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BGH II: Beweisantrag nach Ablauf einer gesetzten Frist, oder: Fristsetzung muss nicht begründet werden

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Und dann die zweite Entscheidung, der BGH, Besch. v. 10.01.2024 – 6 StR 276/23 – zu der (neuen) Vorschrift des § 244 Abs. 6 Satz 3 SzPO, also Fristsetzung zur Stellung eines Beweisantrages.

Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren, in dem mehreren Angeklagten Diebstahl vorgeworfen worden ist. Zwei der Angeklagten haben ihre Revisonen gegen ihre Verurteilungen auch mit der Verfahrensrüge begründet und zu deren Begründung folgendes Verfahrensgeschehen beanstandet:

Der Vorsit­zende der Strafkammer hatte am 11. Hauptverhandlungstag den Verfahrensbeteiligten eine Frist bis 11.07.2022 gesetzt, um Beweisanträge zu stellen. Diese Anordnung wurde auf Initiative der Verteidigung mehrfach verlängert. Am 15. Hauptverhandlungstag, an welchem diese Frist ablief, beantragte der Verteidiger des einen Angeklagten, ein Sachverständigengutach­ten einzuholen.

Die Strafkammer lehnte den Antrag am 04.10.2022 (16. Hauptverhand­lungstag) ab. Nach Ablauf der vom Vorsitzenden gesetzten Frist stellte der Verteidiger dieses Angeklagten am 17. Hauptverhandlungstag drei Beweisanträge. Am folgenden Sitzungstag gab der Vorsitzende bekannt, dass die Straf­kammer diese Anträge erst im Urteil bescheiden werde. Dies beanstandete der Verteidiger des Angeklagten. Die Strafkammer wies die Beanstandung zurück und lehnte die Anträge in den schriftlichen Urteilsgründen wegen Bedeutungslosigkeit ab. Die Revisionen der Angeklagten blieben hinsichtlich dieses Verfahrensgeschehens erfolglos:

„3. Die Strafkammer hat durch die Bescheidung der drei nach Fristablauf gestellten Anträge in den Urteilsgründen § 244 Abs. 6 Satz 1 StPO nicht verletzt.

a) Der Vorsitzende hat die Frist nach § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO wirksam gesetzt. Hierfür war – entgegen dem Revisionsvorbringen – der konkrete Verdacht einer Verschleppungsabsicht nicht erforderlich. Der Senat schließt sich der Ansicht und Begründung des 3. Strafsenats an (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2023 – 3 StR 160/22, Rn. 18 ff. mwN).

b) Der Beschwerdeführer beanstandet zudem ohne Erfolg, dass der Vorsitzende seine Anordnung nach § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO nicht begründet hat.

aa) Bei der Fristbestimmung nach § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO handelt es sich um eine Prozesshandlung des Vorsitzenden in Ausübung seiner Sachleitungsbefugnis (§ 238 Abs. 1 StPO), für die weder Gesetzeswortlaut noch systematische Erwägungen eine Begründung verlangen. Anderes folgt auch nicht aus § 34 StPO, weil die Anordnung nicht mit einem Rechtsmittel anfechtbar ist. Schließlich ergibt die Entstehungsgeschichte der Norm keine Anhaltspunkte für eine Begründungspflicht. Die Regelungen des § 244 Abs. 6 Sätze 3 bis 5 StPO wurden mit dem Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3202) – damals als Sätze 2 bis 4 – geschaffen. Der zugrundeliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks. 18/11277) enthält keine Ausführungen zu einem etwaigen Begründungserfordernis. Im Gegenteil lässt sich dem Reformgesetz die Bestrebung entnehmen, dem Vorsitzenden nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme die Bestimmung einer Frist für die Stellung weiterer Beweisanträge gerade zum Zwecke einer effizienten Verfahrensführung zu ermöglichen. Eine in jedem Fall notwendige Begründung liefe der erstrebten zügigen Verfahrensweise zuwider.

bb) Diese Auslegung korrespondiert mit der Tatsache, dass die Fristbestimmung an keine begründungsbedürftigen prozessualen Voraussetzungen oder Anlässe, etwa Anhaltspunkte für Verfahrensverschleppung, geknüpft ist (vgl. MüKo-StPO/Trüg/Habetha, 2. Aufl., § 244 Rn. 185j; aA LR/Becker, aaO, § 244 Rn. 359i; Krehl in FS Fischer, 2018, S. 705, 708; Schneider, NStZ 2019, 489, 493). Schließlich sind Ausführungen dazu, dass im Zeitpunkt der Anordnung die von Amts wegen vorgesehenen Beweiserhebungen abgeschlossen sind, ebenfalls nicht veranlasst. Denn die Fristsetzung ist erst ab diesem Verfahrensstand möglich. Mit ihr kommt stets zugleich zum Ausdruck, dass aus Sicht des Vorsitzenden der Amtsaufklärungspflicht genügt worden ist (vgl. Schneider, aaO, 492).

cc) Dies entspricht im Übrigen den für sitzungsleitende Anordnungen allgemein geltenden rechtlichen Maßgaben (§ 238 Abs. 1 StPO). Bei diesen werden Vorsitzenden vielfach Freiräume in der Gestaltung zugebilligt (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 1996 – 4 StR 737/95, BGHSt 42, 73), deren Nutzung im Interesse einer straffen Durchführung der Hauptverhandlung grundsätzlich nicht schriftlich zu begründen ist.

dd) Vor diesem Hintergrund ist eine Begründung auch aus Fairnessgründen nicht geboten. Die Verfahrensbeteiligten können mittels des Zwischenrechtsbehelfs gemäß § 238 Abs. 2 StPO jederzeit eine gerichtliche Überprüfung erwirken, die im Falle der Bestätigung der Anordnung zu begründen ist. Anders als etwa bei der Zurückweisung von Fragen nach § 241 StPO (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Mai 1975 – 5 StR 204/75, MDR 1975, 726; vom 6. März 1990 – 5 StR 71/90, BGHR StPO § 241 Abs. 2 Zurückweisung 3; LR/Becker, aaO, § 241 Rn. 22; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 241 Rn. 17; KK-StPO/Schneider, 9. Aufl., § 241 Rn. 14), kann sich insbesondere der verteidigte Angeklagte bei § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO überdies auch ohne Begründung auf die neue Prozesslage einstellen.

ee) Aus denselben Erwägungen muss schließlich auch die Dauer der bestimmten Frist regelmäßig nicht begründet werden (aA Schlothauer, FS Fischer, 2018, S. 819, 826). Dies gilt erst recht, wenn sich diese erkennbar an der Frist des § 217 StPO oder aber, im Ausnahmefall, an der gesetzlichen Höchstdauer einer Unterbrechung nach § 229 Abs. 1 StPO orientiert.

c) Die Beschwerdeführer dringen auch mit der weiteren Beanstandung nicht durch, sie seien bei der Bestimmung der Frist nicht auf die Rechtsfolgen einer nach Fristablauf erfolgten Antragstellung hingewiesen worden. Eine Hinweis- oder gar Belehrungspflicht liegt schon mit Blick auf hierfür fehlende Anhaltspunkte in Wortlaut und Systematik der Vorschrift fern. Sie ist jedenfalls beim verteidigten Angeklagten nicht geboten. Der rechtskundige Verteidiger wird – wie hier – die entsprechende Sachleitungsverfügung des Vorsitzenden kritisch am Gesetzeswortlaut überprüfen und sie gegebenenfalls beanstanden (§ 238 Abs. 2 StPO; vgl. Basdorf, StV 1997, 489, 490; Ventzke, NStZ 2005, 396). Abgesehen davon hat der Vorsitzende den Angeklagten vor Schluss der Beweisaufnahme (§ 258 Abs. 1 Satz 1 StPO) die gerichtliche Entscheidung mitgeteilt, dass die drei nach Fristablauf gestellten Beweisanträge im Urteil beschieden werden würden.

d) Es bedarf keiner Entscheidung, ob die von Amts wegen vorgesehene Beweisaufnahme (vgl. § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO) im Zeitpunkt der Fristbestimmung abgeschlossen war, weil dies nicht beanstandet wurde. Eingedenk der im Übrigen präzise bezeichneten Verfahrensbeanstandungen und des insoweit vollständigen Vortrags der rügebegründenden Tatsachen schließt der Senat aus, dass die Beschwerdeführer auch eine Rüge mit der bezeichneten Angriffsrichtung erheben wollten. Ihm wäre im Übrigen eine dahingehende Prüfung deshalb unmöglich, weil nicht mit der notwendigen Bestimmtheit (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) ausgeführt wird, dass die Beweisaufnahme zum maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich nicht abgeschlossen gewesen wäre. Unabhängig davon könnte der Senat der überwiegenden Ansicht im Schrifttum nicht beitreten, die dafür auch die Bescheidung sämtlicher gestellter Beweisanträge als notwendig ansieht (vgl. BeckOK-StPO/Bachler, 49. Ed., § 244 Rn. 30; LR/Becker, aaO, § 244 Rn. 358g; MüKo-StPO/Trüg/Habetha, aaO, 9244 Rn. 185i; KK-StPO/Krehl, aaO, § 244 Rn. 87b; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 244 Rn. 95b; Mosbacher, NStZ 2018, 9, 10; Schneider, aaO, 493).

aa) Bereits der Gesetzeswortlaut gibt Anlass zu einer zumindest differenzierten Sichtweise. Anders als bei § 258 Abs. 1 StPO (vgl. Schlothauer, aaO, S. 823) ist nach § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO der Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme maßgeblich. Damit ist gesetzlich ein tragfähiger Anhalt dafür gegeben, hierfür allein den durch § 244 Abs. 2 StPO verlangten gerichtlichen Beweis zu verstehen. Verdeutlicht wird dies überdies durch das Partizip „vorgesehen“; hierdurch wird die Erledigung des durch den Vorsitzenden bereits zu Beginn des Hauptverfahrens (vgl. § 214 Abs. 1 und 2, §§ 221, 222 StPO) geplanten und strukturierten (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2021 – 3 StR 300/20, BGHSt 66, 96, 99), oder aber in späterer Prozesslage modifizierten Beweisprogramms (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2023 – 3 StR 160/22 Rn. 9; Krehl in FS Fischer, 2018, S. 705, 708; Schlothauer, aaO, S. 824; Schneider, aaO, 491) in Bezug genommen.

bb) Dieses restriktive Begriffsverständnis wird durch das Ergebnis einer gesetzessystematischen Betrachtung bestätigt. Im Anschluss an § 243 StPO regelt § 244 Abs. 1 StPO den weiteren Ablauf der Hauptverhandlung, in der das Gericht – in den Grenzen des § 244 Abs. 2 StPO – mit den zulässigen Beweismitteln des Strengbeweises die tatsächlichen Grundlagen seiner Entscheidung schafft. Hingegen behandelt § 244 Abs. 3 bis 5 StPO, auf welche Art und Weise und in welchem Umfang die Verfahrensbeteiligten auf das gerichtliche Beweisprogramm Einfluss nehmen und einen geltend gemachten Beweiserhebungsanspruch durchsetzen können. Ein Antrag nach § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO kann als Prozesserklärung eines Verfahrensbeteiligten eine Beweiserhebung über das vom Gericht für erforderlich und ausreichend Gehaltene (§ 244 Abs. 2 StPO) hinaus erzwingen. Der noch nicht beschiedene oder abgelehnte Antrag selbst ist allerdings weder in formeller noch in materieller Hinsicht Teil der Beweisaufnahme.

cc) Für dieses Verständnis der Norm sprechen auch ihr Sinn und Zweck. Bei der teleologischen Auslegung ist zu berücksichtigen, dass die Fristsetzung nach § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO dem Tatgericht ermöglichen soll, nach Durchführung der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme den Abschluss des Verfahrens zügig herbeizuführen (vgl. BT-Drucks. 18/11277 S. 34; BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2023 – 3 StR 160/22 Rn. 33). Dieser Zweck würde konterkariert, wenn die Verfahrensbeteiligten die Fristbestimmung durch sukzessives Anbringen von Beweisanträgen (vgl. Niemöller, JR 2010, 332; Tully, ZRP 2014, 45, 46) vereiteln könnten (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2023 – 3 StR 160/22 Rn. 27, 33). Dass diese Besorgnis eines verzögerten Verfahrensabschlusses in einer vorangerückten Prozesslage nicht etwa fernliegt, vermag der Senat auch den hier von der Revision mitgeteilten Tatsachen zu entnehmen. In ihrem Beschluss vom 29. Juli 2022 stellte die Strafkammer dar, dass der Verteidiger des Beschwerdeführers S.          auf Nachfrage angegeben habe, „er könnte bereits vorbereitete Beweisanträge stellen, werde dies aber ggf. auch erst später tun“.

e) Das Landgericht ist schließlich auch ohne Rechtsfehler zu der Auffassung gelangt, dass eine fristgerechte Antragstellung nicht gemäß § 244 Abs. 6 Satz 4 Halbsatz 2 StPO unmöglich war.

aa) Stellt ein Verfahrensbeteiligter nach Fristablauf einen Beweisantrag, sind mit diesem die Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, welche die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben (§ 244 Abs. 6 Satz 5 StPO).

bb) Dem wird der in den Beweisanträgen enthaltene Tatsachenvortrag nicht gerecht.

(1) Die Beschwerdeführer machen geltend, dass mit den drei verspäteten Beweisanträgen auf den Beschluss vom 4. Oktober 2022 reagiert worden sei, mit dem der – vor Fristablauf gestellte – Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens abgelehnt worden war. Erst die Begründung des Ablehnungsbeschlusses habe sie in die Lage versetzt, Beweisanträge im Hinblick auf die Konkretisierung des Tatzeitraums, des genauen Standortes des Lkw sowie zu den örtlichen Begebenheiten zu stellen.

(2) Der damit allein vorgetragene Hinweis auf die Begründung des Ablehnungsbeschlusses (§ 244 Abs. 6 Satz 1 StPO) erweist sich zum Beleg der Unmöglichkeit einer Antragstellung vor Fristablauf als unzureichend.

Es bleibt schon offen, warum die Beschwerdeführer nicht bereits mit dem fristgerecht gestellten Beweisantrag die Anknüpfungstatsachen für das Sachverständigengutachten entweder – als Ergebnis eigener Nachforschungen – mitgeteilt oder aber unter Beweis gestellt haben. Dass die nunmehr vorgebrachten Tatsachen für die begehrte Tatrekonstruktion von Bedeutung sein würden, lag bereits im Zeitpunkt der Antragstellung auf der Hand.

Im Übrigen ist die hiesige Konstellation entgegen dem Revisionsvorbringen auch mit einem Wiedereintritt in die Beweisaufnahme (vgl. BT-Drucks. 18/11277 S. 35; BVerfG, StV 2020, 805; BGH, Beschluss vom 21. April 2021 – 3 StR 300/20, BGHSt 66, 96, 97, 102; BeckOK-StPO/Bachler, aaO, § 244 Rn. 30; MüKo-StPO/Trüg/Habetha, aaO, 9244 Rn. 185y mwN) nicht vergleichbar. Die Strafkammer hat mit ihrem Ablehnungsbeschluss nach § 244 Abs. 6 Satz 1 StPO lediglich eine durch Prozesserklärung der Beschwerdeführer erwirkte Entscheidung getroffen. Der durch den fristgerecht gestellten Antrag ausgelösten Begründungspflicht (§ 244 Abs. 6 Satz 1 StPO) hat die Strafkammer entsprochen, nicht aber dadurch die Frist nach § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO nachträglich teilweise desavouiert. Dem vom Beschwerdeführer im Kern geltend gemachten Anspruch auf die Fortführung des „formalisierten Dialogs“ steht die wirksam gesetzte Frist des Vorsitzenden gerade entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2021 – 3 StR 300/20, BGHSt 66, 96, Rn. 16).

(3) Soweit das Revisionsvorbringen überdies auf eine den Beweisanträgen an einem der folgenden Sitzungstage im Rahmen einer unstatthaften Beanstandung (§ 238 Abs. 2 StPO; vgl. aber auch BVerfG, aaO) nachgeschobene Erklärung Bezug nimmt, durfte die Strafkammer deren Inhalt unberücksichtigt lassen, weil diese Tatsachen nicht zugleich mit den Beweisanträgen, sondern verspätet vorgebracht wurden (vgl. § 244 Abs. 6 Satz 5 StPO). Bereits der Gesetzeswortlaut legt nahe, dass ein Nachschieben von Gründen im Rahmen des § 244 Abs. 6 Satz 5 StPO nicht zulässig ist (vgl. zu den anderslautenden Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO LR/Stuckenberg, aaO, § 244 Rn. 359r; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 244 Rn. 98; Mosbacher, NStZ 2018, 9, 12; Schneider, NStZ 2019, aaO, 500).

Ungeachtet dessen war dieses Vorbringen auch in der Sache ungeeignet, die Unmöglichkeit der Fristeinhaltung zu belegen. Zum einen wird damit kein tragfähiger prozessualer Anlass für die Unmöglichkeit einer fristgerechten Antragstellung vorgebracht; insbesondere begründete die vom Landgericht in seinem Ablehnungsbeschluss erwähnte Möglichkeit eines auch im Fall II.2 eingesetzten weiteren Lkw keine Hinweispflicht (vgl. BGH, Beschluss vom 30. August 2022 – 5 StR 153/22 Rn. 5; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 244 Rn. 97; nachstehend 5.). Zum anderen zielen die drei Beweisbegehren nicht auf diesen Umstand ab, sondern auf das Verschaffen weiterer, von der Anzahl eingesetzter Fahrzeuge unabhängiger Beweistatsachen.

f) Durch dieses Ergebnis wird der Anspruch auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren nicht verletzt (vgl. zu etwaigen Bedenken BverfG, StV 2020, 805). Den Verfahrensbeteiligten wird durch die Fristsetzung nach § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO die Möglichkeit nicht genommen, Beweisanträge zu stellen, über die das Gericht befinden muss. Beschränkt wird allein der Anspruch, etwaige Ablehnungsgründe noch vor Abschluss der Beweisaufnahme zu erfahren. Vor dieser Begrenzung erhalten die Beteiligten angesichts der Fristsetzung Gelegenheit, in der Hauptverhandlung zu bescheidende Beweisanträge zu stellen. Machen sie hiervon nicht Gebrauch, liegt dies in ihrem Verantwortungsbereich. Ergibt sich allerdings aus erneuten Beweiserhebungen oder gerichtlichen Hinweisen nach Fristablauf das Bedürfnis weiterer Beweisanträge, ist gewährleistet, dass darüber wie sonst auch noch während der Hauptverhandlung befunden wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. April 2021 – 3 StR 300/20, BGHSt 66, 96 Rn. 23; vom 30. August 2022 – 5 StR 153/22 Rn. 5).

4. Die Verfahrensrügen, mit denen die Ablehnung der drei nach Fristablauf gestellten Beweisanträge in den Urteilsgründen als bedeutungslos beanstandet wird (§ 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO), bleiben – auch aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts – ebenfalls ohne Erfolg. Das Landgericht hat sämtliche Beweisanträge rechtsfehlerfrei beschieden.

Vollstreckung I: Erledigung der Unterbringung, oder: Bezug auf unbekannten Vermerk ist keine Begründung

entnommen wikimedia.org
Urhber: Hichhich – Eigenes Werk

Ich hoffe, alle haben das Osterfest gut überstanden, hier oben war es ein sehr regenreiches Fest. Nun ja, muss man durch.

Ich bringe heute dann drei OLG-Entscheidungen aus dem Strafvollstreckungverfahren. Die Thematik ist mal wieder dran.

Den Opener mache ich mit dem OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.02.2024 – III-1 Ws 31/24 -ergangen in einer Maßregelvollzugsache.

Das LG hatte den Verurteilten am 07.02.2022 wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Maßregel wird nach Untersuchungs- und Organisationshaft seit dem 9. Juni 2022 ivollzogen.

Nachdem die Klinik, in der der Verurteilte untergebracht ist,  zunächst über einen positiven Behandlungsverlauf berichtet hatte, regte sie vor dem Hintergrund eines Suchtmittelrückfalls des Verurteilten mit Kokain sowie synthetischen Cannabinoiden in einer Stellungnahme vom 06.09.2023 die Erledigung der Maßregel wegen „Aussichtslosigkeit“ an. Auf den der ärztlichen Anregung entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft hat die StVK  den Verurteilten mündlich angehört sowie am 12.12.2023 hierüber einen Vermerk verfasst und durch Beschluss vom gleichen Tage die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt erklärt, insoweit die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung abgelehnt, eine Rückführung des Verurteilten in den Strafvollzug nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses angeordnet  und ferner Begleitanordnungen zu der von Gesetzes wegen eintretenden Führungsaufsicht getroffen. Die Entscheidung zur Erledigung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat die Strafvollstreckungskammer wie folgt gerechtfertigt:

„Die Kammer hat einen Anhörungstermin auf den 07.12.2023 bestimmt. Im Rahmen dieser Anhörung hat sich der Eindruck bestätigt, dass die Unterbringung für erledigt zu erklären sei. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf den Vermerk der Anhörung verwiesen.“

Dagegen die sofortige Beschwerde des Verurteilten, die Erfolg hatte:

„1. Der angefochtene Beschluss ist entgegen § 34 StPO nicht begründet worden, sondern erschöpft sich hinsichtlich der „Begründung“ der Erledigung der Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt in einer Bezugnahme auf einen – weder dem Beschwerdeführer noch seiner Verteidigerin bekanntgemachten – Vermerk über die am 7. Dezember 2023 erfolgte Anhörung des Verurteilten. Damit ist die Strafvollstreckungskammer der ihr obliegenden Verpflichtung, eine eigenständige Prognoseentscheidung im Sinne der § 67d Abs. 5 i.A. § 64 Satz 2 StGB n.F. zutreffen, in keiner Weise gerecht geworden. So lässt die „Begründung“ bereits die rechtlichen Erwägungen (zu diesem Erfordernis MüKo-Valerius, StPO, 2. Auflage [2023], § 34 Rdnr. 9) nicht erkennen, auf denen die Entscheidung beruht. Die Entscheidung lässt jegliche Subsumtion des Sachverhalts unter die in Betracht kommenden gesetzlichen Vorschriften vermissen. Ferner sind auch das in Bezug genommene Anhörungsprotokoll sowie das Bemerken der Kammer, „[i]m Rahmen dieser Anhörung hat sich der Eindruck bestätigt, dass die Unterbringung für erledigt zu erklären sei“, letztlich inhaltsleer, denn weder sind insofern eigene prognostische Erwägungen der Kammer erkennbar noch wird der von der Kammer im Rahmen der mündlichen Anhörung gewonnene – offenbar als mitentscheidungserheblich erachtete – persönliche Eindruck von dem Beschwerdeführer in einer für den Senat nachvollziehbaren Weise dargestellt. Zuletzt setzt sich der Beschluss auch nicht ansatzweise mit der in dem Anhörungsprotokoll angedeuteten aktuellen Lebenssituation des Verurteilten sowie der in diesem Zusammenhang geäußerten Argumentation seiner Verteidigerin auseinander. Dies lässt zudem Zweifel daran aufkommen, ob das Recht des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör, dessen Verwirklichung die mündliche Anhörung dienen soll, gewahrt wurde. Die Ausführungen der Kammer verfehlen damit gänzlich die an eine Entscheidung nach § 67d Abs. 5 StGB zu stellenden Begründungserfordernisse. Sie lassen jegliche Auseinandersetzung mit der Frage vermissen, ob bei der gebotenen Gesamtschau des bisherigen Behandlungsverlaufs eine mit therapeutischen Mitteln des Maßregelvollzugs nicht mehr aufbrechbare Behandlungsunwilligkeit oder Behandlungsunfähigkeit des Verurteilten vorliegt (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss 1 Ws 304/19 vom 22. Januar 2020 in: BeckRS 2020, 16399 Rdnr. 19).

2. Der vorbezeichnete Verfahrensfehler zwingt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung über die Erledigung des Maßregelvollzugs mangels Erfolgsaussicht. Hierdurch werden die weiteren Anordnungen im angefochtenen Beschluss gegenstandslos. Dies gilt auch für die Ablehnung der Aussetzung der Vollstreckung der noch offenen Reststrafe zur Bewährung (Nr. 6 des angefochtenen Beschlusses), denn auch insoweit kann erst dann eine Entscheidung getroffen werden, wenn feststeht, dass die nach § 67 Abs. 1 StGB vorab zu vollziehende Maßregel nicht weiter zu vollstrecken ist.

3. Der Senat sieht abweichend von § 309 Abs. 2 StPO von einer eigenen Entscheidung ab und verweist die Sache an die Strafvollstreckungskammer zurück. Außerhalb der Hauptverhandlung ergangene Entscheidungen, die nicht nur mangelhaft, sondern — wie hier — überhaupt nicht begründet worden sind, unterliegen der Zurückweisung an das erstinstanzlich zuständige Gericht (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss 1 Ws 92/15 vom 6. Juli 2015 in: BeckRS 2015, 12793 Rdnr. 19; OLG Oldenburg NJW 1971, 1098, 1099; KK-Schneider-Glockzin, StPO, 9. Auflage [2023], § 34 Rdnr. 11). Die Inhaltsleere der „Beschlussbegründung“ gibt dem Senat nämlich Anlass zu der Besorgnis, dass die Kammer der ihr obliegenden Pflicht zur Anstellung einer eigenen Prognoseentscheidung nicht nachgekommen, sondern ohne eigene Sachprüfung der ärztlichen Anregung sowie dem Erledigungsantrag der Staatsanwaltschaft gefolgt ist. Bei dieser Sachlage ist der Senat an einer eigenen Sachentscheidung gehindert, denn diese würde im Ergebnis eine Kompetenzverlagerung darstellen und der Senat würde praktisch in erster Instanz tätig werden. Es versteht sich indes von selbst, dass eine derartige Kompetenzverlagerung nicht in Betracht kommen kann (vgl. hierzu OLG Gelle, Beschluss 2 Ws 18/20 vom 27. Januar 2020 Rdnr. 9 <juris>; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2011, 325, 326).“

StPO II: Schwurgericht auf Schöffen-/Schöffinnensuche, oder: Statthaftes Vorabentscheidungsverfahren?

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Und dann als Mittagslektüre der OLG Köln, Beschl. v. 16.02.2024 – 2 Ws 58-61/24. Thematik: Vorabentscheidungsverfahrens nach § 222b Abs. 3 StPO.

Folgender Verfahrensgang Folgendes: Das Schwurgericht des LG hatte den Angeklagten u.a.  wegen Totschlags verurteilt. Auf die Revision der Nebenkläger hat der BGH das Urteil des LG Köln aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Der Vorsitzende der nunmehr zuständigen Schwurgerichtskammer hat dann om 12.01.2024 bis zum 12.04.2024 22 Termine zur Durchführung der Hauptverhandlung anberaumt. Als Hauptschöffin war u. a. die Krankenschwester F. G. dem Verfahren zugelost worden und per Postzustellungsurkunde vom 07.12.2023 ordnungsgemäß geladen worden. Die erscheint am 12.01.2024 nicht. Es gelingt dann die Kontaktaufnahme. Die Schöffin teilt mit, sie habe bei Gericht angerufen und mitgeteilt, sie sei aufgrund ihrer Arbeitstätigkeit an der Terminswahrnehmung gehindert und habe daher ihre Teilnahme „abgesagt“. Sie teilt außerdem mit, sie sei durch ihre Arbeitstätigkeit verhindert. Sie könne zwar zum Hauptverhandlungstermin noch nachträglich erscheinen, aber alle Hauptverhandlungstermine könne sie unmöglich wahrnehmen, da ihr Chef damit nicht einverstanden sei.

Der Vorsitzende hat dann verfügt, die Schöffin G. werde von ihrer Dienstleistung in der Hauptverhandlung nach § 54 Abs. 2 S. 2 StPO entbunden. Nach der Entpflichtung der Schöffin G. ist der Strafkammer um 11:29 Uhr als nächste bereite Schöffin von der Ersatzschöffenliste Frau V. P. zugewiesen worden. Da die Schöffin P. in einem sogleich durch den Vorsitzenden geführten Telefonat mitgeteilt hat, sie befinde sich vom 16.02. bis 26.02.2024 auf einer Schiffsreise, hat der Vorsitzende daraufhin vermerkt und verfügt, die Ersatzschöffin P. werde von ihrer Dienstleistung gemäß § 54 Abs. 1 S. 2 StPO entbunden. Die Reise der Schöffin betreffe vier Hauptverhandlungstage. Da diese mit umfangreichem Beweisprogramm und der Vernehmung des psychiatrischen Sachverständigen belegt seien, komme eine Aufhebung der Hauptverhandlung nicht in Betracht.

Nach der Entpflichtung der Hilfsschöffin P. ist der Strafkammer die Schöffin Z. um 11:45 Uhr als Ersatzschöffin zugewiesen worden. Nach Wiederbeginn der Hauptverhandlung um 14:00 Uhr hat die Schöffin Z. der Hauptverhandlung beigewohnt.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 19.01.2024, eingegangen beim LG über das beA am selben Tag, hat der Angeklagte die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts mit der Schöffin E. F. Z. gerügt. Er ist der Ansicht, die Schöffin F. G. sei die richtige gesetzliche Richterin, da eine Entpflichtung nach § 54 Abs. 2 GVG zu Unrecht erfolgt sei. Das Gericht habe die wesentlichen Voraussetzungen einer Unerreichbarkeit im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 2 GVG verkannt.

Das LG hat den Besetzungseinwand als unbegründet zurückgewiesen. Der Einwand hatte dann auch beim OLG keinen Erfolg:

„Die Besetzungseinwände haben keinen Erfolg.

Das Vorabentscheidungsverfahren nach § 222b Abs. 3 StPO erweist sich auf der Grundlage der dem Senat unterbreiteten Sachlage für den Angeklagten bzw. die Nebenkläger 1) – 3) als nicht statthaft. Aufgrund des Rügevortrags kann der Senat nicht davon ausgehen, dass eine auf die Schöffin Z. bezogene Besetzungsmitteilung nach § 222a Abs. 1 StPO spätestens bis zu dem Beginn der Hauptverhandlung erfolgt ist.Gemäß § 222b Abs. 1 S. 2 StPO sind bei der Geltendmachung des Einwands, dass das Gericht vorschriftswidrig besetzt sei, die Tatsachen anzugeben, aus denen sich die vorschriftswidrige Besetzung ergeben soll. Das Vorabentscheidungsverfahren nach § 222b Abs. 3 StPO soll im Wesentlichen an das Revisionsverfahren angelehnt sein (BT-Drucks. 19/14747, S. 29). Das hat zur Folge, dass der Besetzungseinwand in der gleichen Form geltend zu machen ist wie die als Verfahrensrüge ausgestaltete Besetzungsrüge der Revision nach Maßgabe von § 344 Abs. 2 StPO (vgl. SenE v. 21.06.2021, 2 Ws 296/21; SenE v. 11.12.2020, 2 Ws 680/20; SenE v. 27.08.2020, 2 Ws 464/20; OLG Hamm, Beschl. v. 18.08.2020, III-1 Ws 325/20; OLG Bremen, Beschl. v. 14.04.2020, 1 Ws 33/20; KG Berlin, Beschl. v. 01.03.2021, 4 Ws 14/21; OLG München, Beschlüsse v. 12.02.2020, 2 Ws 138-139/20, und v. 10.03.2020, 2 Ws 283/20; OLG Celle, Beschl. v. 27.01.2020, 3 Ws 21/20; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 03.11.2021, 1 Ws 73/21; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 222b Rdn. 6). Der Besetzungseinwand muss ohne Bezugnahmen und Verweisungen (vgl. BGH, Urteil v. 04.09.2014, 1 StR 75/14; Schmitt a.a.O.) aus sich heraus Inhalt und Gang des bisherigen Verfahrens so konkret und vollständig wiedergeben, dass eine abschließende Prüfung durch das nach § 222b Abs. 3 S. 1 StPO zuständige Rechtsmittelgericht ermöglicht wird. Denn es ist nicht Aufgabe des Senats im Vorabentscheidungsverfahren gemäß § 222b Abs. 3 StPO, das revisionsrechtlichen Grundsätzen folgt, den Revisionsvortrag aus anderen Unterlagen zusammenzufügen oder zu ergänzen (vgl. BGH, Urteil v. 04.09.2014, 1 StR 75/14). Dabei sind als erforderlicher Inhalt des Besetzungseinwands auch Angaben anzusehen, aus denen sich dessen Statthaftigkeit ergibt. Widrigenfalls bedürfte es des bei einer revisionsähnlichen Ausgestaltung des Vorabentscheidungsverfahrens nicht zulässigen Rückgriffs auf die Akten, um dem Rechtsmittelgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob der Besetzungseinwand in statthafter Weise in Bezug auf eine spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung erfolgende Besetzungsmitteilung erhoben wurde (OLG Bremen, Beschl. v. 14.04.2020, 1 Ws 33/20).

Dem Rügevorbringen des Angeklagten, dem sich die beteiligten Nebenkläger lediglich ohne eigenen Sachvortrag angeschlossen haben, ist indes nicht zu entnehmen, dass spätestens bis zur Vernehmung des Angeklagten zur Person nach § 243 Abs. 2 S. 2 StPO (vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts im Rahmen der §§ 222a, 222b: BGH, Urteil v. 12.07.2001, 4 StR 550/00; BVerfG, Beschl. v. 19.03.2003, 2 BvR 1540/01) eine Besetzungsmitteilung erfolgt ist, die sich (auch) auf die Schöffin Z. bezog. Der Vortrag beschränkt sich vielmehr darauf, die Umstände darzulegen, die letztlich zu ihrer Zuweisung zu der Strafkammer führten, und mitzuteilen, dass sie seit „Sitzungsbeginn“ um 14:00 Uhr des 12.01.2024 an der Hauptverhandlung teilnehme.

Dabei kann dem Vortrag bereits nicht entnommen werden, ob die Hauptverhandlung vor dem Eintritt der Schöffin Z. schon durch Aufruf der Sache im Sinne des § 243 Abs. 1 S. 1 StPO begonnen hatte und nach § 229 StPO unterbrochen worden war. In diese Richtung deutet allerdings die in der Rügeschrift verwendete Formulierung, der Vorsitzende habe „nach Unterbrechung der Hauptverhandlung zunächst bis 10:45 Uhr“ das Tätigwerden einer Polizeistreife veranlasst. In diesem Fall wäre bereits fraglich, ob eine nach dem Aufruf der Sache eingetretene, gegenüber einer zuvor erteilten Besetzungsmitteilung – zu der der Angeklagte gleichfalls nichts vorträgt – geänderte Besetzung überhaupt noch dem Anwendungsbereich des § 222a StPO unterliegt. Hierfür dürfte allerdings sprechen, dass der Begriff des „Beginns der Hauptverhandlung“ im Rahmen dieser Vorschrift bezogen auf den spätestmöglichen Mitteilungszeitpunkt den Zeitraum bis vor der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Person umfasst (BGH, Urteil v. 12.07.2001, 4 StR 550/00; BVerfG, Beschl. v. 19.03.2003, 2 BvR 1540/01).

Selbst wenn aber davon auszugehen wäre, dass der Eintritt der Schöffin Z. zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, der noch eine Mitteilungspflicht nach § 222a StPO auslöste, kann der Senat auf Grund des hierzu schweigenden Rügevorbringens nicht zu Grunde legen, dass eine solche Mitteilung auch tatsächlich erfolgt ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich insoweit um eine wesentliche Förmlichkeit im Sinne von § 273 Abs. 1 StPO handelt, die ausdrücklich und eindeutig zu erfolgen hat. Bloß konkludentes Verhalten, etwa ein Aushang der Besetzung an der Türe des Sitzungssaals, genügt nicht (BGHSt 29, 162; BGH, Beschl. v. 06.01.2021, 5 StR 519/20, NStZ-RR 2021, 81; Ritscher in BeckOK StPO, 50. Edition, Stand: 01.01.2024, § 222a Rn. 7; vgl. auch Lantermann, HRRS 2022, 32, 33).

2, Steht somit zumindest das Fehlen einer Besetzungsmitteilung nach § 222a StPO konkret im Raum, hat dies zur Folge, dass das Vorabentscheidungsverfahren nach § 222b Abs. 3 StPO nicht statthaft ist.

a) Für den – hier auf Grund des dargelegten defizitären Rügevorbringens zum genauen Ablauf der Hauptverhandlung am 12.01.2024 jedenfalls nicht auszuschließenden – Fall einer Besetzungsänderung, die erst zu einem Zeitpunkt in der Hauptverhandlung erfolgt, der schon vom Anwendungsbereich des § 222a StPO nicht mehr erfasst ist, entspricht dies der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschl. v. 02.02.2022, 5 StR 153/21, NJW 2022, 1470, insb. Tz. 11; vgl. dieser Entscheidung zu Grunde liegend OLG Bremen, Beschl. v. 14.04.2020, 1 Ws 33/20; vgl. zur Unstatthaftigkeit des Vorabentscheidungsverfahrens außerhalb des Anwendungsbereichs des § 222a StPO auch SenE v. 01.10.2020, 2 Ws 534/20).

b) Nach Ansicht des Senats setzt die Statthaftigkeit des Vorabentscheidungsverfahrens nach § 222b Abs. 3 StPO aber auch in Konstellationen, in denen eine Besetzungs(änderungs)mitteilung nach § 222a StPO geboten ist, voraus, dass diese auch tatsächlich bis spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung im Sinne dieser Vorschrift erfolgt ist (so auch Lantermann, a.a.O., 34, 36, 41)……“

Pflichti I: Auswechseln des „Pflichti“ in der Revision, oder: Begründung des Antrags und Verfahren

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Und dann heute mal wieder eine Tag mit Pflichtverteidigungsentscheidungen. So ganz viele sind es aber nicht, immerhin aber insgesamt fünf Stück.

Ich beginne hier mit zwei Entscheidungen zur Auswechselung des Pflichtverteidigers, und zwar:

Zu den Fragen der Auswechselung hat noch einmal der BGH im BGH, Beschl. v. 15.01.2024 – 2 StR 124/23 – Stellung genommen. Das LG hat die Angeklagte u.a. wegen Brandstiftung verurteilt. Der im Ermittlungsverfahren bestellte Pflichtverteidiger der Angeklagten hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt und das Rechtsmittel mit Verfahrensbeanstandungen und der allgemeinen Sachrüge begründet. dann ist um die Formwirksamkeit gestritten worden (dazu der BGH, Beschl. v. 01.08.2023 – 2 StR 124/23). Der BGH hat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor Ablauf der Frist zur Einlegung der Revision gewährt. Der Beschluss ist dem Verteidiger am 13.09.2023 zugestellt worden.

Mit Schreiben vom 22.07.2023 hat die Angeklagte vorgetragen, „sie vertraue ihrem Verteidiger nicht mehr. Sie habe die Revisionsbegründungsschrift erst zwei Tage vor dem Abgabetermin zur Ansicht erhalten, ein vom Landgericht vernommener Zeuge und „eigentliche[r] Täter S. aber schon vierzehn Tage“ vor ihr. S. habe ihrem Verteidiger „am ersten Gerichtstag […] einen gut gefüllten Briefumschlag im Gerichtssaal übergeben“ wollen. Ihr Verteidiger habe erwidert, er solle „den Brief doch bitte an die Kanzlei senden“. Die Revisionsbegründungsschrift des Verteidigers beanstande „nur das zur Gefälligkeit erstellte Brandschutzgutachten […], obwohl das ganze Urteil nur aus Mutmaßungen und Spekulationen“ bestehe. Ein anderer „Strafanwalt“ habe ihr erklärt, „[s]eine Revisionsbegründung auf dieses Urteil wäre dreißig[-] bis vierzigseitig ausgefallen“. Damit konfrontiert habe ihr Verteidiger erklärt, dafür habe er als Pflichtverteidiger keine Zeit. Mit weiterem Schreiben vom 2. September 2023 hat die Angeklagte geäußert, das Vertrauensverhältnis zu ihrem Verteidiger sei „zerstört“. Sie hat gebeten, den Verteidiger „aus dem Verfahren zu entbinden“ und ihr einen „renommierten Anwalt aus L. “ beizuordnen.“ Mit Schreiben vom 30.11.2023 hat sie diese Bitte schließlich dahin präzisiert, sie beantrage nunmehr, ihr Rechtsanwalt L. aus L. beizuordnen.

Der Verteidiger der Angeklagten ist den gegen ihn erhobenen Vorwürfen entgegengetreten. Der BGH hat den Antrag abgelehnt:

„Der Antrag ist unbegründet, da die Voraussetzungen für einen Pflichtverteidigerwechsel gemäß § 143a Abs. 3 und 2 StPO nicht vorliegen.

1. § 143a Abs. 3 StPO, der eine vereinfachte Regelung für den Pflichtverteidigerwechsel im Revisionsverfahren trifft, greift nicht ein. Die Angeklagte hat den Antrag auf Verteidigerwechsel weder bei dem Gericht gestellt, dessen Urteil angefochten ist, § 143a Abs. 3 Satz 2 StPO, noch hat sie innerhalb der Wochenfrist des § 143a Abs. 3 Satz 1 StPO den neu zu bestellenden Verteidiger bezeichnet (vgl. BT-Drucks. 19/13829 S. 49; LR-StPO/Jahn, 27. Aufl., § 143a Rn. 42).

2. Die Voraussetzungen für einen Wechsel des Pflichtverteidigers gemäß § 143a Abs. 2 StPO liegen ebenfalls nicht vor.

Eine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zum bisherigen Pflichtverteidiger, § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Fall 1 StPO, ist nicht glaubhaft gemacht. Den von der Angeklagten erhobenen Vorwürfen ist der Verteidiger entgegengetreten. Sonstige Belege für die Behauptungen der Angeklagten sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar.

Auch sonst ist kein Grund ersichtlich, der einer angemessenen Verteidigung der Angeklagten entgegenstünde und einen Wechsel in der Person des Pflichtverteidigers geböte, § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Fall 2 StPO. Eine angemessene Verteidigung der Angeklagten ist gewährleistet. Der Verteidiger hat auf den Formfehler bei der Übersendung der Revisionsschrift innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist reagiert. Ein über die Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 7 StPO hinausgehender Nachteil ist der Angeklagten durch die ursprüngliche Versäumung der Einlegungsfrist nicht entstanden.“

Und die zweite Entscheidung zu der Problematik „Auswechselung“ kommt vom KG. Das hat im KG, Beschl. v.13.12.2023 – 2 Ws 146/23 – auch noch einmal zu den Voraussetzungen Stellung genommen. Die Entscheidung stelle ich aber hier nur mit den Leitsätzen vor, das das KG die Fragen bereits (mehrfach) entschieden hat(te), und zwar:

1. Die Bezeichnung eines neuen Verteidigers ist Voraussetzung für einen Verteidigerwechsels nach § 143a Abs. 3 StPO (vgl. KG, Beschl. v. 09.052023 – 4 Ws 23/23).
2. Die pauschale Begründung des Entpflichtungsantrags eines Beschuldigten mit der Zerstörung des Vertrauensverhältnisses und bereits zuvor unternommenen Versuchen der Entpflichtung des Verteidigers ist nicht geeignet, einen Verteidigerwechsel nach § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO zu rechtfertigen. Voraussetzung der Annahme eines wichtigen Grundes für die Ersetzung des Pflichtverteidigers ist vielmehr, dass konkrete Tatsachen vorgetragen und gegebenenfalls nachgewiesen werden, aus denen sich ergibt, dass eine nachhaltige und nicht zu beseitigende Erschütterung des Vertrauensverhältnisses vorliegt und daher zu besorgen ist, dass die Verteidigung objektiv nicht (mehr) sachgerecht geführt werden kann.

 

Strafzumessung II: Verhängung der Höchststrafe, oder: Rechtfertigung in den Urteilsgründen?

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Im zweiten Posting des Tages dann der Hinweis auf den BGH, Beschl. v. 05.09.2023 – 3 StR 217/23 -, in dem der BGH noch einmal zur Begründung der Verhängung der Höchststrafe Stellung genommen hat.

Das LG hatte den Angeklagten wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Die Verhängung der Höchststrafe hat der BGG beanstandet:

„2. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht innerhalb des Strafrahmens des § 30a Abs. 1 BtMG mildernd das Geständnis des Angeklagten nebst „Aufklärungsbemühungen“, die Sicherstellung der Betäubungsmittel und die zeitweilige Beobachtung von Bandenmitgliedern durch die Ermittlungsbehörden gewertet. Zudem sei die Haftempfindlichkeit des Angeklagten aufgrund nur beschränkter Deutschkenntnisse und infolge einer Rheumaerkrankung leicht erhöht. Schärfend hat die Strafkammer demgegenüber die besonders große Menge der gehandelten harten Droge Heroin, das Gewicht der Tatbeiträge des Angeklagten, seine Stellung in der Bandenhierarchie, die professionelle, gefahrerhöhende Vorgehensweise der Gruppe sowie das Nachtatverhalten in Form der Bedrohung des deutschen Tatgehilfen berücksichtigt.

Trotz der Strafmilderungsgründe hat das Landgericht den Angeklagten mit der Höchststrafe belegt. Es hat dies, die Strafzumessungserwägungen abschließend, darauf zurückgeführt, dass den Strafschärfungsgründen, insbesondere der Überschreitung des „Heroin-Grenzwertes“ um „mehr als das 30.000-fache“ und den vom Angeklagten erbrachten wesentlichen Tatbeiträgen, ein besonders großes Übergewicht zukomme und sich die weitaus weniger gewichtigen mildernden Gesichtspunkte somit nicht auswirkten.

II.

Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Strafausspruchs unter Aufrechterhaltung der zugehörigen Feststellungen; im Übrigen bleibt ihr der Erfolg versagt.

1. Die Strafzumessung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Ohne eingehendere Begründung erschließt sich nicht, weshalb die Strafkammer den Fall als derart außergewöhnlich eingestuft hat, dass sie ihn mit der höchsten Strafe geahndet hat, die für den Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorgesehen ist.

a) Strafen, die sich der oberen Strafrahmengrenze nähern oder sie sogar erreichen, bedürfen einer Rechtfertigung in den Urteilsgründen, die das Abweichen vom Üblichen vor dem Hintergrund der Besonderheiten des jeweiligen Falles verständlich macht (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom 20. September 2010 – 4 StR 278/10, NStZ-RR 2011, 5; vom 11. November 2014 – 3 StR 455/14, juris Rn. 5; Urteil vom 20. Oktober 2021 – 1 StR 136/21, juris Rn. 8; ferner Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1445, alle mwN). Maßstab sind das durch den Straftatbestand geschützte Rechtsgut und der Grad seiner schuldhaften Beeinträchtigung (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2021 – 1 StR 136/21, juris Rn. 12). Das Vorliegen einzelner Milderungsgründe schließt die Verhängung der Höchststrafe dabei keineswegs aus; diese bedarf aber – auch und gerade dann – sorgfältiger Begründung unter Berücksichtigung aller Umstände (BGH, Urteil vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, juris Rn. 23; s. auch BGH, Urteil vom 17. Dezember 1982 – 2 StR 619/82, NStZ 1983, 268, 269; Beschlüsse vom 30. August 1983 – 5 StR 587/83, StV 1984, 152; vom 17. Juli 2007 – 5 StR 172/07, juris Rn. 8).

b) Eine solche Begründung, die diesen besonderen Sorgfaltsanforderungen genügt und damit das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe rechtfertigt, lassen die Urteilsgründe vermissen.

Das Landgericht hat zunächst für sich genommen rechtsfehlerfrei strafschärfend gewertet, dass sich das urteilsgegenständliche Umsatzgeschäft auf eine besonders große Menge einer harten Droge bezog und der maßgebliche Grenzwert in einem äußerst hohen Maß überschritten ist. Bei Betäubungsmitteldelikten prägen Art und Menge des Rauschgifts den Unrechtsgehalt der Tat; sie sind deshalb nicht nur „bestimmende Umstände“ (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO), sondern regelmäßig vorrangig in die Abwägung einzustellen. Diese Gesichtspunkte sind allerdings nicht allein entscheidend und isoliert zu betrachten. Die allgemeinen Grundsätze der Strafzumessung nach den §§ 46 ff. StGB verlieren im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität nicht ihre Bedeutung. Danach ist auch bei Rauschgiftgeschäften die Strafe nach dem Maß der individuellen Schuld zuzumessen. Eine reine „Mengenrechtsprechung“ wäre mit diesen Grundsätzen nicht zu vereinbaren (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteile vom 14. November 2019 – 3 StR 242/19, juris Rn. 6; vom 20. Oktober 2021 – 1 StR 136/21, juris Rn. 7, jeweils mwN).

Hier lassen die Darlegungen der Strafkammer besorgen, dass sich das Landgericht bei der Festsetzung der Freiheitsstrafe auf die Obergrenze des Strafrahmens nahezu ausschließlich von dem äußerst hohen Maß der Grenzwertüberschreitung („mehr als 30.000-fache“) hat leiten lassen (zu dessen Gewichtung im Verhältnis zur Gefährlichkeit des Rauschgifts vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2019 – 1 StR 181/19, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 45 Rn. 7 ff.). Dies ergibt sich aus Folgendem:

aa) Als Rechtfertigung für die Verhängung des Höchstmaßes der zeitigen Freiheitsstrafe explizit genannt hat das Landgericht neben dem Faktor der Grenzwertüberschreitung allein das Gewicht der vom Angeklagten erbrachten Tatbeiträge. Eine solche maßgebende hohe Bedeutung dieser Tatanteile im Rahmen des abgeurteilten Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wird in den Urteilsgründen indes nicht nachvollziehbar dargetan (zum Bezugspunkt der Banden- als [typischerweise] organisierter Kriminalität vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 2021 – 6 StR 329/21, juris Rn. 6). Innerhalb des verfahrensgegenständlichen Handelsgeschehens, das von Drogenankauf, -transport, -verkauf und Geldtransfer geprägt war, trug der Angeklagte zwar im Grundsatz die Verantwortung für die beiden erstgenannten Bereiche. Es war gleichwohl der niederländische Mittäter, der den Kontakt zu den drei deutschen Gehilfen herstellte und die Baufahrzeuge sowie die Gerätschaften für deren Umbau in die Halle nach G.   verbrachte. Ebenso wenig lässt die Stellung des Angeklagten in der Bandenhierarchie – er befand sich auf einer Stufe mit diesem einzigen Mittäter über derjenigen der Gehilfen – den Fall ohne Weiteres als überaus gravierend erscheinen; seine Gewinnbeteiligung betrug nur ein Viertel.

bb) Der verbleibende der beiden entscheidenden unrechts- und schulderhöhenden Gesichtspunkte, das durch die festgestellte Wirkstoffmenge bedingte Maß der Grenzwertüberschreitung, kann nicht unabhängig von der Sicherstellung des von dem Umsatzgeschäft erfassten Heroins gewertet werden.

Die vollständige Sicherstellung der tatbetroffenen Betäubungsmittel ist – ebenso wie das Geständnis (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2014 – 4 StR 502/13, wistra 2014, 180 Rn. 3; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 679 ff.) – ein „bestimmender“ Milderungsgrund im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschluss vom 8. Februar 2017 – 3 StR 483/16, StraFo 2017, 117). Denn das Betäubungsmittelgesetz bezweckt den Schutz der Volksgesundheit; die Gesundheitsgefahr realisiert sich aber nicht, falls die Betäubungsmittel nicht in den Verkehr gelangen. Der Erfolgsunwert und damit das Gewicht der Strafschärfungsgründe der besonders großen Menge und der besonders gefährlichen Droge werden dadurch regelmäßig relativiert.

Aus dem Urteil geht nicht hervor, dass sich die Strafkammer bei der Bestimmung des Höchstmaßes der zeitigen Freiheitsstrafe dieses Zusammenhangs bewusst war. Unter den gegebenen Umständen wäre dies im Rahmen der gebotenen sorgfältigen Begründung der verhängten Höchststrafe auch mit Blick auf die weiteren Milderungsgründe erforderlich gewesen.

cc) Nach allem begegnet die Wertung, dass ein „besonders großes Übergewicht der Strafschärfungsgründe“ vorliegt, das zur Bedeutungslosigkeit aller Milderungsgründe für das Ergebnis der Strafzumessung führt, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.“