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„Du hast vorsätzlich gehandelt“, oder: Das Doppelverwertungsverbot bei der Geldbuße

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Es stellt einen Verstoß gegen den auch im Bußgeldverfahren geltenden Rechtsgedanken des § 46 Abs. 3 StGB dar, wenn einem Betroffenen bei der Bemessung der Geldbuße vorsätzliches Verhalten angelastet wird. So lautet der amtliche Leitsatz zum OLG Bamberg, Beschl. v. 01.02.2017 – 3 Ss OWi 80/17. Der Satz kann – so, wie er da steht – m.E. zu Verwirrung zumindest aber zu Nachfragen führen.

Worum geht es? Das AG hatte bei der Bemessung der Rechtsfolge für eine baurechtliche Ordnungswidrigkeit berücksichtigt, dass der Betroffene vorsätzlich gehandelt hat. Dazu das OLG:

„Das AG hat bei der Bemessung der Rechtsfolge explizit berücksichtigt, dass der Betr. vorsätzlich gehandelt hat. Dies stellt einen Verstoß gegen den Rechtsgedanken des § 46 III StGB dar, der auch im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts zu berücksichtigen ist (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 05.12.2013 – 3 Ss OWi 1470/13 = BeckRS 2014, 4739 = NJOZ 2014, 858; BayObLGSt 1994, 237; OLG Düsseldorf VRS 84, 340; KK-OWiG/Mitsch 4. Aufl. § 17 Rn. 32, jeweils m.w.N.). Demnach besteht ein Doppelverwertungsverbot, welches verhindern soll, dass Umstände, die zum Tatbestand der Bußgeldnorm gehören oder die das generelle gesetzgeberische Motiv für die Bußgelddrohung darstellen, bei der Bemessung der Geldbuße noch einmal herangezogen werden. Das vorsätzliche Verhalten ist aber gerade Tatbestandsmerkmal und begründet den hohen Bußgeldrahmen des Art. 79 I BayBO, während bei Fahrlässigkeit § 17 II OWiG Anwendung findet, so dass das Vorliegen von Vorsatz bei der Bemessung der konkreten Rechtsfolge dem Betr. nicht angelastet werden darf.“

Diese Frage kann auch in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren von Bedeutung sein, wenn es nämlich um die Bemessung von Geldbußen geht, die in Abschnitt II des BKat enthalten sind, wie z.B. der Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO. Dies dürfen also nicht mit dem Hinweis, der Betroffene habe vorsätzlich gehandelt, erhöht werden.

Von dieser Problematik zu unterscheiden ist natürlich die Frage, ob eine auch fahrlässig begehbare Ordnungswidrigkeit deshalb zu einer höheren Geldbuße führen kann, weil der Betroffene vorsätzlich gehandelt hat. Das ist zulässig, wie sich aus § 4 Abs. 4a BKatVO ergibt. Allerdings darf nach Erhöhung des Bußgeldrahmens über § 4 Abs. 4 BKatVO bei der Bemessung der konkreten Geldbuße dann nicht noch einmal berücksichtigt werden, dass der Betroffene vorsätzlich gehandelt hat. Das wäre dann wiederum ein Verstoß gegen den Rechtsgedanken § 46 Abs. 3 StGB.

Verfahrenserledigung der besonderen Art II: Rechtsschutzversicherung zahlt Bußgeld

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Und hier dann der zweite Versuch der Verfahrenserledigung der besonderen Art (zum ersten hier: Verfahrenserledigung der besonderen Art I, oder: Rührende Fürsorge). Dieser zweite Versuch stammt von einem Kollegen, der ungenannt bleiben möchte. Übersandt hat er mir das anonymisierte Schreiben einer Rechtsschutzversicherung, das ihn bzw. den Mandanten in einer Bußgeldsache erreicht hat. Da heißt es:

Sehr geehrter Herr ppp.
in dieser Bußgeldsache besteht grundsätzlich Versicherungsschuiz im Rahmen des abgeschlossenen Versicherungsvertrages und der ihm zu Grunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen.

Zur allseitig schnellen und wirtschaftlichen Erledigung bieten wir deshalb an, das Bußgeld und die Verfahrenskosten zu übernehmen, wenn dieser Rechtsschutzfall damit für uns kostenmäßig erledigt ist.

Eine vereinbarte Selbstbeteiligung werden wir für den Fall der Annahme dieses Angebotes nicht in Abzug bringen_

Sofern bereits eine anwaltliche Vertretung vorliegt, sind wir zusätzlich bereit, die Grundgebühr und eine Verfahrensgebühr (jeweils Mittelgebühren) sowie die Auslagen zu übernehmen.

Mit Zahlung dieser Beträge sind sämtliche Ansprüche in dieser Angelegenheit uns gegenüber abgegolten.

Sofern noch nicht geschehen, übersenden Sie uns bitte eine Kopie des Anhörungsbogens bzw. des Bußgeldbescheids,
Zum Zeichen ihres Einverständnisses bitten wir Sie, uns dieses Schreiben unterzeichnet zurückzusenden. Bitte teilen Sie uns vorsorglich die vollständigen Bankdaten mit. Nach Erhalt werden wir den Betrag unverzüglich auszahlen.
 
Bitte beachten Sie, dass wir zwar die angedrohte bzw. verhängte Geldbuße begleichen können,
eine mögliche Androhung bzw. Verhängung von Punkten oder eines Fahrverbots bleibt davon unberührt.“

Auch irgendwie rührend, nicht wahr? Lassen wir mal die rechtliche Zulässigkeit außen vor, die habe ich jetzt nicht geprüft – zu § 153a StPO gab/gibt es eine Diskussion, wenn der Arbeitgeber die vereinbarte Geldbuße erstattet. Aber: Ist es Aufgabe einer RSV so zur Verfahrenserledigung beitragen zu wollen? Auch hier: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Immerhin hat man aber erkannt, dass Punkte und ggf. ein Fahrverbot beim Betroffenen bleiben, wenn er sich das Verfahren abkaufen lässt. Wäre ja sonst auch schlecht für den Sachbearbeiter.

Auch das kommt in „Amüsantes“.

Zweimal Glück gehabt – Kein Fahrverbot bei einem Arbeitslosen

Na, da hat der Betroffene aber zweimal Glück gehabt, habe ich nach der Lektüre des AG Wuppertal, Urt. v.08.04.2011 – 6 OWi 623 Js 1901/10-267/10 gedacht. Das AG hat in diesem Urteil  von der Anordnung eines Regelfahrverbots beim arbeitslosen Betroffenen abgesehen werden, weil sich in der Phase der unmittelbar bevorstehenden Existenzgründung befand und für diese Tätigkeit etwa zur Kundenakquise auf die Nutzung des Fahrzeugs angewiesen war.

  1. Großzügig, zumindest nach den getroffenen Feststellungen. Denn das Urteil verhält sich nicht dazu, in welchem konkreten Umfang eigentlich erforderliche Fahrtätigkeit zu erwarten war, zumal die Aufnahme der Tätigkeit ohnehin erst im Monat nach dem Urteil „geplant“ war.
  2. Noch großzügiger ist/war das AG m.E. insoweit, als es trotz Absehen vom Fahrverbot die Regelgeldbuße nicht erhöht.

Geldbuße – massive Erhöhung bei Voreintragungen

Ich komme noch einmal auf OLG Bamberg, Beschl. v. 29.11.2010 – 3 Ss OWi 1660/10 zurück, über den ich schon in anderem Zusammenhang berichtet hatte. Das ist der Beschluss, in dem das AG u.a. auf die Tätigkeit des Betroffenen als Landtagsabgeordneter abgestellt hatte.

Das OLG hat, was zu beachten ist, in dem Beschluss auch zur Erhöhung der Geldbuße Stellung genommen und führt aus, dass eine Geldbuße von 500 € wegen Nichteinhaltung des erforderlichen Abstandes zu einem vorausfahrenden Fahrzeug und damit eine massive Erhöhung des vorgesehenen Regelsatzes von 100 € verhältnismäßig ist, wenn der Betroffene zuvor in kurzer zeitlicher Abfolge mehrere gravierende Verkehrsverstöße begangen hat. Die beharrliche Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers liege dann nahe. Unerheblich sei dabei, ob der Betroffene ein sogenannter Vielfahrer sei.

FairPlay bei der Geldbuße?

In der Diskussion ist derzeit die Frage, ob bei einer vom Amtsrichter vorgesehenen Erhöhung der Geldbuße in der Hauptverhandlung ein rechtlicher Hinweis erfolgen muss. Die Diskussion geht zurück auf eine Entscheidung des OLG Hamm v. 13.11.2009 – 3 Ss 622/09.

Zu der Frage hat dann jetzt das OLG Bamberg, Beschl. v. 11. 10. 2010 – 3 Ss OWi 1380/10 Stellung genommen und die Hinweispflicht in Fortführung der Rechtsprechung des BayObLG verneint. Der Betroffene müsse mit Änderungen/Erhöhungen rechnen.

So weit, so gut. Aber: Fairplay wäre sicherlich angebracht und ein Hinweis auf eine vorgesehene Erhöhung, wenn nicht erforderlich, dann aber doch zumindest „nett“, um die Entscheidung treffen zu können, ob das Verfahren durchgeführt werden soll.