Schlagwort-Archive: Durchsuchung

BVerfG I: Der VW-Abgasskandal beim BVerfG, oder: VW-Unterlagen dürfen ausgewertet werden

entnommen wikimedia.org
Urheber User: High Contrast

Heute dann dreimal BVerfG. Den „Opener“ macht die recht frische Entscheidung des BVerfG zur Durchsuhung einer Anwaltskanzlei im Zuge des „Diesel-Skandals“, nämlich der BVerfG, Beschl. v. 27.06-2018 – 2 BvR 1287/17 u.a. Gegenstand der verfassungsrechtlichen Prüfung war die Anordnung der Durchsuchung des Münchener Büros der Rechtsanwaltskanzlei Jones Day und die Bestätigung der Sicherstellung der dort aufgefunden Unterlagen zum Zwecke der Durchsicht.Die VW-AG hatte anlässlich des in den USA geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen Abgasmanipulationen an Dieselfahrzeugen diese Rechtsanwaltskanzlei im September 2015 mit internen Ermittlungen, rechtlicher Beratung und der Vertretung gegenüber den US-amerikanischen Strafverfolgungsbehörden beauftragt. Zum Zwecke der Sachaufklärung haben die Rechtsanwälte von Jones Day innerhalb des VW-Konzerns eine Vielzahl von Dokumenten  gesichtet konzernweit Befragungen von Mitarbeitern durchgeführt. Mit dem Mandat waren auch Rechtsanwälte aus dem Münchener Büro der Kanzlei befasst.

Wegen der Vorgänge im Zusammenhang mit 3,0 Liter-Dieselmotoren der Audi AG, die der Kanzlei Jones Day selbst kein Mandat erteilt hatte, ermittelt die StA München II wegen des Verdachts des Betruges und strafbarer Werbung. Die Ermittlungen richteten sich zunächst gegen Unbekannt und seit dem 29.06.2017 gegen mehrere konkrete Beschuldigte. Am 29.06.2017 leitete die StA München II dann auch ein Bußgeldverfahren gemäß § 30 OWiG gegen die Audi AG selbst ein. Ein weiteres Ermittlungsverfahren betreffend einen 2,0 Liter-Dieselmotor wird von der SA Braunschweig gegen mehrere Beschuldigte geführt.

Auf Antrag der StA hat das AG München am 06.03.2017 die Durchsuchung der Münchener Geschäftsräume der Kanzlei Jones Day angeordnet. Bei der Durchsuchung am 15.03.wurden zahlreiche Aktenordner sowie ein umfangreicher Bestand an elektronischen Daten mit den Ergebnissen der internen Ermittlungen sichergestellt. Das AG München bestätigte die Sicherstellung. Die gegen die Durchsuchungsanordnung und die Bestätigung der Sicherstellung erhobenen Beschwerden waren beim LG München I erfolglos. Hiergegen haben sich die Volkswagen AG und die Anwaltskanzlei Jones Day mit den Verfassungsbeschwerden gewandt.

So weit der Sachverhalt auf der Grundlage der PM zu der Entcsheidung. Zum Ret und zur Begründung verweise ich dann auch auf den Recht umfangreichen Beschluss des BVerfG. Hier nur soviel, und zwar die Kurzfassung aus der PM:

Zur Begründung hat die Kammer angeführt, dass die Volkswagen AG durch die Sicherstellung weder in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch in ihrem Recht auf ein faires Verfahren verletzt ist und im Hinblick auf die Durchsuchung kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Die Rechtsanwaltskanzlei Jones Day ist nicht grundrechtsberechtigt und deshalb nicht beschwerdeberechtigt; eine Beschwerdebefugnis der dort tätigen Rechtsanwälte ist nicht ersichtlich.

Wie gesagt. Der Beschluss ist sehr umfangreich. Da bietet sich das Selbststudium an.

Teilnahme an Durchsuchung + Vernehmung = Terminsgebühr, oder: Die Summe stimmt

© Gina Sanders – Fotolia.com

Und dann der erste richtige Beitrag des Tages – weit ab von DSGVO. Es geht um den AG Bad Kreuznach, Beschl. v.  23.04.2018 – 400 Cs 1023 Js 7986/16, den der Kollege T. Scheffler aus Bad Kreuznach in „mühevoller Kleinarbeit“ erstritten hat.

Geltend gemacht hatte der Kollege nach Beendigung des Verfahrens gegen seinen Mandanten im Rahmen der Kostenfestsetzung auch eine Terminsgebühr gemäß Nr. 4102 VV RVG für seine Teilnahme an einer Durchsuchungsmaßnahme in dem wegen Betruges gegen den ehemaligen Angeklagten geführten Verfahren. Der Rechtspfleger hat die – nach entsprechender Stellungnahme des Bezirksrevisors – wen wundert das? – nicht festgesetzt. Dagegen richtete sich die Erinnerung des Kollegen, die er damit begründet hat, dass anlässlich der Durchsuchung auch konkrete Fragen an den Beschuldigten gerichtet worden seien. Die Polizeibeamten hätten Nachfragen zu einzelnen Konten gestellt, die auf den Namen des Sohnes des Angeklagten liefen. Auch Fragen nach Mietzahlungen für die Wohnung und nach einer Beteiligung der Lebensgefährtin des Angeklagten an den Wohnkosten seien gestellt worden. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten seien erörtert worden. Vor der Beantwortung einzelner Fragen habe er, der Verteidiger, sich mit seinem Mandanten in einem Nebenraum besprochen. Aus dem Durchsuchungsbericht ergebe sich zudem, dass der Beschuldigte belehrt und der Durchsuchungsbeschluss eröffnet worden seien.

Das AG hat das anders gesehen als die Vertreter/Hüter der Staatskasse:

„Für die Teilnahme des Verteidigers an der Durchsuchung ist eine Gebühr gemäß Nr. 4102 Ziffer 2 VV RVG entstanden.

Die Gebühr entsteht für die Teilnahme des Rechtsanwalts an Vernehmungen durch Staatsanwaltschaft, Polizei, oder Zoll- und Finanzbehörden, wobei es nicht darauf ankommt, ob der teilnehmende Rechtsanwalt für den Beschuldigten oder für einen anderen Beteiligten tätig wird (BeckOK RVG/Knaudt RVG Rn. 7, beck-online m.w.N.).

Es gilt der formelle Vernehmungsbegriff der Strafprozessordnung.

Zentrales Merkmale einer Vernehmung im Sinne der StPO ist es, dass der Vernehmende der Auskunftsperson in amtlicher Funktion gegenübertritt und in dieser Eigenschaft von ihr eine Auskunft verlangt (BGH, Beschluss vom 31. März 2011 — 3 StR 400/10 Rn. 8, juris). Die Frage, ob es sich um spontane Äußerung der Auskunftsperson, um deren informatorische Befragung oder bereits um ihre Vernehmung durch die Ermittlungsperson handelt, ist vor dem Hintergrund der bestehenden Belehrungspflichten aus §§ 163a Abs. 4, 136a StPO und 52 ff StPO von zentraler Bedeutung für die Verwertbarkeit einer Aussage.

Dem späteren Angeklagten wurde von den ermittelnden Polizeibeamten bei Durchführung der Durchsuchung zutreffend der Status eines Beschuldigten zuerkannt. Entsprechend wurde er ausweislich des Durchsuchungsberichts vom 28.092016 auch über bestehende prozessuale Rechte belehrt. Obwohl die entsprechende Formulierung sehr allgemein gehalten ist, ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte dabei insbesondere auch über sein Schweigerecht belehrt worden ist. Schon dies spricht für eine Vernehmungssituation.

Das Gericht glaubt dem Verteidiger aufgrund seiner anwaltlichen Versicherung und der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung seiner Mitarbeiterin zudem, dass im Rahmen der Durchsuchung die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten erörtert wurden und dass die Polizeibeamten konkrete Fragen zu einzelnen Beweisstücken an den Beschuldigten richteten.

Unter diesen Voraussetzungen handelt es sich bei den vom Beschuldigten gemachten Angaben weder um spontane Äußerungen noch um Auskünfte im Rahmen einer bloßen informatorischen Befragung sondern um Aussagen anlässlich einer förmlichen Vernehmung.“

Die Entscheidung ist zutreffend. Aber bitte beachten: Sie ändert nichts daran, dass für eine „normale Durchsuchung“ eine Gebühr nach Nr. 4102 VV RVG nicht entsteht. Hier handelte es sich aber eben um eine Durchsuchung mit „intergrierter Vernehmung“ 🙂 und für die ist zu Recht die Gebühr Nr. 4102 Ziff. 2 VV RVG festgesetzt worden.

Durchsuchung wegen Kokainerwerb, oder: Die Durchsuchung dient nicht der Begründung eines Verdachts

© dedMazay – Fotolia.com

Die zweite LG-Entscheidung hat mir der Kollege Rakow aus Rostock geschickt. Es geht im LG Rostock, Beschl. v. 30.11-2017 – 13 Qs 149/17 (1) – auch um eine Durchsuchung in einem BtM-Verfahren. Durchsucht wird die Wohnung des Beschuldigten. Zur Begründung führte das AG Rostock (nur) aus:

„Die Beschuldigte ist verdächtig in Rostock in der Zeit vom 20.02.2017 bis zum 07.09.2017 von dem gesondert verfolgten pp. Kokain erworben zu haben.

Die Beschuldigte ist dieser Tat(en) verdächtig aufgrund der bisherigen polizeilichen Ermittlungen. Insbesondere aufgrund von Erkenntnissen aus der Telekommunikationsüberwachung im Verfahren  gegen pp. Hier gibt es eine Vielzahl von Telefonaten zwischen pp und der Beschuldigte, in dem es ganz offensichtlich um den Erwerb von Kokain geht.

Dieser konnte bislang noch nicht abschließend geklärt werden; es besteht nach bisherigen Erkenntnissen der naheliegende“ Verdacht, dass eine Durchsuchung bei der Beschuldigten und der von ihr genutzten Räume zur Auffindung der oben benannten Beweismittel führen wird und deshalb eine geeignete und erforderliche Strafverfolgungsmaßnahme ist.“

Dem LG reicht das so nicht:

Ein Durchsuchungsbeschluss hat mit Blick auf die Bedeutung eines Eingriffes in die durch Art. 13 GG geschützte persönliche Lebenssphäre bestimmten inhaltlichen Anforderungen zu genügen, insbesondere sind tatsächliche Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs erforderlich, sofern sie nach dem Ermittlungsergebnis ohne weiteres möglich sind und den Zwecken der Strafverfolgung nicht zuwiderlaufen (BVerfGE 20,  162, 227; Meyer-Goßner/Schmidt, § 105 StPO, Rn. 5 m.w.N.). Darüber hinaus sind Zweck und Ziel der Durchsuchung zu konkretisieren, Art und Inhalt der aufzufindenden Beweismittel sind so anzugeben, dass kein Zweifel über die zu suchenden Gegenstände entsteht; es muss die Vornahme einer Einzelprüfung zu erkennen sein (BVerfGE 42, 212, 221), Zudem sind die wesentlichen Verdachtsmomente darzulegen, in aller Regel also auch die Indiztatsachen, auf die der Verdacht gestützt wird. Diese Begründung darf nur unterbleiben, wenn die Bekanntgabe der wesentlichen Verdachtsmomente den Untersuchungszweck gefährdet (BGH NStZ7RR 2009, 142; BVerfG, NJW 2015, 1585, 1587; Meyer-Goßner/Schmidt, § 105 StPO, Rn. 5a m.w.N.).

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass dem Beschuldigten vor Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses regelmäßig kein rechtliches Gehör gewährt (§ 33 Abs. 4 StPO) und vor Abschluss der Ermittlungen oftmals Akteneinsicht auf Grundlage von § 147 Abs. 2 StPO verwehrt wird, so dass er durch die Darlegungen im Durchsuchungsbeschluss in die Lage versetzt werden soll) den zugrunde liegenden Tatvorwurf zu überprüfen und sich dagegen sachgerecht zu verteidigen.

Der angefochtene Durchsuchungsbeschluss wird diesen Anforderungen jedenfalls hinsichtlich der Mitteilung der wesentlichen Verdachtsmomente nicht gerecht. Allein die Inbezugnahme der Telekommunikationsüberwachung und vermeintlich inkriminierender Telefonate mit dem gesondert verfolgten pp. ist nicht geeignet, den Tatvorwurf weiter zu konkretisieren. Dementsprechend enthält der Durchsuchungsbeschluss auch keine tatsächlichen Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs, insbesondere sind keine Angaben zu den jeweiligen Zeitpunkten enthalten, zu denen die Beschuldigte Kokain erworben haben soll. Wann sich die Beschuldigte jeweils mit dem gesondert verfolgten pp. zur Übergabe von Bargeld getroffen haben dürften, ließ sich indes im Wesentlichen den bisherigen Ermittlungsergebnissen entnehmen, namentlich der Telekommunikationsüberwachung über den Nachrichtendienst WhatsApp (BI. 5-19 d.A.). Es ist nicht erkennbar, dass durch die Bekanntgabe dieser Verdachtsmomente der Untersuchungszweck gefährdet worden wäre.

Gleichwohl lässt selbst die Überwachung der Kommunikation über den Nachrichtendienst WhatsApp keine Rückschlüsse auf den Ankauf von Kokain oder anderen Betäubungsmitteln zu. Die Verdachtsmomente müssen – um die Grundlage für einen zwingend notwendigen Anfangsverdacht zu begründen – über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausgehen. Insbesondere darf eine Durchsuchung nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung des Verdachts erforderlich sind; denn sie setzt einen Verdacht bereits voraus (BVerfG, Beschl. v. 24.01.2013 – 2 BvR 376/11). Die aufzufindenden Beweismittel – vorliegend „schriftliche Aufzeichnungen über den Erwerb von Kokain, Kontoauszüge und BtM-Utensilien“ – dienten der Ermittlung erstmalig belastender Tatsachen und waren für sich genommen ebenfalls nicht geeignet, die Durchsuchung rechtsstaatlich zu umgrenzen.“

Durchsuchung II: „Anschluss-Beschlagnahmebeschluss“, oder: Ein Bisschen schneller dürfte es schon gehen

© Thomas Jansa – Fotolia.com

Die zweite Entscheidung, die ich vorstelle, hat mit der Kollege M.Stephan aus Dresden geschickt. Es handelt sich um dem LG Erfurt, Beschl. v. 21.03.2018 – 7 Qs 34/18. Ergangen ist er in einem Ermittlungsverfahren wegen wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgeld. In dem sind am 30.01.2012 Durchsuchungsbeschlüsse gegen den Betroffenen – seinerzeit Beschuldigten -, die Firma sowie das für die Firma tätige Steuerbüro erlassen worden. Nach Durchführung der Durchsuchung hat das LG auf die Beschwerde des Betroffenen mit Beschluss vom 23.07.2012 den Durchsuchungsbeschluss aufgehoben. Mit Verfügung vom 26.09.2012 hat die Staatsanwaltschaft Chemnitz das Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Am 16.12.2013 ist das Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt unter Hinweis auf  zwsichenzeitlich ergangen Arbeitsgerichts-Urteile wieder aufgenommen worden. Es wruden gegen ihn und weiter Betroffene Durchsuchungsanordnungen nach Geschäftsunterlagen u.a. erlassen. Die Durchsuchungsmaßnahme gegen den Betroffenen wurde am 11.02.2014 umgesetzt und es wurden 217 Ordner und weitere Unterlagen sichergestellt. Mit Verfügung vom 12.10.2016 hat die Staatsanwaltschaft Chemnitz teilweise das Verfahren gegen den Betroffenen nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, teilweise nach § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung abgesehen und das Verfahren hinsichtlich der Verfolgung der Ordnungswidrigkeit eines Mindestlohnverstoßes an die Behörde verwiesen. Der Betroffene ist zwischenzeitlich durch Urteil des Amtsgerichts Chemnitz vom 18.05.2017 vom Vorwurf des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt freigesprochen worden.

Mit Schriftsatz vom 14.08.2017 hat der Verteidiger des Betroffenen die Herausgabe der sichergestellten Unterlagen beantragt. Daraufhin hat das Hauptzollamt mit Schreiben vom 16.08.2017 bei dem Amtsgericht Erfurt einen „Anschluss-Beschlagnahmebeschluss“ bezüglich der sichergestellten und noch bei der Staatsanwaltschaft Chemnitz sich befindenden Unterlagen beantragt. Mit Beschluss vom 29.08.2017 hat das Amtsgericht Erfurt die „Anschlussbeschlagnahme“ der sichergestellten Gegenstände aus den Sicherstellungsprotokollen vom 11.02.2014 unter Hinweis auf ihre mögliche Beweisbedeutung in dem Ordnungswidrigkeitenverfahren angeordnet. Hiergegen hat der Betroffene durch seinen Verteidiger am 11.09.2017 Beschwerde eingelegt. Die hatte dann beim LG Erfurt Erfolg:

„Für die Rechtsmäßigkeit der richterlichen Bestätigung der vorläufigen Sicherstellung zur Durchsicht analog § 98 Abs. 2 StPO ist entscheidend, ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine Durchsuchung im Zeitpunkt der Entscheidung noch vorliegen. Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist der Betroffene einer Ordnungswidrigkeit nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) nach wie vor verdächtig. Insofern wird auf die umfangreiche Stellungnahme der Behörde vom 19.01.2018 Bezug genommen. Hiernach ist insbesondere davon auszugehen, dass der Betroffene selbst im Rahmen der Ermittlungen gegenüber der Behörde die Endmontage der Nasszellen durch Mitarbeiter der Firma pp., eingeräumt und auch im Internet angeboten hat. Der Ausgang des Strafverfahrens vor dem Amtsgericht Chemnitz beseitigt den Tatverdacht nicht, da Gegenstand des Strafverfahren ein anderer Tatvorwurf war.

Die weitere Fortdauer der Durchsicht der sichergestellten Unterlagen ist jedoch unter Berücksichtigung der Gesamtumstände aufgrund des erheblichen Zeitablaufes nunmehr als unverhältnismäßig anzusehen. Das Verfahren wurde bereits mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Chemnitz vom 12.10.2016 zur eigenständigen Verfolgung der Ordnungswidrigkeit an die Behörde abgegeben. Die Behörde hatte aufgrund der vorherigen Beschlagnahme der Unterlagen Kenntnis von dem Rahmengeschehen. Es bestand zudem bereits während des laufenden Strafverfahrens die Möglichkeit, Kopien der sichergestellten Unterlagen zu fertigen, um die Beweiseignung einzelner Unterlagen für das Ordnungswidrigkeitenverfahren zu prüfen. Spätestens nach Eingang der Stellungnahme des Betroffenen im Juni 2017 war eine zeitnahe Prüfung der Unterlagen geboten. Bezeichnender Weise wurde seitens der Behörde für den überwiegenden Teil der sichergestellten Unterlagen die Freigabebereitschaft erklärt. Da nach Aktenlage aber noch nicht von einer Herausgabe der freigegebenen Unterlagen an den Beschwerdeführer ausgegangen werden kann, war der Beschwerde insgesamt stattzugeben.“

„Anschluss-Beschlagnahmebeschluss“ – hatte ich auch noch nicht gelesen, Hilft aber nicht, denn: Ein Bisschen schneller könnte es schon gehen…..

Durchsuchung I: Nur dünner Anfangsverdacht, oder: Mit Kanonen auf Spatzen geschossen

© Klaus Eppele – Fotolia.com

Heute dann ein wenig zur Durchsuchung. Zunächst mit einer Entscheidung des BVerfG, das im BVerfG, Beschl. v. 10.11.2017 – 2 BvR 1775/16 – zur Verhältnismäßigkeit der zur Überprüfung gestellten Durchsuchungsmaßnahme Stellung genommen hat. Der Sachverhalt war wie folgt:

Bei der StA wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls oder (Fund-)Unterschlagung geführt. Das Verfahren war aufgrund einer Strafanzeige einer Zeugin eingeleitet worden. Diese hatte angegeben, ihr Smartphone sei während eines Aufenthalts in einem Billardzentrum gestohlen worden; sie könne aber auch nicht ausschließen, es beim Aussteigen aus dem Auto vor ihrer Wohnung verloren zu haben. Später habe ihr eine weibliche Stimme unter einer Mobilfunknummer mitgeteilt: „Sie kriegen ihr Handy wieder.“ Eine Kontaktaufnahme über SMS sei fehlgeschlagen. Im Laufe der Ermittlungen wurde festgestellt, dass die Mobilfunknummer dem im gegenüberliegenden Haus wohnenden Beschuldigten zugeordnet werden konnte. Auf Antrag der StA ordnete das AG die Durchsuchung der Person und der Wohnung sowie der Fahrzeuge des Beschuldigten nach dem der Zeugin abhanden gekommenen Smartphone an. Dem Beschuldigten wurde Diebstahl oder (Fund-)Unterschlagung zur Last gelegt. Bei der Durchsuchung wurde das Smartphone nicht gefunden. Bei der anschließenden Beschuldigtenvernehmung gab der Beschuldigte an, dass er seinem achtjährigen Sohn ein Handy für gelegentliche Anrufe zur Verfügung gestellt habe. Die Prepaid-Karte sei auf seine Personalien eingetragen. Einige Tage nach dem angeblichen Diebstahl sei seinem Sohn und dessen Freund ein Aushang mit der Überschrift „Smartphon verloren“ aufgefallen. Aus Spaß hätten sie bei der angegebenen Telefonnummer angerufen und mitgeteilt, dass das Wort Smartphone falsch geschrieben worden sei. Sein Sohn habe ihm erzählt, dass auf seinem Handy keine SMS mit einem Herausgabeverlangen angekommen sei. Er könne dies nicht mehr prüfen, da das damalige Handy seines Sohns inzwischen verschwunden sei. Er habe in keiner Weise etwas mit dem Verlust des Handys der Anzeigeerstatterin zu tun. Das Strafverfahren gegen den Beschuldigten wurde daraufhin gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Das LG hat die Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss als unbegründet verworfen.

Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Das BVerfG lässt die Frage des Anfangsverdachts letztlich offen – obwohl man m.E. schon sehr deutlich merken kann, wass es davon hält – sieht aber die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme als nicht gegeben: