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Manchmal gibt es auch richtig „schöne“ AG-Entscheidungen – hier ist eine zur Tateröffnung

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Vor ein paar Tagen hatte ein Kommentator beanstandet, zu einem Beitrag angemerkt: „Vielleicht sollte man diese abgehobene Pauschalkritik an den amtsgerichtlichen Urteilen mal sein lassen“. Nun, dazu könnte man das ein oder andere anmerken, was ich jetzt aber gar nicht will. Aber ich nehme den Ball gerne auf und: Es gibt auch mal was zu loben, m.E. nämlich den schön und ausführlich begründeten AG Backnang, Beschl. v. 19.09.2012 – 2 Ls 90 Js 58693/12, der sich umfassend sowohl zu materiellen Fragen als auch zu U-Haft-Fragen verhält.

Sehr schön und für die Praxis sicherlich von Bedeutung die Passage, in der der Kollege die Frage der Bandenmäßigen Begehung behandelt. Er hatte die Eröffnung wegen Bandendiebstahls abgelehnt und dabei u.a. ausgeführt:

  1. Ein hinreichender Verdacht des Bandendiebstahls ergibt sich auch nicht aus dem von dem Angeklagten O. unter Verwendung falscher Personalien unterzeichneten Belehrungsformular der Polizei (Bl. 43 d.A.). Bei diesem Formular handelt es sich um einen in deutscher und rumänischer Sprache vorliegenden doppelseitig beschrifteten Vordruck, der auf der Rückseite verschiedene Straftatbestände enthält, die je nach Einzelfall angekreuzt werden können. Auch sind freie Textfelder vorhanden, in denen weitere Delikte eingetragen werden können. In eines dieser Felder wurden maschinenschriftlich die §§ 243, 244 StGB eingefügt, eine nähere Deliktsbezeichnung erfolgte nicht. Auf der Vorderseite des Formulars hat der Angeklagte O. das Feld „Ich gebe die Tat zu“ angekreuzt, was dazu führte, dass im polizeilichen Ermittlungsbericht vermerkt ist, der Angeklagte habe sich entschieden, „seine Tatbeteiligung zu gestehen“. Dies mag hinsichtlich des Diebstahls zutreffen, dagegen ist nicht ersichtlich, dass der Angeklagte eine Bandenmitgliedschaft eingeräumt hat.

 In der Akte befinden sich keine Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass dem Angeklagten der Vorwurf bandenmäßiger Tatbegehung und dessen Reichweite in einer den Anforderungen der §§ 163a Abs.4, 136Abs.1 S.1 StPO genügenden Weise eröffnet wurde, die bloße Angabe zweier Paragraphen ohne jede Erläuterung genügt insoweit ebenso wenig wie die Mitteilung schlagwortartiger Angaben. Vielmehr ist der belastende Sachverhalt wenigstens in groben Zügen darzustellen, und die Zielrichtung des Vorwurfs ist so zu erläutern, dass sich der Beschuldigte sachgerecht verteidigen kann. Bei der Bekanntgabe der in Betracht kommenden Strafvorschriften können es die Art des Straftatbestandes oder der Bildungsgrad des Beschuldigten gebieten, die Vorschrift näher zu erläutern (KK-Diemer, § 136 StPO, Rn.9). Eine solche Erläuterung wäre vorliegend schon aufgrund der Sprachschwierigkeiten des Angeklagten zwingend geboten gewesen; und auch die bei Bandendelikten im Vergleich zum Grundtatbestand des Diebstahls wesentlich höhere Strafdrohung hätte Anlass geboten, die Vorschriften zu erläutern. Dem wurde jedoch nicht genüge getan. Dem Angeklagten wurde weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht in ausreichender Weise dargelegt, dass er nicht nur eines „einfachen“ Ladendiebstahls beschuldigt wird, sondern mit dem Vorwurf des mit deutlich höherer Straferwartung versehenen Bandendiebstahls.

 Ferner war bei seiner Vernehmung kein Dolmetscher, der eine etwaige Belehrung hätte übersetzen können, zugegen. Stattdessen findet sich lediglich der Vermerk, es habe der Polizeibeamte PK M. zur Verfügung gestanden, der die rumänische Sprache beherrsche. Woher diese Sprachkenntnisse stammen, ist nicht vermerkt. Auch ist in Ermangelung eines Vernehmungsprotokolls nicht niedergelegt, aufgrund welcher Fragen und aufgrund welcher Vorhalte es dazu kam, dass der Angeklagte „die Tatbeteiligung“ gestand. Dies wäre nicht nur schon mit Blick auf Ziff. 45 Nr.2 RiStBV geboten gewesen; vielmehr wäre dies auch erforderlich gewesen, um im gerichtlichen Verfahren prüfen zu können, was genau der Angeklagte durch das Ankreuzen des Textfelds „ich gebe die Tat zu“ gestanden haben soll.

Die Konstellation wird es in der Praxis sicherlich häufiger geben. Und Ähnliches haben wir im BGH, Beschl. v. 06.03.2012 – 1 StR 623/11 gelesen.

Diebstahl/Unterschlagung: Spätere Realisierung der Zueignungsabsicht

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Das Urt. des BGH v. 01.03. 2012 – 3 StR 434/11 wird man sicherlich mal im Examen „besprechen“ können. Nicht wegen der Beweiswürdigungsfragen, sondern der vom BGH angesprochenen Problematik Diebstahl/Unterschlagung.

„Für diese Konstellation musste sich das Landgericht indessen mit der Frage befassen, ob sich nicht jedenfalls mit dem Verlassen des Marktes ein Zueignungswille der Angeklagten realisierte und damit deren Strafbarkeit wegen (versuchten) Diebstahls oder zumindest wegen (versuchter) Unterschlagung (§ 246 Abs. 1 und 3 StGB) begründet wurde. Denn es kam durchaus in Betracht, dass die Angeklagte aufgrund ihrer Erkrankung die Waren zunächst zwar in dem vorrangigen Bestreben an sich genommen haben mochte, sich durch das Entdecktwerden seelische Entspannung zu verschaffen, und damit zu diesem Zeitpunkt ohne die erforderliche Absicht der Zueignung handelte, indessen im Falle der Nichtentdeckung die Waren für sich behalten wollte und auch behielt. Hierfür spricht insbesondere, dass die Angeklagte jedenfalls keine augenfälligen Bemühungen unternahm, ihre Entdeckung durch das Ladenpersonal zu bewirken, und auch keine Umstände festgestellt sind, die darauf hin-deuten, die Angeklagte habe nach Verlassen der Märkte die Waren außerhalb zurücklassen wollen, damit sie wieder zurückgeführt werden konnten.

Die im Ausgangspunkt zutreffende Erwägung des Landgerichts, der Täter, der fremde bewegliche Sachen wegnehme, um sodann gestellt zu werden und sie sogleich wieder an den Eigentümer zurückgelangen zu lassen, handele ohne die für einen vollendeten oder versuchten Diebstahl erforderliche Zueignungsabsicht (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 1968 – 4 StR 398/68, GA 1969, 306, 307; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 242 Rn. 41 a.E.), greift daher zu kurz. Es hätte sich vielmehr auch mit der Möglichkeit einer späteren Realisierung der Zueignungsabsicht der Angeklagten auseinandersetzen müssen. Diese konnte im Falle noch nicht vollendeter Wegnahme der Waren im Zeitpunkt des Verlassens des jeweiligen Marktes (vgl. dazu BGH, Urteil vom 26. Juni 2008 – 3 StR 182/08, BGHR StGB § 242 Abs. 1 Wegnahme 12) zur Strafbarkeit der Angeklagten wegen (versuchten) Diebstahls führen. War die Wegnahme bereits vollendet, so konnte sich durch das Verlassen des Marktes mit den unbezahlten Waren der Zueignungswille der Angeklagten manifestieren, womit eine Strafbarkeit wegen (versuchter) Unterschlagung in Betracht kam.“

(Kostenfreies) Selbstbedienungstanken – Unterschlagung – Betrug – Diebstahl – was ist es?

Das LG hatte den Angeklagten,wegen Unterschlagung beim Selbstbedienungstanken verurteilt. Der Angeklagte hatte „seinen Pkw in allen diesen Fällen mit amtlichen Kennzeichen versehen, die er zuvor entwendet hatte, „damit er unerkannt ohne zu bezahlen tanken konnte“. Entsprechend dieser Absicht hat er anschließend in sechs Fällen getankt, wobei die Strafkammer zum ersten dieser Fälle (Tat 3) ausdrücklich mitteilt, dass nicht festgestellt werden konnte, ob die in der Tankstelle allein anwesende Kassiererin „den Vorgang bemerkt hat“.

Der BGH, Beschl. v. 10.01.2012 – 4 StR 632/11 sagt: Ist das Bestreben des Täters beim sog. Selbstbedienungstanken von Anfang an darauf gerichtet, das Benzin an sich zu bringen, ohne den Kaufpreis zu entrichten, so macht er sich grundsätzlich nicht des Diebstahls oder der Unterschlagung, sondern des (versuchten) Betruges schuldig.

Ich hatte den „richtigen“ Schlüssel – hilft gegen Diebstahl im besonders schweren Fall nicht unbedingt

Mit einem „Nachschlüsseldiebstahl“ befasst sich das KG, Urt. v. 28.11.2011 – (4) 1 Ss 465/11 (271/11). Folgerung aus der Entscheidung: Die Einlassung, „ich hatte den richtigen Schlüssel“ , hilft nicht immer/ganz. Die Leitsätze:, so weit sie dazu von Interesse sind:

  1. „Ein verschlossenes Behältnis ist gegen Wegnahme auch dann besonders gesi-chert, wenn der Täter dieses mit dem zuvor aufgefundenen Schlüssel öffnet, der jedenfalls nicht im Schloss steckte oder als erkennbar zum Behältnis gehörig direkt daneben lag.
  2. Der Täter stiehlt auch dann eine durch ein verschlossenes Behältnis besonders gesicherte Sache, wenn er als Unberechtigter durch Täuschung einen gutgläubigen Dritten dazu bewegt, den zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Zugangscode für den Schließmechanismus zu verwenden.

Das „Schweizer Offiziersmesser“ – ein gefährliches Werkzeug…

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen „Diebstahls geringwertiger Sachen“ schuldig gesprochen, ihn verwarnt und sich die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40,- € vorbehalten. Dagegen die Berufung der StA, zu der das LG folgende Feststellungen trifft:

Der Angeklagte begab sich am 30.01.2010 gegen 14:45 Uhr in die Verkaufsräume der Firma S in K. Dort entnahm er einer Auslage die Verpackung eines Head-Sets und öffnete mit einem mitgeführten Taschenmesser die Verpackung. Sodann entnahm er die Ware und versteckte die leere Verpackung. An der Kasse bezahlte er sodann einen anderen Gegenstand und verließ das Ladenlokal, ohne das entnommene Head-Set, im Wert von 40,95 € zu bezahlen. Nachdem der Angeklagte das Ladenlokal verlassen hatte, wurde er von Detektiven, die den Diebstahl beobachtet hatten, auf den Diebstahl angesprochen. Der Angeklagte räumte die Tat ein und bezahlte nachträglich die Ware. Die Firma S stellte Strafantrag wegen Diebstahls. Bei dem vom Angeklagten mitgeführten Taschenmesser handelt es sich um ein sog. Schweizer Offiziersmesser mit einer heraus klappbaren Klinge von 6 cm Länge und maximal 1,2 cm Breite, wobei eine Seite der Klinge scharf und die andere stumpf ist.“

Die Berufung der StA mit dem Ziel der Verurteilung wegen Diebstahls mit Waffen (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB) wird verworfen. Dagegen dann die Revision, die beim OLG Köln Erfolg hat. Das OLG Köln, Urt. v. 10.01.2012 – III-1 RVs 258/11 sagt: Das verwendete „Schweizer Offiziersmesser“ mit der Klingenlänge von 6 cm ist zwar keine Waffe, aber ein gefährliches Werkzeug i.S. des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB, denn es bleibt bleibt die latente Gefahr des Einsatzes gegenüber Menschen. Auf den Umstand, dass der Einsatz des Messers gegen Menschen konkret nicht gedroht habe, komme es nicht.

Damit Änderung des Schuldspruchs möglich, aber dennoch Zurückverweisung. Denn:

Es fehlt aber bisher an Feststellungen zur subjektiven Tatseite (Vorsatz) des Qualifikationstatbestandes (vgl. insoweit Fischer a.a.O. § 244 Rn. 31). Dass der Angeklagte das Messer zur Wegnahme – zum Öffnen der Verpackung des Head-Sets – eingesetzt hat, erübrigt solche Feststellungen nicht. Der Vorsatz muss sich auch auf die Gefährlichkeit des Werkzeugs erstrecken (vgl. OLG Schleswig NStZ 2004, 212; Fischer a.a.O.).