„Der Kläger begehrt die Neuerteilung seiner Fahrerlaubnis ohne vorherige Beibringung eines Fahreignungsgutachtens.
Der Kläger war nach Aktenlage zuletzt Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, C1, C1E, L, M und S.
Am 22. Oktober 2009 verhängte das Amtsgericht München ein Bußgeld gegen den Kläger wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG, nachdem er am 3. Dezember 2008 unter der Wirkung von Cannabis ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt hatte. Nach dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität München vom 20. Februar 2009, das in jenem Verfahren eingeholt wurde, waren in der zeitnah nach der Tat entnommenen Blutprobe 22 ng/ml THC und 170 ng/ml THC-Carbonsäure festgestellt worden. Diese Entscheidung des Amtsgerichts wurde zunächst in das Verkehrszentralregister eingetragen, ist aber mittlerweile gelöscht und aus dem Fahreignungsregister nicht ersichtlich.
Im Januar 2010 leitete die Beklagte ein Verfahren zur Überprüfung der Fahreignung ein. Dabei ging sie mit Blick auf die festgestellte THC-Carbonsäure davon aus, dass der Kläger regelmäßiger Cannabiskonsument sei. Da dieser geltend machte, keine Drogen (mehr) zu konsumieren, gab die Beklagte ihm zunächst auf, im Rahmen eines Drogenkontrollprogramms einen Abstinenzzeitraum von einem Jahr nachzuweisen. Nachdem der Kläger entsprechende Bescheinigungen eingereicht hatte, forderte die Beklagte ihn unter Bezugnahme auf den Vorfall am 3. Dezember 2008 mit Schreiben vom 4. März 2011 auf, ein Gutachten über seine Fahreignung vorzulegen.
Nachdem der Kläger kein Gutachten vorlegte, entzog die Beklagte ihm mit Bescheid vom 1. August 2011, der mit Ablauf des 5. September 2011 bestandskräftig wurde, die Fahrerlaubnis. Die in der Blutprobe vom 3. Dezember 2008 festgestellte Konzentration an THC-Carbonsäure von 170 ng/ml belege, dass der Kläger zu jenem Zeitpunkt regelmäßig Cannabis eingenommen habe. Die Fahreignung könne daher nur dann wieder als gegeben angesehen werden, wenn der Kläger eine einjährige Abstinenz nachweise, die auf einem tiefgreifenden und stabilen Einstellungswandel beruhe. Eine einjährige Abstinenz habe der Kläger belegt, die psychologische Untersuchung zum Nachweis eines tiefgreifenden und stabilen Einstellungswandels jedoch verweigert. Daher sei nach § 11 Abs. 8 FeV auf mangelnde Fahreignung zu schließen. Diese Entscheidung ist nach wie vor im Fahreignungsregister gespeichert.
Am 19. August 2019 beantragte der Kläger die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen A1 und A (jeweils versehen mit den Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04), B, BE, C1 und C1E. Mit Schreiben vom 23. Oktober 2019 forderte die Beklagte ihn gestützt auf § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV und unter Verweis auf die Entziehung vom 1. August 2011 sowie den regelmäßigen Cannabiskonsum auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, das ein Drogenkontrollprogramm über ein Jahr Abstinenz beinhalte. Nachdem der Kläger keine Bestätigung über die Anmeldung zu dem Drogenkontrollprogramm vorlegte und erklären ließ, er werde sich keiner Begutachtung unterziehen, lehnte die Beklagte den Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis mit Bescheid vom 17. Januar 2020 ab. Aufgrund der mangelnden Mitwirkung sei von Nichteignung auszugehen.
Mit Urteil vom 24. Februar 2021 hat das Verwaltungsgericht München den Bescheid vom 17. Januar 2020 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Der angegriffene Bescheid sei rechtswidrig. Die Entziehung der Fahrerlaubnis vom 1. August 2011 sei zwar noch im Fahreignungsregister eingetragen und könne dem Kläger als solche auch noch vorgehalten werden, etwa zur Feststellung eines Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Die Beklagte meine jedoch offensichtlich, sie könne dem Kläger auch die Tat vom 3. Dezember 2008 und die dabei festgestellten Blutwerte, die auf einen regelmäßigen Cannabiskonsum schließen ließen, vorhalten und zum Anlass für eine Begutachtungsanordnung nehmen. Dies stelle eine Umgehung des Verwertungsverbots aus § 29 Abs. 7 StVG dar. Die Eintragung über die Ordnungswidrigkeit sei nach den seinerzeit geltenden Vorschriften nach fünf Jahren zu tilgen gewesen, was hier auch geschehen sei. Eine Regelung des Inhalts, dass der gesamte Sachverhalt einschließlich der geahndeten Tat, wie er Grundlage der Entziehung der Fahrerlaubnis gewesen sei, dem Betroffenen so lange vorgehalten werden dürfe, wie die Entziehung der Fahrerlaubnis selbst verwertbar sei, kenne das Gesetz nicht. Deswegen sei der Schluss aus der Nichtvorlage des angeordneten Gutachtens auf mangelnde Fahreignung unzulässig. Die Beklagte zur Erteilung der Fahrerlaubnis zu verpflichten sei dem Gericht gleichwohl nicht möglich, da sich den Akten nicht entnehmen lasse, ob der Behörde hinreichend aktuelle Unterlagen wie etwa eine Bescheinigung über die Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Kurs vorlägen.
Dagegen richtet sich die vom Senat wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassene Berufung der Beklagten. Zur Begründung führt diese aus, § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV – und damit auch ihre darauf gestützte Beibringungsanordnung – knüpfe an die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Betäubungsmittelkonsums an, nicht an die der Entziehung zu Grunde liegenden Taten. Die Fahrerlaubnisentziehung sei im maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtensanordnung auch verwertbar gewesen. Wann die vom Kläger begangene Ordnungswidrigkeit zu tilgen gewesen sei, spiele für die Rechtmäßigkeit der Begutachtungsanordnung hingegen keine Rolle. Die lange Tilgungsfrist der Eintragung über die Fahrerlaubnisentziehung sowie der nach § 29 Abs. 5 StVG herausgeschobene Tilgungsbeginn ergäben zudem nur Sinn, wenn die Fahrerlaubnisbehörde berechtigt sei, unmittelbar aus der eingetragenen Entziehung – unabhängig von der Verwertbarkeit zu Grunde liegender Taten – Eignungszweifel herzuleiten und insoweit eine Begutachtung anzuordnen. Hinzu komme, dass die Fahrerlaubnisentziehung dem Kläger unzweifelhaft weiter vorgehalten werden könnte, wenn sie durch das Strafgericht erfolgt wäre, da eine strafgerichtliche Entziehung gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a, Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5 StVG insgesamt 15 Jahre ab Rechtskraft verwertbar wäre. Es sei nicht nachvollziehbar, warum eine Entziehung durch die Fahrerlaubnisbehörde im Gegensatz dazu nur so lange verwertbar sein solle, bis die Anlasstat getilgt sei, die Grundlage der Begutachtungsanordnung gewesen sei, deren Verweigerung dann zur Fahrerlaubnisentziehung geführt habe. Eine derart unterschiedliche Relevanz der strafgerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Entziehung im Rahmen des § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV sei nicht zu rechtfertigen. Schließlich hätte die Auffassung des Verwaltungsgerichts in der Praxis aufgrund der üblichen Laufzeiten von Ausgangs- und Widerspruchsverfahren zur Folge, dass Betroffene regelmäßig unmittelbar oder zeitnah nach der Entziehung der Fahrerlaubnis die Neuerteilung beantragen könnten, ohne sich einer medizinisch-psychologischen Begutachtung unterziehen zu müssen. Bestätigt werde diese Rechtsauffassung durch die seit dem 28. Juli 2021 geltende gesetzliche Klarstellung in § 29 Abs. 7 Satz 2 StVG.“
Und: Die Berufung hatte Erfolg.
Rest dann bitte im verlinkten Volltext selbst lesen.