Schlagwort-Archive: Befangenheit

Vorbefassung kann zur (Besorgnis der) Befangenheit führen…. also aufgepasst!

Immer wieder stellt sich im Strafverfahren die Frage: War der Richter mit der Sache vorbefasst und ist er deshalb ggf. befangen oder besteht zumindest die Besorgnis der Befangenheit. Das spielt insbesondere eine Rolle, wenn der Richter sich zu Haftfragen geäußert hat.

So auch in dem dem Beschl. des BGH v. 17.12.2009 – 3 StR 367/09 zugrunde liegenden Sachverhalt. Dort hatte der Richter im Rahmen eines Haftbefehles gegen einen Mitangeklagten auch zu den Tatbeiträgen des Angeklagten Stellung genommen. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass eine Vorbefassung mit der Sache vom Gesetz grds. gesetzlich vorgesehen sei und keinen originären Anlehnungsgrund begründt. Dies gelte jedoch nicht, wenn aufgrund der Vorbefassung berechtigte Bedenken an der Objektivität des Richters bestehen. Davon sei auszugehen, wenn er in einem Haftbefehl indikativisch Bezug auf die Tatbeiträge der Angeklagten Bezug nimmt und Sachverhaltsschilderungen als feststehend formuliert, die insbesondere die Höhe der entstandenen Schäden betreffen, obwohl diese noch völlig unklar sind. Der Verteidiger muss die Formulierungen also sehr genau prüfen.

Wischiwaschi aus München

Nicht nur in der Fachpresse, sondern auch in der „allgemeinen“ Presse wurde in den letzten Tagen über eine Entscheidung des OLG München (7 W 2449/09) berichtet, die es gestern immerhin auch auf die erste Seite der Süddeutschen Zeitung geschafft hatte.

Nach diesem Beschluss ist, wenn der Richter den Vortrag/die Einlassung eines Prozessbeteiligten als „Wischiwaschi“ bezeichnen darf, oder ob er sich dadurch der Besorgnis (!!) der Befangenheit aussetzt. Das OLG München hat die Frage verneint, weil „wischiwaschi“ etwas anderes sei als „Quatsch“. Na ja, m.E. ist das „Wischiwaschi“, denn dieser Ausdruck enthält eine m.E. negative Wertung des Vortrags/der Einlassung, der zumindest die Besorgnis – mehr muss nicht vorliegen – der Befangenheit begründet. Die Entscheidung zeigt m.E. mal wieder deutlich, wie manche Gerichte sich bemühen, etwas „gesund zu beten“, was an sich nicht mehr gesund zu beten ist. M.E. liegt Besorgnis der Befangenheit vor.

OLG Naumburg: Auch Dritter hat ein Ablehnungsrecht….

Das OLG Naumburg hat sich in seinem Beschluss v. 02.12.2009 – 1 Ws 756/09 mit der Frage beschäftigt, ob auch einem Dritten, von einer Maßnahme gegen den Angeklagten betroffenen Maßnahme,  ein Ablehnungsrecht gegen gerichtliche Entscheidungen zusteht und diese Frage bejaht. Das sei ein auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG basierendes Grundrecht. Die Entscheidung ist zutreffend, denn auch der nicht eigentlich Verfahrensbeteiligte, aber von gerichtlichen Maßnahmen betroffene muss die richterliche Unvoreingenommenheit prüfen lassen können.

Zulässig? Sog. Vorworte der mündlichen Urteilsbegründung im Internet

Erstaunen macht sich breit, wenn man den Aufsatz von RA Thielmann, Wuppertal, im StV 2009, 607 unter dem Titel „Die im Urteil integrierte Presseerklärung – Zu Form und Inhalt der sog. Vorworte des Staatsschutzsenates des OLG Düsseldorf in Islamistenverfahren“ liest. In der Sache geht es im die Übung des 6. Staatsschutzsenates, in sog. Terroristenprozessen am Tag der Urteilsverkündung ein „Vorwort, bei dem es sich um den ersten Teil der mündlichen Urteilsbegründung handelt zu verlesen und vor allem im Internet zu veröffentlichen.

Höchst interessant, was der Kollege dazu meint und vor allem, was man in den Vorworten so lesen konnte. Dies ist im  Abdall-Verfahren und im Al Tawhid-Verfahren so geschehen, für den Al-Quida-Prozess und für das Kofferbombenverfahren sind die Vorworte auf der Homepage des OLG Düsseldorf noch abbrufbar.

Ich will hier gar nicht dem Terror nach dem Mund reden. Darum geht es m.E. aber auch gar nicht. Sondern um die Frage: Ist das eigentlich zulässig (m.E. höchst fraglich)? Nach dem Lesen des Beitrags des Kollegen Thielmann bleibt nicht nur ein schaler Nachgeschmack, sondern auch eine Frage offen. Wie geht die Verteidigung mit diesen Dingen im Hinblick auf die §§ 24 ff. StPO um? Die Besorgnis der Befangenheit wird man nach dem Inhalt und den Formulierungen m.E. wohl kaum ausschließen können.