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Beim Faxen keine Faxen machen, sondern: Sicherheitspolster einkalkulieren

entnommen wikimedia.org  Urheber Ulfbastel

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Der Samstag ist bei mir ja immer so der Tag der etwas abgelegeneren Themen, gelegentlich auch mal Zivilrecht, wenn ich das noch kann 🙂 bzw. verstehe :-). Auch heute dann etwas aus dem Kessel Buntes, und zwar jeweils Wiedereinsetzungsfragen.

Zunächst der Hinweis auf den BVerfG, Beschl. v.15.01.2014 – 1 BvR 1656/09 („–/09“, man sieht, wie eilig beim BVerfG entschieden wird 🙁 ). Zu dem Beschluss ist gestern die PM 10/2014 des BVerfG gelaufen, die mich wegen der in der Entscheidung behandelten Zweitwohnungssteuerproblematik 🙂 interessiert hat. Die Frage war dann aber letztlich doch nicht so interessant.

Interessanter fand ich die Fristenproblematik, die das BVerfG entschieden hat. Der Beschwerdeführer hatte nämlich versucht, seine Verfassungsbeschwerde am Tage des Fristablaufs ab 22.57 Uhr an das BVerfG zu faxen. Das war jedoch wegen Belegung des Faxanschlusses des Bundesverfassungsgerichts zwischen 22:57 Uhr bis Mitternacht nicht möglich, so dass die Verfassungsbeschwerde erst nach Fristablauf eingegangen ist. Dadurch war dann also die Frist versäumt. Das BVerfG sagt aber: An der Fristversäumnis trifft den Beschwerdeführer kein Verschulden.

1. Eine verschuldete Fristversäumnis liegt vor, wenn ein Beschwerdeführer die Frist wegen fahrlässigen oder vorsätzlichen Verhaltens nicht einhalten konnte. Angesichts des Verfassungsbezugs zu Art. 103 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG dürfen allerdings die Anforderungen an die individuellen Sorgfaltspflichten nicht überspannt werden (vgl. BVerfGE 25, 158 <166>). Fahrlässig handelt, wer mit der Übermittlung eines Beschwerdeschriftsatzes nebst erforderlicher Anlagen nicht so rechtzeitig beginnt, dass unter gewöhnlichen Umständen mit dem Abschluss der Übermittlung noch am Tag des Fristablaufs zu rechnen ist.

Dabei müssen Rechtsschutzsuchende einen über die voraussichtliche Dauer des eigentlichen Faxvorgangs hinausgehenden Sicherheitszuschlag einkalkulieren (siehe auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. November 1999 – 2 BvR 565/98 -, NJW 2000, S. 574; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2010 – 1 BvR 1070/10 -, juris Rn. 3; BVerfGK 7, 215 <216>). Denn sie beachten nur dann die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, wenn sie der Möglichkeit Rechnung tragen, dass das Empfangsgerät belegt ist. Gerade in den Abend- und Nachtstunden muss damit gerechnet werden, dass wegen drohenden Fristablaufs weitere Beschwerdeführer versuchen, Schriftstücke fristwahrend per Telefax zu übermitteln (siehe auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. November 1999 – 2 BvR 565/98 -, NJW 2000, S. 574).

Das Erfordernis eines Sicherheitszuschlags kollidiert nicht mit dem Grundsatz, dass eine Frist voll ausgeschöpft werden darf. Ebenso wie übliche Postlaufzeiten oder die Verkehrsverhältnisse auf dem Weg zum Gericht zu berücksichtigen sind, muss ein Beschwerdeführer übliche Telefaxversendungszeiten einkalkulieren. Der Zuschlag verkürzt die Frist nicht, sondern konkretisiert lediglich die individuelle Sorgfaltspflicht des Beschwerdeführers. Aus der Eröffnung des Übermittlungswegs per Telefax erwächst dabei dem Gericht die Verantwortung, für ausreichende Empfangskapazitäten zu sorgen. Dem wird durch eine kurze Bemessung der Sicherheitsreserve Rechnung getragen.

2. In Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht hat regelmäßig die im Verkehr erforderliche Sorgfalt erfüllt, wer einen über die zu erwartende Übermittlungsdauer der zu faxenden Schriftsätze samt Anlagen hinausgehenden Sicherheitszuschlag in der Größenordnung von 20 Minuten einkalkuliert. Damit sind die gegenwärtigen technischen Gegebenheiten auch nach der Rechtsprechung der Fachgerichte (vgl. BFH, Beschluss vom 25. November 2003 – VII R 9/03 -, BFH/NV 2004, S. 519 <520>; Beschluss vom 28. Januar 2010 – VIII B 88/09 -, BFH/NV 2010, S. 919; BGH, Beschluss vom 3. Mai 2011 – XI ZB 24/10 -, juris Rn. 10; BVerwG, Beschluss vom 25. Mai 2010 – BVerwG 7 B 18/10 -, juris) hinreichend beachtet. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gilt dieser Sicherheitszuschlag einheitlich auch für die Faxübersendung nach Wochenenden oder gesetzlichen Feiertagen (anders noch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2010 – 1 BvR 1070/10 -, juris Rn. 3).

Für die Fristberechnung und damit auch die Einhaltung des Sicherheitszuschlags ist der Zeitpunkt des vollständigen Empfangs und damit der Speicherung der gesendeten Signale im Empfangsgerät des Gerichts maßgeblich, nicht aber die Vollständigkeit des Ausdrucks (vgl. BGHZ 167, 214 <220>).40

3. Den Sorgfaltsanforderungen genügt schließlich nur, wer innerhalb der einzukalkulierenden Zeitspanne wiederholt die Übermittlung versucht.“

Die Ausführungen haben über den Fall der Verfassungsbeschwerde hinaus Bedeutung. Denn was für die Verfassungsbeschwerde gilt, das muss auch für Revision, Beschwerde, Rechtsbeschwerde und Berufung gelten. Also: Beim Faxen keine Faxen machen, auf keinen Fall auf die letzte Minute faxen, sondern Sicherheitspolster einkalkulieren. Wer ohne das zu spät kommt, den bestraft das Leben. 🙂

Gabriele Pauli – „die duchgeknallte Frau“?

© Klaus Eppele - Fotolia.com

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Wir erinnern uns sicher alle noch an Gabriele Pauli. Ja, das war die, die den Rücktritt von Edmund Stoiber gefordert und damit viel Staub aufgewirbelt hat. Ende 2006 hatte sie dann für ein Gesellschaftsmagazin posiert, und zwar in Latex, wenn ich mich Recht erinnere Die Fotostrecke ist dann in einer der Ausgaben des Magazins veröffentlicht worden. Dazu wurde dann auf einer Internetseite ein Text veröffentlicht , der u. a. die folgende Passage enthielt: „Ich sage es Ihnen: Sie sind die frustrierteste Frau, die ich kenne. Ihre Hormone sind dermaßen durcheinander, dass Sie nicht mehr wissen, was wer was ist. Liebe, Sehnsucht, Orgasmus, Feminismus, Vernunft. Sie sind eine durchgeknallte Frau, aber schieben Sie Ihren Zustand nicht auf uns Männer.“  Frau Pauli hatte das als Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts gesehen und von dem Verfasser die Unterlassung verschiedener Einzeläußerungen, u. a. der Bezeichnung als „durchgeknallte Frau“, sowie eine angemessene Geldentschädigung verlangt. Damit war sie in den Zivilverfahren, zuletzt beim OLG München, gescheitert.

Beim BVerfG hatte sie jetzt aber Erfolg, wie von dort gerade gemeldet wird. (hier die PM und hier das BVerfG, Urt. v. 11.12.2013 – 1 BvR 194/13). Nach Auffassung des BVerfG kann die Bezeichnung als „durchgeknallte Frau“ , abhängig vom Kontext, eine ehrverletzende Äußerung sein, die nicht mehr vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt ist. Also Vorsicht mit solchen Äußerungen, egal zu welcher Frau :-).

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2014 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…

Nun aber mal ein bisschen zügig mit der Neubescheidung

© chris52 - Fotolia.com

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Bei HRR-Strafrecht habe ich den BVerfG, Beschl. v. 25.09.2013 – 2 BvR 1582/13 – gefunden, der sich zum Beschleunigungsgrundsatz im Strafvollzug äußert, wenn es um Lockerungen im Hinblick auf die Resozialisierung geht und der JVA von der StVK eine Neubescheidung aufgegeben worden ist. Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde zwar nicht zur Entscheidung angenommen, äußert sich aber zur Frage der Rechtzeitigkeit und Eilbedürftigkeit einer erforderlichen Neubescheidung:

„1. Die Vollzugsbehörden sind allerdings verpflichtet, Anträge von Strafgefangenen rechtzeitig zu bescheiden (vgl. BVerfGE 69, 161 <170>). Geht es um Entscheidungen, die unmittelbar oder mittelbar die Gewährung von Lockerungen betreffen, besteht mit Rücksicht auf die Bedeutung solcher Entscheidungen für die Resozialisierung oder Erhaltung der Lebenstüchtigkeit des Gefangenen besonderer Anlass zu zügiger Bearbeitung (vgl. BVerfG, a.a.O.; LG Hildesheim, Beschluss vom 25. Juni 2007 – 23 StVK 302/07 -, juris). Ist gerichtlich beanstandet worden, dass mehrere aufeinanderfolgende Vollzugsplanfortschreibungen sich in ihrem lockerungsbezogenen Teil zur Frage der Flucht- oder Missbrauchsgefahr nicht oder nicht ausreichend verhalten haben, und wurde die Justizvollzugsanstalt insoweit zur Neubescheidung verpflichtet, so ist die Justizvollzugsanstalt in erhöhtem Maß zur Beschleunigung verpflichtet (vgl. allgemein zu den die Umsetzung gerichtlicher Entscheidungen betreffenden Anforderungen in zeitlicher Hinsicht BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. November 2010 – 2 BvR 1377/07 -, juris; s. außerdem für den Grundsatz, dass der Staat sich auf verzögernde Umstände, die in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegen, nicht zulasten des Rechtsschutzsuchenden mit rechtfertigender Wirkung berufen kann, BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Oktober 2003 – 1 BvR 901/03 -, NVwZ 2004, S. 334 <335>, und vom 27. September 2011 – 1 BvR 232/11 -, juris; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. September 2009 – 1 BvR 1304/09 -, juris).“

Außerdem gibt es noch Hinweise zum richtigen Vorgehen: Das ist nicht der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung dahin, dass der Vollzugsplan in einem vom Antragsteller gewünschten Sinne fortgeschrieben wird. Sondern:

Gegen eine etwaige zögerliche Umsetzung der Gerichtsbeschlüsse, die die Justizvollzugsanstalt zur Neubescheidung verpflichten, stünde dem Beschwerdeführer der Weg des Antrags auf Vollstreckungsmaßnahmen zur Durchsetzung der bereits gerichtlich ausgesprochenen Verpflichtung zur Neubescheidung (§ 120 Abs. 1 StVollzG i.V.m. § 172 VwGO; vgl. zum Antrag nach § 172 VwGO (vgl. OVG Saarl., Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 2 E 291/10 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 26. Februar 2013 – 11 C 13.32 -, juris) offen.

Bewährung – aber dennoch DNA-Identitätsfeststellung?

Das LG Hamburg verurteilt den Angeklagten wegen Hehlerei gemäß § 259 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten, deren Vollstreckung gemäß § 56 Abs. 1 und 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach den landgerichtlichen Feststellungen hatten sich die neben dem Angeklagten im Strafverfahren Mitangeklagten, zu denen der Angeklagte abgesehen von der abgeurteilten Tat in keiner Verbindung stand oder steht, als Bande zur fortgesetzten Begehung von Einbruchsdiebstählen zusammengeschlossen. Bei einem Einbruchdiebstahl entwendeten die Mitangeklagten Sonnenkollektoren im Wert von rund 250.000 €. Diese lagerten sie in einer beim Angeklagten in dessen Gewerbepark angemieteten Lagerhalle ein, um sie von dort aus zu veräußern. Als sich in der Folgezeit der Absatz der Sonnenkollektoren als schwierig erwies, wurden die Kollektoren dem Angeklagten, der erstmals zu diesem Zeitpunkt von der deliktischen Herkunft Kenntnis erlangte, zum Kauf angeboten. Der Angeklagte erwarb die Sonnenkollektoren für 30.000 €.

Es kommt, was zu erwarten war: Aufgrund der Verurteilung ordnete das AG auf Grundlage des § 81g StPO die Entnahme von Körperzellen und die Durchführung einer molekulargenetischen Untersuchung an. Zur Begründung führte es aus, dass Menge und Wert des erlangten Stehlgutes auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Betroffene anderweitig nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, erhebliche Persönlichkeitsmängel belegten, die Grund zu der Annahme gäben, gegen ihn werde erneut wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung ermittelt werden, bei der mit der Verursachung von mit Körperzellen behafteten Spuren zu rechnen sei.

Und das hat dann beim BVerfG „nicht gehalten“. Das BVerfG hat im BVerfG, v. ?29?.?09?.?2013?, 2 BvR ?939?/?13? – der – in meinen Augen – manchmal ausufernden Praxis in der Anwendung des § 81g StPO Grenzen gesetzt. Denn: Nach Auffassung des BVerfG galt:

„…Diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht. Insbesondere haben die Gerichte nicht sämtliche für den notwendigen Abwägungsvorgang bedeutsamen Umstände in ihre Überlegungen einbezogen oder solche in ausreichendem Maß dargelegt.

Das Amtsgericht schließt allein aus „Menge und Wert des erlangten Stehlgutes“ auf Persönlichkeitsmängel des Beschwerdeführers, die Grund zu der Annahme böten, gegen den Betroffenen werde erneut wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung ermittelt werden. Hier erfolgt keine Auseinandersetzung mit den Gründen der positiven Sozialprognose im Rahmen der Bewährungsentscheidung. Ebenso bleibt das situative Zusammenwirken einzelner Faktoren für das Zustandekommen des hehlerischen Ankaufs durch den Beschwerdeführer bei der Prognose außer Betracht. Letztlich schließt das Amtsgericht allein aus einer einmaligen Begehung auf zukünftige Straftaten erheblicher Bedeutung. Tatsachen, die diese Negativprognose positiv stützen würden, werden nicht dargelegt.

Das Landgericht begründet zwar zutreffend den maßstäblichen Unterschied zwischen der Bewährungsentscheidung und der Entscheidung nach § 81g StPO, setzt sich jedoch ebenfalls nicht mit den inhaltlichen Gründen der positiven Sozialprognose auseinander. So geht es nicht auf die Gründe ein, derentwegen das Strafurteil aus den hohen Schulden des Beschwerdeführers – denen Immobilieneigentum gegenübersteht, aus dessen Vermietung er jährlich 35.000 bis 40.000 Euro Gewinn erzielt – keine Negativprognose abgeleitet hatte. Ebenso fehlt es an einer argumentativen Auseinandersetzung mit der besonderen Verlockungssituation, in der sich der Beschwerdeführer zum Ankauf der Hehlware entschied. Weshalb vor diesem Hintergrund nach „Art und Ausführung“ der vorangegangenen Tat die begründete Annahme besteht, dass gegen den Beschwerdeführer künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind, legt das Landgericht nicht dar.“

Der Knutschfleck und das BVerfG

© Klaus Eppele - Fotolia.com

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Zweimal hat ein Verfahren, das seinen Ausgang beim AG Arnstadt genommen hat, inzwischen das BVerfG beschäftigt, und zwar einmal wegen der Eilentscheidung im BVerfG, Beschl. v. 23.01.2013 2 BvR 2392/12 und dann wegen der Hauptsacheentscheidung im BVerfG, Beschl. v. 02.07.2013 – 2 BvR 2392/12. Ausgangspunkt für die verfassungsgerichtlichen Entscheidungen ist eine Verurteilung eines „Jugendlichen“. Das AG Arnstadt hatte den zur Tatzeit 14-Järhingen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verwarnt und ihm 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit auferlegt. Nach den Feststellungen des AG hatte der Jugendliche eine – wie er wusste – zum Tatzeitpunkt 13-jährige Klassenkameradin am Hals geküsst, so dass ein sogenannter „Knutschfleck“ deutlich sichtbaren Ausmaßes entstand, und ihr darüber hinaus mehrfach mit seinen Händen an das bedeckte Geschlechtsteil gegriffen. Mit Beschluss vom 09.03.2012 ordnete das AG Erfurt aufgrund dieser Verurteilung gemäß § 81g StPO die Entnahme und molekulargenetische Untersuchung von Körperzellen des Jugendlichen zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters mit dem Ziel an, die Eigenschaften in die DNA-Analysedatei einzustellen. Die dagegen gerichteten Rechtsmittel blieben beim AG und LG Erfurt ohne Erfolg. Erfolg hatte der Jugendliche erst mit seiner Verfassungebeschwerde:

„2. Diesen Anforderungen genügen die angefochtenen Entscheidungen nicht. Auch unabhängig davon, dass das Amtsgericht Erfurt als Rechtsgrundlage unter anderem § 2 DNA-Identitätsfeststellungsgesetz heranzieht, der bereits mit Ablauf des 31. Oktober 2005 außer Kraft getreten ist, weisen die Beschlüsse gravierende inhaltliche Mängel auf. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Erwägungen des Amtsgerichts, auf die das Landgericht ohne eigene Begründung Bezug nimmt, für sich genommen überhaupt geeignet wären, die Annahme zu rechtfertigen, dass gegen den Beschwerdeführer künftig Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen sein werden. Jedenfalls hat das Gericht sowohl bei der Prognoseentscheidung als auch bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung wesentliche Umstände des Einzelfalles nicht berücksichtigt.

Zwar handelt es sich bei der Straftat, die den Anlass für die gegen den Beschwerdeführer ergangene Anordnung nach § 81g Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 StPO bildet, um eine solche gegen die sexuelle Selbstbestimmung und damit um eine die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllende Anlasstat. Dies entbindet das Gericht jedoch nicht von einer einzelfallbezogenen Prognoseentscheidung in Bezug auf künftige Straftaten von erheblicher Bedeutung. Der ausweislich der Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts Arnstadt strafrechtlich zuvor noch nicht in Erscheinung getretene Beschwerdeführer war zum Tatzeitpunkt erst 14 Jahre alt, die Geschädigte eine 13-jährige Klassenkameradin. Die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen sexuellen Handlungen hatten kein erhebliches Ausmaß. Nach dem Vortrag des Beschwerdeführers beruhten sie aus seiner Sicht auf gegenseitiger Zuneigung. Weder den angegriffenen Entscheidungen noch dem Urteil des Amtsgerichts Arnstadt kann Abweichendes entnommen werden. Das Verhalten des Beschwerdeführers stellt sich somit insgesamt als jugendtypische Verfehlung dar, was auch durch die im untersten Bereich des jugendstrafrechtlichen Sanktionenspektrums liegende Rechtsfolge im Urteil des Amtsgerichts Arnstadt zum Ausdruck kommt. Dieser Umstand bleibt in den angefochtenen Entscheidungen ohne jede Berücksichtigung. Eine erkennbare Beachtung dieses Faktors wäre aber erforderlich gewesen, da er geeignet ist, die Prognoseentscheidung in Bezug auf künftige Straftaten von erheblicher Bedeutung maßgeblich zu beeinflussen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 18. September 2007 – 2 BvR 2577/06 -, juris, Rn. 24).

Auch lassen die angefochtenen Entscheidungen nicht erkennen, ob die möglichen Auswirkungen der Anordnung einer Erfassung und Speicherung von Genmerkmalen auf die weitere Entwicklung des jugendlichen Beschwerdeführers Gegenstand der den Gerichten auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit obliegenden Abwägung war. Dem Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts wohnt das Verfassungsrang beanspruchende Ziel möglichst weitgehender sozialer Integration inne (vgl. BVerfGE 116, 69 <85>). Die Einwirkung exekutiver Maßnahmen auf Jugendliche ist aufgrund deren noch andauernder Labilität sowie ihrer erhöhten subjektiven „Eindrucksfähigkeit“ gravierender als auf Erwachsene. Abhängig von den konkreten Umständen kann durch die dauerhafte Speicherung eines unverwechselbaren Erkennungsmerkmals eines Jugendlichen eine „Brandmarkung“ drohen, welche als determinierendes Element die Möglichkeit andauernder Straffreiheit als Grundvoraussetzung sozialer Integration einschränken kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 18. September 2007 – 2 BvR 2577/06 -, juris, Rn. 28).“

Also mal wieder: Gewogen und zu leicht befunden. Mich „erstaunt“ dann auch der Hinweis des BVerfG auf die vom AG herangezogene: „§ 2 DNA-Identitätsfeststellungsgesetz“. Das war zum Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Entscheidung gut sechs einhalb Jahre außer Kraft. Vielleicht würde sich dann doch mal die Anschaffung eines aktuellen Gesetzestextes empfehlen.