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OWi II: Keine Belehrung vor Atemalkoholkontrolle, oder: Beweisverwertungsverbot?

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Auch die zweite Entscheidung kommt vom OLG Brandenburg. Das hat im schon etwas älteren OLG Brandenburg, Beschl. v. 08.07.2019 – (1 B) 53 Ss-OWi 285/19 (169/19) – auch noch einmal – zur Frage der Erforderlichkeit einer Belehrung über die Freiwilligkeit der Maßnahme vor eine Atemalkoholkontrolle und zu einem Beweisverwertungsverbot bei fehlender Belehrung Stellung genommen.

Das OLG hat die/seine Rechtsprechung bestätigt, wonach eine solche Belehrung nicht erforderlich ist und das Fehlen auch nicht zu einem Beweisverwertungsverbot führt:

„3. Nach den Urteilsfeststellungen haben sich die Zeugen PM K. und POMin J. zu einer allgemeinen Verkehrskontrolle entschieden, nachdem sie das vom Betroffenen ohne Besonderheiten oder Auffälligkeiten gesteuerte Fahrzeug bemerkten. Nachdem der Zeuge PM K. Alkoholgeruch bei dem Betroffenen wahrgenommen hatte, fragte er diesen, ob er mit einer freiwilligen Atemalkoholkontrolle mit dem „normalen“ Drägergerät einverstanden sei, was der Betroffene bejahte. Soweit die Rechtsbeschwerde das Fehlen einer Belehrung des Betroffenen über seine Rechte bereits zu diesem Zeitpunkt rügt und hieraus auf eine Unverwertbarkeit des Messergebnisses schließt, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen.

Vielmehr würde auch eine – hier nicht vorliegende – unterbliebene Belehrung über die Freiwilligkeit der Maßnahme nicht zu einem Verwertungsverbot führen.

Gesetzlichen Regelungen kann eine solche Pflicht nicht entnommen werden. Der Gesetzgeber hat Belehrungspflichten nur in besonderen Fällen geregelt. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO sieht die Belehrung des Beschuldigten über sein Schweigerecht vor. Letztgenannte Vorschrift gilt ihrem Wortlaut nach allein für Vernehmungen. Eine entsprechende Anwendung auf andere Fälle kommt nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber in anderen Fällen eine Belehrungspflicht ausdrücklich geregelt hat, wie etwa in § 81 h Abs. 4 StPO, und deshalb eine Regelungslücke nicht besteht.

So muss nach § 81 h Abs. 4 StPO der Betroffene im Falle einer DNA-Reihenuntersuchung darüber belehrt werden, dass diese Maßnahme nur mit seiner Einwilligung vorgenommen werden darf. Selbst bei Blutentnahmen nach § 81 a StPO ergibt die Rechtslage nichts anderes. Anerkannt ist zwar, dass die Einwilligung des Beschuldigten eine richterliche Anordnung entbehrlich macht. Diese Einwilligung muss ausdrücklich und eindeutig sein. Dabei muss der Beschuldigte in der Regel auch über sein Weigerungsrecht belehrt werden (vgl. OLG Karlsruhe NStZ 2005, 399). Dabei geht es in den Fällen, in denen eine förmliche richterliche Anordnung rechtmäßig wäre, nicht um die freiwillige Hingabe eines für die Ermittlungsbehörden sonst nicht zur Verfügung stehenden Beweismittels, sondern nur um einen Verzicht auf die Einhaltung einer verfahrensmäßigen Absicherung der Beschuldigtenrechte, der den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit nicht unmittelbar betrifft (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 16. April 2013 – (2 B) 53 Ss-OWi 58/13 (55/13) –).

Dass der Betroffene zu dem Atemalkoholtest gezwungen wurde, wird von der Rechtsbeschwerde nicht behauptet.“

Nichteinhaltung der Kontrollzeit bei der AAK – Verwertungsverbot ja oder nein?

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Nochmal positioniert hat sich das OLG Karlsruhe im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.10.2015 – 2 (7) SsBs 499/15 – AK 151/15 – in einem Streit, der die OLG-Rechtsprechung seit einiger Zeit beschäftigt. Nämlich bei der Frage: Welche Auswirkungen hat die Nichteinhaltung der sog. Kontrollzeit bei einer Atemalkoholmessung im Rahmen des § 24a Abs. 1 StVG. Verwertungsverbot, ja oder nein, wenn die Kontrollzeit nicht beachtet worden ist. Das AG hatte den Betroffenen frei gesprochen, eben weil die zehnminütige Kontrollzeit nicht eingehalten worden sei. Deren Einhaltung sei unabdingbar. Nur bei Einhaltung der Kontrollzeit könne ein verwertbares Messergebnis vorliegen.

Das OLG sieht das anders:

„Die festgestellte Nichteinhaltung der zehn Minuten dauernden Kontrollzeit, die dazu dient die Gefahr der Verfälschung der Messwerte durch eine kurz vor der Messung erfolgte Einnahme von möglicherweise die Messung beeinflussenden Substanzen auszuschließen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19.4.2004, 1 Ss 30/04, NZV 2004, 426; Schoknecht, Beweissicherheit der Atemalkoholanalyse, Gutachten des Bundesgesundheitsamtes, Unfall- und Sicherheitsforschung Straßenverkehr, Heft 86, S. 12), führt entgegen der Ansicht des Amtsgerichts nicht generell zu einer Unverwertbarkeit des Messergebnisses (so auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 2.7.2010, 4 Ss 369/10, BA 47, 360; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 4.2.2011, 3 (4) SsBs 803/10).

Die Nichteinhaltung der zehnminütigen Kontrollzeit stellt nur in den Fällen, in denen der Grenzwert gerade erreicht (OLG Bamberg, Beschluss vom 27.11.2007, 2 Ss OWi 1489/07, BA 45, 197) oder nur geringfügig – um 0,01 mg/l – überschritten wurde (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19.4.2004, 1 Ss 30/04, NZV 2004, 426), einer Verwertbarkeit grundsätzlich entgegen, weil der gewonnene Messwert nur dann ohne Sicherheitsabschlag verwertbar ist, wenn die Bedingungen für ein gültiges Messverfahren gewahrt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 3.4.2001, 4 StR 507/00, BGHSt 46, 358; OLG Stuttgart, Beschluss vom 2.7.2010, 4 Ss 369/10, BA 47, 360).

Angesichts dessen, dass vorliegend der Grenzwert – worauf die Revisionsführerin zutreffend hinweist – nicht geringfügig, sondern um 8% bzw. 0,02 mg/l überschritten wurde und die in der Kontrollzeit eingenommenen Substanzen festgestellt werden konnten, kommt eine Verwertbarkeit der Messung auch unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlags in Betracht. Ob und ggfs. in welcher Art und Weise das festgestellte Rauchen einer Zigarette und das Trinken von Wasser während der Kontrollzeit die Messung beeinträchtigt haben könnte und in welcher Höhe ggfs. ein Sicherheitsabschlag vorzunehmen ist, lässt sich mit sachverständiger Hilfe aufklären (OLG Stuttgart, Beschluss vom 2.7.2010, 4 Ss 369/10, BA 47, 360; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 4.2.2011, 3 (4) SsBs 803/10). Ein allgemeiner Grundsatz, dass Bedienungsfehler bei standardisierten Messverfahren – hierzu gehört auch die Verwendung eines Atemalkoholgeräts, das die Bauartzulassung für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs erhalten hat (BGH, Beschluss vom 3.4.2001, 4 StR 507/00, BGHSt 46, 358) – generell zu deren Unverwertbarkeit führen (so OLG Hamm Beschluss vom 24.1.2008, 2 Ss OWi 37/08, NZV 2008, 260), existiert nicht. Vielmehr hat der Tatrichter bei konkreten Anhaltspunkten für Messfehler, die Zuverlässigkeit der Messung – ggfs. mit sachverständiger Hilfe – zu prüfen (vgl. für standardisierte Messverfahren der Geschwindigkeitsmessung, BGH, Beschluss vom 19.8.1993, 4 StR 627/92, BGHSt 39, 291 und Beschluss vom 30.10.1997, 4 StR 24/97, BGHSt 43, 277).“

M.E. im Hinblick auf die Entscheidung des BGH zur Atemalkoholmessung nicht richtig. Vielleicht legt ja dann auch diese Frage (endlich) mal ein OLG dem BGH vor.

Worüber muss vor einer Atemalkoholmessung belehrt werden?

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Ungeklärt war in der Rechtsprechung bislang die Frage, ob der Betroffene vor einer Atemalkoholmessung über die Freiwilligkeit seiner Mitwirkung an dieser belehrt werden muss oder nicht. Einige Instanzgerichte hatten das bejaht (vgl. LG Freiburg NZV 2009, 614, AG Frankfurt am Main NZV 2010, 266), z.T. ist es aber auch verneint worden (AG Michelstadt NZV 2012, 97). Im vergangenen Jahr hatten sich dann auch Cierniak/Herb zu Wort gemeldet und eine Belehrungspflicht ebenfalls verneint (vgl. NZV 2012, 409. Damit lagen bereits gewichtige Stimmen gegen die Belehrungspflicht vor. Und das ist jetzt noch verstärkt worden. Denn inzwischen hat das erste OLG entschieden und sich gegen die Belehrungspflicht ausgesprochen, nämlich OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.04.2013 – (2 B) 53 Ss-OWi 58/13 (55/13). Das OLG führt aus:

„Das Amtsgericht hat offen gelassen, ob der Betroffene vor der Messung des Atemalkohols darüber belehrt worden ist, dass seine Mitwirkung daran freiwillig ist. Es hat angenommen, dass eine solche Belehrung nicht erforderlich sei und deshalb ihr Fehlen auch nicht zu einem Beweisverwertungsverbot führen könne.

Dies trifft zu.

Allerdings wird vertreten, dass das Fehlen einer Belehrung über die Freiwilligkeit der Teilnahme an einer Atemalkoholmessung zu deren Unverwertbarkeit führe. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass die Teilnahme an dem Test eine aktive Beteiligung des Beschuldigten erfordere, er jedoch nicht verpflichtet werden könne, aktiv an der eigenen Überführung mitzuwirken (LG Freiburg NZV 2009, 614; AG Frankfurt a. M., Urteil vom 18. Januar 2010, 998 OWi 2022 – 955 Js -OWi 20697/09, zitiert nach juris).

Dieser Ansicht vermag sich der Senat jedoch nicht anzuschließen. Er folgt vielmehr den von Cierniak/Herb (Pflicht zur Belehrung über die Freiwilligkeit der Teilnahme an einer Atemalkoholmessung?, NZV 2012, 409) überzeugend dargelegten Erwägungen. Danach gilt Folgendes:

Die unterbliebene Belehrung über die Freiwilligkeit des Tests führt nicht zu einer Unverwertbarkeit der Messung (so auch AG Michelstadt NZV 2012, 97). Es ist zwar anerkannt, dass niemand gegen seinen Willen zu seiner Überführung beitragen muss. Im Strafverfahren ist ein Beschuldigter grundsätzlich nicht verpflichtet, aktiv die Sachaufklärung zu fördern. Ein Beschuldigter ist nicht gehalten, zu seiner eigenen Überführung tätig zu werden. Deshalb darf er nicht zu Tests, Tatrekonstruktionen, Schriftproben oder zur Schaffung ähnlicher für die Erstattung eines Gutachtens notwendiger Anknüpfungstatsachen gezwungen werden (BGH NJW 1986, 2261;, 2263; NStZ 2004, 392, 393). So darf ein Beschuldigter, der einer Verkehrsstraftat verdächtig ist, auch nicht zu einem Atemalkoholtest gezwungen werden (BGH VRS 39, 184). Diese Grundsätze haben auch in anderen Verfahren, in denen ähnliche Sanktionen wie im Strafrecht drohen, Geltung (BVerfG NJW 1981, 1431 = BVerfGE 56, 37), auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren (BVerfG NJW 1981, 1987 = BVerfGE 55, 144; Gürtler in Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 55 Rn. 8).

Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, ob über die Freiwilligkeit der Mitwirkung auch belehrt werden muss.

Gesetzlichen Regelungen kann eine solche Pflicht nicht entnommen werden. Der Gesetzgeber hat Belehrungspflichten nur in besonderen Fällen geregelt. So muss nach § 81h Abs. 4 StPO der Betroffene im Falle einer DNA-Reihenuntersuchung darüber belehrt werden, dass diese Maßnahme nur mit seiner Einwilligung vorgenommen werden darf. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO sieht die Belehrung des Beschuldigten über sein Schweigerecht vor. Letztgenannte Vorschrift gilt ihrem Wortlaut nach allein für Vernehmungen. Eine entsprechende Anwendung auf andere Fälle kommt nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber in anderen Fällen eine Belehrungspflicht ausdrücklich geregelt hat, wie etwa in § 81h Abs. 4 StPO, und deshalb eine Regelungslücke nicht besteht (Cierniak/Herb a. a. O., 412 f).

Die Rechtslage bei Blutentnahmen nach § 81h StPO ergibt nichts anderes. Anerkannt ist zwar, dass die Einwilligung des Beschuldigten eine richterliche Anordnung entbehrlich macht. Diese Einwilligung muss ausdrücklich und eindeutig sein. Dabei muss der Beschuldigte in der Regel auch über sein Weigerungsrecht belehrt werden (vgl. OLG Karlsruhe NStZ 2005, 399). Dabei geht es in den Fällen, in denen eine förmliche richterliche Anordnung rechtmäßig wäre, nicht um die freiwillige Hingabe eines für die Ermittlungsbehörden sonst nicht zur Verfügung stehenden Beweismittels, sondern nur um einen Verzicht auf die Einhaltung einer verfahrensmäßigen Absicherung der Beschuldigtenrechte, der den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit nicht unmittelbar betrifft (Cierniak/Herb a. a. O., 412).“

Damit dürfte die Frage entschieden sein. Wer als Verteidiger aber ggf. wissen will, was sein OLG dazu meint – und dann vielleicht der BGH (siehe aber Cierniak :-)): Der darf den Widerspruch in der Hauptverhandlung nicht vergessen. Sonst bringt es in der Rechtsbeschwerde nichts.