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Belehrung muss vor der Absprache/Verständigung erfolgen, oder: Aber kein Beruhen…..

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Als erste Entscheidung der 46. KW. hier dann der BGH, Beschl. v. 08.08.2019 – 2 StR 295/19.

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen schweren Bandendiebstahls iverurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten, der einen Verstoß gegen § 257c Abs. 5 StPO – als Belehrung über Verständigung – geltend macht. Dazu der BGH:

„1. Mit der Verfahrensrüge beanstandet die Revision, dass der Vorsitzende der Strafkammer entgegen § 257c Abs. 5 StPO die Belehrung über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichts von dem in Aussicht gestellten Ergebnis der Verständigung nach § 257c Abs. 4 StPO erst nach Zustandekommen der Verständigung und damit verspätet erteilt habe. Sie meint, dieser Verfahrensfehler habe sich ausgewirkt, weil die Feststellungen des Landgerichts zum Tatgeschehen auf den geständigen Angaben des Angeklagten beruhten und damit das vor der Belehrung abgegebene Geständnis in das Urteil eingeflossen sei.

a) Der zulässig erhobenen Rüge liegt im Wesentlichen folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Am 22. Januar 2019 unterbreitete die Strafkammer dem Angeklagten den Vorschlag, im Falle eines umfassenden Geständnisses hinsichtlich der Taten eins bis sechs aus dem ersten Tatkomplex und der Tat vier aus dem zweiten Tatkomplex der Anklage und Angaben zu den Tatbeteiligten eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen vier Jahren neun Monaten und fünf Jahren drei Monaten zu verhängen. Der Angeklagte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft nahmen sodann den Verständigungsvorschlag an. Der Vorsitzende erklärte, dass mit dem Angeklagten eine Verständigung zustande gekommen sei, und erteilte die Belehrung gemäß § 257c Abs. 5 StPO. Im Anschluss daran ließ sich der Angeklagte geständig zur Sache ein.

In der Fortsetzung der Hauptverhandlung am 8. Februar 2019 machte der Angeklagte weiter Angaben zur Sache und setzte dies trotz Hinweises des Vorsitzenden, dass sein Geständnis über die Verständigung hinausgehe, in Absprache mit seinem Verteidiger fort. Der Angeklagte wurde vom Vorsitzenden „nach geheimer Umfrage“ darauf hingewiesen, dass die Verständigungsabsprache vom 22. Januar 2019 nicht mehr gelte, da er nun drei weitere Einbrüche zugegeben habe. Die Strafkammer erklärte die Verständigung vom 22. Januar 2019 für hinfällig. Der Vorsitzende wies den Angeklagten darauf hin (§ 257c Abs. 4 Satz 4 StPO), dass sein Geständnis daher gemäß § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO nicht mehr verwertbar sei.

Nach Unterbrechung der Hauptverhandlung unterbreitete der Vorsitzende dem Angeklagten einen neuen Verständigungsvorschlag, der im Falle eines Geständnisses der Taten „A1 bis A6 und B1 bis B4“ die Verhängung einer Freiheitsstrafe zwischen fünf Jahren drei Monaten und fünf Jahren neun Monaten vorsah. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft stimmte dem Vorschlag zu. Der Verteidiger des Angeklagten erklärte, sein Mandant bleibe bei seinem letzten umfassenden Geständnis. Dies bestätigte der Angeklagte. Sodann erteilte der Vorsitzende dem Angeklagten die Belehrung gemäß § 257c Abs. 5 StPO.

b) Die Revision rügt zu Recht eine fehlerhafte Anwendung der Vorschrift des § 257c Abs. 5 StPO, da die Belehrung über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts an die Verständigung erst nach Zustandekommen der Verständigung und damit verspätet erteilt worden ist.

Die Verständigung kommt nicht erst mit der Belehrung zustande, sondern bereits durch die Zustimmungserklärungen gemäß § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO. Eine Verständigung ist regelmäßig nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen nach § 257c Abs. 5 StPO über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10 und 2 BvR 2155/11, BVerfGE 133, 168-241 Rn. 127; BGH, Beschlüsse vom 6. November 2018 – 5 StR 486/18 Rn. 5 und vom 8. November 2018 – 4 StR 268/18 Rn. 5, jeweils mwN).

c) Bleibt die unter Verstoß gegen die Belehrungspflicht zustande gekommene Verständigung bestehen und fließt das auf der Verständigung basierende Geständnis in das Urteil ein, beruht dieses auf der mit dem Verstoß einhergehenden Grundrechtsverletzung, es sei denn, eine Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis kann ausgeschlossen werden, weil der Angeklagte dieses auch bei ordnungsgemäßer Belehrung abgegeben hätte; hierzu müssen vom Revisionsgericht konkrete Feststellungen getroffen werden (BVerfG aaO Rn. 127).“

So weit, so gut. Aber im Ergebnis nicht gut, denn der BGH kann mal wieder das Beruhen ausschließen. Es stehe nämlich zweifelsfrei fest, dass dem Angeklagten auch ohne rechtzeitige Belehrung durch das Gericht bekannt war, unter welchen Voraussetzungen die Bindung des Gerichts an eine Verständigung entfällt. Na ja, warum dann der „Eiertanz“ um die Belehrung?

StPO I: Wenn der Dolmetscher gar nicht allgemein beeidigt ist, oder: Da muss man erst mal drauf kommen

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Heute dann mal wieder drei verfahrensrechtliche Entscheidungen aus der letzten Zeit. Da hat sich einiges angesammelt.

Und ich eröffne zunächst mit dem BGH, Beschl. v. 6.6.2019 – 1 StR 190/19. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Das LG hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er beanstandet hatte, der für ihn in der Hauptverhandlung in der Sprache Dari übersetzende Dolmetscher sei nicht beeidigt und daher unter Verstoß gegen §§ 189, 185 Abs. 1 Satz 1 GVG hinzugezogen worden, hatte Erfolg.

Mit der Verfahrensrüge hatte der Angeklagte folgendes Verfahrensgeschehen beanstandet: Am ersten Verhandlungstag belehrte der Vorsitzende den Dolmetscher H., treu und gewissenhaft zu übertragen. Der Dolmetscher erklärte, er sei öffentlich bestellt sowie allgemein beeidigt, und berief sich darauf. Tatsächlich hatte er keinen allgemeinen Eid (§ 189 Abs. 2 GVG) abgelegt. Da der Vorsitzende den Angaben des Dolmetschers glaubte, sah er davon ab, diesem die Eidesformel nach § 189 Abs. 1 GVG abzunehmen.

Dazu der BGH:

„2. Nach § 189 Abs. 2 GVG genügt vor allen Gerichten des Bundes und der Länder die Berufung auf einen allgemeinen Eid, wenn der Dolmetscher für Übertragungen der betreffenden Art in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften allgemein beeidigt ist. Tatsächlich hatte H. nie einen solchen Eid – etwa nach Art. 4 Abs. 1 des bayerischen Gesetzes über die öffentliche Bestellung und allgemeine Beeidigung von Dolmetschern und Übersetzern (Dolmetschergesetz – DolmG; Bay RS IV S. 516) i.V.m. § 189 Abs. 2 GVG – geleistet, wie die Revision zutreffend vorgetragen hat; dementsprechend wurde H. nicht in der Datenbank der bayerischen Justizverwaltung oder einer länderübergreifenden Dolmetscher- und Übersetzerdatenbank (Art. 7 DolmG BY) geführt. Damit ist der Verstoß gegen §§ 189, 185 Abs. 1 Satz 1 GVG erwiesen. Das Beruhen des Urteils auf dieser Verfahrensverletzung (§ 337 Abs. 1 StPO) ist nicht auszuschließen:

a) Mit der Eidesleistung in der Hauptverhandlung (§ 189 Abs. 1 GVG) bzw. mit dem Berufen auf einen allgemeinen Eid (§ 189 Abs. 2 GVG) soll dem Dolmetscher seine besondere Verantwortung im konkreten Fall bewusst gemacht wer-den (BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2011 – 1 StR 579/11, BGHR GVG § 189 Beeidigung 5; Urteil vom 7. November 1986 – 2 StR 499/86, BGHR GVG § 189 Abs. 2 Übertragung, zusätzliche 1). Eine solche Verpflichtung ist bereits deswegen erforderlich, weil das Gericht in der Regel – gegebenenfalls mit Ausnahme gängiger Fremdsprachen wie etwa Englisch oder Französisch – die Übersetzung nicht überprüfen kann. In diesem Sinne ist die Vereidigung eine wesentliche und unverzichtbare Förmlichkeit des Verfahrens (BGH, Urteil vom 8. März 1968 – 4 StR 615/67, BGHSt 22, 118, 120). Mit der – zu protokollieren-den (vgl. etwa Art. 4 Abs. 3 DolmG BY) – Abnahme allgemeiner Eide und der anschließenden Aufnahme derart vereidigter Dolmetscher in fortzuführenden Verzeichnissen als Aufgabe der Justizverwaltung soll den Gerichten im Einzelfall das Auffinden eines qualifizierten Übersetzers erleichtert werden (BVerwG, Urteil vom 16. Januar 2007 – 6 C 15/06 Rn. 33).

Eine solche Eidesleistung setzt indes ein besonderes Justizverwaltungsverfahren voraus, welches etwa im Freistaat Bayern nach Art. 3 Abs. 1 DolmG BY auf Antrag des Dolmetschers eingeleitet wird und für welches die Präsidenten der Landgerichte zuständig sind (Art. 2 DolmG BY). In diesem Verfahren werden insbesondere die durch eine Prüfung nachzuweisende fachliche Eignung (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d, Art. 15 DolmG BY) sowie persönliche Zuverlässigkeit (insbesondere Art. 3 Abs. 1 Buchst. c [geordnete wirtschaftliche Verhältnisse] und e [gerichtliche Strafen oder sonstige Maßnahmen] DolmG BY) des Antragstellers geprüft. Mit der allgemeinen Beeidigung und der nach der bayerischen Rechtslage einhergehenden Bestellung wird das Verwaltungsverfahren (regelmäßig spätestens nach drei Monaten, Art. 3 Abs. 3 Satz 2 DolmG BY) ab-geschlossen. Die Beeidigung ist ein feststellender Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG des Inhalts, dass der Dolmetscher fachlich geeignet und persönlich zuverlässig ist; Beeidigung und Aufnahme in das Verzeichnis sollen eine gewisse Gewähr dafür bieten, dass der allgemein beeidigte Dolmetscher die ihm zugedachten Aufgaben zuverlässig und sachgerecht erfüllt sowie infolgedessen den Gerichten hierfür allgemein zur Verfügung steht (BVerwG, Urteil vom 16. Januar 2007 – 6 C 15/06 Rn. 23, 32).

b) Der Dolmetscher H. hat keinen allgemeinen Eid nach Art. 4 Abs. 1 DolmG BY (i.V.m. § 1 des bayerischen Verpflichtungsgesetzes) geleistet; seine im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Gegenerklärung (§ 347 Abs. 1 Satz 3 StPO) eingeholte Stellungnahme, es habe nach mehreren einzelnen Eidesleistungen (§ 189 Abs. 1 GVG) geheißen, er sei jetzt allgemein beeidigt, legt gar nahe, dass bislang kein förmliches Beeidigungs- und Bestellungsverfahren nach Art. 1 ff. DolmG BY eingeleitet ist.

c) Nach alledem gab es keinen allgemeinen Eid, von welchem H. sich bei seinen Übertragungsleistungen hätte „leiten“ lassen können. Damit liegt dieser Fall gänzlich anders als die Sachverhalte, in welchen der Dolmetscher einen allgemeinen Eid leistete, die Entgegennahme aber möglicherweise fehlerbehaftet war (BGH, Urteil vom 17. Januar 1984 – 5 StR 755/83 [durch beauftragten Richter anstelle des Landgerichtspräsidenten oder dessen Vertreter]), sich der Eid nur auf einen anderen Gerichtsbezirk erstreckte oder der Dolmetscher auch eine andere Sprache übersetzte (BGH, Urteil vom 7. November 1986 – 2 StR 499/86, BGHR GVG § 189 Abs. 2 Übertragung, zusätzliche 1 [slowakisch neben tschechisch]). In den zuletzt genannten Konstellationen kann ausgeschlossen werden, dass sich der Dolmetscher seiner besonderen Verantwortung und seiner Pflicht zur treuen und gewissenhaften Übersetzung nicht bewusst gewesen ist. Eine solche noch ausreichende Gewähr ist in diesem Fall aber mangels erfolgreicher Durchführung eines besonderen Justizverwaltungsverfahrens im Sinne des § 189 Abs. 2 GVG i.V.m. Art. 1 ff. DolmG BY nicht gegeben.“

Sicherlich kein „alltäglicher“ Verfahrensmangel, den die Entscheidung des BGH aufzeigt, sondern ein Sonderfall. Aber die Entscheidung zeigt sehr schön auf, dass es sich lohnt, auch mal abseits der normalen Pfade nach Verfahrensfehlern zu suchen, die man dann zugunsten des Angeklagten geltend machen kann. Allerdings muss man erst mal darauf kommen, dass der (gerichtliche) Dolmetscher entgegen seinen Angaben in der Hauptverhandlung nicht allgemein vereidigt ist und deshalb den Eid in der Hauptverhandlung leisten muss (zur Vereidigung des Dolmetschers im Übrigen auch <<Werbemodus an>>Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 9. Aufl., 2019, Rn 2995 ff. m.w.N., das man hier bestellen kann <<Werbemodus aus>>.

Dienstentlassung eines Staatsanwaltes, oder: Wer stalkt, fliegt

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Die 24. KW. beginnt mit dem Pfingstmontag. Und da das Feiertag ist, gibt es hier heute auch nur eine Entscheidung, und zwar das BGH, Urt. v. 27.02.12019 – RiZ (R) 2/18 -, und die Lösung zum Gebührenrätsel. Ist ja schließlich frei heute :-).

Die BGH-Entscheidung behandelt mal eine etwas andere Thematik, nämlich die Entlassung eines Staatsanwaltes auf Probe aus dem Justizdienst wegen charakterlicher Defizite. Der junge Staatsanwalt hatte über soziale Netzwerke eine junge Frau gestalkt und ist deshalb rausgeflogen, wobei von folgendem Sachverhalt auszugehen ist:

Mit Schreiben vom 19. September 2014 wandte sich eine Rechtsanwältin im Auftrag von Frau Melanie H. (im Folgenden: Frau H.) an den Präsidenten des Oberlandesgerichts Hamm, der das Schreiben an den Generalstaatsanwalt in Hamm weiterleitete. In dem Schreiben teilte die Rechtsanwältin mit, ihre Mandantin, die den Antragsteller persönlich nicht kenne, habe von diesem seit dem Jahr 2010 über verschiedene soziale Netzwerke eine größere Zahl unerwünschter Nachrichten erhalten. Die Mandantin habe den Antragsteller bereits mit anwaltlichem Schreiben vom 19. Juli 2010 vergeblich zur Unterlassung aufgefordert. Dem Schreiben der Rechtsanwältin vom 19. September 2014 lag eine Vielzahl von Ausdrucken verschiedener Facebook- und StudiVZ-Nachrichten des Antragstellers an Frau H. bei. In diesen Nachrichten heißt es unter anderem am 17. Mai 2014:

„Ich wurde aufgrund meiner herausragenden Leistungen zur StA Hagen abgeordnet.“

Eine spätere Nachricht vom 11. Oktober 2014 lautet:

„Hey Melanie?

Was machst du denn? Wo warst du denn heute? Wenn du willst, gehe doch nach Hannover ?

Meine Ermittlungskompetenz reicht bundesweit und sogar weltweit, wenn ich will …“

Nachdem dem Antragsteller am 13. Oktober 2014 eine Kopie des Schreibens der Rechtsanwältin vom 19. September 2014 ausgehändigt worden war, erklärte er mit schriftlicher Nachricht vom selben Tag, die vorgetragenen Anschuldigungen entsprächen nicht der Wahrheit. Am 19. Oktober 2014 nahm der Antragsteller gegenüber der Leitenden Oberstaatsanwältin in Hagen erneut schriftlich Stellung und erklärte, Frau H. sowie ein anwaltliches Anspruchsschreiben aus dem Jahre 2010 seien ihm nicht bekannt. Auch sämtliche Nachrichten, die ihm zugeordnet werden sollten, seien ihm nicht bekannt. In einem persönlichen Gespräch mit der Leitenden Oberstaatsanwältin sowie deren Stellvertreterin am 24. Oktober 2014 räumte der Antragsteller ausweislich der darüber gefertigten Vermerke vom 24. und 27. Oktober 2014 ein, Verfasser der Nachrichten gewesen zu sein. Frau H. sei ihm auch persönlich bekannt und er habe das anwaltliche Schreiben vom 19. Juli 2010 erhalten. Dem Antragsteller wurde nahegelegt, die Entlassung aus dem Dienstverhältnis zu beantragen, was er ablehnte. Mit Verfügung vom 24. November 2014 wurde ihm das kleine Zeichnungsrecht entzogen. Ab diesem Tag war der Antragsteller dienstunfähig erkrankt.

Am 21. November 2014 beurteilte die Leitende Oberstaatsanwältin in Hagen die Fähigkeiten und Leistungen des Antragstellers mit „unterdurchschnittlich“ sowie dem Bemerken, er sei für das Amt eines Staatsanwalts nicht geeignet. Diese Beurteilung hielt einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung nicht stand. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 27. September 2016 wurde der Antragsgegner verurteilt, die über den Antragsteller gefertigte Personal- und Befähigungsnachweisung vom 21. November 2014 aufzuheben und über ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine neue dienstliche Beurteilung zu erstellen. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen lehnte den Antrag des Antragsgegners auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 27. Juni 2017 ab. Der Antragsteller wurde am 19. Juli 2017 neu dienstlich beurteilt. Seine Fähigkeiten und Leistungen wurden erneut mit „unterdurchschnittlich“ beurteilt sowie dem Zusatz, er sei für das Amt eines Staatsanwalts nicht geeignet. Gegen diese Beurteilung erhob der Antragsteller wiederum Klage, die das Verwaltungsgericht Arnsberg mit Urteil vom 17. Dezember 2018 abwies. Derzeit ist ein Verfahren über die Zulassung der Berufung anhängig, über das noch nicht entschieden ist.

Der Generalstaatsanwalt in Hamm entließ den Antragsteller mit Bescheid vom 30. Januar 2015 zum Ablauf des zwölften Monats nach seiner Ernennung zum Staatsanwalt (Richter auf Probe), d.h. zum Ablauf des 23. März 2015, gemäß § 22 Abs. 1 DRiG aus dem Justizdienst des Antragsgegners. Zugleich ordnete er die sofortige Vollziehung der Entlassungsverfügung an. Der Generalstaatsanwalt begründete die Entlassung mit ernsthaften Zweifeln an der Eignung des Antragstellers als Staatsanwalt, die sich aus der Beurteilung durch die Leitende Oberstaatsanwältin in Hagen vom 21. November 2014 ergäben. Das Verhalten des Antragstellers lasse schwerwiegende Defizite hinsichtlich seines Amtsverständnisses und seiner Argumentations- und Überzeugungsfähigkeit erkennen. Zudem fehle ihm die erforderliche persönliche und soziale Kompetenz. Diese deutlich sichtbar gewordenen Defizite in wesentlichen Punkten des Anforderungsprofils für das Amt eines Staatsanwalts, welche die Behördenleiterin unter anderem im Zusammenhang mit den mit dem Antragsteller geführten Gesprächen aus Anlass außerdienstlicher Angelegenheiten festgestellt habe, erachte er als so schwerwiegend, dass dem Antragsteller die Eignung für das Amt des Staatsanwalts nicht attestiert werden könne.“

Das hat dann letztlich beim BGH „gehalten“.

Audiovisuelle Vernehmung, oder: Beschluss fehlt, aber macht nichts

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Dehani bandara – Eigenes Werk

Heute dann ein wenig oder auch ein wenig mehr Verfahrensrecht. Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 12.12.2017 – 3 StR 388/17. Er behandelt § 247a StPO, also audiovisuelle Vernehmung von Zeugen in der Hauptverhandlung. Der Angeklagte hatte gerügt, dass die Vernehmung nicht durch einen Gerichtsbeschluss angeordnet worden sei.  Der BGH sagt: Ja, stimmt, das ist ein Fehler, aber macht nichts, weil das Urteil nicht darauf beruht.

„Ergänzend zu den Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:

Die Rüge des Angeklagten  O. , § 247a Abs. 1 StPO sei verletzt, weil die audiovisuelle Vernehmung der Zeugen C. und K. nicht durch Gerichtsbeschluss angeordnet gewesen sei, deckt einen Rechtsfehler auf, der indes nicht zur Aufhebung des Urteils führt, weil dieses nicht auf dem Verfahrensfehler beruht.

Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: Nachdem die genannten, in den Niederlanden lebenden Zeugen nicht zur Hauptverhandlung erschienen waren, hat der Vorsitzende außerhalb der Hauptverhandlung deren Videovernehmung im Wege der Rechtshilfe verfügt, die daraufhin durchgeführt worden ist.

Dieses Vorgehen erweist sich als rechtsfehlerhaft. § 247a Abs. 1 Satz 1 StPO verlangt für die Anordnung der audiovisuellen Vernehmung eines Zeugen einen Gerichtsbeschluss. Dieser Beschluss bedarf zwar, da er nicht anfechtbar ist (§ 247a Abs. 1 Satz 2 StPO), grundsätzlich keiner Begründung (§ 34 StPO); erforderlich ist jedoch, dass das Gericht kenntlich macht, auf welchen Ausnahmetatbestand des § 247a Abs. 1 Satz 1 StPO es die Anordnung stützt (LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 247a Rn. 15). Fehlt ein solcher Beschluss, begründet dies in der Regel die Revision, weil das Revisionsgericht nicht überprüfen kann, ob die Voraussetzungen des § 247a StPO vorgelegen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2008 – 5 StR 597/07, NStZ 2008, 421).

Auf diesem Verfahrensfehler beruht das Urteil aber – allein – deshalb nicht, weil der Senat ausschließen kann, dass die Feststellungen auf den Angaben der Zeugen gründen. Beide Zeugen haben sich bei ihrer audiovisuellen Vernehmung lediglich zur Person des Angeklagten geäußert und sich im Übrigen auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen. Die Zeugin C. hat dabei den Angeklagten in der audiovisuellen Vernehmung nicht einmal mehr identifizieren können. Der Zeuge K. hat ihn zwar wiedererkannt, doch hat er damit nicht weiter zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen. Vielmehr belegt das Landgericht seine Feststellung, dass es sich bei dem Angeklagten O. um den „M.“ gehandelt hat, der die Zeugen als Rauschgiftkuriere einsetzte, rechtsfehlerfrei mit den früheren Aussagen der Zeugen sowie den Angaben des Zeugen D., der in der Hauptverhandlung erschienen ist und den Angeklagten als „M.“ identifiziert hat.“

Mal wieder letztes Wort nicht gewährt, aber: Ausnahmsweise kein Beruhen

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An sich sind Verstöße gegen § 258 Abs. 2 und/oder 3 StPO – Stichwort: Letztes Wort – in der Revision „Selbstläufer“. D.h.: An sich führen Verstöße gegen diese Vorschriften in der Revision auf die Verfahrensrüge hin zur Aufhebung des Urteils des Tatgerichts. Aber es gibt, wie der BGH, Beschl. v. 16.09.2015 – 5 StR 289/15 – zeigt, auch Ausnahmen. Da hatte der Angeklagte das letzte Wort erhalten, danach hatten aber ein Mitangeklagten sowie dessen Verteidiger noch Erklärungen abgegeben. Dem – geständigen – Angeklagten war nicht erneut das letzte Wort gewährt worden. Der BGH schließt in dem Fall ein Beruhen (§ 337 StPO) aus:

„Über die Zulässigkeitsbedenken des Generalbundesanwalts hinaus vermag die durch den Beschwerdeführer C. erhobene Beanstandung der Verletzung des § 258 Abs. 2, 3 StPO auch in der Sache nicht durchzudringen. Ihm und dem Mitangeklagten I. liegen voneinander völlig unabhängige Beiträge zu einem im Wege der Bewertungseinheit zu einer Tat zusammengefassten Geschehenskomplex betreffend ein international organisiertes Drogenkartell zur Last. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden – insbesondere ist dem Beschwerdevorbringen insoweit nichts zu entnehmen –, dass die nach dem letzten Wort des geständigen Beschwerdeführers abgegebenen Erklärungen des Mitangeklagten sowie dessen Verteidigers die Verteidigungsposition des Beschwerdeführers in irgendeiner Weise berührt haben könnten. In dieser besonderen Ausnahmekonstellation vermag der Senat jedenfalls ein Beruhen auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler auszuschließen (vgl. auch BGH, Ur-teil vom 25. Juli 1996 – 4 StR 193/96, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiederein-tritt 8). „