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1, 33 o/oo BAK – kein Schadensersatz, also „teures Kölsch“.

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Vielleicht gar nicht so selten ist der Sachverhalt, der dem AG Köln, Urt. v. 20.05.2014 – 272 C 20/14 – zugrunde gelegen hat. Nach einem Verkehrsunfall in Köln wurde Schadensersatz verlangt. Grundlage war folgendes Verkehrsgeschehen:

„Die Fahrerin des Klägerfahrzeugs befuhr mit Abblendlicht gegen 23.55 Uhr die Heinrichstraße. Das Beklagtenfahrzeug stand in Höhe der Hausnummer 13 entgegen der Fahrtrichtung und ohne Beleuchtung am – aus Sicht des Klägerfahrzeugs – rechten Straßenrand im absoluten Halteverbot, und zwar halb auf dem Gehweg und halb auf einem mit einer unterbrochenen Leitlinie von der Fahrbahn getrennten, sich auf der Straße befindlichen Radweg. Das Klägerfahrzeug fuhr ungebremst mit der vorderen rechten Seite gegen die vordere rechte Seite des Beklagtenfahrzeugs. Eine der Fahrerin des Klägerfahrzeugs um 01.33 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,33 Promille.“

Für den Kläger hat es aber keinen Schadensersatz gegeben, ihm schlägt die Alkoholisierung des Fahrers seines Pkw „auf die Butterseite“, denn:

„Nach einer solchen Abwägung der Verursachungsanteile ist eine Alleinhaftung des Klägers gegeben. Die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs tritt hinter das erhebliche Verschulden der Fahrerin des Klägerfahrzeugs zurück.

Auf Beklagtenseite ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass das Beklagtenfahrzeug nicht ordnungsgemäß geparkt war. Zum einen befand sich der Bereich, in dem das Beklagtenfahrzeug stand, das Verkehrszeichen Nr. 283 (absolutes Halteverbot). Zum anderen folgt aus Anlage 3, Abschnitt 8, lfd. Nummer 22, lit. 3 zu § 42 Abs. 2 StVO, dass, wer ein Fahrzeug führt, auf durch Leitlinien markierten Schutzstreifen für den Radverkehr nicht parken darf. Ferner stand das Beklagtenfahrzeug entgegen § 12 Abs. 4 StVO am linken Fahrbahnrand.

Auf Klägerseite ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass die Fahrerin des Klägerfahrzeugs mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,33 Promille (um 01.33) im Unfallzeitpunkt absolut fahruntauglich war, und dennoch ein Fahrzeug im Straßenverkehr in Betrieb gesetzt hat.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Fahrerin des Klägerfahrzeugs den Fahrradschutzstreifen jenseits der unterbrochenen Leitlinie am rechten Fahrbahnrand befahren hat. Hierdurch hat sie gegen Anlage 3, Abschnitt 8, lfd. Nummer 22, lit. 2 Satz 1 zu § 42 Abs. 2 StVO verstoßen. Hiernach darf, wer ein Fahrzeug führt, auf der Fahrbahn durch Leitlinien markierte Schutzstreifen für den Radverkehr nur bei Bedarf überfahren. Vorliegend ist nicht erkennbar, dass nachts um 23.55 Uhr ein solcher Bedarf bestand. Das Klägerfahrzeug hätte deshalb die unterbrochene Leitlinie als rechte Fahrbahnbegrenzung einhalten müssen.

Bei einer Abwägung dieser Umstände treten die einfache Betriebsgefahr und der Parkverstoß der Beklagten zu 1) hinter die groben Verkehrsverstöße der Fahrerin des Klägerfahrzeugs und dessen Betriebsgefahr zurück.

Maßgeblich in die Abwägung einzustellen ist, dass die Fahrerin des Klägerfahrzeugs mit einer erheblichen Blutalkoholkonzentration von (um 01.33 noch) 1,33 Promille ohne überhaupt zu bremsen innerorts über einen Fahrradschutzstreifen und ohne jede Reaktion frontal gegen das dort stehende Beklagtenfahrzeug gefahren ist. Die erhebliche Alkoholisierung der Fahrerin des Klägerfahrzeugs hat sich auch im streitgegenständlichen Unfall niedergeschlagen. Dafür, dass eine zum Unfallzeitpunkt vorliegende absolute Fahruntüchtigkeit unfallursächlich ist, spricht ein Anscheinsbeweis, wenn sich der Unfall unter Umständen und in einer Verkehrslage ereignet hat, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können (statt aller BGH, Urt. v. 10.01.1995 – VI ZR 247/94) Die bei einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,1 Promille vorliegende absolute Fahruntüchtigkeit umschreibt einen Zustand, in dem jeder Fahrzeugführer nicht mehr in der Lage ist, sein Fahrzeug sicher zu führen (BGH, Beschl. v. 28.06.1990 – 4 StR 297/90). Deshalb kann insoweit von der feststehenden Ursache einer solch erheblichen Alkoholisierung unter den soeben genannten Voraussetzungen auf ihre Unfallursächlichkeit geschlossen werden. Es handelt sich um einen typischen Geschehensablauf (OLG Hamm, Urt. v. 28.01.2010 – 6 U 159/09).

Der Unfall geschah in einer Situation, die ein nüchterner Fahrer ohne Weiteres hätte meistern können. Die Fahrerin des Klägerfahrzeugs hatte selbst das Abblendlicht eingeschaltet und hätte das innerorts stehende Beklagtenfahrzeug sehen müssen. Das Beklagtenfahrzeug hatte seine Scheinwerfer nicht eingeschaltet und blendete die Fahrerin des Klägerfahrzeugs hierdurch auch nicht. Selbst die reine Reflektion ausgeschalteter Scheinwerfer (unterstellt, dass diese die Fahrerin des Klägerfahrzeugs geblendet hätten), ist für einen nüchternen Verkehrsteilnehmer kein Grund, über den Fahrbahnverlauf einer – wie hier – innerorts gelegenen Straße zu zweifeln und nicht einmal durch einen Bremsvorgang zu versuchen, eine Kollision zu verhindern.“

Teures Kölsch, wenn es denn Kölsch war, das zu der Alkoholisierung geführt hat.

BGH: Beweisantrag und „Spielsucht“

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Der BGH, Beschl. v. 30.03.2014 – 3 StR 351/14 – behandelt eine ganze Reihe von Verfahrensrüge gegen ein landgerichtliches Urteil, durch das der Angeklagte wegen schwerer räuberischer Erpressung verurteilt worden ist. Der BGH hat die Rügen z.T. als unzulässig, weil nicht ausreichend begründet, z.T. aber auch als unbegründet zurückgewiesen. Ganz interessant ist eine Rüge, mit der der Angeklagte beanstandet hatte, dass ein von ihm beantragtes Sachverständigengutachten nicht eingeholt worden ist. Die Verteidigung hatte nämlich die Einholung eines fachpsychiatrischen/fachpsychologischen Sachverständigengutachtens dazu beantragt, dass der Angeklagte zur Tatzeit an einer bipolaren affektiven Störung sowie an pathologischer Spielsucht gelitten habe und deshalb seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit aufgehoben, jedenfalls aber erheblich ein-geschränkt gewesen sei. Diesen Antrag habe die Strafkammer mit rechsfehlerhafter Begründung abgelehnt. Dazu der BGH:

„In der Tat begegnet die Begründung des Landgerichts, die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei ein völlig ungeeignetes Beweismittel, weil es an Anknüpfungstatsachen fehle, erheblichen rechtlichen Bedenken: Bei der Beantwortung, ob ein Beweismittel völlig ungeeignet ist, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Dies gilt auch für den Sachverständigenbeweis. Von völliger Ungeeignetheit kann deshalb etwa dann nicht ausgegangen werden, wenn der Sachverständige die erforderlichen Anknüpfungstatsachen aufgrund eigener Sachkunde selbst zu ermitteln vermag (BGH, Beschluss vom 1. Dezember 1989 – 2 StR 541/89, StV 1990, 98, 99). Auch reicht es aus, wenn der Sachverständige hinsichtlich der Beweisfrage nur Möglichkeiten oder mehr oder weniger große Wahrscheinlichkeiten aufzeigen kann; denn auch solche Bekundungen eines Sachverständigen können Einfluss auf die Beweiswürdigung haben (LR/Becker, aaO, § 244 Rn. 239 mwN). Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ist hier auch von einem Beweisantrag auszugehen. Mit der Nennung zweier Diagnosen, die der Sachverständige stellen soll, bezeichnet der Beweisantrag – schlagwortartig – Tatsachenbehauptungen, die über die bloße Schlussfolgerung der Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit hinausgehen.“

Aber: Wie häufig:

Auf einem etwaigen Verfahrensfehler beruht das Urteil indes nicht, weil ausgeschlossen werden kann, dass die Strafkammer – sachverständig beraten – zu der Überzeugung hätte gelangen können, der Angeklagte sei bei Begehung der Taten aufgrund einer bipolaren Störung und einer Spielsucht (je für sich oder in Kombination) in seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt gewesen: Aus dem von dem Angeklagten vorgelegten Attest ergibt sich, dass mit Blick auf die bipolare Störung depressive Erscheinungen imponieren, die im Zusammenhang mit dem gegen ihn geführten Strafverfahren stehen. Angesichts dessen kann insoweit eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit – für eine Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit ist angesichts des Krankheitsbildes ohnehin kein Raum – sicher ausgeschlossen werden. Auch „Pathologisches Spielen“ oder „Spielsucht“ stellt für sich genommen keine die Schuldfähigkeit erheblich einschränkende oder ausschließende krankhafte seelische Störung oder schwere andere seelische Abartigkeit dar. Maßgeblich ist insoweit vielmehr, ob der Betroffene durch seine „Spielsucht“ gravierende psychische Veränderungen in seiner Persönlichkeit erfährt, die in ihrem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung gleichwertig sind. Nur wenn die „Spielsucht“ zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen führt oder der Täter bei Beschaffungstaten unter starken Entzugserscheinungen gelitten hat, kann ausnahmsweise eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB anzuneh-men sein (BGH, Beschluss vom 17. September 2013 – 3 StR 209/13, juris Rn. 5 mwN). Solche Besonderheiten in der Persönlichkeit des Angeklagten sind nach –  den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen der Strafkammer – insbesonde-re auch mit Blick auf das planvolle Vorgehen des Angeklagten über einen län-geren Zeitraum – nicht ersichtlich.“

Interessant wohl hinsichtlich der Ausführungen zum Beweisantrag als auch hinsichtlich des Beruhens/der Spielsucht

Unbemerkter Drogenkonsum – man glaubt es nicht/kaum

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Vor einigen Tagen ist ja an verschiedenen Stellen über den VG Neustadt, Beschl. v. 02.12.2014 – 3 L 994/14.NW- berichtet worden, zu dem es bislang aber nur eine PM gibt (vgl. hier). Es ging/geht um die Frage, ob derjenige, der mit Drogen oder auch Alkohol im Blut fährt und bei dem Drogen/Alkohol nachgewiesen werden, sich gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem StVG mit der Einlassung retten kann, man habe ihm Alkohol/Drogen unbemerkt ins Glas geschüttet. Das hat das VG Neustadt verneint und es liegt – alles auf der Grundlage der PM – damit auf der Linie der Rechtsprechung der VG. Das ist nichts Neues und wird so von den VG immer wieder entschieden, so z.B. auch im VG Gelsenkirchen, Urt. v. 12.08.2014 – 9 K 1021/14:

Ausgehend davon beruft sich der Kläger ohne Erfolg auf einen unbewussten Amphetaminkonsum. Zwar kann eine im Regelfall eignungsausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln nur bei einem willentlichen Konsum angenommen werden. Hierfür spricht zunächst der Wortlaut der Nr. 9.1 der Anlage 4 („Einnahme“), der auf eine bewusste Aufnahme hindeutet. Darüber hinaus fehlt es bei einer unwissentlichen Aufnahme von Betäubungsmitteln an einer beachtlichen Wiederholungswahrscheinlichkeit, die ihrerseits Grundlage für die regelmäßige Annahme der Kraftfahrungeeignetheit von Konsumenten sog. harter Drogen ist.Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. Februar 2008 – 16 B 2113/07 -, vom 22. März 2012 – 16 B 231/12 -, Rn 4, und vom 29. Oktober 2012 – 16 B 1106/12 -, Blutalkohol 49 (2012), 341 Rn 2.

Allerdings geht nach allgemeiner Lebenserfahrung einem positiven Drogennachweis typischerweise ein entsprechender Willensakt voraus. Der von dem Kläger behauptete Fall einer versehentlichen bzw. missbräuchlich durch Dritte herbeigeführten Rauschmittelvergiftung stellt sich dagegen als ein Ausnahmetatbestand dar, zu dem nur der jeweils Betroffene als der am Geschehen Beteiligte Klärendes beisteuern kann und der daher von diesem jedenfalls glaubhaft und widerspruchsfrei dargetan werden muss. Erst nach einer solchen Schilderung kann sich die Frage ergeben, zu wessen Nachteil eine gleichwohl verbleibende Ungewissheit über den genauen Hergang der Ereignisse ausschlägt. Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 22. März 2012 – 16 B 231/12 -, Rn 6, vom 29. Oktober 2012 – 16 B 1106/12 -, Blutalkohol 49 (2012), 341 Rn 4, und vom 6. März 2013 – 16 B 1378/12 -, Rn 4; vgl. weiterhin OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. Februar 2007 – 1 M 219/06 -, Rn 3.

Welche Anforderungen an die Darlegung einer unbewussten Drogenaufnahme zu stellen sind, kann nur unter konkreter Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. In aller Regel sind hierzu Angaben dazu erforderlich, wer aus welchem Grund und auf welche Weise die Drogen dem Betroffenen verabreicht haben soll. Allein eine unsubstantiierte Vermutung, die Drogen könnten von einem unbekannten Dritten versehentlich oder missbräuchlich verabreicht worden sein, kann hierzu nicht ausreichend sein. Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2008 – 16 B 2113/07 -, unter Bezugnahme auf BayVGH, Beschluss vom 31. Mai 2007 – 11 C 06.2695 -, Rn 20.

Gemessen hieran trägt das Vorbringen des Klägers die Annahme, er habe das nach dem toxikologischen Gutachten in seinem Blutserum festgestellten Amphetamin unwissentlich eingenommen, nicht. Zwar hat der Kläger denjenigen, der ihm das Amphetamin bei dem offensichtlich bewussten Konsum einer anderen Droge (THC) „untergemischt“ haben soll, namentlich benannt. Sonstige Umstände oder Motive hierfür hat er aber nicht dargetan. Vielmehr hat der Kläger jedenfalls im Nachgang der Ordnungsverfügung ein weiteres Mal Amphetamin eingenommen, wie durch das weitere Gutachten des Labors L. vom 15. April 2014 feststeht. Insoweit hat er gegenüber der Polizei auch zugegeben, dass es sich um einen bewussten Konsum gehandelt habe. Dabei hat er sogar ausgeführt, dass er gelegentlich Amphetamin konsumiere. Jedenfalls vor diesem Hintergrund sieht das Gericht in den Angaben zu einem angeblichen unbewussten Konsum im November 2013 eine reine Schutzbehauptung.

Zwar gilt die in der Anlage 4 zur FeV vorgenommene Bewertung (nur) für den Regelfall (vgl. Nr. 3 Satz 1 der Vorbemerkung zu Anlage 4). Ein Ausnahmefall, der ein Abweichen von dieser Regel rechtfertigen könnte, liegt hier jedoch nicht vor. Es obliegt im Einzelfall nämlich dem Rechtsschutzsuchenden, solche Tatsachen geltend zu machen.Vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 30. Juni 2003 – 1 B206/03 -, Rn 7; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. Mai 2002 – 10 S 835/02 -, Rn 6.

Dies ist hier nicht erfolgt. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich.“

Wie stellt man nach § 154 Abs. 2 StPO ein? Nun, so wie man anklagt

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Gestern ist auf der HP des BGH das BGH, Urt. v. 25.09.2014 – 4 StR 69/14 veröffentlicht worden. Er enthält ein kleine Anleitung zur Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO, beantwortet also die Frage: Wie wird richtig eingestellt? Die Antwort/richtige Vorgehensweise ist schon von Bedeutung. Denn – und darauf weist der BGH im Beschluss auch hin: Nach ständiger Rechtsprechung des BGH  begründet die Einstellung eines Tatvorwurfs gemäß § 154 Abs. 2 StPO in der Hauptverhandlung ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis, zu dessen Beseitigung ein förmlicher Wiederaufnahmebeschluss nach § 154 Abs. 5 StPO erforderlich ist. Das bedeutet:

„Wegen der weitreichenden Wirkungen einer Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO ist die Beschlussformel so zu fassen, dass kein Zweifel besteht, auf welche Taten und welche Angeklagten sie sich bezieht (BGH, Beschluss vom 23. März 1996 – 1 StR 685/95, juris, Rn. 23). Die eingestellten Taten sind genau zu bezeichnen, nach Möglichkeit mit der Nummerierung der Anklageschrift. Ist dies nicht möglich, sind die Taten so genau zu beschreiben, dass klar erkennbar ist, welche angeklagten Taten aus dem Verfahren ausgeschieden werden. Hinsichtlich der Konkretisierung im Einstellungsbeschluss gelten insoweit dieselben Anforderungen wie bei der Tatbeschreibung in der Anklageschrift zur Erfüllung ihrer Umgrenzungsfunktion.“

Und was der BGH haben möchte, legt er dann da. Lesenswert für alle Verfahrensbeteiligten – nicht nur für die Einstellung, sondern auch für die Anklage….

Kleiner Grundkurs vom BGH: Wie fasse ich Urteilsgründe/Beweiswürdigung ab?

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Nach dem Lesen der Gründe des BGH, Beschl. v. 07.08.2014 – 3 StR 224/14 – werden die Richter der Strafkammer beim LG Neubrandenburg, die das dem BGH, Beschl. zugrundeliegende Urteil verfasst haben, sich wahrscheinlich gefragt: Fortbildung oder was war das? Nun ja, ob eine Fortbildung, weiß ich nicht, jedenfalls aber ein kleiner Grundkurs des BGH zur Abfassung von Urteilsgründen. Der BGH schreibt ja immer mal wieder dazu, vor allem dann, wenn die Gründe einer landgerichtlichen Entscheidung ihm ersichtlich zu lang waren – man muss es ja alles lesen 🙂 – und auch das ein oder andere enthielt, auf das es wohl nicht ankam. So also dann auch dieser Beschluss betreffend eine Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, in dem der BGH (noch einmal) allgemein zu den Anforderungen an die Urteilsgründe, insbesondere an die Beweiswürdigung, ausführt:

1. Die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. Juni 2014 – 3 StR 154/14, juris Rn. 8, mwN). Die schriftlichen Urteilsgründe müssen daher so sorgfältig und strukturiert abgefasst sein, dass die tatgerichtliche Entscheidung nach-vollziehbar und einer revisionsrechtlichen Überprüfung anhand dieses Maßstabes zugänglich ist (BGH, Beschluss vom 13. November 2012 – 3 StR 364/12, NStZ-RR 2013, 78, 79). Es ist zwar anzuerkennen, dass die Abfassung der Urteilsgründe stets auch Ausdruck individueller richterlicher Gestaltung und Bewertung sowie der in Spruchkörpern gewachsenen Erfahrung und Übung ist (so auch schon BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 – 2 StR 470/06, NStZ 2007, 720). Aufgabe des Tatgerichts ist es jedoch, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden. Das Abfassen unangemessen breiter Urteilsgrün-de ist weder durch § 267 StPO noch sachlichrechtlich geboten, da es, unabhängig von der vermeidbaren Bindung personeller Ressourcen beim Tatgericht, dazu geeignet sein kann, den Blick auf das Wesentliche zu verstellen und damit den Bestand des Urteils zu gefährden (BGH, Beschluss vom 3. Februar 2009 – 1 StR 687/08, BGHR StPO § 267 Darstellung 2). Die schriftlichen Urteilsgründe dienen nicht der Nacherzählung des Ablaufs der Ermittlungen oder der Dokumentation des Gangs der Hauptverhandlung. Die Annahme, es sei notwendig, das Revisionsgericht im Detail darüber zu unterrichten, welche Ergebnisse die im Hauptverhandlungsprotokoll verzeichneten Beweiserhebungen erbracht haben, ist verfehlt (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 – 2 StR 470/06, NStZ 2007, 720). So ist es regelmäßig nicht angebracht, Zeugenaussagen in umfänglicher Weise ohne Bezug zu Einzelheiten der Beweiswürdigung wieder-zugeben; denn die bloße Wiedergabe des Beweisergebnisses ersetzt nicht dessen Würdigung (BGH, Beschluss vom 20. September 2000 – 3 StR 287/00, bei Becker, NStZ-RR 2001, 257, 264). Entsprechendes gilt für die Ergebnisse von Überwachungsmaßnahmen im Bereich der Telekommunikation.

2. Diesen Anforderungen wird das vorliegende Urteil nicht gerecht. …..Nach der Wiedergabe eines gegen R. ergangenen Urteils – ebenfalls in wörtlicher Form – und der mehrseitigen Dokumentation sonstiger Beweisergebnisse folgt im Abschnitt C. der Urteilsgründe die knappe eigentliche Beweiswürdigung. Die besonders bedeutsame Frage, in welcher Form der Angeklagte an den abgeurteilten Taten beteiligt war und welche Rolle ihm dabei zukam, hat die Strafkammer nur kursorisch abgehandelt. Dabei hat sie zunächst in einem, zu der konkreten Einbindung des Angeklagten in die einzelnen abgeurteilten Taten nichtssagenden Satz auf eine Aussage abgestellt, die R. als Zeuge in einem Verfahren vor der Staatsanwaltschaft Schwerin gemacht hatte. Diese Bekundung R. s sei – so das Landgericht – glaubhaft, weil sie Bestätigung durch die weiteren Beweisergebnisse erfahren habe. So belege die umfangreich durchgeführte Überwachung der Telekommunikation, dass der Angeklagte an R. s Taten beteiligt gewesen sei. Sodann hat die Strafkammer jedoch lediglich dargelegt, auf welche Weise sie sich die Überzeugung verschafft hat, dass der Angeklagte an den überwachten Gesprächen als Sprecher teilnahm. Es folgen kurze Hinweise insbesondere zum Gewinn des Angeklagten, zu einem Angebot an einen Käufer, das Rauschgift zu einem bestimmten Preis erwerben zu können, sowie schließlich zu einer Liste mit Namen von Personen, die dem Angeklagten Geld schuldeten. Einen näheren Bezug dieser Umstände zu den konkret abgeurteilten Taten hat das Landgericht nicht hergestellt….“

Tja, und das war es dann: Aufgehoben und zurückverwiesen. Die neue Strafkammer darf dann jetzt „würdigen“.