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OLG Hamm vs. OLG Frankfurt, oder: Zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG auch bei „Rückgewinnungshilfe“

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Ich hatte am vergangenen Freitag über das OLG Frankfurt, Urt. v. 11.05.2017 – 1 U 203/15 – berichtet (vgl. dazu RVG: Gegenstandswert 3.621.930,00 € oder nur 7.024,68 €?, oder: Wertfestsetzung im Arrestverfahren). In ihm ging es um die Frage, ob bei einem im Strafverfahren ausgebrachten Arrest betreffend Rückgewinnungshilfe (§ 111b StPO) für den Verteidiger, der dazu tätig wird, die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG entsteht. Das OLG Frankfurt hat das bejaht, hat allerdings den Gegenstandswert niederiger als die dazu h.M. festgesetzt.

Zu der Frage gibt es dann auch eine Entscheidung des OLG Hamm, auf die ich der Vollständigkeit halber hinweisen will; auf sie bin ich erst jetzt gestoßen. Das OLG Hamm hat im OLG Hamm, Beschl. v. 25.04.2017 – 5 Ws 130/17 – das Entstehen der Gebühr verneint, macht es also anders als das OLG Frankfurt. Begründung:

Die Gebühr ist aber letztlich nicht angefallen, da die Arrestanordnung ausschließlich zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe erfolgte. Für diese Fälle fällt eine Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG nicht an (vgl. Beschluss des hiesigen 2. Strafsenats vom 17. Februar 2009, – Az. 2 Ws 378/08 -; OLG Köln, StraFo 2007, 131; KG Berlin, Beschluss vom 15. April 2008, – Az. 1 Ws 309-310/07 -; dem zustimmend: Hansens, zfs 2008, 647; LG Chemnitz, Beschluss vom 08. Januar 2008, -Az. 5 Qs 17/07-310 Js 844/07 -; jeweils zitiert nach juris; LG Saarbrücken, Beschluss vom 10. Januar 2012, – Az. 2 Qs 18/11 -, zitiert nach beck-online; Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, Nr. 4141-4147 VV Rdn. 16; Burhoff, RVG in Straf- und Bußgeldsachen, 4. Auflage 2014, Nr. 4142 VV Rdn. 7; ders., RVGreport 2016, 282, jeweils zitiert nach jurion; Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage 2015, VV 4142 Rdn. 8; Schneider/Wolf, Anwaltkommentar RVG, 7. Auflage 2014, VV 4142 Rdn. 14; Baumgärtel/Hergenröder/Houben, RVG, 16. Auflage 2014, Nr. 4142 VV Rdn. 2; anderer Ansicht: OLG Stuttgart, Beschluss vom 22. April 2014, – Az. 1 Ws 212/13 -; LG Essen, Beschluss vom 3. Dezember 2014, – Az. 56 Qs 5/14 -). Denn in diesen Fällen führt das Strafverfahren – anders als in den Fällen der Anordnung eines Verfalls – nicht zu einer endgültigen Entscheidung über den Vermögensverlust. Vielmehr wird häufig erst ein anschließendes zivilrechtliches Verfahren eine Klärung herbeiführen, in dem dann erneut Anwaltsgebühren anfallen (vgl. OLG Köln, a.a.O.; Hansens, a.a.O.). Es besteht daher im Fall der Anordnung eines Arrests im Rahmen der Rückgewinnungshilfe auch noch keine, eine gesonderte Gebühr rechtfertigende Notwendigkeit, dass die Verteidigung des Beschuldigten sich mit den Einzelheiten dieses Arrests auseinandersetzt.

Hieran ändert auch der staatliche Auffangrechtserwerb nach § 111 i Abs. 5 StPO nichts (so aber OLG Stuttgart, a.a.O.). Denn zum einen ist vor Erlass des Beschlusses, der Eintritt und Umfang des Rechtserwerbs feststellt, der Betroffene erneut zu hören, § 111 i Abs. 6 StPO. Zum anderen steht dem Betroffenen gegen den feststellenden Beschluss auch ein Beschwerderecht zu, dessen Gegenstand Eintritt und Umfang des Rechtserwerbs ist (vgl. Meyer-Goßner / Schmitt, StPO, 59 Auflage 2016, § 111 i Rdn. 17). Anders als in den Fällen des mit Erlass des Urteils angeordneten Verfalls steht dem Betroffenen damit ein – von dem Schicksal des übrigen Urteilsspruches getrenntes – Verfahren zu, in dessen Verlauf das Bestehen des Anspruches geprüft und ggfs. einer erneuten Prüfung unterzogen wird.

Eine Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG ist damit vorliegend nicht entstanden und ein Antrag auf Festsetzung eines Streitwertes nach § 33 Abs. 1 RVG somit nicht zulässig. Es kann daher dahinstehen, dass dieser Streitwert sich – ausgehend von der Höhe des angeordneten Arrests von 305.528,00 € und der sich aus dem bloßen Sicherungscharakter ergebenden geringeren Gewichtung mit 1/3 – selbst für den Fall seiner Festsetzung nur auf eine Höhe von bis zu 110.000,- € hätte belaufen können.“

Also: Weiterhin Streit in der Rechtsprechung in dieser Frage, in der es um viel Geld für den Verteidiger gehen kann. Im Zweifel werden wir dazu dann etwas vom BGH hören, da das OLG Frankfurt ja die Revision gegen seine Entscheidung zugelassen hat. Ich sehe es allerdings mit den vom OLG Stuttgart angeführten Gründen inzwischen (auch) anders.

Wenn der Steuerfiskus schläft…, oder: Dinglicher Arrest wird aufgehoben

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Dingliche Arreste nehmen in der Praxis auch in Strafverfahrne zu. Das zeigt die veröffentlichte Rechtsprechung. In dem Zusammenhang von Interesse kann der LG Magdeburg, Beschl. v. 11.07.2016 – 24 Qs 66/16 – sein. Er behandelt nämlich zwei Fragen, die in der Praxis eine große Rolle spielen, und zwar einmal die der Anordnungsvoraussetzungen und dann die Verhältnismäßigkeit. Es ging um einen dinglichen Arrest, der zur Sicherung des staatlichen Anspruchs auf Verfall des Wertersatzes in Höhe von 12.000,– EUR in das Vermögen des Beschuldigten beim Vorwurf eines Steuerdelikts angeordnet worden war. Das LG hat aufgehoben und beanstandet zwei Punkte:

„Die Voraussetzungen des angeordneten dinglichen Arrestes liegen nicht vor, da jedenfalls ein Arrestgrund nicht ausreichend ersichtlich ist. Der angefochtene Beschluss bezieht sich insoweit allein auf den gegen den Beschuldigten bestehenden Verdacht der Begehung einer gewerbsmäßigen Steuerhehlerei, der auf eine Gesinnung schließen lasse, dass er versuchen werde, das Erlangte zu behalten. Diese Erwägung, mit der sich so gut wie in allen Fällen einer Steuerhehlerei, Steuerhinterziehung und sonstiger auf Täuschung und Heimlichkeit basierender Straftaten ein dinglicher Arrest begründen ließe, reicht allein nicht aus. Erforderlich sind über den Tatverdacht hinausgehende konkrete Umstände, die besorgen lassen, dass ohne eine Arrestanordnung der Rückforderungsanspruch des Fiskus ernstlich gefährdet ist (OLG Oldenburg, Beschluss vom 26. November 2007, Az.: 1 Ws 554/07, zitiert nach juris). Solche Umstände sind gegenwärtig nicht ersichtlich. insbesondere gibt es keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte sein Vermögen ins Ausland verschieben oder sonst verheimlichen oder verschleudern werde.

Darüber hinaus ist der angeordnete Arrest — jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt – auch unverhältnismäßig. Seit der Anordnung des Arrestes sind zwischenzeitlich ein Jahr und drei Monate vergangen, ohne dass eine Anklageerhebung unmittelbar bevor steht Dazu kommt, dass die strafprozessuale Sicherungsmaßnahme zugunsten des Steuerfiskus ergangen ist. Der Steuerfiskus hat von der Möglichkeit, selbst einen dinglichen Arrest nach § 324 AO zu erlassen, abgesehen. Daraus lässt sich mindestens auf eine erhebliche Reduzierung des Sicherungsbedürfnisses schließen. Strafprozessuale     Arrestanordnungen zur Rückgewinnungshilfe sollen dem Tatverletzten nicht eigene Arbeit und Mühe abnehmen, sondern ihn nur insoweit unterstützen, wie dies zur Durchsetzung der Ansprüche erforderlich ist. Sieht ein Geschädigter, der — wie hier der Steuerfiskus — sich selbst einen Arresttitel ausstellen kann, hiervon ab, so zeigt sich darin ein fehlendes oder jedenfalls stark eingeschränktes Sicherungsbedürfnis, das in der vorliegenden Abwägung zwischen der Beeinträchtigung des Eigentumsrechts des Betroffenen und dem Sicherstellungsbedürfnis des Fiskus in einer Gesamtschau — auch unter Berücksichtigung des zeitlichen Ablaufes — zur Annahme der Unverhältnismäßigkeit führt.“

Wertgebühr im Strafverfahren – gibt es das? Und wenn ja, welcher Gegenstandswert?

Auch im Strafverfahren gibt es ja seit dem Inkrafttreten des RVG Wertgebühren, so dass man auch hier mal nach dem Streitwert fragen muss. Das ist immer dann der Fall, wenn Einziehung, Verfall und ggf. dinglicher Arrest im Spiel sind. Dann geht es um den Anfall der Gebühr Nr. 4142 VV RVG und wie sich der für ihre Bemessung maßgebliche Gegenstandswert bemisst; die Nr. 4142 VV RVG ist übrigens eine Gebühr, die häufif schon mal übersehen wird.. Dazu jetzt das OLG München im Beschl. v. 16. 8. 2010 – 4 Ws 114/10 (K), das ebenso wie früher auch schon das OLG Hamm davon ausgeht, dass bei der Berechnung des Gegenstandswerts für das Arrestverfahren (hier: dinglicher Arrest nach § 111d StPO) von dem Betrag des zu sichernden Hauptanspruchs ein Abschlag vorzunehmen ist. I.d.R. wird – sod as OLG – der Gegenstandswert des Arrestverfahrens nur ein Drittel des Hauptanspruchs ausmachen. Immerhin können sich auch mit dem Abschlag noch „schöne Gegenstandswerte“ ergeben.

Wer müht sich nach Rechtskraft im Strafverfahren um den dinglichen Arrest?

Verfall, Einziehung, dingliche Arreste nehmen im Strafverfahren zu und die damit zusammenhängenden Fragen gewinnen immer mehr an Bedeutung. Da sind dann schon zivilrechtliche und vollstreckungsrechtliche Kenntnisse gefragt, die Strafrichter häufig nicht mehr haben (ich denke da auch an mich…:-)). Deshalb kann man ja mal suchen, ob man die Sache nicht los wird. Das OLG Düsseldorf hat dazu in einem Beschluss vom 10.11.2008 (StV 2009, 233 f. die Auffassung vertreten, dass nach Rechtskraft des Urteils im Hauptsacheverfahren § 459g StPO der Anwendung von § 111f Abs. 5 StPO entgegenstünde, und deshalb ein Zivilgericht zur Entscheidung berufen sei. Das OLG Celle sieht das jetzt im Beschl. v. Beschl. v. 06.07.2010 – 2 Ws 236/10 – anders und meint:

Bereits der Wortlaut legt eine Anwendbarkeit des § 111f Abs. 5 StPO auch noch nach Rechtskraft des Urteils im zugrundeliegenden Strafverfahren nahe, wonach der Betroffen jederzeit die gerichtliche Entscheidung gegen Maßnahmen in Vollziehung einer Beschlagnahme oder des Arrestes beantragen kann (vgl. dazu auch MeyerGoßner StPO, 52. Aufl., § 111f Rn. 15. Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Aufl., § 111f Rn. 7). Daneben spricht gegen die Auffassung des OLG Düsseldorf auch die Gesetzesbegründung zur Einführung von § 111f Abs. 5 StPO. Dort ist ausdrücklich erwähnt, dass nach Rechtskraft das Gericht des ersten Rechtszuges für die Entscheidung nach § 111f Abs. 5 StPO zuständig sein sollte (BTDrucks. 16/700 S. 13). Demnach wollte der historische Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 111f Abs. 5 StPO auch noch nach Rechtskraft eines Urteils in der Hauptsache die Möglichkeit der gerichtlichen Entscheidung durch ein Strafgericht und nicht die Zuständigkeit eines Zivilgerichtes herbeiführen.“ 

Tapfer, tapfer, denn damit bleibt es auf den zivilrechtlichen Fragen hängen.

Zivilrecht meets Strafrecht – tiefstes Sachen- und ZV-Recht – nur: Wie bekomme ich es bezahlt?

Nach Einführung der §§ 111 b ff. StPO kommt man auch im Strafverfahren zumindest in Wirtschaftsstrafverfahren und BtM-Verfahren kaum noch ohne zivilrechtliche und Kenntnisse im ZV-Recht aus. Die tiefste ZPO lässt grüßen. Ein gutes Beispiel ist dafür der Beschl. des OLG Naumburg vom 10.05.2010 – 1 Ws 228/10, den der Verfahrensbevollmächtigte eines Drittbeteiligten erstritten hat. § 771 ZPO im Strafverfahren. Wer hätte das gedacht?

Aber, was viel interessanter ist: Wie bekommt der Verfahrensbevollmächtigte des Eigentümer der von der Arrestpfändung betroffenen hochwertigen Pkws seine Tätigkeit bezahlt bzw., was kann er festsetzen lassen? Eine interessante Frage, an der ich gestern lange für einen Kurzbeitrag für den RVGreport herumgebastelt habe. Ich habe eine Lösung, aber Anregungen werden gerne noch entgegen genommen. So viel kann ich schon mal sagen: Es geht nach Teil 4 VV RVG. Nur: Welche Vorschriften? Der Verfahrensbevollmächtigte hat natürlich besonderes Interesse an einer Wertgebühr. Denn die Gegenstandswerte sind hoch :-), damit aber auch die Haftungsgefahr.