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Wie der BGH die Urteilsgründe lesen möchte, oder: Handwerkliche Fehler

Und als dritte Entscheidung zu dem Themenkreis „Urteilsgründe“ dann der BGH, Beschl. v. 22.10.2019 – 4 StR 37/19. Das ist mal wieder eine Entscheidung, in der der BGH grundsätzlich zu den Anforderungen an die Urteilsgründe Stellung nimmt. Allerdings dieses Mal nicht nur mit einem erhobenen Zeigefinger „Passt auf!“ und dann mit einem „reich gerade noch für die Anforderungen“, sondern dieses mal wird das Urteil des LG Kaiserslautern, das den Angeklagten nach 104 Hauptverhandlungstagen wegen Betruges verurteilt hatte wegen handwerklicher Fehler aufgehoben:

„1. Das Urteil hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.

a) Das – nach 104 Hauptverhandlungstagen und einer Hauptverhandlungsdauer von über drei Jahren ergangene – Urteil leidet bereits an grundlegenden Mängeln in der Darstellung und entspricht nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO. Eine revisionsrechtliche Nachprüfung der Verurteilung des Angeklagten ist dem Senat anhand der vorgelegten Urteilsgründe nicht möglich.

aa) Zur Abfassung von Urteilsgründen hat der Bundesgerichtshof bereits vielfach entschieden (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 30. Mai 2018 – 3 StR 486/17), dass nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben müssen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Für die revisionsrichterliche Überprüfbarkeit ist eine geschlossene und nachvollziehbare Darstellung des strafbaren Verhaltens erforderlich; diese Darstellung muss erkennen lassen, welche Tatsachen der Tatrichter als seine Feststellungen über die Tat seiner rechtlichen Bewertung zugrunde gelegt hat (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2008 – 2 StR 424/08). Die Sachverhaltsschilderung soll kurz, klar und bestimmt sein und alles Unwesentliche fortlassen (BGH, Beschlüsse vom 30. Mai 2018 – 3 StR 486/17; vom 23. Januar 2018 – 3 StR 586/17; Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 29. Aufl., Rn. 271). Insoweit obliegt dem Tatrichter die Aufgabe, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden und die Entscheidung so zu fassen, dass der Leser die wesentlichen, die Entscheidung tragenden tatsächlichen Feststellungen und die darauf fußenden rechtlichen Erwägungen ohne aufwändige eigene Bemühungen erkennen kann. Das Revisionsgericht ist nicht gehalten, sich aus einer Fülle erheblicher und unerheblicher Tatsachen diejenigen herauszusuchen, in denen eine Straftat gesehen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2002 – 3 StR 132/02, NStZ-RR 2002, 263). Vielmehr liegt ein Mangel des Urteiles vor, der auf die Sachrüge zu dessen Aufhebung führt, wenn aufgrund einer unübersichtlichen Darstellung der Urteilsgründe unklar bleibt, welchen Sachverhalt das Tatgericht seiner rechtlichen Würdigung zugrunde gelegt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 31. Januar 2017 – 4 StR 597/16, juris Rn. 3; vom 5. Dezember 2008 – 2 StR 424/08, juris Rn. 2; Urteil vom 12. April 1989 – 3 StR 472/88; KK-StPO/Kuckein/Bartel, 8. Aufl., § 267 Rn. 8). Auch ein unübersichtlicher Aufbau sowie an verschiedenen Stellen verstreute Feststellungen können einen durchgreifenden Mangel des Urteils darstellen, wenn sich hieraus Unklarheiten oder Widersprüche ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2008 – 2 StR 424/08, juris Rn. 7 ff.). Ein durchgreifender materiellrechtlicher Mangel ist ferner dann gegeben, wenn bei der Darstellung der Urteilsgründe nicht klar zwischen Tatsachenfeststellung zum strafbaren Verhalten und der Beweiswürdigung unterschieden wird und infolgedessen unklar bleibt, welche Tatsachen der Tatrichter seiner rechtlichen Würdigung zugrunde gelegt hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 1989 – 3 StR 472/88, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 3; Beschluss vom 27. September 1983 – 4 StR 550/83, DRiZ 1989, 422).

Bei dieser Rechtsprechung handelt es sich nicht etwa nur um unverbindliche Empfehlungen zur stilistischen Abfassung eines Urteils, sondern – nicht anders als bei den Anforderungen an die Darstellung eines freisprechenden Urteils (vgl. BGH, Urteile vom 22. Mai 2019 – 5 StR 36/19, NStZ-RR 2019, 254; vom 14. September 2017 – 4 StR 303/17; vom 6. Mai 1998 – 2 StR 57/98, NStZ 1998, 475) – um gesetzliche Vorgaben des § 267 Abs. 1 bis 3 StPO, die es einzuhalten gilt.

bb) Die Urteilsgründe werden diesen Vorgaben des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht im Ansatz gerecht. Sie offenbaren schwerwiegende handwerkliche Mängel.

Eine in sich geschlossene Darstellung des Sachverhaltes, die die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges nachvollziehen lässt, enthält das Urteil nicht.

Die schriftlichen Urteilsgründe bestehen aus insgesamt 548 Seiten, wovon allein die Sachverhaltsschilderung 262 Seiten umfasst. Dies ist keineswegs der Komplexität des Sachverhalts geschuldet, da lediglich eine einzige Betrugstat, ein Eingehungsbetrug, Gegenstand der Verurteilung ist. Nach den Ausführungen des Landgerichts zur rechtlichen Würdigung der ausgeurteilten Tat soll der Angeklagte als Inhaber der Firma R. Dr. K. (R. ) den ehemaligen Mitangeklagten als Vorstand der M AG (M. AG) am 23./24. September 2008 bei Abschluss eines Vertrags über die Lieferung von 25.000 Solarmodulen zu einem Preis von 14.756.000 € über seine Lieferwilligkeit und Lieferfähigkeit getäuscht und die M. AG bereits durch die Eingehung dieser Verbindlichkeit entsprechend geschädigt haben. Der Angeklagte habe nicht vorgehabt, die M. AG zu beliefern. Die M. AG habe auf die zugesagte Lieferung binnen sechs Wochen nach Eingang einer vereinbarten Anzahlung und eines unwiderruflichen Zahlungsversprechens vertraut und sukzessive Zahlungen in Höhe von insgesamt 13.561.467 € erbracht.

Anhand der ausufernden Sachverhaltsdarstellung lässt sich diese rechtliche Wertung nicht nachvollziehen, da sich das Landgericht in der Mitteilung einer Fülle überflüssiger und für die Entscheidung gänzlich belangloser Einzelheiten verliert, weshalb die Identifikation der für den Schuldspruch maßgeblichen Tatsachen nicht mehr gelingt. Statt die Feststellungen zum Sachverhalt anhand der Merkmale des Betrugstatbestands zu entwickeln, hat sich das Landgericht, ohne eine tatbezogene Strukturierung vorzunehmen, darauf beschränkt, die Erkenntnisse aus der Hauptverhandlung undifferenziert zu dokumentieren. Bestätigung findet dies nicht zuletzt darin, dass auch die Einlassung des Angeklagten auf 89 Seiten wiedergegeben wird.

(1) Die Sachverhaltsdarstellung krankt bereits an einem missglückten Aufbau, aus dem sich nicht erschließt, welche Tatsachen das Landgericht als Feststellungen zur Tat verstanden wissen will. Zwar werden von UA 15 bis UA 41 Feststellungen zum „Tatgeschehen“ getroffen, anschließend findet sich aber von UA 41 bis UA 277 ein mit „weitere Feststellungen“ überschriebener Abschnitt, in welchem teilweise Feststellungen aus dem ersten Abschnitt ergänzt oder vertieft werden. Der zweite Abschnitt enthält indes überwiegend eine Vielzahl an Informationen etwa zur Unternehmensgeschichte der angeblich geschädigten AG, zum Firmengeflecht der R. Gruppe des Angeklagten, deren Produktionsplanungen und vertraglichen Beziehungen zu Kunden, deren Relevanz für die ausgeurteilte Tat sich – entgegen der einleitenden Bemerkung des Landgerichts, die Darstellung der „weiteren Feststellungen“ (UA 46 bis UA 275) sei „zum Verständnis des Tatgeschehens unabdinglich“ – nicht erschließt.

Beispielsweise werden in dem Abschnitt „weitere Feststellungen“ unter der Unterüberschrift „weiteres geschäftliches Handeln, Versicherungen, Firmenpolitik, Marketing, Anpreisungen“ der vom Angeklagten gegründeten Firmen von UA 163 bis UA 276 ausgesprochen kleinteilig Projekte des Angeklagten beschrieben (etwa der Vertragsschluss über die Errichtung eines stratosphärischen Luftschiffs in China, UA 163 ff.), zu eingestellten Verfahrensteilen („Projekt T. „) Feststellungen getroffen und Firmenpräsentationsunterlagen dargestellt, ohne einen Bezug zum Schuldspruch herzustellen. Soweit in diesem den Schuldspruch nicht betreffenden Komplex etwa auch umfangreiche E-Mail-Korrespondenz des bzw. mit dem Angeklagten wörtlich mitgeteilt bzw. überwiegend einkopiert wird, erschließt sich nicht, ob und gegebenenfalls inwieweit das Landgericht ihr doch Bedeutung für den Sachverhalt beimessen wollte oder diese in irgendeiner Weise als Indiztatsachen für die Beweiswürdigung des Tatgeschehens oder die Strafzumessung Relevanz entfalten können. Das Landgericht kommt im Rahmen der Beweiswürdigung nicht darauf zurück.

Die aus Sicht des Landgerichts für das ausgeurteilte Tatgeschehen notwendigen Tatsachen aus dem Konvolut des zweiten Abschnitts herauszufiltern und aus den beiden Feststellungsblöcken den den Schuldspruch tragenden Sachverhalt zusammenzustellen, ist nicht die Aufgabe des Senats.

(2) Dem Verständnis und der Lesbarkeit des Urteils gänzlich abträglich ist zudem die den Fließtext zur Sachverhaltsdarstellung fortlaufend unterbrechende Fülle von insgesamt etwa 200 einkopierten Schriftstücken, Abbildungen u.a., deren Bedeutung für den Schuldspruch ebenfalls nicht erkennbar ist.

Insbesondere bleibt aufgrund der gewählten collageartig anmutenden Sachverhaltsdarstellung unklar, ob oder inwieweit die in die Sachverhaltsdarstellung einkopierten Schriftstücke ihrem Inhalt nach festgestellt sein sollen oder ob sie nur der Beweiswürdigung dienen. Die gebotene Trennung zwischen Feststellungen zur Tat und der Beweiswürdigung findet nicht statt. Zwar hat die Strafkammer insoweit einleitend darauf hingewiesen, dass „zur erleichterten Darstellung der festgestellten Tatsachen einige der die Feststellungen belegenden und im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführten Urkunden bereits hier – im Vorgriff auf III. (die Beweiswürdigung) – jeweils auszugsweise dargestellt“ werden, was für eine bloß beweiswürdigende Funktion der einkopierten Passagen spricht. Allerdings ergäben sich bei Auslassung einiger einkopierter Passagen offensichtliche Lücken in der Sachverhaltsdarstellung, so dass ihnen – zumindest zum Teil – auch Feststellungscharakter zugesprochen werden könnte. Dies gilt etwa für den Inhalt der für den Schuldspruch elementar wichtigen Auftragsbestätigung der M. AG vom 24. September 2008 (Zeitpunkt des Vertragsschlusses), deren Inhalt – anders bei anderen Passagen – gerade nicht im Fließtext nochmals wiedergegeben wird. Auch insoweit vermag der Senat nicht nachzuvollziehen, ob und gegebenenfalls welche Feststellungen vom Tatrichter getroffen wurden.

b) Aufgrund dieser den gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht werdenden, unklaren und ausufernden Sachverhaltsdarstellung hat sich das Landgericht zudem den Blick für Rechtsfragen verstellt, die – soweit dies dem Urteil entnommen werden kann – der Fall aufweist. Das Urteil hielte daher auch unabhängig von den durchgreifenden Darstellungsmängeln sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.

…….“

Also. Gereicht hätte es eh nicht…. aber die Arbeit von über drei Jahren ist schon wegen der mangelhaften Urteilsgründe dahin.

 

Beweiswürdigung II: Beweise sind zu würdigen, oder: Warnschuss vom BGH

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Die zweite Entscheidung zur Beweiswürdigung kommt auch vom 4. Strafsenat des BGH. Der BGH, Beschl. v. 10.09.2019 – 4 StR 398/19 – ist im Grunde ein Klassiker, denn es ist mal wieder einer dieser „versteckten Hilfeschreie“ des BGH betreffend unübersichtliche und zu lange Beweiswürdigungen:

„Die sehr unübersichtliche und zu weiten Teilen aus einer nicht auf die getroffenen Feststellungen bezogenen Aneinanderreihung von Zeugenaussagen bestehende Beweiswürdigung stellt den Bestand des Urteils noch nicht in Frage (vgl. dazu Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 29. Aufl., Rn. 351 und 814). Denn der Senat kann dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend entnehmen, auf welche Beweisgründe die Strafkammer ihre Überzeugung gestützt und wie sie die mitgeteilten Beweisergebnisse gewürdigt hat. Die sehr knapp gehaltenen Ausführungen zum bedingten Tötungsvorsatz, insbesondere zu dessen voluntativem Element (vgl. zu den Darlegungserfordernissen BGH, Urteil vom 14. August 2014 – 4 StR 163/14, NStZ 2015, 266, 267 mwN), sind mit Rücksicht auf die Besonderheiten des Falles (mehrere von oben ausgeführte Würfe mit Stühlen auf den an der Fassade eines Hauses in großer Höhe kletternden Geschädigten) noch ausreichend. Soweit das Landgericht davon ausgegangen ist, dass der Angeklagte (auch) in seiner Einsichtsfähigkeit „im Sinne des § 21 StGB beeinträchtigt“ war, ohne ausdrücklich darüber zu befinden, ob bei ihm in den Tatsituationen tatsächlich eine Unrechtseinsicht vorhanden war (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 5. Juli 2016 – 4 StR 215/16, Rn. 6 mwN), ergeben die Urteilsgründe noch ausreichend, dass die Strafkammer mit Rücksicht auf das Leistungsverhalten des Angeklagten und den allenfalls für möglich erachteten „mittelschweren Rausch“ das Fehlen einer Unrechtseinsicht im Ergebnis ausgeschlossen hat.“

Ich weiß, es ist nicht einfach den Anforderungen des BGH an die Beweiswürdigung gerecht zu werden. Einerseits darf nicht zu wenig geschrieben werden, andererseits aber auch nicht zu viel. Eins ist aber sicher: Die Betonung liegt auf „….. würdigung“, nicht auf „…. mitteilung des Beweisergebnisses“.

Die nur „naheliegende“ Borderline-Störung, oder: Wie man einen „Beweisantrag“ nicht begründen sollte

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Und zum Tagesschluss kommt dann noch der BGH, Beschl. v. 15.08.2019 – 4 StR 292/19. Der nimmt zu den Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Beweisantrages Stellung. Deren Vorliegen hat der BGH verneint:

„Das Landgericht hat die Beweisanträge auf Einholung eines psychiatrischen und eines aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens im Ergebnis zu Recht nicht als Beweisanträge, sondern als Beweisermittlungsanträge behandelt. Es fehlt jeweils an der bestimmten Behauptung einer Beweistatsache. Auch bei Auslegung der Antragsbegründung ist darin nicht bestimmt behauptet, sondern nur als „naheliegend“ (vgl. S. 7 der Revisionsbegründung) in den Raum gestellt, dass die Geschädigte an einer Borderline-Störung leide. Die Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens soll der Aufklärung dienen, „inwieweit das psychiatrische Störungsbild […] deren Wahrnehmungs-, Erinnerungs- und Wiedergabefähigkeit beeinflusst“.

Eine Aufklärungsrüge ist nicht in einer den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise erhoben.“

Die Entscheidung gehört dann für den Verteidiger in die Rubrik: Wie man es nicht machen soll.

Sicherstellung von Bargeld, oder: Steht die Verwendung zu Straftaten bevor?

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Die zweite Samstagsentscheidung kommt dann auch von einem VG, und zwar vom VG München. Das hat im VG, Urt. v. 28.11.2018 – M 7 K 16.6006 – zur sog. Sicherstellung von Bargeld Stellung genommen.

Grundlage war folgender Sachverhalt:

„Am 27. April 2016 kontrollierten Beamte der Polizeiinspektion Fahndung auf der Bundesautobahn A 8 (im Folgenden: A 8) in Fahrtrichtung pp. auf dem Parkplatz pp. einen Kleintransporter mit rumänischer Zulassung (amtl. Kennzeichen pp.). Eine INPOL-Überprüfung der neun Insassen ergab, dass zwei von ihnen bereits wegen Hehlerei und Urkundenfälschung in Erscheinung getreten waren. Aufgrund dessen wurde das Fahrzeug zu einer genaueren Kontrolle und Untersuchung zur Polizeiinspektion verbracht. Bei der Durchsuchung des Fahrzeugs wurde im Armaturenbrett im Bereich der Beifahrerseite hinter der Plastikblende des Beifahrerairbags eine weiße Papiertasche entdeckt. In dieser befand sich eine grüne Plastiktüte, in der 16 Bündel in 10-, 20-, 50- und 100- Euroscheinen, insgesamt 20.000,- Euro, festgestellt wurden. Zudem wurden bei einer körperlichen Durchsuchung der Personen insgesamt bei allen nochmals 2.700,- Euro und 200,- USD Bargeld aufgefunden. Im Rahmen einer anschließenden Befragung gab der Kläger an, dass es sich um sein Geld handle. Dieses habe er von seinen Eltern bekommen, um sich damit in Paris ein Auto zu kaufen. In Paris habe er einen Anruf von seinen Eltern bekommen. Diese hätten mitgeteilt, dass ein Onkel von ihm verstorben sei und er nach Hause fahren solle. Deswegen habe er keine Zeit mehr gehabt ein Auto zu kaufen. Wie der Onkel heiße wisse er nicht, er nenne ihn „Alter“. Das Geld habe er schon so versteckt von Rumänien nach Paris gebracht, weil er nicht so viel Geld habe bei sich tragen wollen. Bei der Durchsuchung des Fahrzeugs sei er nicht dabei gewesen. Wenn die Polizisten ihn gefragt hätten, hätte er ihnen das Geld gezeigt.

Mit Schreiben vom 3. Mai 2016 teilte das Bayerische Landeskriminalamt dem Zollfahndungsamt München mit, dass der Kleintransporter (amtl. Kennzeichen pp. ) bereits am 30. Oktober 2015 auf der Bundesautobahn A 94 einer polizeilichen Kontrolle unterzogen worden sei. Damals hätten sich neun rumänische Staatsangehörige darunter auch der Kläger in dem Fahrzeug befunden. Diese hätten bei weiterer Befragung erklärt, nach Paris fahren zu wollen. Es habe der Verdacht nahe gelegen, dass die Personen möglicherweise als Bettler oder für sonstige illegale Handlungen eingesetzt würden. Der Kläger sei zudem schon im September und Oktober 2015 mit dem Kleintransporter aufgefallen. In beiden Fällen sei er auf der A 8 in Fahrtrichtung München unterwegs gewesen. Im Februar 2013 sei der Kläger zudem wegen Urkundenfälschung und des Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz für ausländische Kfz und Kfz-Anhänger in Erscheinung getreten.

Laut Aktenvermerk vom 27. Juni 2016 wurden am 29./30. April 2016 zwei rumänische Staatsangehörige mit insgesamt 376 Stangen Zigaretten aufgegriffen. Diese hätten bei ihrer Vernehmung unabhängig voneinander angegeben, dass die Zigaretten nach Paris verbracht und dort Familien eines Wohnwagenparks zum Einkaufspreis weitergegeben hätten werden sollen. Bemerkenswert sei, dass der Kläger und die beiden „Zigarettenschmuggler“ ihre Meldeanschriften in der gleichen Ortschaft in Rumänien hätten.

Mit Verfügung vom 1. Juni 2016 – zugestellt am 3. Juni 2016 – ordnete das Zollfahndungsamt München die Sicherstellung des festgestellten Bargeldes in Höhe von 20.000,- Euro an, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren (Nr. 1). Zugleich wurde die sofortige Vollziehung dieser Sicherstellungsverfügung angeordnet (Nr. 2).

Zur Begründung wurde angeführt, dass das Geld nach § 32 b Abs. 1 Zollfahndungsdienstgesetz – ZFdG – sichergestellt werden könne. Mit der Sicherstellung des Geldes sei eine gegenwärtige Gefahr abgewendet worden, die im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung bestehe und gegenwärtig vorliege. Es sei davon auszugehen, dass das in Rede stehende Bargeld in Höhe von 20.000,- Euro mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus rechtswidrigen Handelsgeschäften herrühre und im Falle einer Rückführung erneut einer illegalen Verwendung im Rahmen der Abwicklung von Zigarettenschmuggelgeschäften zugeführt werden solle. Für den Umstand, dass es sich um inkriminiertes Geld handle, spreche die Auffindesituation, die Stückelung des Geldes, die in der Befragung gemachten Angaben bezüglich der Herkunft des Geldes sowie die aufgrund der bisher durchgeführten Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse. Das Zollfahndungsamt sei der festen Überzeugung, dass das Bargeld aus Verkäufen von Schmuggelzigaretten – in den Wohnwagenparks von Paris – stamme und dem Kläger zu einem unbestimmten Zeitpunkt vor dem 27. April 2016 übergeben worden sei, damit dieser das Geld nach Rumänien verbringe, um es dort für den erneuten Ankauf von Schmuggelzigaretten zu verwenden. Hierfür spreche auch der aktuelle Aufgriff der mobilen Kontrolleinheit des Zolls vom 29./30. April 2016 auf der A 8.

Das VG hat die Klage als begründet angesehen:

„Die Sicherstellungsverfügung vom 1. Juni 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage der Sicherstellungsverfügung ist § 32 b Abs. 1 ZFdG. Danach können die Behörden des Zollfahndungsdienstes (hier nach § 1 Abs. 1 ZFdG das zuständige Zollfahndungsamt) im Zuständigkeitsbereich der Zollverwaltung eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren – wobei auch Bargeld (Banknoten, Münzen) als bewegliche Sache bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen präventiv sichergestellt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.2015 – 10 CS 15.1435 – juris Rn. 21 m.w.N.).

Der Begriff der gegenwärtigen Gefahr stellt eine besondere Qualifikation der konkreten Gefahr dar, welche eine besondere zeitliche Nähe der Gefahrenverwirklichung und ein gesteigertes Maß an Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts bezeichnet (vgl. Schenke in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 1. Aufl. 2014, § 14 BPolG Rn. 27). Eine konkrete Gefahr ist gegeben, wenn bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens im Einzelfall eine Verletzung der Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung eintreten wird (vgl. Schmidbauer in Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, 4. Aufl. 2014, Art. 11 Rn. 21). Eine gegenwärtige Gefahr liegt demgegenüber vor, wenn die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder wenn diese Einwirkung unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht. (vgl. Schmidbauer in Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, 4. Aufl. 2014, Art. 11 Rn. 47). Die Gefahrenprognose muss eine hohe Sicherheit aufweisen (vgl. OVG Bremen, U.v. 24.6.2014 – 1 A 255/12 – juris Rn. 25 m.w.N.). Dabei sind allerdings nach einem das Polizei- und Ordnungsrecht beherrschenden Rechtsgedanken an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.2.1974 – I C 31.72 – juris Rn. 41).

Die Sicherstellung von Bargeld zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr kommt dabei insbesondere auch dann in Betracht, wenn das Bargeld zur Begehung von Straftaten verwendet werden soll (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.2015 – 10 CS 15.1435 – juris Rn. 21). Denn nach § 26 Abs. 2 Satz 1 ZFdG treffen die Zollfahndungsämter alle geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Verhütung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, zur Aufdeckung unbekannter Straftaten sowie zur Vorsorge für künftige Strafverfahren im Zuständigkeitsbereich der Zollverwaltung. Dabei ist sowohl eine besondere zeitliche Nähe als auch ein besonders hoher Grad an Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts erforderlich. Letzteres bedingt eine entsprechend abgesicherte Prognose, d.h. es müssen hinreichend konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Geld unmittelbar oder in allernächster Zeit zur Vorbereitung oder Begehung von Straftaten verwendet werden wird; ein bloßer Gefahrenverdacht oder bloße Vermutungen reichen dafür nicht; allerdings gilt – wie ausgeführt – ein mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.2015, a.a.O. m.w.N.). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist insoweit der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. OVG Bremen, U.v. 24.6.2014 – 1 A 255/12 – juris Rn. 25; OVG NW, B.v. 22.2.2010 – 5 A 1189/08 – juris Rn 2; BVerwG, B.v. 4.7.2006 – 5 B 90/05 – juris Rn 6), hier der Erlass des Widerspruchsbescheids am 28. November 2016.

Im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung lagen die Voraussetzungen für eine Sicherstellung des Bargeldes nach § 32 Abs. 1 ZFdG nicht vor. Es bestanden zwar Verdachtsmomente dafür, dass das Geld aus illegalen Geschäften stammt. Allerdings lagen zu diesem Zeitpunkt – bei Berücksichtigung der Gesamtumstände – keine hinreichend konkreten und nachvollziehbaren tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass das Geld auch unmittelbar oder in allernächster Zeit zur Vorbereitung oder Begehung von Straftaten verwendet werden wird.

Ausgehend von den in der Rechtsprechung hinsichtlich der Herkunft eines sichergestellten Bargeldbetrages aus dem Drogenhandel anerkannten Grundsätzen – die auch im Hinblick auf illegalen Zigarettenschmuggel herangezogen werden können – bestanden hinreichende Verdachtsmomente dafür, dass der bei dem Kläger aufgefundene Bargeldbetrag in Höhe des sichergestellten Betrages aus illegalen Geschäften herrührte.

In der Rechtsprechung sind folgende Gesichtspunkte, die für eine Herkunft des Geldes aus dem Drogenhandel sprechen, anerkannt (vgl. NdsOVG, U.v. 7.3.2013 – 11 LB 438/10 – Rn. 37): hoher Geldbetrag, Versteckthalten oder zumindest Aufbewahrung an einem ungewöhnlichen Ort, szenetypische Stückelung der Geldscheine, nicht plausibel erklärte Herkunft der Mittel, Verdachtsmomente aus der organisierten Kriminalität, einschlägige strafrechtliche Ermittlungsverfahren bzw. Verurteilungen.

Hiervon ausgehend durfte die Beklagte vorliegend insbesondere aufgrund der Höhe des Geldbetrages, des Verbergens des Geldes, dessen Stückelung sowie der nicht glaubhaften Schilderung des Klägers eine Herkunft des Geldes aus illegalen Geschäften annehmen.

So wurde vorliegend der Bargeldbetrag in Höhe von 20.000,- Euro bei der Kontrolle am 27. April 2016 trotz Verbergens aufgefunden. Dabei vermag der Einwand des Klägers, dass dieser als Angehöriger der Volksgruppe der Roma über kein Bankkonto verfüge und daher darauf angewiesen sei, alle Zahlungsvorgänge durch Bargeld abzuwickeln nicht zu überzeugen. Denn selbst dies als zutreffend unterstellt, vermag dies nicht das Verstecken des Geldes sowie dessen Stückelung zu erklären. Der Geldbetrag befand sich nicht in einer Geldbörse des Klägers, sondern war vollständig im Armaturenbrett im Bereich der Beifahrerseite hinter der Plastikblende des Beifahrerairbags in einer weißen Papiertasche versteckt. Die Banknoten waren weiterhin zu 15 Bündel à 1.000,- Euro und einem Bündel à 5.000,- Euro gebündelt. Die Bündel waren zudem jeweils mit Gummibändern umwickelt, so dass auszuschließen ist, dass eine Bank an dem Geldkreislauf beteiligt war. Zudem setzte sich der Betrag aus 422 10-Euroscheinen, 384 20-Euroscheinen, 154 50-Euroscheinen und vier 100-Euroscheinen zusammen. Insbesondere die auffällige Häufung von 10- und 20-Euroscheinen legt dabei den Verdacht der Herkunft aus illegalen Geschäften nahe.

Selbst wenn der beim Kläger aufgefundene Bargeldbetrag hinsichtlich der Häufigkeit und Verteilung der Banknoten auf die einzelnen Nennwerte statistisch dem jeweiligen Anteil der einzelnen Note am gesamten Eurobanknotenumlauf entspräche, wäre nicht geklärt, warum der Kläger einen derart gestückelten Bargeldbetrag mit sich geführt hat. Diesbezüglich vermag auch die Erklärung des Klägers zur Herkunft bzw. zur beabsichtigten Verwendung des Geldes nicht zu überzeugen. So gab der Kläger im Rahmen seiner Befragung am 27. April 2016 an, dass er das Geld von seinen Eltern bekommen habe, um damit in Paris ein Auto zu kaufen. Zugleich erklärte er, dass er und seine Eltern keine Arbeit hätten. Es erscheint nicht überzeugend, dass die Eltern des Klägers ohne gesichertes, regelmäßiges Einkommen in der Lage gewesen sein sollen, diesem zusätzlich zu den laufenden Kosten der eigenen Lebensführung einen Geldbetrag in Höhe von 20.000,- Euro zur Verfügung zu stellen. Ebenfalls vermag nicht zu überzeugen, dass der Kläger telefonisch über den Tod eines Verwandten informiert und zur sofortigen Rückkehr aufgefordert worden sein will, aber zugleich im Rahmen seiner Befragung am 27. April 2016 nicht in der Lage war den Namen des Verwandten zu benennen. Selbst wenn man nach dem Einwand des Klägervertreters berücksichtigt, dass es unter der Volksgruppe der Roma üblich ist, Spitznamen zu verwenden bzw. deutlich ältere Personen mit „Alter“ anzusprechen und zu bezeichnen, so wäre zu erwarten, dass bei einem Verwandten, dessen Tod den unmittelbaren Abbruch einer zweckgebundenen ca. 2.300 km weiten Reise ohne Zweckerreichung und eine sofortige Rückreise zu begründen vermag, zusätzlich dessen bürgerlicher Name benannt werden kann. Dies gilt umso mehr, als auch eine Identifikation unter den Verwandten allein aufgrund der Verwendung der Globalbezeichnung „Alter“ nicht praktikabel und dem Gericht auch unter Verwandten nur schwer möglich erscheint, so dass davon auszugehen ist, dass jedenfalls unter Verwandten eine weitere Form der Bezeichnung zur konkreten Identifizierung der jeweiligen Person gebräuchlich ist. Insgesamt erscheinen die Einlassungen des Klägers nicht glaubhaft und vermögen das Gericht nicht von der Richtigkeit der angegebenen Herkunft und des Verwendungszwecks des Geldes zu überzeugen.

Allerdings vermochten alleine diese Verdachtsmomente im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung keine hinreichend konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Grundlage für die Annahme, dass das Geld unmittelbar oder in allernächster Zeit zur Vorbereitung oder Begehung von Straftaten verwendet werden wird, zu begründen. Zwar ist anerkannt, dass es kriminalistischer Erfahrung entspricht, dass das aus Drogengeschäften gewonnene Geld in der Regel zumindest teilweise wieder in die Beschaffung von Betäubungsmitteln investiert wird. Dies kann jedoch nicht allgemein auf Fälle wie der vorliegenden Art übertragen werden, da alleine die ungeklärte oder deliktische Herkunft noch nicht die Annahme einer deliktischen Verwendung des Geldes rechtfertigt (vgl. BayVGH, B.v. 27.6.2016 – 10 CS 16.895 – juris Rn. 13; OVG Bremen, U.v. 24.6.2014 – 1 A 255/12 – juris Rn. 26). Vielmehr muss nach der konkreten, durch Indizien abgesicherten Situation der Schluss gerechtfertigt sein, dass das Geld mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit wieder zu illegalen Zwecken verwendet werden soll (vgl. BayVGH, B.v. 27.6.2016 a.a.O.).

Der Kläger war und ist bislang nicht nachweisbar in Zusammenhang mit Zigarettenschmuggel in Erscheinung getreten. Insbesondere wurde der Kläger vor und nach der streitgegenständlichen Kontrolle mehrfach kontrolliert, ohne dass sich hierbei Anhaltspunkte für eine Beteiligung des Klägers an einem Zigarettenschmuggel ergeben hätten. Soweit die Beklagte berücksichtigt hat, dass am 29./30. April 2016 zwei rumänische Staatsangehörige mit insgesamt 376 Stangen Zigaretten, die nach Paris verbracht werden sollten, aufgegriffen wurden, vermag dies – entgegen der Auffassung der Beklagten – alleine keinen hinreichenden Anhaltspunkt für eine geplante illegale Verwendung des Geldes zu begründen. Zwar erscheint es mehr als bloß zufällig, dass mehrere Personen aus einem 11.500 Einwohner-Ort binnen vier Tagen mehr als 1.300 km von deren Heimatort entfernt mit in dem jeweiligen Fahrzeug verbauten Zigaretten bzw. Bargeld angetroffen werden. Ein gesicherter Schluss, dass das beim Kläger aufgefundene Geld zum Ankauf von „Schmuggelzigaretten“ verwendet werden und dadurch wieder in die illegale „Kreislaufwirtschaft“ eingespeist werden sollte, ist dem jedoch nicht zu entnehmen. Zudem lässt sich die Sicherstellung auch nicht wegen der gegenwärtigen Gefahr der Begehung eines Geldwäschedelikts rechtfertigen. Es fehlt an hinreichenden Belegen für das Vorhandensein einer nach § 261 Strafgesetzbuch – StGB – erforderlichen Vortat. Da die einzelnen Varianten des Geldwäschetatbestandes sehr weitgehend sind, müssen an die notwendige Feststellung einer Vortat qualifizierte Anforderungen gestellt werden. Zwar ist die Feststellung einer bestimmten Vortat nicht erforderlich. Es müssen aber Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Katalogtat begangen wurde und es muss zur Überzeugung des Gerichts feststehen, dass der Tatgegenstand aus einer (von ggf. mehreren) Katalogtat(en) herrührt. Die Katalogtat muss dabei konkretisiert festgestellt sein (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, 64. Aufl. 2017, § 261 Rn. 9). Dass das sichergestellte Bargeld aus einer solchen Katalogtat herrührt, steht nach den obigen Ausführungen jedoch nicht hinreichend konkret fest. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Mitnahme des Bargeldes durch den Kläger von Rumänien nach Paris und zurück nicht nach dem – ausschließlich für den die Gemeinschaftsgrenzen überschreitenden Bargeldverkehr geltenden – § 12 a Abs. 1 Zollverwaltungsgesetz – ZollVG – generell anmeldepflichtig war, da eine Anmeldepflicht nach § 12 a Abs. 2 ZollVG vielmehr erst im Falle eines – vorliegend nicht belegten – ausdrücklichen Verlangens der Zollbediensteten, mitgeführtes Bargeld von mehr als 10.000 Euro anzugeben, bestanden hätte (vgl. BayVGH, B.v. 27.6.2016 – 10 CS 16.895 – juris Rn. 15).

Nach einer Gesamtschau der Umstände konnte die Beklagte somit mangels hinreichend konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte somit nicht vertretbar davon ausgehen, dass das Bargeld im Falle einer Rückgabe an den Kläger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für die Begehung von Straftaten verwendet worden wäre.“

OWi I: Das BayObLG und das Fahrverbot, oder: Urteilsgründe ausreichend?

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Heute dann drei OWi-Entscheidungen, und zwar zu den Rechtsfolgen.

Zunächst bringe ich den BayObLG, Beschl. v. 23.04.2019 – 202 ObOWi 460/19 – zu den Anforderungen an die Urteilsgründe betreffend die Rechtsfolgen. Das BayObLG moniert, dass das AG dazu nicht genug Feststellungen getroffen hat:

„2. Indes hält die Rechtsfolgenentscheidung des Amtsgerichts rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil sich die Feststellungen zur Einlassung der Betroffenen und zu den Tatsachen, aufgrund derer das Amtsgericht eine das Absehen von dem Regelfahrverbot nach § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV rechtfertigende besondere Härte verneint hat, als lückenhaft erweisen und das verhängte Fahrverbot nicht tragen. Die Urteilsgründe enthalten insoweit keine den Mindestanforderungen der §§ 261, 267 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG genügende Darstellung.

a) Zwar sind im Bußgeldverfahren an die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen Dennoch kann für deren Inhalt grundsätzlich nichts anderes als im Strafverfahren gelten, denn auch im Bußgeldverfahren sind die Urteilsgründe die alleinige Grundlage für die rechtliche Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin. Sie müssen daher so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung ermöglicht wird (vgl. Göhler OWiG 17. Aufl. § 71 Rn. 42, 43 m.w.N.).

Hinsichtlich der Beweiswürdigung müssen die Urteilsgründe daher regelmäßig erkennen lassen, auf welche Tatsachen das Gericht seine Überzeugung gestützt hat, ob und wie sich der Betroffene eingelassen hat, ob das Gericht dieser Einlassung folgt und inwieweit es diese für widerlegt ansieht. Nur so ist gewährleistet, dass das Rechtsbeschwerdegericht die tatrichterliche Beweis-würdigung auf Rechtsfehler überprüfen kann (KK/Senge OWiG 5 Aufl. § 71 Rn. 107; Göhler a.a.O. Rn. 43, 43a jeweils m.w.N.).

Dies muss in gleicher Weise auch hinsichtlich der Rechtsfolgenentscheidung gelten. Auch insoweit müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, auf welche Tatsachen das Gericht seine Entscheidung hinsichtlich der Bemessung der Geldbuße und der Anordnung von Nebenfolgen gestützt, wie sich der Betroffene insoweit eingelassen und wie das Gericht diese Einlassung gewürdigt hat.

b) Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.

Zu der Frage des Vorliegens einer das Absehen von einem Regelfahrverbot nach § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV rechtfertigenden besonderen Härte führt das Amtsgericht lediglich aus, dass es „auch unter Berücksichtigung der von der Betroffenen vorgetragenen Umstände hinsichtlich Folgen eines Fahrverbotes“ keinen Raum gesehen hat, hiervon abzuweichen (UA S. 4 unten). Die von der Betroffenen ,,geschilderten Umstände“ seien nicht so gravierend, dass diese nicht als Folge der Sanktionierung für einen überschaubaren Zeitraum von einem Monat hinzunehmen wären (UA S. 5 oben). Mit welchem konkreten Sachvortrag sich die Betroffene gegen die Verhängung des Fahr-verbotes gewandt hatte, wird indes nicht mitgeteilt.

Das Urteil nimmt damit zwar auf eine Einlassung der Betroffenen zur Frage eines Härtefalles Bezug und teilt auch mit, dass sich die Betroffene „mit ihrem Einspruch gegen das verhängte Fahrverbot“ wendet (UA S. 3 unten). Den Urteilsgründen ist indes nicht zu entnehmen, welchen Inhalt diese Einlassung hatte. Die konkreten Erklärungen der Betroffenen zu den Auswirkungen des im Bußgeldbescheid verhängten Fahrverbotes werden an keiner Stelle des tatrichterlichen Urteils inhaltlich wiedergegeben.

Der Senat kann daher mit den im Rechtsbeschwerdeverfahren auf die Sachrüge hin zulässigen Erkenntnisquellen nicht feststellen, inwieweit die Entscheidung des Amtsgerichts, von der Verhängung des in § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV vorgesehenen Regelfahrverbotes nicht abzusehen, frei von Rechtsfehlern ist. Die Nichteinhaltung der Mindestanforderungen an eine nachvollziehbare Urteilsdarstellung veranlasst die Aufhebung des angefochtenen Urteils (vgl. OLG Hamm zfs 2008. 348).“

Nur kurz: Auch hier wieder die Formulierung „vorläufig Erfolg“. Das ist in meinen Augen nicht richtig, denn diese Rechtsbeschwerde hat endgültig Erfolg, da das Urteil des AG aufgehoben wird. Was dann weiter passiert, ist nicht mehr Gegenstand dieses Rechtsbeschwerdeverfahrens. Es handelt sich doch nicht um eine Zwischenentscheidung.