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Pflichti II: Pflichtverteidiger im KiPo-Verfahren, oder: Beim LG Ansbach nicht….

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Im zweiten Posting geht es dann um die Beiordnungsvoraussetzungen in § 140 StPO. Ich hatte ja schon auf zwei Entscheidungen des LG Halle zur Bestellung eines Pflichtverteidigers in den sog. KiPo-Verfahren hingewiesen (vgl. LG Halle, Beschl. v. 12.08.2020 – 10a Qs 77/20  und dazu Pflichti II: Kipo-Verfahren, oder: Das gibt es wegen der Akteneinsicht auf jeden Fall einen Pflichtverteidiger und LG Halle, Beschl. v. 29.06.2020 – 10a Qs 59/20 und dazu: Pflichti III: Einmal Bestellung in einem “Kipo-Verfahren” wegen Akteneinsicht, oder: Einmal “Tatschwere”). In beiden Entscheidungen hatte das LG einen Pflichtverteidiger wegen der Möglichkeit der Akteneinsicht bestellt.

Nun, das wird nicht überall so gesehen. Das LG Ansbach – warum wundert es mich nicht, wenn es ein bayerisches LG ist – sieht das im LG Ansbach, Beschl. v. 12.10.2020 – 3 Qs 49/20 – anders:

Ergänzend bemerkt die Kammer: Eine notwendige Verteidigung ergibt sich hier nicht aufgrund der Schwierigkeit der Sachlage nach § 140 Abs. 2 Alt. 3 StPO. Die Kammer ist insoweit anderer Auffassung als die vom Verteidiger genannte Entscheidung des Landgerichts Halle im Beschluss vom 12.08.2020, Az: 10a Qs 77/20.

„Dem Beschuldigten steht ein eigenständiges Akteneinsichtsrecht nach § 147 Abs. 4 StPO zu.

Da Beweisstücke – hier der Lichtbildband im Sonderheft zur Ermittlungsakte – in amtlichem Gewahrsam verbleiben müssen, hat der Verteidiger nur einen Anspruch auf Einsichtnahme (OLG Frankfurt a. M. StV 2001, 611). Der Beschuldigte hat das Recht, hierbei anwesend zu sein. Ist der Beschuldigte unverteidigt, hat er ein eigenes Besichtigungsrecht gem. Abs. 4 S. 1 nF iVm Abs. 1 (BeckOK StPO/Wessing, § 147  Rn. 23). Die Einschränkungen des Abs. 4 betreffen namentlich Verdunklungsgefahr (hier nicht gegeben) und den Schutz persönlicher Daten (etwa von Zeugen, (KK-StPO/Willnow, § 147 Rn. 14). Ein solcher Fall des notwendigen Schutzes schutzwürdiger Interessen Dritter ist hier nicht zu besorgen.

Es handelt sich zunächst um Daten, die mutmaßlich bereits zuvor im (illegalen) Besitz des Beschuldigten gewesen sind, so dass insoweit schon keine Vertiefung eines möglicherweise vorliegenden Eingriffs in die schutzwürdigen Interessen Dritter zu befürchten ist. Die geschädigten Kinder bleiben anonym. Feststellungen zum Inhalt der gesicherten Bilddateien sind jedenfalls im Rahmen der Hauptverhandlung zu treffen, sodass in der Abwägung der Interessen der Strafrechtspflege und den Interessen der abgebildeten Personen ein möglicher Eingriff in deren Persönlichkeitsrechts gerechtfertigt ist. Insoweit ist es auch gerade nicht Auffassung der Staatsanwaltschaft, dass dem Beschuldigten kein eigenständiges Akteneinsichtsrecht nach § 147 Abs. 4 StPO zustehen würde. Etwas anderes folgt auch nicht aus Nr. 220 RiStBV, der ausdrücklich auf ein Akteneinsichtsrecht auf der Geschäftsstelle nach § 147 Abs. 4 StPO Bezug nimmt.“

„die mutmaßlich bereits zuvor im (illegalen) Besitz des Beschuldigten gewesen sind, so dass insoweit schon keine Vertiefung eines möglicherweise vorliegenden Eingriffs in die schutzwürdigen Interessen Dritter zu befürchten ist.“ – das kann man auch anders sehen. Oder muss man das sogar anders sehen?

Pflichti II: Kipo-Verfahren, oder: Das gibt es wegen der Akteneinsicht auf jeden Fall einen Pflichtverteidiger

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Das zweite Posting betrifft die Beiordnungsvoraussetzungen (§ 140 StPO). Es geht erneut um einen LG Halle, Beschluss, und zwar den LG Halle, Beschl. v. 12.08.2020 – 10a Qs 77/20, den mir der Kollege Siebers aus Braunschweig geschickt hat.

In dem Beschluss ist für die sog. KiPo-Verfahren Musik. Das LG bejaht nämlich die Notwendigkeit der Beiordnung allein wegen der Frage der Akteneinsicht, die in den Verfahren ja von besonderer Bedeutung ist.

Folgender Sachverhalt:

„Die Staatsanwaltschaft Halle (Saale) ermittelt seit dem 02.01.2020 gegen den Beschuldigten wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften gem. § 184b Abs. 3 Alt. 2 StGB. Ein dem Bundeskriminalamt vom „National Center For Missing and Exploited Children“ (NCMEC) aus den USA übermittelter .,CyberTipline Report“ hatte auf der Grundlage einer Providerauskunft die Information enthalten. dass am 21.08.2019 um 15:52:50 Uhr mitteleuropäischer Zeit über die IP-Adresse des Beschuldigten unter Nutzung des Internetdiensts „Imgur“ eine Datei mit kinderpornographischem Inhalt im Internet hochgeladen wurde. Die Bilddatei zeigt ein au-genscheinlich unter 14 Jahre altes Mädchen, welches mit heruntergelassener Hose und ent-blößtem Gesäß, an Seilen gefesselt vor einem Sofa kniet.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Halle ordnete das Amtsgericht Halle mit Beschluss vorn 30.01.2020 die Durchsuchung des Beschuldigten, seiner Wohnräume und anderer Räume so-wie Sachen an. Im Zuge der Durchsuchung am 28.02.2020 wurden bei dem Beschwerdeführer Speichermedien. darunter Computer. Mobiltelefone und andere Datenträger beschlagnahmt und deren Auswertung angeordnet.

Unter dem 29.02.2020 meldete sich Rechtsanwalt pp. als Verteidiger des Beschuldigten.
Der Verteidiger legte am 12.05.2020 nachträglich Beschwerde gegen die richterliche Durch-suchungsanordnung ein und beantragte am selben Tag seine Beiordnung als Pflichtverteidi-ger. Eine Verteidigung sei aufgrund der Schwierigkeit der Rechtslage notwendig_ Eine Ausei-nandersetzung mit der Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung angesichts des nicht schweren Tatvorwurfs und mit daraus resultierenden Problemen unzulässiger Beschlagnahmen. Be-weiserhebungs- und Beweisverwertungsverboten sei geboten. für juristische Laien aber nicht möglich.

Mit Beschluss vom 16.05.2020 lehnte das Amtsgericht Halle den Antrag des Beschuldigten auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers ab. Die Sach- und Rechtslage sei nicht als so schwie¬rig zu qualifizieren. dass die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig sei. Der Sachverhalt sei einfach gelagert und die betroffene Strafvorschrift weise keine besonderen Schwierigkeiten auf. Auch die Sanktionserwartung mache eine Pflichtverteidigung nicht erforderlich…..“

Und das LG ordnet dann bei. Begründung:

„Die sofortige Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Halle vom 26.05.2020 ist gemäß §§ 142 Abs. 7 S. 1, 311 StPO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Die Entscheidung des Amtsgerichts Halle ist zwar insoweit nicht zu beanstanden. dass kein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 1 StPO oder nach § 140 Abs. 2 Alt. 1 und 2 StPO aufgrund der Schwere der Schuld oder der zu erwartenden Rechtslage vorliegt.

Eine notwendige Verteidigung aufgrund der Schwierigkeit der Rechtslage nach § 140 Abs. 2 Alt. 3 StPO ist ebenfalls nicht gegeben, da weder umstrittene Rechtsfragen entschieden werden müssen noch die Subsumtion unter die anzuwendenden Vorschriften des materiellen Rechts Schwierigkeiten bereitet oder ernsthafte Ansatzpunkte für eine Entscheidung über ein Bewertungsverbot ersichtlich sind (M/G. 63. A., § 140 StPO Rn. 28). Wie die Kammer in ihrem Beschluss vom 24.06.2020 zur Beschwerde des Beschuldigten gegen die Durchsuchungsan-ordnung ausführte, waren die Voraussetzungen für eine Durchsuchung bei dem Beschuldigten nach § 102 StPO aufgrund der mit der Providerauskunft vorhandenen konkreten Verdachts-gründe gegeben. Die Bewertung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bereitete ebenfalls keine Schwierigkeiten. da der Besitz kinderpornographischer Schriften auch aus Laiensicht keine Bagatellstraftat ist.

Eine Notwendigkeit der Verteidigung ergibt sich vorliegend aber aufgrund der Schwierigkeit der Sachlage nach § 140 Abs. 2 Alt. 3 StPO. Dem Beschuldigten ist ein Verteidiger zur Wahr-nehmung des Akteneinsichtsrechts beizuordnen. Mit der Änderung des § 147 Abs. 4 StPO zum 01.01.2018 (Gesetz vom 05.07.2017. BGBl. I S. 2208) wurde das Akteneinsichtsrecht des unverteidigten Beschuldigten zwar erweitert, wonach er anders als nach früherer Rechtslage einen eigenen Anspruch auf Akteneinsicht hat und damit grundsätzlich auch das Recht hat. unter Aufsicht amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen (M/G, 63. A.. § 147 StPO Rn. 31). Dem Akteneinsichtsrecht des Beschuldigten stehen aber nach § 147 Abs. 4 S. 1 StPO überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter entgegen. Eine Einsicht des Beschuldigten in Beweismittelbände zu kinderpornographischen Abbildungen betrifft den Intimbereich der ab-gebildeten Person, welcher vor der Hauptverhandlung gewahrt werden soll. Ohne eine An-schauung der Abbildung als wesentliches Beweismittel ist eine ausreichende Verteidigung für den Beschuldigten aber nicht möglich. Insoweit hat der Verteidiger die Abbildung zu sichten und den Beschuldigten über seine Erkenntnisse zu unterrichten (M/G, 63. Auflage. § 147 Rn. 32 m. w. N.).“

Wie gesagt: Musik drin. Denn das LG lässt allein eine Datei, in die Einsicht zu nehmen ist, ausreichen. Besten Dank an den Kollegen für diese Entscheidung.

OWi III: Rohmessdaten im Bußgeldverfahren, oder: AG Neuruppin „rückt“ die jetzt heraus

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Urheber KarleHorn

Und als letzte Entscheidung dann seit ganz langer Zeit mal wieder eine amtsgerichtliche Entscheidung zur Einsicht und zum Verfügungstellen von Rohmessdaten. Zu den Fragen stelle ich ja – wie der ein oder andere vielleicht bemerkt hat – ja kaum noch Entscheidungen ein. Grund: Wir drehen uns im Kreis und die OLG machen eh, was sie wollen.

Den AG Neuruppin, Beschl. v. 14.07.2020 – 82.1 E OWi 76/20 -, den mir der Kollege Seeger aus Berlin geschickt hat, stelle ich nun aber ein. Denn das AG hat seine Rechtsprechung geändert, und zwar im positiven Sinn. Es sieht nämlich nun, die Bußgeldbehörde verpflichtet, der Verteidigung die Messdateien inklusive der unverschlüsselten Rohmessdaten der gesamten Messserie des Tattages auf einem geeigneten Speichermedium durch Übersendung in die Kanzleiräume des Verteidigers zur Verfügung zu stellen. Ich habe mir gedacht: Wenn man sonst auch häufig auf AG schimpft, dann kann man sie ja auch mal loben 🙂 .

Und zur Begründung führt das AG aus:

„Der Antrag ist zulässig und begründet.

Soweit bislang von der Abteilungsrichterin in ähnlich gelagerten Fällen eine von nachfolgenden Gründen abweichende Rechtsaufassung vertreten wurde, wird daran nicht mehr festgehalten.

Beim tatgegenständlich verwendeten Messverfahren mit dem Gerät POLISCAN FM1 handelt es sich unbestrittenermaßen um ein sog. Standardisiertes Messverfahren. Dies hat prozessual zur Folge, dass die Betroffenen mit der pauschalen Behauptung, sie seien nicht zu schnell gefahren und die Messung sei fehlerhaft, nicht gehört werden. Vielmehr obliegt es Ihnen, „substantiiert“ vorzutragen, aus welchen Gründen die durchgeführte Messung fehlerhaft ist. Der Betroffene hat demnach konkrete und einer Beweiserhebung zugängliche Umstände anzuführen, um eine Messung in Zweifel zu ziehen. Dies führt — prozessual untechnisch formuliert – zu einer „Beweislastumkehr“, die dem Betroffenen neben dem Recht auf Einsicht in die bereits bei der Verfahrensakte befindlichen Beweismittel wegen des Grundsatzes des fairen Verfahrens die Möglichkeit eröffnen muss, die Messung unter Hinzuziehung eines Sachverständigen auf mögliche Messfehler zu untersuchen.

Für eine solche Überprüfung benötigt er zwangsläufig den Zugang zu den Messunterlagen, insbesondere zu den Rohmessdaten in Form des vollständigen Messfilms. Denn erst die Auswertung dieser Daten versetzt den Betroffenen in die Lage zu entsprechendem, konkretem Sachvortrag. der dem Gericht Anlass dazu geben kann, entsprechenden Beweisanträgen nachzugehen. Gerade durch die Überprüfung sämtlicher Messungen einer Messserie können bei einer möglicherweise auftretenden gewissen Fehlerhäufigkeit innerhalb einer Messserie Zweifel an der Richtigkeit sämtlicher Messungen der Messserie entstehen.

Da es dem Betroffenen aufgrund des standardisierten Messverfahrens obliegt, konkrete Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Messung vorzutragen, damit überhaupt eine Beweiserhebung über die Korrektheit der Messung durch das Gericht in Betracht kommt, sind ihm die Daten der gesamten Messserie zur Verfügung zu stellen. Wird dem Betroffenen dies versagt, wird ihm die Möglichkeit verwehrt oder aber zumindest unangemessen erschwert, die Daten auf Fehler untersuchen zu lassen, die der ihm vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit zugrunde liegen. Dann aber ist dem Betroffenen sein ureigenes Recht verwehrt, aktiv am Gang und Ergebnis des Verfahrens mitzuwirken (vgl. BVerfGE 46, 202).

Der Betroffene kann diesbezüglich auch nicht auf die Möglichkeit des Einspruchs und das anschließende gerichtliche Verfahren verwiesen werden. Wie bereits vorstehend ausgeführt, kommt eine Beweiserhebung regelmäßig nur in Betracht, wenn der Betroffene konkrete Umstände zu einem Messfehler vorträgt. Kennt er die Rohmessdaten nicht bzw. kann diese nicht unverschlüsselt auslesen, so wird ihm diese Möglichkeit zumindest teilweise genommen. Ein Beweisantrag des Betroffenen wäre dann „ins Blaue hinein“ gestellt und vom Gericht abzulehnen. Wird ein Herausgabeanspruch erst im gerichtlichen Verfahren oder gar erst in der Hauptverhandlung gestellt und das Gericht gezwungen, die Verhandlung daraufhin auszusetzen, würde dies zu einer unnötigen Verfahrensverzögerung in einer durch kurze Verjährungsfristen geprägten Prozessordnung führen. Das Einsichtsrecht steht dem Betroffenen ohnehin nicht gegenüber dem erkennenden Gericht im Rahmen der Hauptverhandlung zu. Vielmehr wäre er darauf zu verweisen, die Einsicht in die Messdaten außerhalb der Hauptverhandlung bei der aktenführenden Behörde zu beantragen. Dies sollte zweckmäßigerweise rechtzeitig vor der Hauptverhandlung geschehen. Damit ist dem Informationsinteresse des Betroffenen Genüge getan und zugleich gewährleistet, dass der Ablauf des gerichtlichen Verfahrens nicht durch eine sachlich nicht gebotene Unterbrechung zur Gewährung der Einsicht unverhältnismäßig verzögert oder erschwert wird (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.07.2015. IV-2 RBs 63/15).

Soweit bislang — auch durch die Unterzeichnerin – argumentiert wurde, dass bei der Abwägung wechselseitiger Interessen datenschutzrechtliche Belange anderer, von den Messdaten erfasster Verkehrsteilnehmer derart stark betroffenen seien, dass eine Abwägung zu Lasten der Interessen des Betroffenen ausfällt, wird diese Argumentation ebenfalls nicht mehr aufrechterhalten.

Datenschutzrechtliche Bedenken stehen dem Begehren auf Einsicht in die vollständige Messreihe nicht entgegen. Soweit mit der Zurverfügungstellung der gesamten Messserie ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte anderer Verkehrsteilnehmer einhergeht, weil von diesen jeweils Foto und Kennzeichen übermittelt werden, überwiegt vorliegend das Interesse des Betroffenen an der Durchsetzung seines Anspruchs auf ein faires Verfahren und auf ordnungsgemäße Überprüfung der Messung. Es ist nicht ersichtlich, welche (unzulässigen) Informationen oder Schlussfolgerungen der Verteidiger oder auch ein hinzugezogener privater Sachverständiger aus der Einsichtnahme der entsprechenden Daten ziehen sollten. Der aufgezeichnete und feststellbare Lebenssachverhalt aus einer derartigen Maßnahme betrifft nur einen äußerst kurzen Zeitraum. Zudem werden lediglich Foto und Kennzeichen, nicht aber die Fahrer- oder Halteranschrift der anderen Verkehrsteilnehmer, die sich durch die Teilnahme am Straßenverkehr im Übrigen selbst der Verkehrsüberwachung durch die Behörden aussetzen, übermittelt werden. Vor allem aber ist von einem Verteidiger als Organ der Rechtspflege schon unter standesrechtlichen Gesichtspunkten zu erwarten, dass die ihm übermittelten Daten nicht an Dritte weitergegeben werden und er damit sachgemäß umgeht (vgl. LG Kaiserslautern, Beseht. v. 22.05.2019 – 5 Qs 51/19, ZfSch 2019, 471, 472; LG Hanau, Beseht. v. 07.01.2019 – 4b Qs 114/18, juris, dort Tz. 20). Auch in der Person eines Sachverständigen ist ein Missbrauch konkret nicht zu befürchten.

Der Verweis der Bußgeldstelle auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg ist im Hinblick auf die verweigerte Zurverfügungstellung der Rohmessdaten nicht zielführend. Die Entscheidung ist zu einem Fall ergangen, in welchem Rohmessdaten überhaupt nicht gespeichert werden. Das OLG hat den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde maßgeblich deshalb zurückgewiesen, weil — ungeachtet der formellen Unzulänglichkeiten ¬das jeweils erkennende Gericht im Falle eines standardisierten Messverfahrens ohne konkrete Anhaltspunkte für der Messung zugrunde liegende Fehler nicht dazu angehalten ist, die fehlenden Rohmessdaten als Anlass zu nehmen, den Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt zu sehen und von einer Beweisverwertung abzusehen. Aus Sicht des Oberlandesgerichts besteht für eine anlasslose  Überprüfung eines im standardisierten Messverfahren erlangten Ergebnisses keine Notwendigkeit. Diese Konstellation ist aber mit der vorliegenden, in der der Betroffene durch eine (technisch mögliche) Einsicht in die Rohmessdaten erst Anhaltspunkten für etwaige Beweisermittlungspflichten des Gerichts nachgehen will, nicht vergleichbar.

Aus diesen Gründen sind der Verteidigung des Betroffenen die Daten der gesamten Messserie in unverschlüsselter Form auf einem geeigneten Datenträger zu übergeben.“

Die Begründung ist nicht neu, fasst aber die Argumente für die „Einsicht“ schön zusammen.

Nebenklage III: Akteneinsicht für die Nebenklägerin, oder: Rechtliches Gehör erforderlich

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Mit dem letzten Posting des Tages stelle ich den OLG Köln, Beschl. v. 02.04.20202 Ws 651/19 – vor. Mit ihm hat das OLG die Beschwerde gegen einen Beschluss des LG Aachen, über den ich auch berichtet hatte, verworfen. Es handelt sich um den LG Aachen, Beschl. v. 11.10.2019 – 60 KLs 12/19 über den ich hier Akteneinsicht für den Nebenkläger, oder: Vorherige Anhörung des Beschuldigten erforderlich  berichtet habe.

Es geht um das Verfahren bei der Akteneinsicht für den Nebenkläger. Die war in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung, Nötigung und Freiheitsberaubung der Nebenklägerin (zweimal) gewährt worden. Dagegen hatt der Verteidiger Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit gestellt, der beim LG Erfolg hatte. Dagegen hatte dann die Staatsanwaltschaft Beschwerde eingelegt, mit der sie beim OLG gescheitert ist:

„b) Darüber hinaus war der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 05.02.2018 auch begründet, weil die von der Staatsanwaltschaft Aachen an die Nebenklägervertreterin gewährte Akteneinsicht in beiden Fällen verfahrensfehlerhaft erfolgt und damit rechtswidrig war.

(1) Dies gilt zum einen für die der Nebenklägervertreterin mit Verfügung vom 14.07.2017 gewährte Akteneinsicht. Die Ausführungen des Landgerichts, wonach die Gewährung von Akteneinsicht im Strafverfahren an Dritte regelmäßig der vorherigen Anhörung des Beschuldigten bedarf, weil damit regelmäßig ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verbunden ist, teilt der Senat (vgl. auch: BVerfG, B. v. 31.01.2017, 1 BvR 1259/16, juris Rn. 17; BVerfG, B. v. 30.10.2016, 1 BvR 1766/14, juris Rn. 5; BVerfG, B. v. 15.04.2005, 2 BvR 465/05, juris Rn. 12; OLG Rostock, B. v. 13.07.2017, 20 Ws 146/17, juris Rn. 38; KG Berlin, B. v. 02.10.2015, 4 Ws 83/15, juris Rn. 6). Die Rechtsgrundlage dieser Anhörungspflicht ergibt sich bei einer Entscheidung durch die Staatsanwaltschaft aus § 33 Abs. 3 StPO analog bzw. aus dem Rechtsstaatsprinzip sowie dem Gebot der Sachaufklärung (vgl. OLG Rostock, B. v. 13.07.2017, 20 Ws 146/17, juris Rn. 38; KG Berlin, B. v. 02.10.2015, 4 Ws 83/15, juris Rn. 6; LG Wuppertal, B. v. 23.12.2008, 22 AR 2/08, juris Rn. 3; LG Krefeld, B. v. 01.08.2008, 21 AR 2/08, juris Rn. 10 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 406 e Rn. 18; MüKo-StPO/Grau, a.a.O., § 406 e Rn. 14, 20).

Entgegen der Auffassung des Landgerichts war die mit Verfügung vom 14.07.2017 gewährte Akteneinsicht jedoch nicht bereits deswegen rechtswidrig, weil es die Staatsanwaltschaft unterlassen hat, dem ehemaligen Angeklagten unmittelbar nach Eingang des Akteneinsichtsgesuchs rechtliches Gehör zu gewähren. Denn eine Anhörung des ehemaligen Angeklagten war – entgegen den Ausführungen der Strafkammer – zu diesem Zeitpunkt wegen seines unbekannten Aufenthaltsortes faktisch nicht möglich bzw. durchführbar. Von einer Anhörung kann entsprechend § 33 Abs. 4 S. 1 StPO dann abgesehen werden, wenn sie den Zweck der Anordnung gefährden würde oder wenn der Anhörung tatsächliche Gründe entgegenstehen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 33 Rn. 15 ff.; MüKo-StPO/Valerius, 1. Aufl. 2014: § 33 Rn. 31 ff; KK-StPO/Maul, 8. Aufl. 2019, § 33 Rn. 12 ff.). Letzteres war hier der Fall, denn im Juli 2017 war der Aufenthaltsort des ehemaligen Angeklagten, für den sich zu diesem Zeitpunkt auch noch kein Verteidiger bestellt hatte, unbekannt und eine Anhörung daher letztlich nicht möglich. Nach Ansicht des Senats hätte die Staatsanwaltschaft mit Blick auf den damals bestehenden nationalen sowie europäischen Haftbefehl sowie die Festnahmeausschreibung auch keine Maßnahmen zur Aufenthaltsermittlung veranlassen müssen. Es ist nichts dafür erkennbar, dass dies zu einer zeitnahen Ermittlung des Aufenthaltes der ehemaligen Angeklagten geführt hätte. Auch bestand keine Verpflichtung zur Nutzung einer in den Akten notierten Mobilfunknummer des vormaligen Angeklagten, um hierdurch seinen genauen Aufenthaltsort zu ermitteln oder ihn mündlich zur Frage der Gewährung von Akteneinsicht an die Nebenklägerin anzuhören. Die Staatsanwaltschaft musste die aktenkundige Mobilfunknummer nicht nutzen, um mit dem vormaligen Angeklagten telefonisch in Kontakt zu treten. Denn es war zum einen nicht sichergestellt, ob es sich bei der betreffenden Mobilfunknummer noch immer um die aktuelle Rufnummer des vormaligen Angeklagten gehandelt hat. Darüber hinaus hätte die Staatsanwaltschaft wohl auch keine ausreichende Möglichkeit gehabt, um die Identität eines möglichen Gesprächspartners zu überprüfen. Zudem hätte eine telefonische Kontaktaufnahme ggf. auch die Anordnung der Untersuchungshaft und damit den Untersuchungszweck gefährden können. Es ist nicht auszuschließen, dass der ehemalige Angeklagte eine etwaige telefonische Erörterung, welche das laufende Ermittlungsverfahren zum Gegenstand gehabt hätte, zum Anlass für eine (weitere) Verschleierung seines Aufenthaltsortes genutzt hätte. Dass die Staatsanwaltschaft eine Gefährdung des Untersuchungszwecks nicht riskieren musste, ergibt sich schließlich auch aus § 33 Abs. 4 S. 1 StPO, wonach das Interesse an der vorherigen Gewährung rechtlichen Gehörs zugunsten einer effektiven Strafverfolgung zurücktritt.

Die Gewährung der Akteneinsicht im Juli 2017 war jedoch gleichwohl rechtswidrig, weil die Staatsanwaltschaft die Entscheidung über den Antrag der Nebenklägervertreterin bis zu einer zu einem späteren Zeitpunkt möglichen Anhörung des vormaligen Angeklagten hätte zurückstellen können. Auf diese Weise hätte das Recht des ehemaligen Angeklagten auf rechtliches Gehör ohne weiteres gewahrt werden können, obwohl eine Anhörung zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht möglich war. Ein Zurückstellen der Entscheidung hätte vorliegend auch nicht das Recht der Nebenklägerin auf Akteneinsicht nach § 406 e Abs. 1 StPO unzumutbar beeinträchtigt. Ein entsprechendes Vorgehen hätte lediglich bedeutet, dass über ihren Antrag zu einem späteren Zeitpunkt, hier bis nach der Festnahme und Anhörung des vormaligen Angeklagten im November 2017, also binnen eines Zeitraums von rund 4 Monaten, entschieden worden wäre. Das Akteneinsichtsgesuch der Nebenklägerin hätte daher vorliegend nicht für eine als unzumutbar anzusehende Zeit hinausgeschoben werden müssen. Soweit eine abweichende Bewertung zwar bei einer besonderen Dringlichkeit der Akteneinsicht geboten sein könnte, war dies hier nicht entscheidungserheblich, da die Nebenklägervertreterin in ihrem Antrag vom 11.07.2017 weder eine besondere Eilbedürftigkeit dargelegt hatte noch eine solche für die Staatsanwaltschaft erkennbar gewesen wäre.

Da die mit Verfügung vom 14.07.2017 gewährte Akteneinsicht bereits aus formellen Gründen rechtswidrig war, kann dahinstehen, ob die Bewilligung einer unbeschränkten Akteneinsicht auch materiell rechtswidrig gewesen wäre, etwa gemäß § 406 e Abs. 2 S. 2 StPO wegen einer Gefährdung des Untersuchungszwecks in der vorliegenden Aussage-gegen-Aussage-Konstellation.

(2) Auch die mit Verfügung vom 27.11.2017 der Nebenklägervertreterin gewährte Akteneinsicht hinsichtlich der Zweitakte war rechtswidrig. Wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, folgt die Rechtswidrigkeit in diesem Fall unmittelbar daraus, dass eine Anhörung des vormaligen Angeklagten vor der Bewilligung der Akteneinsicht nicht erfolgt ist. Ende November 2017 war die Gewährung rechtlichen Gehörs an den ehemaligen Angeklagten ohne weiteres möglich, denn die Staatsanwaltschaft hatte seit Anfang November 2017 Kenntnis von seinem Wohnsitz und Aufenthaltsort in Essen. Zudem hatte sich für ihn bereits eine Verteidigerin (Rechtsanwältin pp.) bestellt. Dennoch ist weder dem vormaligen Angeklagten noch seiner Verteidigerin Gelegenheit gegeben worden, zu der beabsichtigten Gewährung von Akteneinsicht an die Nebenklagevertreterin Stellung zu nehmen. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor bzw. sind von der Staatsanwaltschaft vorgetragen werden, dass die Anhörung ausnahmsweise entbehrlich gewesen wäre. Dass der Nebenklägerin zu diesem Zeitpunkt bereits Rechtsanwältin Trogrlic als Nebenklagevertreterin beigeordnet worden war, ist für die Frage der Gewährung rechtlichen Gehörs gegenüber dem ehemaligen Angeklagten ohne rechtliche Relevanz. Im Hinblick auf den Inhalt des Beschwerdevorbringens teilt der Senat zudem die Ausführungen der Strafkammer in der Nichtabhilfentscheidung vom 31.10.2019, wonach die Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs vor der Gewährung von Akteneinsicht von der vorliegend nicht entscheidungserheblichen Frage zu trennen ist, ob und in welchem Umfang Akteneinsicht ggf. zu bewilligen ist.

(3) Der Verstoß gegen die Pflicht zur Anhörung des vormaligen Angeklagten ist auch weder aufgrund der Durchführung des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung vor dem Landgericht Aachen geheilt worden noch kann eine entsprechende Heilung mit der Durchführung des vorliegenden Beschwerdeverfahrens erreicht werden. Soweit die Frage einer Heilung für die hier gegebene Konstellation in der Rechtsprechung zunächst unterschiedlich beurteilt worden war (eine Heilung bejahend: BGH, B. v. 11.01.2015, 1 StR 498/04, juris Rn. 10; KG Berlin, B. v. 02.10.2015, 4 Ws 83/15. juris Rn. 8; LG Stralsund, B. v. 10.01.2005, 22 Qs 475/04, juris Rn. 11; eine Heilung verneinend: LG Wuppertal, B. v. 23.12.2008, 22 AR 2/08, juris Rn. 4; AG Zwickau, B. v. 12.04.2013, 13 Gs 263/13, juris Rn. 3), dürfte mit Blick auf die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG: B. v. 30.10.2016, 1 BvR 1766/14, juris Rn. 5) eine Klärung eingetreten sein. Hiernach ist festzustellen, dass die unterlassene Anhörung des Beschuldigten vor der Gewährung von Akteneinsicht an einen Dritten einen schwerwiegenden Verfahrensfehler darstellt, der durch die Durchführung des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nicht geheilt werden kann. Da das Bundesverfassungsgericht in Kenntnis der zeitlich vorausgegangenen Entscheidung des KG Berlin vom 02.10.2015 (4 Ws 83/15) eine Heilung des Verfahrensfehlers aufgrund der Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens nicht angenommen hat, gilt dies nach Ansicht des Senats in der vorliegenden Fallkonstellation im Ergebnis auch für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens. Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, weshalb in den vorliegenden Konstellationen eine Heilung im Beschwerdeverfahren, anders als im Verfahren auf gerichtliche Entscheidung, möglich sein sollte. Das Unterlassen der gebotenen Anhörung stellt einen schwerwiegenden Verfahrensfehler dar. Außerdem kann eine vorherige Anhörung ihren Zweck nur dann erreichen, wenn der Beschuldigte vor der Gewährung der Akteneinsicht die Möglichkeit zur Stellungnahme erhält, sodass diese bei der Entscheidung hierüber berücksichtigt werden kann.“

Pflichti III: Einmal Bestellung in einem „Kipo-Verfahren“ wegen Akteneinsicht, oder: Einmal „Tatschwere“

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Und zum Schluss des Tages dann noch zwei Entscheidungen zu den Bestellungsvoraussetzungen.

Zunächst der LG Halle, Beschl. v. 29.06.2020 – 10a Qs 59/20, ergangen in einem Verfahren wegen der Verbreitung kinderpornographischer Schriften. Da meint das LG zur Bestellung:

„Die von dem Verteidiger des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 30.05.2020 eingelegte sofortige Beschwerde ist gemäß § 142 Abs. 7 StPO in Verbindung mit §§ 304. 311 StPO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Das Amtsgericht hat zwar überzeugend dargelegt. dass grundsätzlich weder die Schwere der Tat. noch die Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder die Schwierigkeit der Rechtslage die notwendige Mitwirkung eines Verteidigers gebietet. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe des Amtsgericht Halle (Saale) in seinem ausführlichen Beschluss vom 20.05.2020. die sich die Kammer zu eigen macht. Bezug genommen.

Freilich ist aufgrund der Besonderheit des Verfahrensgegenstandes im vorliegenden Fall -Kinder- und Jugendpornographie — dem Beschwerdeführer sein Verteidiger als Pflichtverteidiger wegen der Schwierigkeit der Sachlage gemäß § 140 Abs. 2 StPO beizuordnen. Diese ergibt sich aus dem Umstand, dass ein unverteidigter Angeklagter gemäß § 147 Abs. 4 StPO n.F. grundsätzlich das Recht hat. unter Aufsicht amtlich verwahrte Beweisstücke — wie hier die Ausdrucke der Bilddateien in drei Beweismittelbänden —zu besichtigen, es sei denn dieser Besichtigung stehen — wie hier – überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter entgegen. Die pornographischen Bilder betreffen den Intimbereich der abgebildeten Personen, der vor einer Besichtigung des Angeklagten außerhalb der Hauptverhandlung gewahrt werden soll, so dass ihm dieses Recht verwehrt werden müsste. Die Bilder bilden jedoch den Kern des Anklagevorwurfs, so dass sich der Angeklagte ohne deren Anschauung nicht hinreichend verteidigen könnte. In diesem Fall gebietet § 140 Abs. 2 StPO die Beiordnung eines Pflichtverteidigers, der die Bilder in der Geschäftsstelle sichten und den Angeklagten von seinen Erkenntnissen unterrichten kann (vgl. dazu M/G. StPO. 63. Auflage. § 147 Rn. 32 m.w.N.).“

Und dann habe ich noch den LG Siegen, Beschl. v. 14.07.2020 – 10 Qs 68/20 – zur Bestellung wegen „Schwere der Tat“. Der Beschluss bringt nichts Neues, daher hier nur der Leitsatz:

„Neben der dem Angeschuldigten im Verfahrens drohenden Strafe sind wegen der bei § 140 Abs. 2 StPO stets erforderlichen Gesamtbewertung aber auch sonstige schwerwiegende Nachteile zu berücksichtigen, die er infolge der drohenden Verurteilung zu gewärtigen hat. Die Grenze der Straferwartung von einem Jahr Freiheitsstrafe ist deshalb auch dann zu beachten, wenn ihr Erreichen oder Überschreiten erst infolge einer zu erwartenden Gesamtstrafenbildung in Betracht kommt.“

Danke an die Kollegen W. Siebens aus Braunschweig und H. Terjung aus Köln für die Übersendung.