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Strafe II: Begründung der kurzen Freiheitsstrafe, oder: Der „typisch verklärte Blick“ des BtM-Konsumenten?

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Und als zweite Entscheidung dann der OLG Celle, Beschl. v. 07.08.2023 – 3 ORs 42/23. Ein Klassiker, nämlich die Begründung der kurzfristigen Freiheitsstrage (§ 47 StGB).

Das AG hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zu Bewährung ausgesetzt wurde. Dagegen die Sprungrevision, die Erfolg hatte. Es passt mal wieder nicht:

„Die Erörterungen im Rechtsfolgenausspruch begegnen hinsichtlich des Strafausspruchs rechtlichen Bedenken.

Die Tatrichterin ist von dem zutreffenden Strafrahmen ausgegangen. Die Ausführungen zu der Unerlässlichkeit einer kurzen Freiheitsstrafe gemäß § 47 StGB halten rechtlicher Prüfung jedoch nicht stand.

§ 47 StGB ist Ausdruck der gesetzgeberischen Entscheidung, dass die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen nur im Ausnahmefall in Betracht kommt. Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten statt einer (möglichen) Geldstrafe darf nur verhängt werden, wenn besondere Umstände entweder in der Tat oder in der Persönlichkeit des Täters gegeben sind. Die Freiheitsstrafe muss nach einer Gesamtwürdigung der die Tat und Täterpersönlichkeit kennzeichnenden Umstände unerlässlich sein. Mit Blick auf diesen Ausnahmecharakter erfordert die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe eine eingehende und nachvollziehbare Begründung (vgl. BGH StV 1982, 366; 1994, 370; OLG Köln, Beschluss vom 18. Februar 2003 – Ss 36/03422; BeckOK StGB/von Heintschel-Heinegg StGB § 47 Rn. 1). Aus dieser Begründung muss sich ergeben, aufgrund welcher konkreten Umstände sich die Tat oder der Täter derart von dem Durchschnitt solcher Taten oder dem durchschnittlichen Täter abhebt, dass eine Freiheitsstrafe ausnahmsweise unerlässlich ist (OLG Karlsruhe StV 2005, 275). Bejaht der Tatrichter – wie vorliegend – eine positive Sozialprognose iSv § 56 Abs. 1 StGB, bedarf es grundsätzlich einer eingehenden Darlegung und Würdigung der Gründe, welche die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter iSv § 47 Abs. 1 StGB (dennoch) unerlässlich machen (vgl. OLG Zweibrücken BeckRS 2022, 399), dies gilt umso mehr, wenn es sich um einen bislang nicht vorbelasteten Täter handelt (MüKoStGB/Maier StGB § 47 Rn. 59).

Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Die Tatrichterin begründet die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe einzig damit, dass es sich bei dem Angeklagten um einen „anhaltenden Betäubungsmittelkonsumenten“ handele.

Diese Annahme findet in den Urteilsgründen bereits keine hinreichende Tatsachengrundlage, die eine Überprüfung durch den Senat ermöglichen würde. In den Feststellungen des angefochtenen Urteils heißt es insoweit: „Sowohl bei der Durchsuchung am 3.2.22, wie auch an dem Tag der Hauptverhandlung, stand der Angeklagte unter dem Einfluss von unbekannten Betäubungsmitteln“. Die Annahme der Betäubungsmittelabhängigkeit stützt das Amtsgericht ausschließlich auf die Angaben des Zeugen Richter, dass der Angeklagte bei der Durchsuchung seiner Wohnung wie auch am Tag der Hauptverhandlung „einen typisch verklärten Blick gehabt, als würde er selbst Drogen konsumieren“, sowie aus dem persönlichen Eindruck in der Hauptverhandlung. Es handelt sich um eine bloße Annahme, die nicht mit Tatsachen belegt wird. Die Urteilsgründe verhalten sich weder dazu, warum der Zeuge oder die erkennende Richterin über die Sachkunde verfügten, eine etwaige Beeinflussung durch ein Betäubungsmittel feststellen zu können, noch wieso daraus auf einen anhaltenden Betäubungsmittelkonsum geschlossen werden kann. Objektive Beweismittel, die den Schluss einer Beeinträchtigung durch Betäubungsmittel am Tag der Durchsuchung stützen könnten, wie z.B. ein Protokoll über etwaige körperliche Auffälligkeiten des Angeklagten oder das Ergebnis einer toxikologischen Untersuchung etwaiger Blutproben oder andere Beweismittel, die auf einen Eigenkonsum hindeuten, lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Dies gilt gleichermaßen für die Annahme einer (klinischen) Betäubungsmittelabhängigkeit wie auch für die Annahme, der Angeklagte habe am Hauptverhandlungstag unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln gestanden.

Unabhängig von den fehlenden objektiven Anknüpfungspunkten begegnet es auch erheblichen Bedenken, von einer (möglichen) zweimaligen Beeinflussung durch Betäubungsmittel auf eine Betäubungsmittelabhängigkeit zu schließen. Zutreffend führt die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme aus, dass Drogenabhängigkeit ein Zustand seelischer oder seelischer und körperlicher Abhängigkeit von einer legalen oder illegalen Droge mit zentralnervöser Wirkung ist, der durch die periodische oder ständig wiederholte Einnahme dieser Substanz charakterisiert ist, dessen Merkmale je nach Art der eingenommenen Droge variieren. Zur Feststellung einer Drogenabhängigkeit müssen die Einzelheiten über die Art der Droge, die Dauer des Konsums, die Dosierung sowie sonstige Umstände festgestellt werden, die Hinweise auf das Ausmaß der Abhängigkeit geben können, möglichst genau geklärt werden. Hieran fehlt es in dem angefochtenen Urteil gänzlich.

Unabhängig davon, dass die Feststellungen, auf denen das Tatgericht seine Entscheidung stützt, insoweit bereits lückenhaft sind, lässt die Entscheidung über die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe die erforderliche Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit vermissen. Das Tatgericht hat sich insoweit weder mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass der Angeklagte bislang unbestraft ist und sich vollständig zu seiner Tat bekannt hat, noch damit, dass eine positive Sozialprognose vorliegt. Diese gewichtigen Umstände werden jedoch heranzuziehen sein.“

StPO I: Unterjährige Änderung der Geschäftsverteilung, oder: Hohe Anforderungen an die Begründung

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Heute dann StPO-Entscheidungen. Die kommen aber nicht vom BGH, sondern „aus der Instanz“.

Ich beginne mit dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.08.2023 – 2 OLG 53 Ss 80/22 – zu den mit der unterjährigen Änderung des Geschäftsverteilungsplans zusammenhängenden Fragen.

Der – erfolgreichen Verfahrensrüge des Angeklagten liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:

„Die beim Landgericht am 4. August 2020 eingegangene Berufungssache wurde gemäß dem geltenden Geschäftsverteilungsplan (Vorschaltliste IV) zunächst der 8. Strafkammer zugewiesen (28 Ns 26/20) und von dem zuständigen Vorsitzenden dieser Strafkammer weiter gefördert. Unter dem 2. Dezember 2020 vermerkte der Vorsitzende, dass eine Terminierung im Jahr 2020 nicht mehr möglich und für Januar/Februar 2021 nicht zielführend sei, weil die 8. Strafkammer zum 1. Januar 2021 von einem anderen Vorsitzenden übernommen werden solle, der mitgeteilt habe, in seinem (anderen) Dezernat bereits bis Mitte März 2021 terminiert zu haben.

Durch Beschluss vom 29. März 2021 hat das Präsidium des Landgerichts den Vorsitz der 8. Strafkammer dem zum 1. April 2021 den Dienst beim Landgericht antretenden Vorsitzenden Richter am Landgericht pp. mit 20 % Arbeitskraftanteil zugewiesen und „angesichts der Neuübernahme des Vorsitzes (…) sowie des daraus resultierenden Erfordernisses eines Belastungsausgleichs zwischen der 8., der 7. und der 5. Strafkammer (…) eine Neuverteilung der Eingänge und eine Übernahme von Beständen“ angeordnet. Der Jahresgeschäftsverteilungsplan 2021 wurde mit Wirkung zum 1. April 2021 u.a. insoweit geändert, als der 7. Strafkammer der zum 31. März 2021 bei der 8. Strafkammer anhängige Bestand und der 8. Strafkammer lediglich näher bestimmte Neueingänge zugeteilt wurden.

Die vorliegende Berufungssache wurde sodann bis zur Urteilsverkündung von der gemäß dem geänderten Geschäftsverteilungsplan nunmehr zuständigen 7. Strafkammer geführt (27 Ns 23/21).

Zum Erfordernis eines Belastungsausgleiches hat die Präsidentin des Landgerichts die Verteidigung mit Schreiben vom 23. März 2022 darüber informiert, dass das Protokoll der Präsidiumssitzung vom 29. März 2021 mit Ausnahme der Beschlussfassung keine weiteren Erläuterungen in dieser Sache enthalte. Den Präsidiumsmitgliedern sei mit Anschreiben vom 19. März 2021 mitgeteilt worden, dass bei dem Vorschlag zu den kleinen Strafkammern die Übernahme des Vorsitzes der 8. Strafkammer mit 20 % Arbeitskraftanteil des Vorsitzenden zugrunde gelegt worden sei und die Verschiebungen zur Zuständigkeit zwischen der 7. und 8. Strafkammer aus „der dann folgenden Überlast der 8. Strafkammer“ resultierten. Die weiteren Veränderungen in der 7. Strafkammer ergäben sich aus dem Belastungsausgleich (Neueingänge) im Vergleich zur 5. Strafkammer.“

Dem OLG reicht das so nicht. Wegen der Zulässigkeit verweise ich auf den verlinkten Volltext. zur Begründetheit führt das OLG aus:

2. Die Verfahrensrüge ist zulässig und begründet.

b) Die Rüge dringt auch in der Sache durch, weil der Präsidiumsbeschluss die Gründe für die Erforderlichkeit einer Übertragung des Berufungsverfahrens — zusammen mit den weiteren bei der zunächst mit der Sache befassten Strafkammer anhängigen Verfahren — auf eine andere Strafkammer nicht im erforderlichen Umfang dokumentiert hat und dadurch nicht hinreichend prüfbar ist, ob dem Angeklagten der gesetzliche Richter entzogen wurde (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).

Eine unterjährige Änderung des Geschäftsverteilungsplans, mit der bereits anhängige Verfahren übertragen werden, ist allein dann zulässig, wenn nur so dem Beschleunigungsgebot angemessen Rechnung getragen werden kann (BGH, Beschl. v. 12. Mai 2015 — 3 StR 569/14, NJW 2015, 2597). Dass dies der Fall war, vermag der Senat aufgrund der vorliegenden Dokumentation nicht zu erkennen.

aa) Das Präsidium darf die getroffenen Regelungen zur Geschäftsverteilung ausnahmsweise auch während des laufenden Geschäftsjahres ändern, wenn dies wegen der Überlastung eines Spruchkörpers nötig wird und nur auf diese Weise die Gewährung von Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit erreicht werden kann (§ 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG); das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter ist dabei mit dem rechtsstaatlichen Gebot einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und dem Beschleunigungsgrundsatz zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen; § 21e Abs. 3 GVG lässt eine Änderung der Zuständigkeit für bereits anhängige Verfahren zu, sofern dies geeignet ist, die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen; Änderungen der Geschäftsverteilung, die hierzu nicht geeignet sind, können vor Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG keinen Bestand haben (BGHSt 58, 268, 270f.; BVerfG NJW 2005, 2689, 2690). Die betreffende Präsidiumsentscheidung unterliegt in der Revisionsinstanz insoweit nicht lediglich einer Willkürkontrolle, sondern ist auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen (BGH, Beschl. v. 10. Juli 2013 — 2 StR 160/13, NStZ 2014, 226; Urt. v. 21. Mai 2015 4 StR 577/14, NStZ-RR 2015, 288 Beschl. v. 17. Januar 2023 — 2 StR 87/22, zit. nach Juris Rdnr. 41 mwN).

Da die Übertragung einer bereits anhängige Strafsache auf einen anderen Spruchkörper erhebliche Gefahren für das verfassungsrechtliche Gebot des gesetzlichen Richters in sich birgt, bedarf es insbesondere in diesen Fällen einer umfassenden Dokumentation und Darlegung der Gründe, die eine derartige Umverteilung erfordern und rechtfertigen, damit überprüfbar ist, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die nur ausnahmsweise zulässige Änderung der Geschäftsverteilung vorlagen, wobei die Begründung so detailliert sein muss, dass eine Prüfung der Rechtmäßigkeit möglich ist (vgl. BVerfG NJW 2005, 2689; BGH, Beschl. v. 17. Januar 2023, aaO.; Karlsruher Kommentar/Diemer-StPO, 9. Aufl. § 21e GVG Rdnr. 15 mwN.). Sowohl der Grund für die Entlastung an sich („ob“) als auch das Erfordern für die konkrete Ausgestaltung der Entlastungsmaßnahme („wie) müssen stets im Beschluss des Präsidiums, einer darin in Bezug genommenen Überlastungsanzeige oder einem Protokoll der entsprechenden Präsidiumssitzung festgehalten werden (Karlsruher Kommentar, aaO. mwN.).

bb) Den danach geltenden Anforderungen wird der Präsidiumsbeschluss vom 29. März 2021 nicht gerecht, denn weder die Beschlussfassung noch das Protokoll der Präsidiumssitzung weisen eine näher dokumentierte Begründung dafür auf, warum infolge der mit dem Dienstantritt des Vorsitzenden Richters am Landgericht pp. vorgesehenen Neubesetzung der 8. Strafkammer ein „Belastungsausgleich“ zwischen den kleinen Strafkammern und mit Blick auf das Beschleunigungsgebot eine Übernahme des (gesamten) Bestandes durch die 7. Strafkammer zwingend erforderlich gewesen sein soll.

Eine ausreichende Begründung für die unterjährige Änderung der Geschäftsverteilung lässt sich auch der vom Senat erbetenen ergänzenden Stellungnahme der Präsidentin des Landgerichts vom 28. November 2022 zu den Gründen der Beschlussfassung des Präsidiums nicht entnehmen.

(a) Obgleich die Gründe für eine Umverteilung der Geschäfte grundsätzlich schon im Zeitpunkt der Präsidiumsentscheidung dokumentiert sein müssen (vgl. BGH, Urt. v. 9. April 2009 — 3 StR 376/08, NJW 2010, 625, 627; Urt. v. 21. Mai 2015 — 4 StR 577/14, NStZ-RR 2015, 288; BeckOK GVG/Graf, § 21e Rdnr. 21), ist eine Behebung von Begründungsmängeln noch im Revisionsverfahren möglich, da die zu einer Besetzungsrüge vorgetragenen Umstände grundsätzlich einer Überprüfung durch das Revisionsgericht im Wege des Freibeweises zugänglich sind und die Einschränkung, dass Mängel der Begründung nur noch bis zur Entscheidung über einen Besetzungseinwand erhoben werden können, nicht gelten, wenn das Landgericht nicht erstinstanzlich, sondern als Berufungsgericht mit der Sache befasst war und somit das für den Besetzungseinwand gemäß § 222b StPO geregelte Verfahren nicht zum Tragen kommt (vgl. zur Prüfung der Besetzungsrüge in der Revisionsinstanz nach altem Recht: BGH, Urt. v. 25 September 1975 — 1 StR 199/75, zit. nach Juris). Auch ist eine erläuternde Stellungnahme des Landgerichtspräsidenten zum erhobenen Besetzungseinwand nicht grundsätzlich ungeeignet, um dem Revisionsgericht die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Präsidiumsbeschlusses nach den durch das Bundesverfassungsgericht entwickelten verfassungsrechtlichen Kriterien zu ermöglichen (vgl. BGH, Beschl. v. 25. März 2015 — 5 StR 70/15, BeckRS 2015, 07394, Rdnr. 12).

(b) Nach der ergänzenden Stellungnahme der Präsidentin des Landgerichts zu den vom Präsidium erwogenen Gründen der Beschlussfassung hätte die vorgesehene Besetzung der 8. Strafkammer unter Einsatz des Vorsitzenden Richters am Landgericht pp. mit einem Arbeitskraftanteil von nur 20 % — gegenüber der bis dahin geltenden Besetzung mit einem Arbeitskraftanteil des für die Kammer bislang zuständigen Vorsitzenden von 40% — „bei gleichbleibenden Zuständigkeiten (…) dazu geführt, dass eine erhebliche Überlast sowohl des Richters als auch des Spruchkörpers vorgelegen hätte. Insbesondere die dort bereits anhängigen Verfahren hätten nicht in einem angemessenen Zeitraum und damit nicht mit der erforderlichen Effizienz bearbeitet werden können“. Angesichts der Bestände in der 7. Strafkammer (37 Verfahren) und der 8. Strafkammer (33 Verfahren) und der bisherigen Besetzung beider Kammern mit einem Vorsitzenden mit jeweils 40-prozentigem Arbeitskraftanteil sei dem Präsidium vorgeschlagen worden, die Bestände in der — fortan mit einem Vorsitzenden mit 80-prozentigem Arbeitskraftanteil zu besetzenden — 7. Strafkammer zu konzentrieren und der von Herrn     geleiteten 8. Strafkammer ausschließlich Neueingang zuzuweisen.

(c) Dieser Begründung für die Änderung der Geschäftsverteilung lässt sich bereits nicht entnehmen, warum überhaupt infolge des Dienstantritts des Vorsitzenden Richters am Landgericht pp. und dessen vorgesehenem Einsatz als Vorsitzender der 8. Strafkammer eine Entlastung des Spruchkörpers durch eine unterjährige Änderung der Geschäftsverteilung geboten und erforderlich gewesen sein soll („ob“ der Entlastungsmaßnahme). Insbesondere ist nicht dargetan, warum die bislang geltende Besetzung durch einen Vorsitzenden mit 40 Arbeitskraftanteil nicht beibehalten werden konnte, sondern der Arbeitskraftanteil des Vorsitzenden der 8. Strafkammer nunmehr auf 20 % verringert werden musste. Hierzu teilt die Präsidentin des Landgerichts mit, es sei vorgeschlagen worden, dass Herr    pp. den Vorsitz der Strafvollstreckungskammer mit 80 % seiner Arbeitskraft übernehme, weil der bisherige Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer, der dort mit 20 % seiner Arbeitskraft eingesetzt war, bereits seit längerem darum gebeten habe, wieder ausschließlich im Zivilbereich eingesetzt zu werden, und dass „Beisitzer aus der Kammer ausschieden“. Dass diese weitreichenden, die Belastungssituation der 8. Strafkammer erst auslösenden Besetzungsänderungen innerhalb des laufenden Geschäftsjahres zur Gewährleistung der Effizienz der Verfahrensabläufe zwingend erforderlich waren, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich.

Zu etwaigen Besonderheiten, die bei Dienstantritt eines Vorsitzenden Richters am Landgericht und dessen womöglich erstmaligem Einsatz als Strafkammervorsitzenden unter Umständen vorlagen und die im Einzelfall geeignet sein könnten, eine unterjährige Änderung der Geschäftsverteilung zu rechtfertigen (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 12. April 1978 — 3 StR 58/78, NJW 1978, 1444, 1445), verhalten sich weder die Dokumentation des Präsidiums, noch die  ergänzende Stellungnahme der Präsidentin des Landgerichts.

Darüber hinaus ist auch nicht dargelegt, weshalb aufgrund der — durch die Verringerung des Arbeitskraftanteils des Vorsitzenden erst verursachten — Belastung der 8. Strafkammer eine Verlagerung von bereits im Bestand der Kammer befindlicher Verfahren auf einen anderen Spruchkörper erforderlich und nicht mehr bis zum folgenden Geschäftsjahr aufschiebbar gewesen sein soll, nur hierdurch eine hinreichend beschleunigte Bearbeitung der bereits anhängigen Sachen gewährleistet gewesen sei und eine Anpassung des Geschäftsanfalls durch eine weitergehende Verringerung der Zuständigkeit für Neueingänge (als naheliegende Alternative) nicht ausgereicht habe (Dokumentationsmangel zum „wie“ der Entlastung). Die Präsidentin des Landgerichts hat hierzu lediglich ausgeführt, dass dem Präsidium vorgeschlagen worden sei, „die Bestände in einer Kammer zu konzentrieren“, was dazu geführt habe, dass „die von Herrn    geleitete Kammer ausschließlich für Neueingänge zuständig sein sollte, was unter Berücksichtigung der Arbeitskraftanteile sowohl in der Strafvollstreckungs-als auch in der Strafkammer vertretbar erschien“. Warum die damit vorgesehene „Bündelung der Bestandsverfahren“ in der Zuständigkeit der 7. Strafkammer und die damit verbundene unterjährige Umverteilung bereits anhängiger Verfahren notwendig und geeignet gewesen sein soll, um die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen, wird damit nicht nachvollziehbar dokumentiert; namentlich, ob nur auf diese Weise zu gewährleisten war, die Bestandsverfahren der 8. Strafkammer zeitnah zu fördern und in angemessener Zeit zu verhandeln bzw. abzuschließen.“

Nochmals zur Unverwertbarkeit von EncroChatdaten, oder: Anforderungen an die Verfahrensrüge

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Und als zweite Entscheidung dann noch ein (kleiner/kurzer) Beschluss des BGH, und zwar der BGH, Beschl. v. 20.12.2022 – 4 StR 380/22. Ergangen ist die Entscheidung in einem Verfahren wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.

Der Angeklagte hatte gegen das ihn verurteilende Urteil des LG Revision eingelegt und mit der mit der Verfahrensrüge offenbar die Unverwertbarkeit von „EncroChat-Erkenntnissen“ geltend gemacht. Ohne Erfolg. Die Verfahrensrüge war nach Auffassung des BGH (bereits) unzulässig:

„Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:

Die Verfahrensrüge, mit der die Verwertung von Daten des Kommunikationsdienstes „EncroChat“ beanstandet wird, ist auch deshalb bereits unzulässig, weil die Revision entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO Verfahrenstatsachen wie etwa die Ende März 2020 in verschiedenen Staaten mit dem Ermittlungskomplex befassten Behörden nicht bestimmt benennt (vgl. zu diesem Erfordernis allgemein MeyerGoßner/Schmitt, 65. Aufl., § 344 Rn. 24 mwN) und zudem den Inhalt einer „an die deutschen Behörden“ versandten Nachricht nur in englischer Sprache, nicht aber übersetzt in die deutsche Sprache vorträgt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 2021 4 StR 410/20 Rn. 14; Beschluss vom 30. November 2017 5 StR 455/17 Rn. 3 ff.; jew. mwN).“

StPO III: Verfahrensrüge nicht ausreichend begründet, oder: Unterlagen zur früheren Vernehmung fehlen

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Und zum Tagesschluss gibt es dann noch den BGH, Beschl. v. 03.01.2023 – 5 StR 298/22. Gegenstand der Entscheidung ist eine Verfahrensrüge, die nach Auffassung des BGH nicht ausreichend begründet war bzw. konnte der BGH – mal wieder – das Beruhen verneinen:

„Zum Gegenstand einer Verfahrensrüge hat die Revision die Ablehnung eines Beweisantrags gemacht, mit dem die Verlesung eines von der Verteidigung erstellten Zeugenfragebogens begehrt wurde, den der – zuvor in der Hauptverhandlung bereits vernommene und in allseitigem Einverständnis entlassene (§ 248 StPO) – Zeuge G. schriftlich beantwortet hatte. Die Revision sieht § 244 Abs. 3 StPO sowie die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) verletzt. Die Rüge erweist sich unter beiden Aspekten bereits als unzulässig, weil die Revision entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO weder das Protokoll der im Zeugenfragebogen in Bezug genommenen staatsanwaltschaftlichen Vernehmung des Zeugen vorgelegt noch dazu vorgetragen hat, was der Zeuge G. bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung ausgesagt hatte. Dass zu Letzterem an anderer Stelle der Revisionsbegründung Ausführungen zu finden sind, entlastet den Revisionsführer nicht (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2014 – 1 StR 75/14).

Soweit die Revision die Nichtbescheidung eines Eventualbeweisantrags auf Verlesung einer Beschuldigtenvernehmung des Zeugen Y. rügt, ist die Verfahrensrüge jedenfalls unbegründet. Unbeschadet der Frage, ob überhaupt ein Beweisantrag im Sinne des § 244 Abs. 3 StPO vorlag, beruht das Urteil nicht auf der unterbliebenen Verbescheidung, weil die Strafkammer den Antrag wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache hätte ablehnen können. Sie ist im Urteil aufgrund eines anderen Beweismittels, der Aussage eines Vernehmungsbeamten, ohnehin von dem Sachverhalt ausgegangen, den der Zeuge Y. laut dem Revisionsvortrag in seiner Beschuldigtenvernehmung bekundet hatte. Die beantragte Verlesung des zugehörigen Protokolls wäre daher ohne Einfluss auf die Überzeugungsbildung des Gerichts geblieben.“

BVerfG I: „Uns fehlen Klimaschutzmaßnahmen“, oder: Keine Verfassungsbeschwerde „für“ ein Tempolimit?

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So, und dann starten wir in die 4. KW, und zwar mit zwei Entscheidungen des BVerfG. Die stelle ich jeweils zur Abrundung und/oder wegen der Vollständigkeit vor.

Ich beginne mit dem BVerfG, Beschl. v. 15.12.2022 – 1 BvR 2146/22. Das ist der „Tempolimitbeschluss“ des BVerG, über den ja auch schon in der Tagespresse berichtet worden ist. der passt ganz gut zu meiner verkehrsrechtlichen Thematik.

Der Entscheidung liegt eine Verfassungsbeschwerde gegen aus Sicht der Beschwerdeführe unzureichende Klimaschutzmaßnahmen der Bundesrepublik Deutschland. Einen Verstoß gegen das Klimaschutzgebot des Art. 20a GG und gegen Freiheitsrechte leiten sie „exemplarisch“ daraus ab, dass der Gesetzgeber im Verkehrsrecht durch das Unterlassen eines Tempolimits keine den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechende Abwägungsentscheidung getroffen habe. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass die bislang zur Senkung des CO2-Ausstoßes im Verkehrsbereich ergriffenen Maßnahmen ausreichten, um die im Klimaschutzgesetz für den Verkehrssektor bis 2030 geregelte Emissionsmenge einzuhalten. Die Beschwerdeführenden halten es für erforderlich, die Freiheit, heute auf Autobahnen ohne Tempolimit fahren zu können, mit dem Klimaschutzpotenzial eines Tempolimits und mit künftigen, vermutlich härteren Freiheitseinbußen abzuwägen, die durch eine Verschiebung von Treibhausgasminderungsanstrengungen im Verkehrsbereich auf das Ende dieses Jahrzehnts entstünden. Die aktuellen Freiheitseinbußen eines jetzt einzuführenden Tempolimits seien gegenüber den damit zu erreichenden CO2-Einsparungen gering.

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen:

„2. Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Sie genügt den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Begründungsanforderungen nicht.

Die Beschwerdeführenden haben die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht hinreichend dargelegt. Zwar gewinnt das im Klimaschutzgebot des Art. 20a GG enthaltene Ziel der Herstellung von Klimaneutralität bei fortschreitendem Klimawandel in allen Abwägungsentscheidungen des Staates weiter an relativem Gewicht (vgl. BVerfGE 157, 30 <139 Rn. 198>). Dies gilt nicht nur für Verwaltungsentscheidungen über klimaschutzrelevante Vorhaben, Planungen et cetera, sondern auch für den Gesetzgeber, dem die Beschwerdeführenden hier im Kern vorwerfen, Maßnahmen, die im Verkehrsbereich alsbald die emittierte CO2-Menge senken könnten, in Abwägung mit anderen Belangen kein hinreichendes Gewicht beigemessen zu haben.

Zwar kann mit der Verfassungsbeschwerde unter bestimmten Voraussetzungen auch mittelbar ein Verstoß gegen Art. 20a GG gerügt werden. Das ist denkbar, wenn sich Beschwerdeführende gegen einen Eingriff in Grundrechte wenden, weil dieser verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt werden könnte, wenn die zugrunde liegenden Regelungen den elementaren Grundentscheidungen und allgemeinen Verfassungsgrundsätzen des Grundgesetzes entsprechen, zu denen auch das Klimaschutzgebot des Art. 20a GG zählt (vgl. BVerfGE 157, 30 <133 f. Rn. 189 f.>).

Die Beschwerdeführenden haben jedoch die Möglichkeit eines Grundrechtseingriffs nicht aufgezeigt. Sie legen insbesondere nicht substantiiert dar, dass gesetzliche Regelungen oder gesetzgeberisches Unterlassen im Verkehrssektor, hier das Fehlen eines Tempolimits, eingriffsähnliche Vorwirkung auf ihre Freiheitsgrundrechte entfalten könnten, indem sie zu einem späteren Zeitpunkt unausweichlich zu aus heutiger Sicht unverhältnismäßigen staatlichen Beschränkungen grundrechtlich geschützter Freiheit führten (vgl. dazu BVerfGE 157, 30 <98 ff. Rn. 118 ff.; 131 ff. Rn. 184 ff.>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Januar 2022 – 1 BvR 1565/21 u.a. -, Rn. 4, 9, 12). Dafür muss sich die Verfassungsbeschwerde grundsätzlich gegen die Gesamtheit der zugelassenen Emissionen richten, weil regelmäßig nur diese, nicht aber punktuelles Tun oder Unterlassen des Staates die Reduktionlasten insgesamt unverhältnismäßig auf die Zukunft verschieben könnte (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Januar 2022 – 1 BvR 1565/21 u.a. -, Rn. 12 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Auch der Vortrag der Beschwerdeführenden, im Verkehrssektor werde es am Ende dieses Jahrzehnts zu erheblichen Freiheitsbeschränkungen kommen, weil die im Klimaschutzgesetz bis zum Jahr 2030 dem Verkehrssektor zugewiesene Emissionsmenge aktuell zu schnell aufgezehrt werde, vermag eine eingriffsähnliche Vorwirkung des Unterlassens eines Tempolimits nicht zu begründen. Sie haben schon ihre Annahme, das dem Verkehrssektor bis zum Jahr 2030 zugewiesene Emissionsbudget werde überschritten, nicht näher belegt. Außerdem haben sie weder dargelegt, dass am Ende dieses Jahrzehnts Treibhausgasminderungen in der von ihnen unterstellten Höhe auch von Verfassungs wegen unausweichlich gerade im Verkehrssektor erbracht sein müssen, noch dass weitergehende aktuelle Einsparungen gerade durch ein Tempolimit erzielt werden müssten.“