Schlagwort-Archive: Anforderungen

Wann haste gekifft II: AG Herne-Wanne zieht mit.,,

CannabisIch hatte gestern über den OLG Bremen, Beschl. v. 02.09.2013 – 2 SsBs 60/13 berichtet (vgl. hier: Wann haste denn gekifft?). In meinem Ordner hin g noch eine amtsgerichtliche Entscheidung, die ganz gut zu bzw. in den Beitrag gepasst hätte, die hatte ich aber leider übersehen. Also schiebe ich sie nach. Es ist das AG Herne-Wanne, Urt. v. 9. 8. 2013 – 11 OWi 54 Js 393/12-121/12, das die obergerichtliche Rechtsprechung zu § 24a Abs. 2 StzVG konsequent umsetzt. Der Betroffene hatte sich nicht zur sache eingelassen. Das AG konnte (nur) folgende tatsächliche Feststellungen treffen, dass nämlich dem Betroffenen am Tattag gegen 23.22 Uhr eine Blutprobe entnommen woden ist, die einen positiven Befund auf Cannabinoide ergeben hatte,und zwar wurden folgende Werte festgestellt:  THC: 1,7 ng/ml, THC-Metabolit (THC-11-OH): ca. 0,3 ng/ml, THC-Metabolit (THC-COOH, THC-Carbonsäure): 43 ng/ml.  Aus der polizeilichen Anzeige des Vorfalls ging zudem hervor, dass der Betroffene gegenüber den Polizisten angegeben hatte, letztmalig vor drei Tagen Cannabis konsumiert zu haben. Aus der OWiG-Anzeige ging ferner hervor, dass der Betroffene gegen 19.00 Uhr letztmalig Insulin gespritzt habe.

Das AG hat einen Sachverständigen beauftragt, der zum Ergebnis gekommen ist, dass THC normalerweise innerhalb von sechs Stunden abgebaut sei. Auch längere Abbauzeiten von 12, 24, bis zu 48 Stunden oder länger seien aber abhängig von der Gewöhnung des Konsumenten möglich. Der hier festgestellte Wert von 1,7ng/ml sei grundsätzlich auch drei Tage nach letztmaligem Cannabiskonsum möglich und auch für einen Gelegenheitskonsumenten nicht auszuschließen. Aufgrund der Befundkonstellation gebe keinen Beweis für einen Dauerkonsum des Betroffenen. Es könne durchaus sein, dass der Betroffene keine körperlichen Auswirkungen zum Tatzeitpunkt gespürt habe. Ausfallerscheinungen seien nicht bekannt.

Auf der Grundlage hat das AG unter Anwendung von in dubio pro reo den Betroffenen frei gesprochen, weil es ihm Fahrlässigkeit nicht hat nachweisen können.

Sicherlich ein Erfolg: Nur. Das dicke Ende kann natürlich – je nach Einlassung und den Angaben für Betroffene in den Fällen immer in Form der Fahrerlaubnisbehörde noch hinterher kommen.

Zusatz um 10.51: Ich kaufe ein „a“ und mache in der Überschrift aus „hste“ das „haste.

Wer schreibt der bleibt.. die Vorstrafen im Urteil

© Gina Sanders - Fotolia

© Gina Sanders – Fotolia

Manchmal denke ich, wenn ich obergerichtliche Entscheidungen und die darin enthaltenen Beanstandungen der tatgerichtlichen Urteile lese: Es kann doch nicht so schwer sein, ein Urteil so auf die Reihe zu bekommen, dass das Revisionsgerichte nichts zu meckern hat. Das gilt vor allem im Bereich der Strafzumessung. Ein Beispiel für eine „Ansammlung“ von Beanstandungen ist in meinen Augen der KG, Beschl. v. 08.03.2013 – (4) 161 Ss 21/13 (28/13), aus dem ich mir nur eine Beanstandung des KG herausgreifen will, nämlich die Frage nach dem Umfang der tatrichterlichen Feststellungen hinsichtlich der Vorstrafen des Angeklagten, wenn die bei der Strafzumessung berücksichtigt werden sollen. Da reicht es eben nicht, nur den Strafregisterauszug abszuschreiben oder ggf. in das Urteil hineinzukopieren. Sondern:

„Auch die Darstellung der Vorstrafen des Angeklagten wird den Mindestanforderungen, die an die entsprechenden Feststellungen zu stellen sind, nicht gerecht. Soweit Vorstrafen bei der Strafzumessung berücksichtigt werden sollen, müssen sie in dem Umfang und in denjenigen Einzelheiten mitgeteilt werden, in denen sie für die getroffene Entscheidung von Bedeutung sind (vgl. KG, Urteil vom 13. Februar 2002 – (5) 1 Ss 370/01 (45/01) -; OLG Frankfurt/M. NStZ-RR 2009, 23, 24 m. weit. Nachw.). Demgemäß hat der Tatrichter, der – wie vorliegend – aus Vorstrafen des Angeklagten Schlüsse zu dessen Nachteil ziehen will, so umfassende Angaben zu den Vorverurteilungen zu machen, dass das Revisionsgericht eine rechtliche Überprüfung der Zumessungserwägungen vornehmen kann. Das erfordert in der Regel Darlegungen über den Zeitpunkt der Verurteilungen, die Art und Höhe der erkannten Rechtsfolgen, darüber hinaus aber auch – in kurzer, präziser Zusammenfassung – über die zugrunde liegenden Straftaten (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 266; Senat, Beschlüsse vom 5. November 2009 – (4) 1 Ss 406/09 (226/09) – und 13. September 2012 – (4) 121 Ss 174/12 (211/12) -;  Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl., § 267 Rn. 18, jeweils m.w.N.). Daran fehlt es in dem angefochtenen Urteil.

Weder über die Tatzeiten noch über die den mitgeteilten Verurteilungen zu Grunde liegenden Sachverhalte teilt das Urteil irgendetwas mit. Dies ist hinsichtlich der letzten Vortaten, für die der Angeklagte nach den Feststellungen unter Bewährung steht, nicht hinnehmbar, weil diese zum Zeitpunkt der hiesigen Tat unter Umständen bereits über fünf bis sechs Jahre zurücklagen, so dass nachteilige Rückschlüsse aus diesen Taten eine mindestens kurze Auseinandersetzung mit den Tatumständen erfordert hätten. Aus dem Urteil ist lediglich indirekt zu entnehmen, dass sie sämtlichst vor einem Urteil des Amtsgerichts Erding aus dem Jahr 2006 (dessen genaues Datum nicht ersichtlich ist) begangen worden sein müssen, weil die in einem Urteil des Amtsgerichts  Tiergarten vom „Dezember 2008“ zunächst gesondert verhängten Strafen durch nachträglichen Beschluss (von wann, ist offen) mit der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Erding zu einer Gesamtstrafe zusammengefasst worden sind.“

Unterhaltspflichtverletzung: Was muss ins Urteil?

© Gina Sanders - Fotolia

© Gina Sanders – Fotolia

Nicht selten sind in der Praxis OLG-Entscheidungen, die zum erforderlichen Umfang der tatrichterlichen Feststellungen bei einer Verurteilung wegen Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170 StGB) Stellung nehmen (müssen). Da sind die amtsgerichtlichen Urteil häufig zu knapp, obwohl die OLG zu den Anforderungen an die Feststellungen immer wieder Stellung nehmen. Zu diesen OLG-Entscheidungen gehört der OLG Braunschweig, Beschl. v. 15.08.2013 – 1 Ss 50/13:

„Der objektive Tatbestand einer Verletzung der Unterhaltspflicht gern. § 170 Abs. 1 StGB setzt das Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht voraus, diese regelmäßig aus dem inländischen bürgerlichen Recht resultierende Pflicht beinhaltet als Teilelemente die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten einerseits und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners andererseits (vgl. statt vieler OLG Gelle, 2. Strafsenat, Beschluss vom 19.04.2011 — 32 Ss 37/11 Rn. 10 mit zahlreichen Rechtsprechungs- und Literaturnachweisen — bei Juris). Die von dem Tatrichter für die Beurteilung des Bedarfs des Berechtigten und der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten herangezogenen Grundlagen müssen in einer Weise festgestellt und im Urteil dargelegt werden, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung der rechtlichen Wertung des Tatrichters ermöglicht (OLG Celle, a.a.O., Rn. 14 ebenfalls mit weiteren Nachweisen). Auch bedarf es der tatrichterlichen Feststellung zur Höhe der Unterhaltsschuld, wobei die erkennenden Gerichte berechtigt sind, sich bei der Bestimmung von Bedarf des Unterhaltsberechtigten und Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten an den in der Rechtsprechung der Familiensenate der Oberlandesgerichte entwickelten unterhaltsrechtlichen Leitlinien und Tabellen zu orientieren, müssen jedoch die von ihnen herangezogenen Leitlinien und Tabellen in dem Urteil angeben (OLG Celle, a.a.O., Rn. 13 ebenfalls mit weiteren Nachweisen).

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Hinsichtlich der Höhe der Unterhaltsschuld wird lediglich ausgeführt, dass die am 14.07.2003 geborene Tochter bei ihrer Mutter lebt und der Angeklagte sich mit Urkunde vom 24.06.2004 gegenüber dem Jugendamt des Landkreises Göttingen zur Zahlung von Unterhalt nach der Regelbetragsordnung verpflichtet hat. Die unter dem Gesichtspunkt der Gefährdung des Lebensbedarfs des unterhaltsberechtigten Kindes erforderlichen Feststellungen zur Leistungsfähigkeit der Kindesmutter (vgl. hierzu OLG München NStZ 2009, 212 f, 213) fehlen ebenfalls. Des Weiteren bedarf es der tatrichterlichen Feststellung zur Leistungsfähigkeit des Angeklagten. Insoweit muss im Urteil auch der notwendige Eigenbedarf — neben zahlenmäßigen Angaben über tatsächliche oder mögliche Einkünfte und Verpflichtungen — mitgeteilt werden (vgl. OLG München a.a.O.). Dem Urteil können insoweit lediglich die Höhe der monatlichen Nettoeinkünfte und die Tatsache, dass der Angeklagte einem weiteren Kind gegenüber unterhaltspflichtig ist, entnommen werden. Ob eine (weitere) Unterhaltspflicht gegenüber der Mutter jenes Kindes, mit. der der Angeklagte verheiratet ist, besteht oder eine solche fehlt, wird ebenso wenig wie die Höhe des notwendigen Selbstbehalts des Angeklagten dargelegt. ..“

Nun: Zeitgewinn bringts immerhin :-).

Die „Gebetsmühle“ des BGH zur Aufklärungsrüge

In dem vorhin vorgestellten KG, Urt. vom hat ja auch die Frage der Begründung der Aufklärungsrüge eine Rolle gespielt. Die war nicht ausreichend begründet, wie so häufig. Dazu passt dann der BGH, Beschl. v. 30.07.2013 – 4 StR 190/13, den ich auch bereits in anderem Zusammenhang erwähnt hatte (vgl. Das ist der GBA wohl etwas weit gegangen…), der dazu noch einmal ausführt:

„Ergänzend zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts vom 8. Mai 2013 ist anzumerken :

Die Aufklärungsrüge, das Gericht habe es unterlassen, ein Sachverständigengutachten zur Aussagefähigkeit der einzigen Belastungszeugin einzuholen, obgleich sie seit mehreren Jahren Cannabis konsumiere, die schädigende Wirkung des Cannabiskonsums auf kindliche/jugendliche Personen wissenschaftlich feststehe und keine verlässlichen Aussagen zu ihrem Konsumverhalten bestünden, ist nicht zulässig erhoben. Denn die Revision trägt lediglich vor, das Gutachten „hätte möglicher-weise ergeben, dass eine glaubhafte Aussage nur eingeschränkt möglich“ sei (RB S. 20), ohne bestimmte Beweistatsachen und ein zu erwartendes, konkretes Beweisergebnis mit der erforderlichen inhaltlichen Bestimmtheit zu behaupten (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 – 1 StR 320/12, NJW 2013, 1688, 1689; Urteil vom 26. August 1988 – 5 StR 157/88, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 1).“

Leute, also wirklich: So schwer ist es nicht. Und der BGH wiederholt es doch „gebetsmühlenartig“:

Immer wieder: Warum kann man keinen vernünftigen Beweisantrag stellen?

© M. Schuppich – Fotolia.com

M.E kann es doch nicht so schwer sein, einen vernünftigen, dem Anforderungen des § 244 Abs. 2 und 3 StPO entsprechenden Beweisantrag auf die Reihe zu bekommen. Aber offenbar, doch wie die zahlreichen dazu veröffentlichten Entscheidungen des BGH und des OLG immer wieder beweisen. Und ich meine zunächst mal nur das „Basiswissen“ und nicht den Beweisantrag am Hochreck, wenn es z.B. um eine Negativtatsache geht. Aus der Rechtsprechung daher dann noch einmal ein Hinweis, und zwar auf das KG, Urt. v. 16.05.2013 – (4) 161 Ss 52/13 (66/13) , das ich hier schon einmal in einem anderen Zusammenhnag vorgestellt hatte, nämlich Die “Ticstörung” und die Aussagetüchtigkeit, und Revisionsrecht am Hochreck – die Aufklärungsrüge?. Man sieht also, was man alles aus einem Urteil herausholen kann. Das KG führt zum Beweisantrag aus:

Soweit die Verteidigung vorträgt, sie habe beantragt „ein aussagepsychologisches Sachverständigengutachten zur Glaubhaftigkeit der Angaben der zum Zeitpunkt der Tat kindlichen Zeugen V. K., geb. am pp. , und M. K., geb. am pp. einzuholen“, kann die Angeklagte keinen Verstoß gegen § 244 Abs. 3 und 4 StPO rügen, denn dies setzt voraus, dass ein Beweisantrag fehlerhaft abgelehnt worden ist. Das ist – soweit erkennbar – hier aber nicht der Fall. Ein Beweisantrag zeichnet sich dadurch aus, dass der Antragsteller eine konkrete Tatsache behauptet und verlangt, mittels eines bestimmt bezeichneten Beweismittels darüber Beweis zu erheben (vgl. Senat, Urteil vom 11. September 2012 – [4] 161 Ss 89/12 [175/12]). Diese Voraussetzungen sind nach dem Vortrag nicht erfüllt. Beweisbehauptungen fehlen vielmehr gänzlich, denn es sind keine tatsächlichen Umstände oder Geschehnisse (oder sachverständig zu bewertende Tatsachen) zum Gegen­stand des Antrags gemacht worden, sondern allenfalls Beweisziele angedeutet worden („Glaubhaftigkeit der Angaben“), die sich erst aufgrund weiterer, vom Gericht zu ziehender Schlüsse ergeben könnten (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1993 – 5 StR 279/93 – [juris] = BGHSt 39, 251; Urteil vom 6. November 1984 – 5 StR 628/84 – bei: Pfeiffer, NStZ 1985, 204 [205/ 206]). Zumindest eine ungefähre Eingrenzung der „Angaben“, deren Glaubhaftigkeit überprüft werden soll, wäre insoweit zu verlangen gewesen, um das Begehren als förmlichen Beweisantrag zu qualifizieren, zumal es sich dabei um „Angaben“ zweier verschiedener Zeugen handeln soll.“

Also Leute: So schwer ist es doch gar nicht. Und die Weichen werden in der Hauptverhandlung gestellt, nicht hinterher mit der Aufklärungsrüge.