Pflichti II: Pflichtverteidiger im KiPo-Verfahren, oder: Beim LG Ansbach nicht….

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Im zweiten Posting geht es dann um die Beiordnungsvoraussetzungen in § 140 StPO. Ich hatte ja schon auf zwei Entscheidungen des LG Halle zur Bestellung eines Pflichtverteidigers in den sog. KiPo-Verfahren hingewiesen (vgl. LG Halle, Beschl. v. 12.08.2020 – 10a Qs 77/20  und dazu Pflichti II: Kipo-Verfahren, oder: Das gibt es wegen der Akteneinsicht auf jeden Fall einen Pflichtverteidiger und LG Halle, Beschl. v. 29.06.2020 – 10a Qs 59/20 und dazu: Pflichti III: Einmal Bestellung in einem “Kipo-Verfahren” wegen Akteneinsicht, oder: Einmal “Tatschwere”). In beiden Entscheidungen hatte das LG einen Pflichtverteidiger wegen der Möglichkeit der Akteneinsicht bestellt.

Nun, das wird nicht überall so gesehen. Das LG Ansbach – warum wundert es mich nicht, wenn es ein bayerisches LG ist – sieht das im LG Ansbach, Beschl. v. 12.10.2020 – 3 Qs 49/20 – anders:

Ergänzend bemerkt die Kammer: Eine notwendige Verteidigung ergibt sich hier nicht aufgrund der Schwierigkeit der Sachlage nach § 140 Abs. 2 Alt. 3 StPO. Die Kammer ist insoweit anderer Auffassung als die vom Verteidiger genannte Entscheidung des Landgerichts Halle im Beschluss vom 12.08.2020, Az: 10a Qs 77/20.

„Dem Beschuldigten steht ein eigenständiges Akteneinsichtsrecht nach § 147 Abs. 4 StPO zu.

Da Beweisstücke – hier der Lichtbildband im Sonderheft zur Ermittlungsakte – in amtlichem Gewahrsam verbleiben müssen, hat der Verteidiger nur einen Anspruch auf Einsichtnahme (OLG Frankfurt a. M. StV 2001, 611). Der Beschuldigte hat das Recht, hierbei anwesend zu sein. Ist der Beschuldigte unverteidigt, hat er ein eigenes Besichtigungsrecht gem. Abs. 4 S. 1 nF iVm Abs. 1 (BeckOK StPO/Wessing, § 147  Rn. 23). Die Einschränkungen des Abs. 4 betreffen namentlich Verdunklungsgefahr (hier nicht gegeben) und den Schutz persönlicher Daten (etwa von Zeugen, (KK-StPO/Willnow, § 147 Rn. 14). Ein solcher Fall des notwendigen Schutzes schutzwürdiger Interessen Dritter ist hier nicht zu besorgen.

Es handelt sich zunächst um Daten, die mutmaßlich bereits zuvor im (illegalen) Besitz des Beschuldigten gewesen sind, so dass insoweit schon keine Vertiefung eines möglicherweise vorliegenden Eingriffs in die schutzwürdigen Interessen Dritter zu befürchten ist. Die geschädigten Kinder bleiben anonym. Feststellungen zum Inhalt der gesicherten Bilddateien sind jedenfalls im Rahmen der Hauptverhandlung zu treffen, sodass in der Abwägung der Interessen der Strafrechtspflege und den Interessen der abgebildeten Personen ein möglicher Eingriff in deren Persönlichkeitsrechts gerechtfertigt ist. Insoweit ist es auch gerade nicht Auffassung der Staatsanwaltschaft, dass dem Beschuldigten kein eigenständiges Akteneinsichtsrecht nach § 147 Abs. 4 StPO zustehen würde. Etwas anderes folgt auch nicht aus Nr. 220 RiStBV, der ausdrücklich auf ein Akteneinsichtsrecht auf der Geschäftsstelle nach § 147 Abs. 4 StPO Bezug nimmt.“

„die mutmaßlich bereits zuvor im (illegalen) Besitz des Beschuldigten gewesen sind, so dass insoweit schon keine Vertiefung eines möglicherweise vorliegenden Eingriffs in die schutzwürdigen Interessen Dritter zu befürchten ist.“ – das kann man auch anders sehen. Oder muss man das sogar anders sehen?

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