Schlagwort-Archive: Aufklärungsrüge

Peinlich, peinlich für die Staatsanwaltschaft

Man kann zwischen den Zeilen lesen, was man in Karlsruhe von der Revision der Staatsanwaltschaft Ulm gegen ein Urteil des Landgerichts Ulm gehalten hat. Nämlich gar nichts. Das folgt m.E. schon daraus, dass der GBA die Revision der Staatsanwaltschaft nicht vertreten hat. Deshalb musste es die Staatsanwaltschaft allein/selbst machen. Das hat sie auch getan, ist aber mit ihrer Revision kläglich gescheitert. Dazu der BGH in BGH, Beschl.v. 14.07.2011 – 1 StR 86/11:

1. Die Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO), mit der beanstandet wird, dass das Tatgericht kein anthropologisches Gutachten eingeholt habe, greift nicht durch.

a) In zulässiger Form ist die Aufklärungsrüge nur erhoben, wenn die Revision u.a. auch die Tatsachen bezeichnet, die das Gericht zu ermitteln unterlassen hat (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 244 Rn. 81). Dies ist hier nicht der Fall. Dem Revisionsvorbringen der Staatsanwaltschaft ist zwar das Beweisziel zu entnehmen, es fehlt aber an einer bestimmten Behauptung der zu ermittelnden Tatsache.

b) Die Rüge ist auch aus den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 15. April 2011 unbegründet. Die Aufklärungspflicht drängte den Tatrichter, der den Sachverständigen Prof. Dr. R. in der Hauptverhandlung zum Beweiswert eines ausführlichen anthropologischen Gutachtens angehört hat, nicht dazu, ein solches einzuholen. Die Staatsanwaltschaft selbst hat in der Hauptverhandlung, nachdem das Gericht mitgeteilt hatte, es werde ein derartiges Gutachten nicht in Auftrag geben, keinen Anlass gesehen, einen dahingehenden Beweisantrag zu stellen.

2. Die aufgrund der Sachrüge vorzunehmende Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten ergeben. Das Revisionsvorbringen erschöpft sich in einer – im Revisionsverfahren unzulässigen – eigenen Beweiswürdigung. Soweit Beanstandungen gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung erhoben werden, wird ein durchgreifender Rechtsfehler nicht aufgezeigt, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragschrift im Einzelnen dargelegt hat. Insbesondere hat der Generalbundesanwalt zutreffend darauf hingewiesen, dass die von der Revisionsführerin vermisste Gesamtwürdigung den Ausführungen der Strafkammer auf UA S. 51 entnommen werden kann, wonach „die Indizien … weder im Einzelnen, noch zusammen genommen …“ gewertet wurden. Eine umfassendere Würdigung war bei der geringen Anzahl belastender Indizien nicht geboten.“

Peinlich, peinlich. M.E. alles Basiswissen, was der BGH sonst dem Verteidiger immer gern entgegen hält. Hier dann mal einer Staatsanwaltschaft, die auch noch lesen musste, dass der GBA die Revision der eigenen Behörde für nicht begründet hielt. Wer nicht hören will, muss eben fühlen. :-). Es ehrt 🙂 den BGH, dass er auch solche Beschlüsse einstellt und das Unvermögen nicht mit dem Mäntelchen des Schweigen zudeckt.

Watschen für die Strafkammer und den Verteidiger – 5. Strafsenat des BGH macht seinem Unmut Luft

Wie macht ein Strafsenat des BGH seinen Unmut gegenüber einer Strafkammer und einem Verteidiger Luft? Wer es wissen will, der lese BGH, Beschl. v. 22.06.2011 – 5 StR 226/11, in dem der 5. Strafsenat die Vorgehensweise m.E. sehr deutlich macht.

In der Sache ging es um die Verurteilung eines Angeklagten wegen schweren Raubes. Der Angeklagte hatte im Ermittlungsverfahren in seiner verantwortlichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren geltend gemacht, er leide an Schizophrenie und benötige Medikamente. Damit stand eine Maßregel nach § 63 StGB im Raum. Zu deren Anordnung ist es aber nicht gekommen, wohl aufgrund der getroffenen Verständigung (§ 257c StPO). Der BGH hat diese Vorgehensweise der Strafkammer – der Angeklagte hatte die Aufklärungsrüge erhoben – mit m.E. harschen Worten kritisiert. Es heißt im Beschluss:

Die Aufklärungsrüge ist offensichtlich begründet. Die Strafkammer war nach der letztgenannten Vorschrift wegen der zweifelhaften Schuldfähigkeit des Angeklagten und einer im Raum stehenden Maßregel nach § 63 StGB an einer Verständigung – nicht anders als auch die Staatsanwaltschaft – gehindert. Es musste sich ihr aufgrund der eigenen, in die Anklageschrift aufgenommenen Hinweise des Angeklagten auf eine schwere psychische Erkrankung aufdrängen, ihn zur Frage der Schuldfähigkeit begutachten zu lassen. Dass das Tatbild der dem Angeklagten zur Last gelegten Verbrechen auf den ersten Blick eine Einschränkung seiner Schuldfähigkeit nicht nahelegt, ändert hieran angesichts des begründeten massiven Krankheitsverdachts nichts.
Die Rüge muss angesichts der alleinigen Beweisgrundlage des Geständnisses eines möglicherweise Geisteskranken zur umfassenden Aufhebung des angefochtenen Urteils führen.“

Und dem Verteidiger gibt der Senat mit auf den Weg:

Das neue Tatgericht wird zu erwägen haben, ob dem Angeklagten ein neuer Verteidiger zu bestellen ist, nachdem der bisherige sich auf die vom Gericht initiierte grob sachwidrige Verständigung eingelassen hat. Die Erwägung, dass der Verteidiger womöglich zum vermeintlich Besten seines Mandanten handeln wollte, indem er ihm einen unbefristeten Freiheitsentzug infolge einer Unterbringung nach § 63 StGB zu ersparen suchte, verbietet sich angesichts der jetzt durchgeführten Revision (vgl. § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO).“

Das letzte ist dann wohl: Venire contra factum proprium. „Grob sachwidrige Verständigung“ und der Rat zur Entpflichtung: Das ist schon was.

Immer wieder: Nicht ausreichende Begründung der Verfahrensrüge

Ein verfahrensrechtlicher Dauerbrenner sind die mit der ausreichenden Begründung der Verfahrensrüge zusammenhängenden Fragen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dort werden immer wieder Fehler gemacht bzw. dort wird immer wieder vom BGH nicht ausreichender Vortrag moniert.

So auch in BGH, Beschl. v. 13.01.2011 – 3 StR 337/10.  Es war die Aufklärungsrüge erhoben. Der BGH dazu: Eine Aufklärungsrüge gegen die Nichteinführung von im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung gewonnener Verkehrsdaten im Wege des Urkundsbeweises ist wegen unzureichender Begründung unzulässig, wenn im Rahmen der Revision nicht der Wortlaut der Urkunde mitgeteilt wird, deren Nichteinführung in den Prozess beanstandet wird. Andernfalls kann durch das Revisionsgericht nicht überprüft werden, ob die Verlesung überhaupt geeignet gewesen wäre, etwas zur Sachaufklärung beizutragen. Die Darstellung des Urkundeninhalts wird auch nicht deswegen entbehrlich, wenn hilfsweise die Vernehmung eines Zeugen zum selben Beweisthema beantragt wird, der allein Angaben zu den in der Urkunde enthaltenen Auskünften des Dienstanbieters machen soll.

Im Übrigen: Es war die Rüge der StA 😉

Aufklärungsrüge: Auch Staatsanwälte können es (manchmal) nicht…

Liest man ja nicht so häufig, gibt es aber auch (und beruhigt dann doch :-)). Auch Staatsanwälte haben manchmal Probleme mit der ausreichenden Begründung der Aufklärungsrüge. Folge: Der BGH verwirft die Rüge als unzulässig; vgl. BGH, Beschl. v. 13.01.2011 – 3 StR 337/10.

Manchmal helfen OLGs auch…

So jetzt z.B. das OLG Bamberg in seinem Beschl. v. 30.06.2010 – 3 Ss OWi 854/10, wo der Verteidiger der Rechtsbeschwerde auch mal wieder (vgl. auch hier) „eine ausschließlich eine den gesetzlichen Begründungs­an­forderungen des § 344 II 2 StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG nicht ge­nü­gende ‚Aufklärungsrüge’ erhoben“ hatte.

Das OLG hat seine Ausführungen nach allgemeinen Grundsätzen ausgelegt und kommt dann zum Ergebnis:

„…, dass der Bf. neben der schon aus der Formulierung seines Rechtsbeschwerdeantrags ersichtlichen Rechtsmittelbeschrän­kung den Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils mit der sog. ‚Feststellungs- bzw. Darstellungsrüge’, nämlich mit der Beanstandung angreift, dass die nach seiner Auffassung lückenhaften Urteilgründe des AG bereits keine trag­fähige Tatsachengrundlage für die Rechtsfolgenbemessung abgeben, namentlich keine hinreichenden Feststellungen zu den ‚bestimmenden’ Zumessungstatsachen iSv. § 267 III 1, 2. Hs. StPO (i.V.m. § 71 OWiG) für die Be­gründung der über dem an sich verwirk­ten Bußgeldregelsatz verhängten Geldbuße enthalten (vgl. hierzu u.a. Meyer-Goßner § 267 Rn. 18 ff. i.V.m. Rn. 42 f.; KK/Engelhardt § 267 Rn. 24 ff. i.V.m. Rn. 47; Göh­ler/Seitz § 71 Rn. 42; Göh­ler/Gürtler § 17 Rn. 34 f. und – im Überblick unter dem Ge­sichtspunkt der revisions­rechtlichen Behandlung – Burhoff, Hdb. für die strafrechtliche Hauptverhand­lung, 6. Aufl. Rn. 758p ff.; aus der im dogmatischen Ansatz unverändert ein­heitlichen obergerichtlichen Rspr. u.a. BGH NStZ-RR 1998, 17 f.: „Das Urteil muß in jedem Fall erkennen lassen, dass sich das Tatgericht für die Strafzumessung um die Aufklärung der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten – wenn auch vergeblich – bemüht hat“; im gleichen Sinne z.B. auch BGHR StPO § 267 III 1 Strafzu­messung 8, 9, 10, 15, 17 und OLG Düsseldorf DAR 2002, 174 ff.). Nach alledem beanstandet der Bf. vorliegend die Verletzung sachli­chen Rechts. Der Betr. hat deshalb unbeschadet der anwaltlichen Abfassung seiner Rechtsbeschwerdebegründung und der ‚untechnisch’ zu verstehenden Ver­wendung des Begriffs der ‚Aufklärungsrüge’ gerade keine (unzuläs­sige) Verfahrens­rüge, sondern – zumindest auch – eine (zulässige) Sachrüge erhoben, weshalb die von der GenStA beantragte Verwer­fung der Rechtsbeschwerde als unzu­lässig (§ 349 I StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG) nicht in Betracht kommt.“

Damit war die Rechtsbeschwerde zumindest nicht unzulässig. Unbegründet war sie allerdings. Dazu hier mehr