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OWi III: Die Urteilsunterschrift des Richters, oder: Wenn das OLG rätselt, wer wohl unterschrieben hat

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Und dann zum Schluss des Tages hier noch der OLG Hamm, Beschl. v. 11.05.2021 – 4 RBs 124/21, der mal wieder zu den Anforderungen an eine richterliche Unterschrift unter einem schriftlichen Urteil (§ 275 Abs. 2 Satz 1 StPO) Stellung nehmen musste.

Hier hatte die Amtsrichterin in einem Bußgeldverfahren zwar das Urteil unterschrieben, aber so ganz viel Mühe hatte sie sich damit nicht gemacht. Jedenfalls hat dem OLG ihr“Unterschrift“ nicht gereicht mit der Folge, dass das Urteil aufgehoben worden ist:

„1. Das angefochtene Urteil weist einen auf die Sachrüge hin beachtlichen, durchgreifenden Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten auf, weil es keine den Anforderungen des § 275 Abs. 2 S. 1 StPO i.V.m. § 71 OWiG genügende Unterschrift der erkennenden Richterin enthält und es damit an einer Prüfungsgrundlage für die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht fehlt.

Gegenstand der rechtsbeschwerdegerichtlichen Überprüfung in sachlich-rechtlicher Hinsicht sind allein die schriftlichen Entscheidungsgründe, wie sie sich aus der gemäß § 275 StPO mit der Unterschrift des Richters zu den Akten gebrachten Urteilsurkunde ergeben. Das Fehlen einer individualisierbaren richterlichen Unterschrift ist hierbei – abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall des Fehlens nur einer richterlichen Unterschrift bei der Entscheidung durch ein Kollegialgericht – dem völligen Fehlen der Urteilsgründe gleichzustellen und führt bereits auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils, wenn nach Ablauf der Frist des § 275 Abs. 1 S. 2 StPO die Unterschrift auch nicht mehr nachgeholt werden kann.

So liegt der Fall hier, da die Unterzeichnung des vorliegend angefochtenen Urteils nicht den Anforderungen genügt, die von der Rechtsprechung an eine Unterschrift gestellt werden.

Der erkennende Richter hat das von ihm verfasste schriftliche Urteil zu unterschreiben (§ 275 Abs. 2 S. 1 StPO), was einen die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden individuellen Schriftzug erfordert, der sich nicht nur als Namenskürzel (Paraphe) darstellt, sondern charakteristische Merkmale einer Unterschrift mit vollem Namen aufweist und die Nachahmung durch einen Dritten zumindest erschwert. Dazu bedarf es nicht der Lesbarkeit des Schriftgebildes; ausreichend ist vielmehr, dass jemand, der den Namen des Unterzeichnenden und dessen Unterschrift kennt, den Namen aus dem Schriftbild herauslesen kann. Das setzt allerdings voraus, dass mindestens einzelne Buchstaben zu erkennen sind, weil es sonst am Merkmal einer Schrift überhaupt fehlt. Diese Grenze individueller Charakteristik ist insbesondere bei der Verwendung bloßer geometrischer Formen oder einfacher (gerader oder nahezu gerader) Linien eindeutig überschritten, die in keinem erkennbaren Bezug zu den Buchstaben des Namens stehen (st. höchstrichterliche und obergerichtliche Rspr., vgl. nur: OLG Hamm, Beschl. v. 20.12.2016 – III-1 RVs 94/16 – juris m.w.N.).

Das vorliegende Urteil weist am Ende ein händisches Zeichen auf, welches etwa einer im 45 Grad-Winkel nach links unten zeigenden Pfeilspitze ähnelt. Wenn man überhaupt in dieses Zeichen Buchstaben hineininterpretieren wollte, so könnte es sich um ein gekipptes „V“ als Großbuchstabe, ein gekipptes „L“ als Großbuchstabe oder ein „C“ als Großbuchstabe handeln. „V“ und „C“ kommen überhaupt nicht imn Namen der im Rubrum genannten Richterin vor, ein „L“ jedenfalls nicht am Namensanfang als Großbuchstabe. Jemand, der den Namen der erkennenden Richterin kennt, kann aus dem Zeichen weder den Namen noch einzelne zum Namen gehörende Buchstaben herauslesen.“

Etwas mehr Sorgfalt auch an der Stelle ……

OWi III: Verwerfungsurteil und Verfahrensrüge, oder: Ätsch-Effekt bzw. „Schaut her, wie schlau wir sind.“

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Und dann noch die dritte Entscheidung, der OLG Koblenz, Beschl. v. 27.04.2021 – 3 OWi 6 SsBs 59/21. Gegenstand der Entscheidung ist eine Rechtsbeschwerde gegen ein gemäß § 74 Abs. 2 OWiG ergangenes Verwerfungsurteil. Das AG hat den Einspruch verworfen, da der nicht entbundene Betroffene in der Hauptverhandlung nicht erschienen war. Das AG hatte aber dabei nicht dazu Stellung genommen, dass der Verteidiger noch am Tag der Hauptverhandlung, die für 13.00 Uhr terminiert war, mit um 10:07 Uhr eingegangenem Schreiben durch eine Büroangestellte des Verteidigers in dessen Auftrag um Aufhebung des Termins ersucht hatte, weil der Verteidiger erkrankt sei. Das Schreiben hatte den zuständigen Richter erst im Nachgang zur Hauptverhandlung erreicht.

Das OLG sieht die Rechtsbeschwerde als unbegründet an, weil die Verfahrensrüge nicht ausreichend begründet sei. Dazu führt es aus:

„Gleichwohl dringt der Betroffene mit diesem Einwand nicht durch. Denn eine gemäß §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zulässig erhobene Verfahrensrüge setzt voraus, dass der zugrundeliegende Tatsachenvorgang vollständig und lückenlos vorgetragen wird (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. 5 StR 98/94 v. 26.07.1994 – Rn. 103 n. juris).

Hierzu gehört auch, dass keine dem Beschwerdeführer nachteilige Sachen verschwiegen werden dürfen (BGH, Beschl. 4 StR 234/13 v. 27.08.2013 – juris). Ferner ist die Darlegung der Tatsachen erforderlich, aufgrund derer die Beruhensfrage vom Rechtsbeschwerdegericht geprüft werden kann (BGH, Urt. 4 StR 604/05 v. 20.04.2006 – NStZ-RR 2007, 52 <53>).

Hierzu hat die Generalstaatsanwaltschaft wie folgt ausgeführt:

„Es fehlen jedoch jegliche Ausführungen dazu, warum der Betroffene trotz der ausdrücklichen Anordnung seines persönlichen Erscheinens dem Termin ferngeblieben ist. Ein Betroffener hat gem. § 228 Abs. 2 StPO i. V. m. § 71 Abs. 1 OWiG keinen Anspruch darauf, im Falle der Verhinderung des Verteidigers die Aussetzung der Verhandlung zu verlangen. Das Ausbleiben des Betroffenen im Hauptverhandlungstermin könnte zwar gem. § 74 Abs. 2 StPO dann als entschuldigt anzusehen sein, wenn es auf einer Information des Verteidigers beruhte, dass ein Termin nicht stattfinde (vgl. KG, Beschluss vom 09.05.2012 – 3 Ws (B) 260/12162 Ss 81/12 m.w.N.). Dies ist aber nicht vorgetragen. Insofern ist der konkrete Fall nicht mit der bisherigen Senatsrechtsprechung vergleichbar, in der das Ausbleiben des Betroffenen auf einer Mitteilung seines Verteidigers gründete und daher zu Unrecht der Einspruch als unzulässig verworfen worden war (OLG Koblenz, Beschluss vom 10. September 2009 – 2 SsRs 54/09 –, juris). Es fehlt vielmehr jeglicher Sachvortrag dazu, warum der Betroffene dem Termin unentschuldigt fernblieb und ob es zur Frage der etwaigen Aufhebung des Termins eine irgendwie geartete Kommunikation zwischen dem Betroffenen, dem Verteidiger oder dessen Büro gab. Dies aufzuklären, ist dem Rechtsbeschwerdegericht verwehrt.“

Dem tritt die Einzelrichterin des Senats nach eigener Prüfung im Ergebnis bei, wobei ergänzend wie folgt ausgeführt wird: Die Verwerfung erfolgte wegen der Abwesenheit des Betroffenen, dessen persönliches Erscheinen angeordnet war. Die Beschwerdebegründung geht indes nur auf die Verhinderung des Verteidigers ein (mag diese auch nach dem Vorgesagten einen Grund für ein entschuldigtes Ausbleiben des Betroffenen bilden können), unterschlägt jedoch den Grund für das Ausbleiben des Betroffenen selbst, dem vielfache Ursachen wie beispielsweise ein Versäumnis, Unlust oder auch Zweifel an den Erfolgsaussichten und der Sinnhaftigkeit des Verfahrens zugrunde liegen können. Das Vorbringen verhält sich insofern auch nicht zur Ursächlichkeit der Verhinderung des Verteidigers für das Ausbleiben des Betroffenen im Hauptverhandlungstermin. Es ist danach nicht einmal ersichtlich, ob dem Betroffenen die Verhinderung des Verteidigers überhaupt bekannt war. Der Beschwerdebegründung lässt sich nicht entnehmen, dass der Betroffene tatsächlich aufgrund der Verhinderung des Verteidigers der Hauptverhandlung fernblieb. Hierzu hätte aber vorgetragen werden müssen, andernfalls ist dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung der Beruhensfrage nicht ermöglicht. Es hätte vorgetragen werden müssen, dass sich die zur Entschuldigung des Verteidigers vorgetragenen Gesichtspunkte auf das Nichterscheinen des Betroffenen ausgewirkt haben (vgl. KG Berlin, Beschl. 3 Ws (B) 324/11 2 Ss 171/11 v. 27.06.2011). Allein auf Grundlage des Beschwerdevorbringens verbleiben vorliegend Fallkonstellationen als denkbar, in denen das Ausbleiben des Betroffenen (selbst)verschuldet war, ihm billigerweise deshalb ein Vorwurf zu machen ist, seine Verteidigungsinteressen nicht überwiegen und ein Beruhen denklogisch ausgeschlossen ist. Die Rüge ist daher nicht zulässig erhoben.

Davon zu trennen ist die Frage, ob der Betroffene bei kurzfristiger Verhinderung des Verteidigers eine eigene Entschuldigung vorbringen muss, bevor er im Termin der Hauptverhandlung ausbleibt. Soweit dies vom Brandenburgischen Oberlandesgericht verneint und daraus gefolgert wurde, dass das Verwerfungsurteil (zwingend) aufzuheben sei (Beschl. 1 Ss (OWi) 82 B/05 v. 30.05.2005 – Rn. 16 n. juris m.w.N.), lag indes der Fall zugrunde, dass der Betroffene um die kurzfristige Verhinderung des Verteidigers wusste und hierzu in der Rechtsbeschwerde ausreichend vorgetragen hat. Fehlt es dagegen, wie in der hiesigen Rechtsbeschwerde, an Informationen zur Kenntnis des Betroffenen von den Umständen, die sein Ausbleiben entschuldigen (können), bleibt im Raum stehen, dass er (subjektiv) nicht entschuldigt war. Dass in letzterem Fall trotz der Verhinderung des Verteidigers ein Verwerfungsurteil ergehen kann und der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt ist, liegt auf der Hand. Der Umfang des erforderlichen – vollständigen – Vorbringens in der Rechtsbeschwerde ist insofern gegenüber den Tatsachen, die bereits genügen, um dem Tatrichter im Bußgeldverfahren zu einer weitergehenden Prüfung im Rahmen des Verwerfungsurteils nach § 74 Abs. 2 OWiG zu veranlassen, erhöht, was bereits daraus folgt, dass im Rahmen der Prüfung einer genügenden Entschuldigung i.S.d. § 74 Abs. 2 OWiG ein bloßer „Anhalt“ genügt, in der Rechtsbeschwerde aber vollständig vorzutragen ist.“

In meinen Augen eine dieser „Herr Lehrer, „Ich weiß was“-Entscheidungen“ oder: Schaut her, wie schlau wir sind. Denn warum muss man im Einzelnen darlegen und ausführen, was das AG alles bei der Begründung seiner Verwerfung falsch oder nicht gemacht hat, wenn es darauf nicht ankommt? Das erweckt bei mir immer auch den Eindruck eines Ätsch-Effekts. Muss m.E. nicht sein. Denn die Fragen kann man ja getrost dahinstehen lassen. Es sei denn …..

Beweisrecht III: Wiederholtes Wiedererkennen in der HV, oder: Anforderungen an die Beweiswürdigung

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Und als dritte Entscheidung aus dem Komplex „Beweisrecht“ der schon etwas ältere OLG Zweibrücken, Beschl. v. 14.01.2021 – 1 OLG 2 Ss 54/20 u. 55/20, den mir der Kollege Wullbrandt aus Heidelberg geschickt hat. Es geht in dem Beschluss um die Frage des wiederholten Wiedererkennens in der Hauptverhandlung und um die Anforderungen an die Urteilsgründe.

Dem Beschluss liegen folgende Feststellungen des AG zugrunde: „Die beiden Angeklagten begaben sich in den frühen Morgenstunden des 30.06.2019 nach dem Besuch des Weinfestes in Niederkirchen an einen Taxistand, von wo aus sie die Heimfahrt antreten wollten. Dort gerieten sie über die Frage, wer das nächst verfügbare Taxi besteigen dürfe, in einen – zunächst verbal geführten – Streit mit dem Zeugen B. Der Angeklagte pp. versetzte dem Zeugen im Verlaufe der Auseinandersetzung einen Stoß, wodurch dieser zu Fall kam. Anschließend traten zunächst der Angeklagte pp., dann auch der Angeklagte pp. auf den am Boden liegenden Zeugen B. ein. Als die Nebenklägerin dazwischen ging, um dem Zeugen B. zu helfen und die Auseinandersetzung zu beenden, wurde sie mehrfach vom Angeklagten pp. weggestoßen und stürzte schließlich auf ihre Knie, wodurch sie Schürfwunden davontrug. Anschließend wurde sie ebenfalls zur Gänze zu Boden gebracht und von beiden Angeklagten am Boden liegend getreten.

Als sich die Nebenklägerin anschließend wieder vom Boden aufgerappelt hatte, schlug ihr der Angeklagte pp. „mit voller Wucht“ mit der Faust ins Gesicht, wodurch sie einen Nasenbein- und Orbitalbodenbruch erlitt.

Der Zeuge F., der das Geschehen beobachtet hatte, eilte nunmehr herbei, um dem Zeugen B. der am Boden liegend weiter von den Angeklagten getreten wurde, zu helfen. Als der Zeuge in das Geschehen eingreifen wollte, versetzte ihm der Angeklagte pp. einen Faustschlag ins Gesicht, wodurch einer der Backenzähne des Zeugen abbrach.

Der Nebenklägerin gelang es, telefonisch die Polizei zu verständigen, die kurze Zeit später – die Angeklagten hatten sich mittlerweile vom Tatort entfernt – eintraf. Noch während der polizeilichen Sachverhaltsaufnahme kehrte der Angeklagte pp. zur Tatörtlichkeit zurück, wo er von der Nebenklägerin als diejenige Person, die ihr den Schlag ins Gesicht versetzt hatte, wiedererkannt wurde. Der Angeklagte In äußerte auf Befragen, er sei mit seinem Bekannten, dem Angeklagten pp., zuvor auf dem Weinfest unterwegs gewesen und nunmehr auf dem Heimweg. Hierbei zeigte er den Polizeibeamten ein Bild des Angeklagten pp., welches er auf seinem Mobiltelefon gespeichert hatte, und gab dessen Personalien bekannt.“

Auf die Revision hat das OLG Zweibrücken aufgehoben. Es sieht die Ausführungen des Amtsgerichts zur Identifizierung der beiden Angeklagten als Täter des festgestellten Geschehens als lückenhaft an:

„…..

Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Amtsgerichts nicht vollumfänglich gerecht.

2. Die Angeklagten haben sich in der Hauptverhandlung nicht zu den Tatvorwürfen eingelassen. Das Amtsgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten wesentlich auf die Angaben der Nebenklägerin und die des Zeugen F. gestützt. So habe die Nebenklägerin glaubhaft versichert, sich „ganz bewusst das Äußere der beiden Täter im Rahmen des Tatgeschehens“ eingeprägt zu haben. Auch habe sie beide Angeklagte in der Hauptverhandlung „direkt beim Ein-treten in den Gerichtssaal“ wiedererkannt. Hierbei habe sie geäußert, dass die Person, die im Zeitpunkt der Tat noch einen Bart getragen habe (Angeklagter pp. nunmehr keinen Bart mehr trage, es sich bei dem anderen Angeklagten (Angeklagter pp. aber genau umgekehrt verhalte. Den Angeklagten pp. habe sie zudem noch in der Tatnacht als Täter wiedererkannt. Der Zeuge F. habe bekundet, den Angeklagten pp. in der Tatnacht sicher als die Person, die ihm einen Faustschlag versetzt habe, wiedererkannt zu haben. Sowohl die Nebenklägerin als auch der Zeuge hätten bereits in der Tatnacht den Angeklagten pp. „gut und detailreich“ (UA S. 5) beschrieben.

3. Das Amtsgericht, hat danach maßgeblich auf das Wiedererkennen der Angeklagten durch die Nebenklägerin und den Zeugen F. in der Hauptverhandlung abgestellt. Einem wiederholten Wiedererkennen in der Hauptverhandlung kommt aber regelmäßig lediglich ein eingeschränkter Beweiswert zu (vgl. BGH, Beschluss vom 30.03.2016 — 4 StR 102/16, juris Rn. 10; Brause, NStZ 2007, 505, 509; vgl. a. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 30.04.2003 — 2 BvR 2045/02, juris Rn. 37). Das Amtsgericht wäre deshalb gehalten gewesen, die Zuverlässigkeit des Erinnerungsvorgangs näher zu belegen und sich hierbei auch eingehend mit denjenigen Umständen zu befassen, die gegen die Verlässlichkeit des Wiedererkennen sprechen können.

a) Den Urteilsgründen lässt sich bereits nicht entnehmen, welche konkreten Merkmale in den Erscheinungsbildern der Täter die beiden Zeugen gegenüber der Polizei in der Tatnacht geschildert haben. Es bleibt deshalb völlig offen, ob und inwieweit die von ihnen angegebenen Merkmale auf die beiden Angeklagten zugetroffen haben und wie individuell und damit aussagekräftig diese Merkmale gewesen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 25.01.2006 – 5 StR 593/05, juris Rn. 6; Beschluss vom 29.11.2016 — 2 StR 472/16, juris Rn. 4). Dem Urteil kann insoweit lediglich entnommen werden, dass einer der Täter einen Vollbart trug und der andere an den Armen „komplett tätowiert“ gewesen war. Ob diese Angaben dem damaligen Erscheinungsbild der Angeklagten entsprochen haben und aufgrund welcher Beweismittel sich das Amtsgericht hiervon überzeugt hat, lassen die Urteilsgründe hingegen unerörtert.

b) Das Tatgericht hat zudem nicht erkennbar bedacht, dass die Erinnerungsleistung der Zeugen in der Hauptverhandlung maßgeblich durch den Umstand beeinflusst worden sein kann, dass diese den Angeklagten pp. noch in der Tatnacht gegenüber der Polizei als Täter identifiziert haben. Es hätte daher in seine Würdigung einstellen müssen, dass sich die Nebenklägerin und der Zeuge in der Hauptverhandlung unbewusst an derjenigen Person orientiert haben könnten, die sie im unmittelbaren Anschluss an das Tatgeschehen als Täter wiedererkannt haben (vgl. BGH, Be-schluss vom 04.05.1988 — 3 StR 148/88 , juris Rn. 3; OLG Hamm, Beschluss vom 22. April 2004 — 2 Ss 594/03, juris Rn. 9).

c) In diesem Zusammenhang hätte sich das Amtsgericht zudem mit der verstärkten Suggestibilität der ldentifizierungssituation in der Hauptverhandlung (hierzu: BGH, Beschluss vom 25.01.2006 – 5 StR 593/05, juris Rn. 7) auseinandersetzen müssen. Der Beweiswert eines ersten Wiedererkennens durch einen Zeugen in der Hauptverhandlung wird regelmäßig dadurch erheblich gemindert, dass der Angeklagte durch seine Platzierung im Gerichtssaal als Tatverdächtiger hervorgehoben wird (OLG Köln, Beschluss vom 19.06.1998- Ss 151/98, juris Rn. 15). Dies gilt hier um-so mehr, als die Zeugen den Angeklagten pp. bereits in der Tatnacht als Täter identifiziert hatten und nach den Urteilsgründen jedenfalls nicht ausgeschlossen ist, dass der Angeklagte schon durch seine räumliche Platzierung im Gerichtssaal als (weiterer) Tatverdächtiger präsentiert worden ist. Hierdurch kann der Beweiswert des ersten Wiedererkennens des Angeklagten maßgeblich gemindert worden sein.“

Wiedereinsetzung II: Anforderungen an den Antrag, oder: Wie oft denn eigentlich noch?

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Die zweite Entscheidung kommt dann noch einmal vom BGH. Der hat im BGH, Beschl. v. 17.12.2020 – 3 StR 423/20 – noch einmal – zum wievielten Mal eigentlich? – zu den Anforderungen an die Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags Stellung genommen. Und zwar wie folgt:

„II. Bereits das persönliche Schreiben des Angeklagten vom 28. September 2020 ist als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 44, 45 StPO) zu werten (§ 300 StPO). Da der Angeklagte die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist nicht in Abrede stellt, sondern geltend macht, sein Verteidiger habe dies zu vertreten, wird seinem Rechtsschutzbegehren durch eine entsprechende Auslegung des Schreibens hinreichend Rechnung getragen. Eine Deutung des Antrags als zudem gestellter Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 346 Abs. 2 StPO ist demgegenüber nicht veranlasst.

Sowohl dieser vom Angeklagten selbst gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als auch der mit dem Verteidigerschriftsatz vom 5. Oktober 2020 gestellte Wiedereinsetzungsantrag sind unzulässig.

1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO); innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen. Zudem ist innerhalb der Antragsfrist die versäumte Handlung nachzuholen (§ 45 Abs. 2 Satz 2 StPO).

2. Zwar ist der mit Schreiben des Angeklagten vom 28. September 2020 gestellte Wiedereinsetzungsantrag fristgerecht angebracht worden. Nachdem der Angeklagte am 24. September 2020 von der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Kenntnis erlangt hatte und damit das Hindernis für die Fristwahrung entfallen war, hat er mit seinem am 1. Oktober 2020 beim Landgericht eingegangenen Schreiben die Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO hinsichtlich des Anbringens des Wiedereinsetzungsantrages gewahrt. Jedoch ist entgegen § 45 Abs. 2 Satz 2 StPO innerhalb der am 1. Oktober 2020 endenden Wochenfrist die Revisionsbegründung und damit die versäumte Handlung nicht nachgeholt worden. Die Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO gilt – von hier nicht relevanten Ausnahmefällen abgesehen – auch dann, wenn es sich bei der versäumten und nachzuholenden Handlung um die Begründung einer Revision handelt. Die Monatsfrist des § 345 Abs. 1 StPO wird insofern durch die Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO ersetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 1997 – 1 StR 543/96, NStZ-RR 1997, 267; KK-StPO/Maul, 8. Aufl., § 45 Rn. 9; MüKoStPO/ Valerius, § 45 Rn. 19). Die Revisionsbegründung ist jedoch erst mit dem Verteidigerschreiben vom 5. Oktober 2020 nachgeholt worden. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte schuldlos gehindert war, für ein Anbringen der Revisionsbegründung innerhalb der Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO Sorge zu tragen, sind nicht ersichtlich, zumal er in seinem Schreiben vom 28. September 2020 vorgebracht hat, er habe bereits einen anderen Anwalt mandatiert.

3. Auch der mit Verteidigerschriftsatz vom 5. Oktober 2020 gestellte weitere Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand genügt den Formerfordernissen des § 45 StPO nicht. Denn maßgebend für den Beginn der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO ist der Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte selbst Kenntnis von der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist erlangt hat (BGH, Beschlüsse vom 27. November 2019 – 5 StR 539/19, juris; vom 20. November 2019 – 4 StR 522/19, NStZ-RR 2020, 49, 50; vom 26. Juni 2018 – 3 StR 197/18, juris Rn. 3 f.; vom 29. November 2016 – 3 StR 444/16, StraFo 2017, 66; vom 14. Januar 2015 – 1 StR 573/14, NStZ-RR 2015, 145). Dies gilt selbst dann, wenn der Verteidiger – wie hier – eigenes Verschulden geltend macht, das dem Angeklagten nicht zuzurechnen wäre (BGH, Beschlüsse vom 20. November 2019 – 4 StR 522/19, NStZ-RR 2020, 49, 50; vom 2. Juli 2019 – 2 StR 570/18, StraFo 2019, 469, 470; vom 2. April 2019 – 3 StR 63/19, juris Rn. 5 f.). Auf den im Schriftsatz vom 5. Oktober 2020 mitgeteilten Zeitpunkt der Kenntniserlangung durch den Verteidiger kommt es hingegen nicht an. Daher hätten mit dem Verteidigervorbringen Angaben dazu gemacht werden müssen, wann der Angeklagte Kenntnis von der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist erlangt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Juli 2019 – 2 StR 570/18, StraFo 2019, 469, 470; vom 26. Juni 2018 – 3 StR 197/18, juris Rn. 3 f.; vom 29. November 2016 – 3 StR 444/16, StraFo 2017, 66; vom 14. Januar 2015 – 1 StR 573/14, NStZ-RR 2015, 145). Hieran fehlt es jedoch. Zudem ergibt sich aus dem Vorbringen des Angeklagten in seinem Schreiben vom 28. September 2020, dass dieser – wie dargetan – am 24. September 2020 Kenntnis davon erlangt hat, dass die Revisionsbegründungsfrist versäumt worden war. Die Unzulässigkeit des mit dem Verteidigerschriftsatz vom 5. Oktober 2020 gestellten weiteren Wiedereinsetzungsantrags folgt deshalb auch daraus, dass die mit diesem Schreiben angebrachte Revisionsbegründung entgegen § 45 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht innerhalb der Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO nachgeholt worden ist.“

Dieselskandal II: Berufungsbegründung, oder. Bloß Wiederholungen reichen nicht

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Die zweite Entscheidung, der BGH, Beschl. v. 25.08.2020 – VI ZB 67/19 – stammt auch aus dem Komplex „Dieselskandal“.

In diesem Verfahren ging es aber um den Erwerb eines VW Golf im Jahr 2014, der mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet war. Nach Bekanntwerden der manipulierten Funktionsweise der Motorsteuerungssoftware und Rückrufaufforderung durch das Kraftfahrtbundesamt war auf das Fahrzeug des Klägers dann das von VW entwickelte Software-Update aufgespielt wordem.

Der Kläger hat VW noch auf Schadensersatz in Anspruch genommen und hat  die Zahlung eines Betrages von 2.800 EUR nebst Zinsen als Ausgleich für den durch die Betroffenheit des Fahrzeugs von dem sogenannten „Dieselskandal“ verursachten Minderwert des Fahrzeuges im Falle eines Weiterverkaufs verlangt. Daneben hat er beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche weitere materiellen Schäden zu ersetzen, die aus der manipulierten Motorsoftware des von ihm erworbenen Fahrzeugs resultieren, und den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt. Gestützt hat der Kläger die geltend gemachten Ansprüche auf § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB.

Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, VW hafte jedenfalls nicht auf den geforderten merkantilen Minderwert des Wagens. Selbst wenn arglistig getäuscht worden sein sollte, werde nicht das Interesse des Erwerbers an einer ordnungsgemäßen Erfüllung geschützt – dies liege aber dem Ausgleich einer Wertminderung zugrunde. Das gleiche Schicksal ereilte den Feststellungsantrag für zukünftige Schäden: Die pauschale Behauptung, infolge des Updates könne es zu Folgeschäden kommen, sei ebenso unzureichend wie der Hinweis auf andere vorstellbare Konsequenzen wie steuerliche Nachteile. Daraufhin legte der Klägerim Juli 2019 Berufung ein, die das OLG Oldenburg als unzulässig verworfen hat. Begründung: Der Schriftsatz dessen Anwalts setze sich mit dem Urteil und den tragenden Gründen überhaupt nicht auseinander, sondern bestehe aus Wiederholungen des erstinstanzlichen Vortrags.

Das hatte beim BGH Bestand:

„Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Insbesondere ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) erforderlich. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzt der angefochtene Beschluss nicht den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. BVerfG, NJW 2003, 281 mwN).

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 21. August 2019 inhaltlich nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO an eine Berufungsbegründung entspricht, ist nicht zu beanstanden.

1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben; nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO muss sie konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen zwar nicht; auch ist es für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen in erster Instanz zu verweisen (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschluss vom 11. Februar 2020 – VI ZB 54/19, NJW-RR 2020, 503 Rn. 5 mwN). Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschluss vom 11. Februar 2020 – VI ZB 54/19 aaO Rn. 6 mwN). Bei einem teilbaren Streitgegenstand oder bei mehreren Streitgegenständen muss sich die Berufungsbegründung grundsätzlich auf alle Teile des Urteils erstrecken, hinsichtlich derer eine Änderung beantragt wird (vgl. Senatsurteil vom 22. November 2011 – VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 6 mwN; BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 – III ZR 52/12, NJW-RR 2014, 492 Rn. 56 mwN).

2. Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung des Klägers nicht gerecht. Sie enthält hinsichtlich keiner der streitgegenständlichen prozessualen Ansprüche einen hinreichenden inhaltlichen Bezug zu den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils.

a) Im Hinblick auf den geltend gemachten Zahlungsanspruch geht bereits die Zusammenfassung der Entscheidungsgründe in der Berufungsbegründung, wonach nach Auffassung des Landgerichts die Beklagte weder arglistig getäuscht habe noch eine sittenwidrige Schädigung des Klägers vorliege, und die erste inhaltliche Rüge, das Landgericht sehe die Voraussetzungen des Betrugs- tatbestandes nach § 263 Abs. 1 StGB zu Unrecht als nicht vorliegend an, am Inhalt des landgerichtlichen Urteils vorbei. Denn das Landgericht hat sich mit den tatbestandlichen Voraussetzungen der in Betracht kommenden deliktischen Ansprüche nicht befasst, sondern die Klageabweisung hinsichtlich des geltend gemachten Ersatzanspruches wegen des angeblichen merkantilen Minderwertes des Fahrzeuges ausschließlich damit begründet, dass diese Position nach den vom Kläger herangezogenen Anspruchsgrundlagen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ersatzfähig ist. Die Berufungsbegründung lässt nicht erkennen, welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe sie den hierzu vom Landgericht angeführten Argumenten entgegensetzen will.

aa) Mit der Ansicht des Landgerichts, der als Schadensposition geltend gemachte merkantile Minderwert des Fahrzeugs betreffe das von deliktischen Ansprüchen nicht erfasste Erfüllungsinteresse, setzt sich die Berufungsbegründung nicht auseinander. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ergibt sich zu dieser Frage auch nichts aus den von der Berufungsbegründung hinsichtlich der „Makelbehaftung“ des Fahrzeugs angeführten gerichtlichen Entscheidungen.

bb) Auf die vom Landgericht gesehenen Widersprüche im erstinstanzlichen Klägervortrag zur hypothetischen Entscheidung des Klägers bei unterstelltem Wissen von einer Softwaremanipulation geht die Berufungsbegründung ebenfalls nicht ein, sondern wiederholt lediglich den erstinstanzlichen Vortrag, der Kläger hätte das Fahrzeug nicht bzw. nicht so erworben. Soweit die Berufungsbegründung insoweit ergänzend auf angeblich vom Landgericht berücksichtigten Vortrag des Klägers zu Äußerungen der Verkäuferseite bei Vertragsabschluss abhebt, findet sich weder an der von der Berufungsbegründung benannten noch an einer sonstigen Stelle des angegriffenen Urteils eine entsprechende Feststellung.

cc) Die weitere Erwägung des Landgerichts, der Kläger hätte jedenfalls vortragen und unter Beweis stellen müssen, dass der nicht mit der Beklagten identische Verkäufer das Fahrzeug bei Kenntnis von der Softwaremanipulation zu einem geringeren Preis angeboten hätte, greift die Berufungsbegründung nicht an. Auch soweit das Landgericht konkreten Vortrag des Klägers zur Höhe des täuschungsbedingten Minderwertes des Fahrzeugs vermisst, tritt die Berufungsbegründung dem nicht entgegen, sondern verweist lediglich auf Instanzrechtsprechung, die einen merkantilen Minderwert der vom „Dieselskandal“ betroffenen Fahrzeuge in allgemeiner Form bejaht habe. Dass das Landgericht dem insoweit vom Kläger erstinstanzlich beantragten Sachverständigenbeweis nicht nachgegangen ist, wird von der Berufungsbegründung nicht gerügt.

b) Hinsichtlich des vom Landgericht für unzulässig gehaltenen Feststellungsantrags bringt die Berufungsbegründung vor, aufgrund des Einbaus der Optimierungssoftware bestehe die Möglichkeit, dass zukünftig Schäden am Fahrzeug entstehen könnten, und verweist hierzu auf landgerichtliche Rechtsprechung, wonach „nicht auszuschließen“ bzw. „keineswegs abwegig“ sei, dass die Beseitigung der Manipulationssoftware negative Auswirkungen auf Fahrzeug und Fahrleistungen haben könne. Die Berufungsbegründung setzt aber der maßgeblichen Erwägung des Landgerichts nichts entgegen, wonach eine über die bloße Möglichkeit hinausgehende – bei reinen Vermögensschäden für die Zulässigkeit der Feststellungsklage notwendige (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 – XI ZR 384/03, VersR 2006, 1219 Rn. 27 mwN) – hinreichende Wahrscheinlichkeit solcher Schäden vom Kläger nicht dargelegt sei. Auch in diesem Zusammenhang wird im Übrigen das Übergehen eines Beweisangebotes nicht gerügt.

c) Bezüglich des geltend gemachten Anspruchs auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geht die Berufungsbegründung in keiner Weise auf die vom Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 826 BGB unabhängigen Erwägungen des Landgerichts zur fehlenden Erforderlichkeit eines außergerichtlichen Vorgehens ein.“