittlungsrichters endet grundsätzlich die Eilzuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden; es ist nunmehr Sache des Ermittlungsrichters, über den beantragten Eingriff zu entscheiden. Auch soweit während des durch den Ermittlungsrichter in Anspruch genommenen Entscheidungszeit-raums nach dessen Befassung die Gefahr eines Beweismittelverlusts eintritt, etwa weil dieser auf ein mündlich gestelltes Durchsuchungsbegehren hin die Vorlage schriftlicher Antragsunterlagen oder einer Ermittlungsakte fordert, Nachermittlungen anordnet oder schlicht bis zum Eintritt der Gefahr eines Beweismittelverlusts noch nicht entschieden hat, lebt die Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden nicht wieder auf. Dies gilt unabhängig davon, aus welchen Gründen die richterliche Entscheidung über den Durchsuchungsantrag unterbleibt.“

Warum das allerdings eine „sofortige Beschwerde“ gewesen sein soll, leuchtet mir nicht ein.