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Wenn der Richtervorbehalt nicht beachtet wird, oder: Beweisverwertungsverbot

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Die 4. KW. eröffne ich heute mit einem „schönen“ Beschluss des LG Köln. Dem Angeklagaten wird bewaffneter unerlaubter Anbau von und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorgrworfen. Insoweit ist Anklage gegen ihn erhoben worden. Das LG Köln hat im LG Köln, Beschl. v. 09.05.2019 – 108 KLs 42/18 – die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Begründung: Die bei einer Durchsuchung gewonnenen Beweismittel sind aufgrund eines Verstoßes gegen den Richtervorbehalt unverwertbar:

„1. Vorliegend wurde die Durchsuchung durch die Bereitschaftsstaatsanwältin ohne richterliche Durchsuchungsanordnung angeordnet.

Gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 StPO dürfen Durchsuchungen nur durch den Richter angeordnet werden; bei Gefahr im Verzug steht diese Kompetenz auch der Staatsanwaltschaft bzw. ihren Ermittlungspersonen zu. Gefahr im Verzug ist dabei nur anzunehmen, wenn die richterliche Anordnung nicht mehr eingeholt werden kann, ohne dass der Zweck der Maßnahme gefährdet wird. Kann hingegen der Richter mit dem Durchsuchungsbegehren befasst werden und über dieses entscheiden, ohne dass damit ein Risiko des Verlusts von Beweismitteln verbunden ist, ist für einen Rückgriff auf die Eilkompetenz der Strafverfolgungsbehörden kein Raum (OLG Köln, Beschluss vom 25. Oktober 2016 – III-1 RVs 227/16 –, Rn. 13, juris). Da die Regelzuständigkeit des Richters in der Praxis effektiv bleiben muss und auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme durch eine unabhängige und neutrale Instanz abzielt, haben die Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich den Versuch zu unternehmen, zuvor eine richterliche Anordnung zu erwirken (BVerfG 12.2.2007 – 2 BvR 273/06, BGH 11.8.2005 – 5 StR 200/05; BGH, Urteil vom 06. Oktober 2016 – 2 StR 46/15 – jeweils m.w.N). Der Versuch einer telefonischen Kontaktaufnahme genügt (MüKoStPO/Hauschild, 1. Aufl. 2014, StPO § 105 Rn. Randnummer 9 m.w.N). Lediglich in Ausnahmesituationen, wenn die zeitliche Verzögerung zu einem Verlust des Beweismittels führt, dürfen die Strafverfolgungsbehörden die Anordnung wegen Gefahr im Verzug selbst treffen, ohne sich zuvor um eine richterliche Entscheidung bemüht zu haben (BVerfG, Beschluss vom 4.2.2005 – 2 BvR 308/04)

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Nach dem Bericht der POK’in K (Bl. 3 – 3. Abs. – HA) wurde „die diensthabende Richterin“ mit der Sache nicht befasst. Die anordnende Staatsanwältin selbst hat keine Erinnerung mehr an den Vorgang. Somit ist angesichts des Akteninhalts davon auszugehen, dass überhaupt nicht versucht worden ist, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Weitere Ermittlungsansätze zu der Frage, ob der Versuch unternommen wurde, einen Ermittlungsrichter zu erreichen, sind nicht ersichtlich.

Zudem sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, die den Schluss zulassen, dass eine richterliche Anordnung im vorliegenden Fall nicht hätte eingeholt werden können. So besteht ausweislich der Auskunft der Ermittlungsrichterin Dr. D grundsätzlich die Möglichkeit, bis 21:00 Uhr einen Ermittlungsrichter zu erreichen. Angesichts des Umstands, dass die polizeiliche Strafanzeige um 19:49 Uhr (HA: Bl. 1 – oben)  gefertigt wurde, ergibt sich, dass die gesamte Durchsuchungsmaßnahme in einem Zeitraum durchgeführt wurde, zu welchem durchgehend die Erreichbarkeit jedenfalls des Eildienstrichters gegeben war.

Auch sonstige Umstände, die eine derartige Eilbedürftigkeit begründen, dass der Zweck der Maßnahme durch vorherige Einschaltung des Ermittlungsrichters gefährdet wäre, sind nicht ersichtlich. Der Zeuge Q hatte Angaben gemacht, die den Betrieb einer Cannabisplantage in den Räumlichkeiten seines Mieters nahelegen. Dies begründete den Anfangsverdacht in Verbindung mit den vor Ort getroffenen Feststellungen der Polizeibeamten dahingehend, dass sich der Beschuldigte wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz strafbar gemacht haben könnte. Danach bestanden konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine Durchsuchung bei dem Beschuldigten zum Auffinden von Beweismitteln würde führen könnte. Angesichts des Einsatzes der Polizeibeamten in einem Mehrfamilienhaus unter Berücksichtigung der mit dem Einsatz der Beamten verbunden Außenwirkung bestand auch die naheliegende Gefahr, dass der Beschuldigte von Dritten darüber informiert werden würde, dass die Polizei einen Einsatz in seiner Wohnung vorgenommen hatte. Naheliegende Reaktion des Beschuldigten wäre es dann gewesen, die von ihm betriebene Plantage zu beseitigen. Allerdings befand sich der Beschuldigte nach der polizeilichen Strafanzeige nicht in seiner Wohnung. Somit konnte der mit der Einschaltung des Ermittlungsrichters einhergehenden Verzögerung  der Durchsuchung durch polizeiliche Maßnahmen, etwa durch ein weiteres Zuwarten der Beamten vor dem vom Beschuldigten genutzten Zimmer, bis zu einer Entscheidung des Ermittlungsrichters begegnet werden. Auf jeden Fall bestand vor einem etwaigen Beweismittelverlust die Möglichkeit, Kontakt zu dem zuständigen Richter aufzunehmen.

2. Dies hat zur Folge, dass sämtliche in der Wohnung vorgefundenen Beweismittel einem Beweisverwertungsverbot unterliegen.

Nicht jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften zieht ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich. Die Frage des Beweisverwertungsverbots ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden.

Bei der Annahme von Gefahr im Verzug führen nur geringfügige Versäumnisse oder Ungeschicklichkeiten von Ermittlungsbeamten nicht ohne Weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot. Anders liegt der Fall bei einem schwerwiegenden Verstoß gegen den Richtervorbehalt, in denen der Richtervorbehalt gezielt oder leichtfertig umgangen wird (BGH, Beschluss vom 30. 8. 2011 – 3 StR 210/11).

Ein solcher schwerwiegender Verstoß liegt aufgrund der oben geschilderten Umstände vor. Die zuständige Staatsanwältin hat die Bedeutung des Richtervorbehalts grundlegend verkannt, als sie keine Anstrengungen unternommen hat, einen Ermittlungsrichter zu erreichen, obwohl eine Erreichbarkeit grundsätzlich für den Zeitraum der Durchsuchung bestand, ohne dass Gründe hierfür ersichtlich sind. Der Richtervorbehalt wurde damit leichtfertig umgangen.

Dem – für andere Fallgestaltungen zur Einschränkung der Annahme von Beweisverwertungsverboten entwickelten – Aspekt eines möglichen hypothetisch rechtmäßigen Ermittlungsverlaufs kommt hierbei keine Bedeutung zu (vgl. BGH, Beschluss vom 30. 8. 2011 – 3 StR 210/11; BGH, Urteil vom 06. Oktober 2016 – 2 StR 46/15 – jeweils m.w.N).

3. Vor diesem Hintergrund besteht ein hinreichender Tatverdacht hinsichtlich des Vorwurfs des bewaffneten unerlaubten Anbaus von und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht. Der Umstand, dass der Angeschuldigte bislang der Verwertung der Durchsuchungsergebnisse nicht widersprochen hat, steht dem nicht entgegen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 06. Oktober 2016 – 2 StR 46/15 –, BGHSt 61, 266-277) ist die Art und Weise der Erlangung jener Sachbeweise durch die Ermittlungsbehörden, auf die der Beschuldigte keinen Einfluss hat – wie etwa auf Grundlage einer Durchsuchung -, von dem Gericht von Amts wegen aufzuklären und zu berücksichtigen, soweit Verfahrensfehler bei diesem Vorgang in Betracht kommen. Auf einen Widerspruch gegen die Beweisverwertung kommt es dafür nach der zitierten Rechtsprechung (BGH aaO) nicht an. Dies gilt insbesondere für den hiesigen Fall, da sich vorliegend auch ohne besonderen Hinweis der Verteidigung konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Ermittlungsmaßnahme nicht den gesetzlichen Eingriffsvoraussetzungen entspricht.

Zudem ist das Gericht nicht gehalten, von ihm als in rechtstaatswidriger, ein Verwertungsverbot begründender Weise erhoben erkannte Beweismittel zu verwerten. Vielmehr entbindet auch der Nichtgebrauch des Rechtsbehelfs des § 98 II S. 2 StPO das Gericht nicht von der Pflicht, die Verwertbarkeit von im Rahmen einer Durchsuchung gewonnenen Beweismitteln zu prüfen (vergl. BGH, Beschluss vom 16. 6. 2009 – 3 StR 6/09).“

OWi II: Keine Belehrung vor Atemalkoholkontrolle, oder: Beweisverwertungsverbot?

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Auch die zweite Entscheidung kommt vom OLG Brandenburg. Das hat im schon etwas älteren OLG Brandenburg, Beschl. v. 08.07.2019 – (1 B) 53 Ss-OWi 285/19 (169/19) – auch noch einmal – zur Frage der Erforderlichkeit einer Belehrung über die Freiwilligkeit der Maßnahme vor eine Atemalkoholkontrolle und zu einem Beweisverwertungsverbot bei fehlender Belehrung Stellung genommen.

Das OLG hat die/seine Rechtsprechung bestätigt, wonach eine solche Belehrung nicht erforderlich ist und das Fehlen auch nicht zu einem Beweisverwertungsverbot führt:

„3. Nach den Urteilsfeststellungen haben sich die Zeugen PM K. und POMin J. zu einer allgemeinen Verkehrskontrolle entschieden, nachdem sie das vom Betroffenen ohne Besonderheiten oder Auffälligkeiten gesteuerte Fahrzeug bemerkten. Nachdem der Zeuge PM K. Alkoholgeruch bei dem Betroffenen wahrgenommen hatte, fragte er diesen, ob er mit einer freiwilligen Atemalkoholkontrolle mit dem „normalen“ Drägergerät einverstanden sei, was der Betroffene bejahte. Soweit die Rechtsbeschwerde das Fehlen einer Belehrung des Betroffenen über seine Rechte bereits zu diesem Zeitpunkt rügt und hieraus auf eine Unverwertbarkeit des Messergebnisses schließt, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen.

Vielmehr würde auch eine – hier nicht vorliegende – unterbliebene Belehrung über die Freiwilligkeit der Maßnahme nicht zu einem Verwertungsverbot führen.

Gesetzlichen Regelungen kann eine solche Pflicht nicht entnommen werden. Der Gesetzgeber hat Belehrungspflichten nur in besonderen Fällen geregelt. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO sieht die Belehrung des Beschuldigten über sein Schweigerecht vor. Letztgenannte Vorschrift gilt ihrem Wortlaut nach allein für Vernehmungen. Eine entsprechende Anwendung auf andere Fälle kommt nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber in anderen Fällen eine Belehrungspflicht ausdrücklich geregelt hat, wie etwa in § 81 h Abs. 4 StPO, und deshalb eine Regelungslücke nicht besteht.

So muss nach § 81 h Abs. 4 StPO der Betroffene im Falle einer DNA-Reihenuntersuchung darüber belehrt werden, dass diese Maßnahme nur mit seiner Einwilligung vorgenommen werden darf. Selbst bei Blutentnahmen nach § 81 a StPO ergibt die Rechtslage nichts anderes. Anerkannt ist zwar, dass die Einwilligung des Beschuldigten eine richterliche Anordnung entbehrlich macht. Diese Einwilligung muss ausdrücklich und eindeutig sein. Dabei muss der Beschuldigte in der Regel auch über sein Weigerungsrecht belehrt werden (vgl. OLG Karlsruhe NStZ 2005, 399). Dabei geht es in den Fällen, in denen eine förmliche richterliche Anordnung rechtmäßig wäre, nicht um die freiwillige Hingabe eines für die Ermittlungsbehörden sonst nicht zur Verfügung stehenden Beweismittels, sondern nur um einen Verzicht auf die Einhaltung einer verfahrensmäßigen Absicherung der Beschuldigtenrechte, der den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit nicht unmittelbar betrifft (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 16. April 2013 – (2 B) 53 Ss-OWi 58/13 (55/13) –).

Dass der Betroffene zu dem Atemalkoholtest gezwungen wurde, wird von der Rechtsbeschwerde nicht behauptet.“

Verfahrensrüge II: BVW wegen nicht aureichender Beschuldigtenbelehrung, oder: Übergang Zeuge – Beschuldigter

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Die zweite Entscheidung zu den Anforderungen an die Verfahrensrüge kommt auch vom 5. Strafsenat des BGH. Der nimmt im BGH, Beschl. v. 17.07.2019 – 5 StR 195/19 – Stellung zu den Anforderungen an die Begründung einer Verfahrensrüge, mit der ein Beweisverwertungsverbotwegen nicht ausreichender Beschuldigtenbelehrung geltend gemacht worden ist.

1. Die Verfahrensrügen haben aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen keinen Erfolg. Der Erörterung bedarf nur die Rüge der Verletzung von § 163a Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO. Diese ist unzulässig.

a) Nach dem Rügevortrag wurde der Angeklagte nach der Tat von der Polizei zunächst als Zeuge vernommen. Nachdem sich der Angeklagte hierbei in erhebliche Widersprüche verwickelt hatte und weitere für seine Täterschaft sprechende Tatsachen bekannt geworden waren, wurde die Vernehmung zum Zwecke eines Telefonats mit der Staatsanwaltschaft unterbrochen. Während der Pause gab der Angeklagte wahrheitswidrig gegenüber dem bei ihm verbliebenen Vernehmungsbeamten an, der Brand sei womöglich durch das versehentliche Umwerfen eines Kerzenständers durch ihn entstanden. Nach kurzer Fortsetzung der Zeugenvernehmung wurde der Angeklagte nunmehr als Beschuldigter belehrt und festgenommen. Am Rande der Beschuldigtenvernehmung am selben Tag hielt der Polizeibeamte dem Angeklagten in einer weiteren Vernehmungspause diese Angaben vor und konfrontierte ihn mit der anderweitig erlangten Erkenntnis, dass in dem Kerzenständer keine Kerzen angebracht gewesen seien. Daraufhin legte der Angeklagte ein Geständnis ab. Eine qualifizierte Belehrung erfolgte zu keinem Zeitpunkt.

b) Der Revisionsvortrag ist unvollständig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die den geltend gemachten Verstoß enthaltenden Tatsachen müssen so vollständig und genau dargelegt werden, dass das Revisionsgericht allein aufgrund dieser Darlegung das Vorhandensein eines Verfahrensmangels feststellen kann, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen sind oder bewiesen werden (BGH, Urteil vom 4. September 2014 – 1 StR 75/14, StraFo 2015, 70 mwN).

Die Prüfung, ob ein Verwertungsverbot vorliegt, kann jedoch nicht erfolgen, weil der Beschwerdeführer nicht vorträgt, wie es zu der vom Angeklagten in der Vernehmungspause abgegebenen Einlassung gekommen ist. Sofern der beim Angeklagten verbliebene Polizeibeamte keine gezielte Befragung durchgeführt, sondern lediglich passiv eine Spontanäußerung entgegengenommen hätte, wären die Verwertbarkeit dieser Äußerung und deren Vorhalt bei der späteren Beschuldigtenvernehmung auch dann rechtlich unbedenklich, wenn der Angeklagte schon zuvor als Beschuldigter hätte belehrt werden müssen (vgl. BGH, Urteile vom 27. Juni 2013 – 3 StR 435/12, BGHSt 58, 301, 305; vom 27. September 1989 – 3 StR 188/89, NStZ 1990, 43; Beschluss vom 9. Juni 2009 – 4 StR 170/09, NStZ 2009, 702).

Pflichti III: Streit um ein Beweisverwertungsverbot, oder: Bestellung erforderlich

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Die dritte Entscheidung zur Pflichtverteidigerbestellung kommt dann vom LG Münster. Das hat sich im LG Münster, Beschl. v. 05.08.2019 – 10 Qs 23/19 – noch einmal mit der Frage befasst: Gibt es einen Pflichtverteidiger, wenn um ein Beweisverwertungsverbot gestritten wird. Das LG hat das in dem mir vom Kollegen Urbanzyk übersandten Beschluss bejaht:

„Gem. § 140 Abs. 2 StGB ist ein Verteidiger dann beizuordnen, wenn wegen der
Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint.

Eine schwierige Rechtslage ist dann anzunehmen. wenn bei der Anwendung des materiellen oder formellen Rechts auf die Entscheidung nicht ausgetragener Rechtsfragen ankommt. oder wenn die Subsumtion voraussichtlich aus sonstigen Gründen Schwierigkeiten bereiten wird. Hiervon umfasst sind auch Fälle, in denen sich Fragestellungen aufdrängen, ob ein Beweisergebnis einem Verwertungsverbot unterliegt (Meyer-Großner. Kommentar — StPO . 59. Auflage, § 140, Rn. 27a).

Nach diesem Maßstab ist vorliegend von einer schwierigen Rechtslage auszugehen. Die Schwierigkeit der Rechtslage ergibt sich aus der Frage der Verwertbarkeit der am 27.09.2018 gegenüber dem Zeugen PHK W. getätigten Angaben des Angeklagten sowie der Einführung seiner Einlassung in die Hauptverhandlung. Hierbei drängt sich die Frage auf, ob die Verwertung der in der Hauptverhandlung erfolgten Angaben des Zeugen PHK W. einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, wenn der Angeklagte im Rahmen der erfolgten Gefährderansprache nicht gem. § 136 Abs. 1 StPO belehrt wurde. Dass eine Belehrung des Angeklagten erfolgt ist, ergibt sich aus dem Akteninhalt nicht und war daher im Rahmen einer Beweisaufnahme zu klären.

Der Angeklagte, der über keinerlei juristische Vorbildung verfügt, wird die sich vorliegend mit der Einführung und Verwertung von Beweismitteln stellenden Rechtsfragen nicht beantworten können. Es kommt diesbezüglich auch nicht darauf an, ob — für den Fall der unterbliebenen Belehrung — eindeutig ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen ist. Die Schwierigkeit der Rechtslage im Zusammenhang mit Beweisverwertungsverboten ergibt sich bereits daraus, dass -vor dem Hintergrund der Widerspruchslösung – zur Ausrichtung der Verteidigungsstrategie die Auseinandersetzung mit der Frage, ob ein Berufen auf ein Beweisverwertungsverbot verfahrenstaktisch sinnvoll ist, unerlässlich ist. Diese Frage ist jedoch für den juristischen Laien nur nach Rücksprache mit einem Rechtsanwalt zu beantworten (LG Hannover, Beschluss vom 23.01.2017 — 70 Qs 6/17, BeckRS 2017, 101242; LG Köln, 19.07.2016 — 108 Qs 31/16 -. juris). Daher kommt es auch nicht darauf an, dass das Beweismittel vorliegend tatsächlich nicht verwertet wurde, weitere Beweismittel zur Verfügung standen und der Angeklagte trotz nicht erfolgter Beweisverwertung mit Urteil vom 22.05.2019 verurteilt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hätte ihm bereits ein Pflichtverteidiger beigeordnet sein müssen.“

Das ist dann jetzt wohl sog. h.M. Darum wird dann aber wohl demnächst, wenn denn mal die RiLi 2016/1919 in Kraft getreten/umgesetzt worden ist, nicht mehr gestritten werden müssen.

StPO I: Fehler bei der polizeilichen Vernehmung, oder: Wasch mich, aber mach mich nicht nass

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Der heutige Donnerstag ist dann drei StPO-Entscheidungen gewidmet, es kommen also drei Entscheidungen mit verfahrensrechtlicher Problematik.

Und da kommt zuerst der BGH, Beschl. v. 19.06.2019 – 5 StR 167/19. Es geht um Fehler bei der polizeilichen Vernehmung. Die bejaht der BGH und er bejaht auch ein Beweisverwertungsverbot, aber dann: Das Urteil beruht nicht auf dem Verfahrensfehler. Also. Typische „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“-Entscheidung:

„1. Die erhobene Verfahrensrüge ist unbegründet.

a) Ihr liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Der Angeklagte wurde am 5. Juni 2018 als Beschuldigter von der Polizei zur verfahrensgegenständlichen Tat vernommen. Nach Belehrung und Eröffnung des Tatvorwurfs verlangte er, mit seinem Rechtsanwalt reden zu können. Daraufhin wurde die Vernehmung unterbrochen, und einer der Vernehmungsbeamten versuchte vergeblich, den benannten Rechtsanwalt telefonisch zu erreichen. Dem Angeklagten wurde sodann ermöglicht, seinen Vater anzurufen, der den Rechtsanwalt in Kenntnis setzen sollte. Auf die Frage, ob er nun Angaben zur Sache machen wolle, erklärte der Angeklagte, er sage nur, dass er es nicht gewesen sei und nichts davon wisse. Auf weitere Nachfragen und Vorhalt von Ermittlungsergebnissen erfolgte eine ausführliche Vernehmung, in welcher der Angeklagte seine Tatbeteiligung – wie auch in der Hauptverhandlung – weiter bestritt, daneben aber Angaben machte. In der Hauptverhandlung hat die Verteidigung der Verwertung der Angaben der Vernehmungsbeamten widersprochen.

b) Die Revision rügt unter anderem den fehlenden Hinweis der Vernehmungsbeamten auf den anwaltlichen Notdienst. Ferner habe nach Unterbrechung der Vernehmung eine weitere Belehrung über das Recht auf Verteidigerkonsultation erfolgen müssen. Die Rüge hat keinen Erfolg.

aa) Ein Verstoß gegen das Gebot, auf den anwaltlichen Notdienst hinzuweisen (§ 163a Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 4 StPO) liegt nicht vor.

Der Bundesgerichtshof hat bereits unter Geltung der alten Fassung von § 136 Abs. 1 StPO, in der das Hinweisgebot noch nicht ausdrücklich normiert war, einen Hinweis auf den anwaltlichen Notdienst für entbehrlich gehalten, wenn der Beschuldigte bereits einen bestimmten Rechtsanwalt als Verteidiger benannt hatte (BGH, Beschluss vom 11. August 2005 – 5 StR 200/05, BGHR StPO § 136 Abs. 1 Verteidigerbefragung 8). In diesem Fall beschränke sich für die Ermittlungsbehörden das Gebot, bei der Kontaktaufnahme mit einem Verteidiger zu helfen, darauf, eine Verbindung zu dem benannten Rechtsanwalt herzustellen, sofern der Beschuldigte nicht zu erkennen gebe, dass er nach dem Scheitern der Kontaktaufnahme einen anderen Rechtsanwalt als Verteidiger wählen wolle.

Dies hat sich durch die Einfügung des Hinweisgebots in § 136 Abs. 1 Satz 4 StPO in der Neufassung vom 27. August 2017 (BGBl. I S. 3295) nicht geändert. Der Gesetzesbegründung, die auf frühere Rechtsprechung zur Erforderlichkeit von ernsthaften Bemühungen der vernehmenden Person verweist, den Beschuldigten bei der Kontaktaufnahme zu einem Verteidiger zu unterstützen, ist zu entnehmen, dass die gesetzlichen Ergänzungen in § 136 Abs. 1 StPO lediglich klarstellend erfolgt sind (vgl. BT-Drucks. 18/9534, S. 22 unter Bezugnahme unter anderem auf BGH, Urteil vom 12. Januar 1996 – 5 StR 756/94, BGHSt 42, 15, 19). Die Vorschrift des § 136 Abs. 1 Satz 4 StPO schützt danach den Beschuldigten, der zwar einen Verteidiger befragen möchte, aber keinen benennt. So verhält es sich hier aber nicht.

bb) Rechtsfehlerhaft war indes, dass die Polizeibeamten die Vernehmung fortgesetzt haben, ohne den Angeklagten erneut über sein Recht auf Zuziehung eines Verteidigers zu belehren. Dies macht seine Angaben unverwertbar.

Bringt der Beschuldigte zum Ausdruck, sich mit einem Verteidiger besprechen zu wollen, kann die Vernehmung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohne vorangegangene Konsultation nur fortgesetzt werden, wenn sich der Beschuldigte nach erneutem Hinweis auf sein Recht auf Zuziehung eines Verteidigers mit der Fortsetzung der Vernehmung einverstanden erklärt (BGH, Urteile vom 12. Januar 1996 – 5 StR 756/94, BGHSt 42, 15, 19; vom 27. Juni 2013 – 3 StR 435/12, BGHSt 58, 301, 307; Beschluss vom 10. Januar 2013 – 1 StR 560/12, NStZ 2013, 299; darüber hinaus auch ganz hM in der Literatur, vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 136 Rn. 10a; KK/Diemer, StPO, 8. Aufl., § 136 Rn. 14; Geppert, Festschrift Otto, 2007, S. 913, 922). Zweck der wiederholten Belehrung ist letztlich, dem Beschuldigten vor Augen zu führen, dass er sein Recht auf Verteidigerkonsultation nicht durch den fehlgeschlagenen Kontaktversuch verwirkt hat; sie trägt dadurch zur Subjektstellung des Beschuldigten bei (Beulke, NStZ 1996, 257, 261). Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien zum Zweiten Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts vom 27. August 2017 (BGBl. I S. 3295) ausdrücklich gebilligt (BT-Drucks. 18/9534, S. 22).

Aus diesem Rechtsverstoß folgt hier nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch ein Beweisverwertungsverbot (vgl. BGH, Urteile vom 29. Oktober 1992 – 4 StR 126/92, BGHSt 38, 372, 373 ff.; vom 12. Januar 1996 – 5 StR 756/94, BGHSt 42, 15, 21 f.; Beschluss vom 27. Februar 1992 – 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 219 ff.).

cc) Hierauf beruht das Urteil jedoch nicht (vgl. § 337 Abs. 1 StPO).

Das Landgericht hat den Tatnachweis nicht auf die Angaben des Angeklagten in der polizeilichen Vernehmung gestützt, mit denen er den Tatvorwurf bestritten hatte. Die Beweiswürdigung stützt sich vielmehr auf eine Gesamtschau der Indizien. Dabei hat das Landgericht insbesondere rechtsfehlerfrei gewürdigt, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung selbst eingeräumt hat, die Tat geplant zu haben und sogar am Tatort erschienen zu sein. Ferner hat es das Tragen der Tatkleidung durch den Angeklagten am Tag nach der Tat und das Auffinden der beiden am Tatort getragenen Jacken beim Angeklagten bzw. dessen damaliger Freundin maßgeblich herangezogen. Soweit das Landgericht an einzelnen Stellen die Angaben des Angeklagten aus der polizeilichen Vernehmung erwähnt (UA S. 7, 8, 9), wurden diese ohnehin durch andere Beweismittel bestätigt. Es handelt sich demgemäß um bloße Ergänzungen, ohne dass die Strafkammer dem wesentlichen Beweiswert beigemessen hätte. Werden Beweismittel nur ergänzend im Urteil erwähnt und sogar ausdrücklich für die Entscheidung als nicht wesentlich beschrieben, ist aber regelmäßig auszuschließen, dass das Tatgericht bei Nichtverwertung des Beweismittels zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre (BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 598/96, NJW 1997, 1790, 1792; Beschluss vom 3. Dezember 2003 – 5 StR 307/03, und vom 10. Januar 2006 – 5 StR 341/05, NJW 2006, 1008, 1010).“

Wenn man das mal wieder liest, fragt man sich wirklich was das soll. Und wenn man dann mal überlegt, was der BGH sonst alles sicher ausschließen kann, wenn es um Rechtsfehler und ihre Auswirkungen geht, dann fragt man sich hier, warum konnte man eigentlich nicht ausschließen, dass die Angaben bei der Beweiswürdigung doch eine Rolle gespielt haben. „Gesamtschau der Indizien“, aha. Vielleicht waren sie ja der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.