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Bußgeldverfahren mit Verletzung des Zitiergebotes, oder: Wenn schon, dann da zumindest die Mittelgebühr

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Heute ist 2. Weihnachtstag. An sich gibt es ja an diesen Tagen keine Entscheidungen. Aber in diesem Jahr ist ja alles anders bzw. soll alles anders sein. Also habe ich mir überlegt: Was kann man mal anders machen? Und man kann: Man kann nämlich auch mal an dem Tag Entscheidungen vorstellen. Natürlich nichts „Schlimmes“, denn man will den Leser ja nicht ärgern.

Und da habe ich mir – zumal ja heute auch gerade erst Freitag und damit der Gebührentag vorbei ist 🙂 – positive RVG-Entscheidungen ausgesucht. Die gibt es ja auch 🙂 . Und die liest mal ja vielleicht auch an Weihnachten ganz gern.

Ich starte dann mit dem AG Trier, Beschl. v. 08.12.2020 – 35a Qs 58/20. Es ist eine besondere Entscheidung, die in einem besonderen Verfahren ergangen ist, nämlich in einem Verfahren, in dem es um die Verletzung des Zitiergebotes – Stichwort: StVO-Novelle – gegangen ist (vgl. hier: OWI III: Verletzung des Zitiergebotes ==> Rücknahme des “BGB” , oder: Wer trägt die notwendigen Auslagen?). 

Das AG sagt zu den Gebühren bzw. zur Gebührenhöhe:  Wenn schon, denn schon, oder: Zumindest die Mittelgebühr ist angemessen:

„Es war die Mittelgebühr festzusetzen.

Unter der Geltung der BRAGO war streitig, ob in Bußgeldverfahren wegen alltäglicher Verkehrsordnungswidrigkeiten die Mittelgebühr oder lediglich nur im unteren Bereich des jeweiligen Rahmens liegende Gebühren als angemessen angesehen werden können. Unter der Geltung des RVG ist jedoch nach weit überwiegender Rechtsprechung bei straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren grundsätzlich der Ansatz der Mittelgebühr als Ausgangspunkt gerechtfertigt (vgl. Burhoff RVGreport 2007, 252, Einl. Teil 5 W Rn 20, LG LSK 07 230178, AG Saarbrücken RVGreport 2006, 181). Insbesondere wird die Mittelgebühr in der Regel als gerechtfertigt angesehen, wenn ein Fahrverbot in Frage steht oder Eintragungen in das Verkehrszentralregister (vgl. AG Frankenthal AGS 2005, 293 f, AG Viechtach AGS 2007, 83f, AG Pinneberg AGS 2005, 552 f). Dies ist hier der Fall. In dem Bußgeldbescheid vom 16.06.2020 wurde gegen den Betroffenen ein Bußgeld in Höhe von 80,00 € festgesetzt und ein Fahrverbot von 1 Monat angeordnet. Unerheblich ist, dass selbst ohne Einlegung eines Einspruchs die Nebenfolge des Fahrverbotes aufgrund zwischenzeitlich erfolgten Weisungen des zuständigen Ministeriums nicht vollstreckt worden wäre, da auch ein Bußgeld in Höhe von 80,00 € die Eintragung von einem Punkt im Fahreignungsregister nach sich zieht.

Auch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, war vorliegend die Mittelgebühr nicht herabzusetzen. Entgegen der Auffassung der Bußgeldbehörde ist das vorliegende Verfahren als absolut durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeit einzustufen.

Allein aus dem Grund, dass bei Erlass des ersten Bußgeldbescheides am 16.06.2020 der Bußgeldbehörde noch keine Hinweise auf den Verstoß gegen das Zitiergebot vorlagen, kann darauf geschlossen werden, dass eine anwaltliche Tätigkeit von nicht nur unterdurchschnittlicher Schwierigkeit vorlag. Vielmehr musste auch nach Bekanntwerden des Verstoßes von Art. 3 (Änderung der Bußgeldkatalog-Verordnung) der 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften gegen das Zitiergebot anwaltlich geprüft werden, ob tatsächlich ein Verstoß gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG vorliegt. Der Verstoß gegen das Zitiergebot war nicht derart offensichtlich, dass von einer einfachen Angelegenheit ausgegangen werden kann. In diesem Kontext wird auch auf die fehlerhafte Annahme des Justizministeriums Baden-Württemberg hingewiesen, dass die STVO-Novelle von 2013 das Zitiergebot verletze. Die Angelegenheit war daher insgesamt als durchschnittlich anzusehen.“

OWI III: Verletzung des Zitiergebotes ==> Rücknahme des „BGB“ , oder: Wer trägt die notwendigen Auslagen?

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Und die dritte und letzte Entscheidung stammt vom AG Trier. Den AG Trier, Beschl. v. 21.10.2020 – 35a OWi 54/20 – hat mit die Kollegin S. Gallien aus Trassem geschickt. Er behandelt eine Problemati, mit der wir es in Zukunft wahrscheinlich häufiger zu tun haben werden. Nämlich die Frage: Wer trägt die Kosten und notwendigen Auslagen des Betroffenen im Bußgeldverfahren in den Fällen der Rücknahme des Bußgeldbescheides wegen Verletzung des Zitiergebotes.

Das AG Trier hat sie der Verwaltungsbehörde auferlegt:

„Der Antrag der Betroffenen ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Die Bußgeldbehörde hat den Antrag der Verteidigerin auf Auferlegung der notwendigen Auslagen des Betroffenen auf die Staatskasse zu Unrecht abgelehnt.

Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens (Kosten und Auslagen) zu tragen hat, wenn er „verurteilt“ wird, d. h. wenn gegen den Betroffenen ein Bußgeld festgesetzt wird. Dies gilt auch, wenn der Betroffene mit dem Einspruch nur eine geringe als die festgesetzte Geldbuße erstrebt und eine solche dann festgesetzt wird (Göhler, OWiG, 17. Auflage 2017, § 67 Rn. 42).

Hinsichtlich der notwendigen Auslagen greift daher zu Gunsten des Betroffenen lediglich § 465 Abs. 2 StPO i. V. m. §§ 46 Abs. 1, 105 Abs. 1 OWiG ein. Dies beruht darauf, dass der Einspruch kein Rechtsmittel, sondern ein Rechtsbehelf eigener Art ist, auf den § 473 StPO nicht anwendbar ist. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen werden ansonsten nur von der Staatskasse getragen, wenn eine endgültige Einstellung des Verfahrens durch die Verwaltungsbehörde aus Rechtsgründen, d.h. nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid und dessen Rücknahme, erfolgt (vgl. vgl. Göhler, OWiG, 17. Auflage 2017, Vor § 105 Rn. 69; Bohnert/Krenberger/Krumm, OWiG, 6. Auflage 2020, Rn. § 105 Rn. 60).

Hier hat die Verwaltungsbehörde das Verfahren jedoch nicht endgültig eingestellt, sondern lediglich den Bußgeldbescheid vom 23.06.2020 zurückgenommen und diesen durch den Bußgeldbescheid vom 30.07.2020 ersetzt, der keine Anordnung eines Fahrverbots mehr enthält. § 465 Abs. 2 StPO ist anwendbar, da der Bußgeldbescheid auf den Einspruch hin zurückgenommen und durch einen günstigeren, weniger belastenden ersetzt worden ist (vgl. Göhler, OWiG, 17. Auflage 2017, § 67 Rn. 42; Hadamitzky, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Auflage 2018, § 105 Rn. 83)

Nach § 465 Abs. 2 S. 2 und 3 StPO i. V. m. §§ 46 Abs. 1, 105 Abs. 1 OWiG sind die notwendigen Auslagen des Betroffenen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Betroffenen damit zu belasten.

Die Belastung des Betroffenen mit den ihm entstandenen notwendigen Auslagen ist unbillig. Ob eine Unbilligkeit vorliegt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Dem Bußgeldbescheid vom 16.06.2020 lag der „neue“ Bußgeldkatalog vom 29.04.2020 zugrunde. In der Eingangsformel der 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20. April 2020, in Kraft getreten am 28. April 2020, fehlt der Verweis auf § 26 Abs. 1 Nr. 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG).

Diese Vorschrift ist die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Rechtsverordnung zur Anordnung von Fahrverboten. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG ist in einer bundesrechtlichen Verordnung deren Rechtsgrundlage anzugeben (Zitiergebot). Art. 3 (Änderung der Bußgeldkatalog-Verordnung) der 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften ist daher wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot aus Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG offensichtlich nichtig.

Unerheblich ist, dass die Bußgeldbehörde im Hinblick auf die Frage der Wirksamkeit des „neuen“ Bußgeldkatalogs von den Vorgaben der jeweils zuständigen Landesministerien abhängig waren und unverzüglich nach Bekanntmachung einer Entscheidung der Ministerien diese umgesetzt wurden.

Vor diesem Hintergrund war die Rechtsklage für einen Laien erst recht undurchsichtig und die Beiziehung eines Rechtsanwaltes angemessen.

Mit Schriftsatz vom 02.07.2020 legte der Betroffene über seine Verteidigerin Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 16.06.2020 ein.

Mit Bußgeldbescheid vom 08.07.2020 wurde der Bußgeldbescheid vom 16.06.2020 „aufgrund des Fehlers im neuen Gesetz“ zurückgenommen und gegen die Betroffene ein Bußgeld in Höhe von 80,00 € festgesetzt. Ein Fahrverbot wurde nicht angeordnet.

Diesen hat der Betroffene akzeptiert und das Bußgeld gezahlt.

Der Erlass eines rechtmäßigen Bußgeldbescheides liegt in der Sphäre der Bußgeldbehörde. Die Verwaltungsbehörde hätte den ursprünglichen rechtswidrigen Bußgeldbescheid bereits nicht erlassen dürfen. Erst der Bußgeldbescheid vom 08.07.2020 entspricht der geltenden Rechtslage.

Aus diesen Gründen stellt die Belastung des Betroffenen mit seinen notwendigen Auslagen eine unbillige Härte dar.“

Zustellung II: Tatsächliche Zustellung per WhatsApp, oder: Mütterliche Fürsorge

entnommen wikimedia.org
Autot WhatsApp

Die zweite Entscheidung kommt vom AG Trier. Das hat im AG Trier, Beschl. v. 27.11.2020 – 35a OWi 52/20 – zu den den Voraussetzungen einer tatsächlichen Zustellung im Sinne des § 189 ZPO Stellung bezogen.

Im entschiedenen Fall war dem Betroffenen, der an der Zustellungsadresse nicht mehr wohnte, von seiner Mutter per WhatsApp ein Foto des Bußgeldbescheides, welches den Inhalt des Bußgelbescheides vom Adressfeld bis zu dem Satz „Die Geldbuße wird wegen vorsätzlicher Tatbegehung erhöht“ abbildete, übersandt worden. Das AG sagt: Für einen tatsächlichen Zugang nicht ausreichend:

„Der Bußgeldbescheid vom 24.6.2020 wurde dem Betroffenen nicht am 30.07.2020 ordnungsgemäß zugestellt. Ausweislich der Postzustellungsurkunde wurde der Bußgeldbescheid am 30.07.2020 durch in den zur Wohnung mit der Anschrift pp2 gehörenden Briefkasten eingelegt. Eine Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist nur möglich, wenn die Wohnung tatsächlich vom Zustellungsadressaten bewohnt wird. Wohnung i. S. d. § 178 ZPO sind hierbei die Räume, die der Empfänger tatsächlich bewohnt, in den er also hauptsächlich lebt und wo am ehesten mit einer Zustellung gerechnet werden kann. Die Eigenschaft als Wohnung geht erst verloren, wenn sich während der Abwesenheit des Zustandsempfängers auch der räumliche Mittelpunkt seines Lebens an den neuen Aufenthaltsort verlagert (vgl. BGH, NJW 1978, 1885). Ob das der Fall ist, lässt sich nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen, wobei der Zweck der Zustellungsvorschriften, dem Empfänger rechtliches Gehör zu gewähren, zu berücksichtigen ist. Geeignete Gesichtspunkte für diese Prüfung können die Dauer der Abwesenheit, der Kontakt zu den in der Wohnung verbliebenen Personen sowie die Absicht und die Möglichkeit der Rückkehr sein (BGH, NJW 1978, 1858).

Unter Zugrundelegung dieser Kriterien hat der Betroffene ausweislich des Protokolls zur Wohnungsübergabe vom 28.7.2020 einen neuen Wohnsitz an der Anschrift pp1 begründet und seinen alten Wohnsitz an der Anschrift pp2 aufgegeben.

Entgegen der ursprünglichen Auffassung des Amtsgerichts gilt der Bußgeldbescheid nicht durch Übermittlung eines Fotos der oberen Hälfte des Bescheides per WhatsApp an den Betroffenen als zugestellt.

Der Bußgeldbescheid wurde dem Betroffenen ausweislich der Postzustellungsurkunde am 30.07.2020 durch Niederlegung des Schriftstückes in den zur Wohnung mit der Anschrift pp2 gehörenden Briefkasten zugestellt. Auch wenn der Betroffene bereits zum Zeitpunkt der Zustellung seinen Wohnsitz bereits in pp1 und die Wohnung in pp2 aufgegeben hatte, hatte der Betroffene spätestens am 08.08.2020 Kenntnis vom Buß-geldbescheid, weil seine Mutter die obere Hälfte abfotografierte und dem Betroffenen per Whats-App übermittelt und er eine E-Mail bzgl. Des Bescheides an die Bußgeldbehörde sendete. Der Bußgeldbescheid gilt gemäß § 189 ZPO als am 08.08.2020 zugestellt. Nach § 189 ZPO gilt der Bescheid bei Zustellungsmängeln in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem der Bußgeldbescheid dem Betroffenen tatsächlich zugegangen ist. Der Zustellungsadressat muss das zuzustellende Dokument (OLG Karlsruhe BeckRS 2004, 09651) tatsächlich erhalten haben, so dass er vom Inhalt Kenntnis nehmen konnte (BGH NJW 2007, 1605). Das ist dann der Fall, wenn er das Schriftstück in die Hand bekommen hat (BGH NZG 2020, 70 BFH NJW 2014, 2524). Die bloße (mündliche) Unterrichtung über den Inhalt des Schriftstücks reicht nicht (BGH BeckRS 2020, 6358 NJW 1992, 2099), auch nicht die durch Akteneinsicht erlangte Kenntnis (BayObLG NJW 2004, 3722). Nicht erforderlich ist der Zugang des zuzustellenden Originals. Die Übermittlung einer (elektronischen) Kopie, z.B. Scan, Fotokopie, Telefax, genügt (BGH BeckRS 2020, 6358). Die Übermittlung des oberen Teils des Bußgeldbescheides per WhatsApp genügt insoweit nicht den Voraussetzungen einer tatsächlichen Zustellung im Sinne des § 189 ZPO.2

Manchmal kann mütterliche Fürsorge auch über das Ziel hinausschießen. Allerdings frage ich mich auch, wie die Info überhaupt ins Verfahren gekommen ist…..

Ausdruck einer elektronischen Akte/Akteneinsicht, oder: Aktenversendungspauschale

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An meinem „Gebührentatg“ merke ich immer, wie schnell eine Woche dahinfliget, denn, wenn es dann wieder Freitag ist, meine ich immer, dass ich doch gerade erst Gebühren- und/oder Kostenrechtsentscheidungen vorgestellt habe. So auch heute wieder.

Heute eröffne ich mit zwei Entscheidungen zur Aktenversendungspauschale (AVP) nach Nr. 9003 KV GKG. Auf die bin ich beim Kollegen Gratz vom VerkehrsRechtsBlog gestoßen. Es geht um die Frage, ob die AVP geltend gemacht werden kann, wenn es um den Ausdruck einer elektonisch geführten (Bußgeld)Akte (§ 110a OWiG) geht. Grds. ist diese Art der Aktenführung zwar zulässig, allerdings bedarf es dazu nach § 110a Abs. 1 Satz 2 OWiG einer Rechtsverordnung. Und die gibt es in Rheinland-Pflaz (noch) nicht, dennoch werden die Akten aber elektronisch geführt. In dem Fall darf, das hatte u.a. auch schon der AG Pirmasens, Beschl. v. 14.04.2017 – 1 OWi 424/16 – entschieden, die AVP nicht erhoben werden.

Und dem haben sich nun das AG Trier im AG Trier, Beschl. v. 02.02.2020 – 35a OWi 1/20 – und das AG Landstuhl im AG Landstuhl, Beschl. v. 14.01.2020 – 2 OWi 189/19 – angeschlossen. Aus den Gründen des AG Trier, Beschlusses:

„Der Antrag ist auch begründet, da es im Hinblick auf den durch die Bußgeldstelle an den Verteidiger übersandten Aktenausdruck derzeit an einer Grundlage für die Auslagenfestsetzung fehlt.

Gemäß § 107 Abs. 5 S. 1 OWiG kann von demjenigen, der die Versendung von Akten beantragt, je durchgeführte Sendung einschließlich der Rücksendung durch Behörden pauschal 12 Euro als Auslagen erhoben werden. Wird die Akte elektronisch geführt und erfolgt ihre Übermittlung elektronisch, wird eine Pauschale nicht erhoben, § 107 Abs. 5 S. 2 OWiG.

Trotz fehlender Rechtsgrundlage werden die Akten bei der Bußgeldstelle elektronisch geführt (OLG Koblenz, Beschluss vom 17.07.2018 – 1 OWi 6 SsBs 19/18). Bisher fehlt es im Landesrecht von Rheinland-Pfalz an einer Rechtsgrundlage, die eine elektronische Aktenführung durch die Verwaltungsbehörde ermöglicht. Eine Rechtsverordnung auf Grundlage der Verordnungsermächtigungen in § 110a Abs. 1 OWiG n.F. ist bisher nicht erlassen worden.

Insofern ist die Aktenführung bei der Zentralen Bußgeldstelle des Polizeipräsidiums Rheinpfalz, wo alle verfahrensrelevanten Dokumente zunächst nur digital vorhanden sind bzw. digital hergestellt werden und erst bei Bedarf ausgedruckt werden, derzeit rechtswidrig. Die Übersendung eines Ausdrucks einer insofern ohne Rechtsgrundlage geführten elektronischen Akte kann keine Aktenversendungspauschale begründen, denn eine solche kann nur dann anfallen, wenn Einsicht in eine zulässigerweise und ordnungsgemäß geführte Akte gewährt wird (AG Pirmasens, Beschluss vom 14.04.2017 – 1 OWi 424/16; AG Landstuhl, Beschluss vom 29.11 .2019 – 2 OWi 157/19).“

Akteneinsicht a la AG Trier: Da gibt es die Token-Datei und das Passwort zur Messreihe

entnommen wikimedia.org Urheber KarleHorn

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Der Kollege vom Verkehrsrechtsblog hat bereits über den AG Trier, Beschl. v. 09.09.2015 – 35 OWi 640/15. Er passt auch ganz gut in meine „Akteneinsichtsreihe“, so dass ich mir den Beschluss beim Kollegen besorgt habe und daher heute auch über den Beschluss berichten kann; besten Dank Herr Kollege Gratz. Also:

Es geht um ein Verfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung mit einer Poliscan-Speed-Messung. Der Verteidiger hatte ein SV-Gutachten vorgelegt und Einwände gegen die Ordnungsgemäßheit der Messung vorgetrage. Gleich­zei­tig hatte er zur Über­prü­fung der Ord­nuns­ge­mäß­heit des Mess­vor­gangs die Ein­sicht­nahme in die gesamte Mess­se­rie mit Fotos, die digi­ta­len Fall­da­teien im gerä­te­spe­zi­fi­schen For­mat nebst dem dazu­ge­hö­ri­gen öffent­li­chen Schlüs­sel, das Aus­wer­te­pro­gramm und die Offen­le­gung der gesam­ten Mess­da­ten der Messserie beantragt. Er hat alles bekommen mit Aus­nahme des Pass­worts und des Token. Dafür musste er dann zum AG und: Da hat er sie bekommen:

Der zuläs­sige Antrag auf gericht­li­che Ent­schei­dung ist begründet.

Die Buß­geld­stelle wird ange­wie­sen, dem von dem Betrof­fe­nen beauf­trag­ten Sach­ver­stän­di­gen die Token-Datei und das Pass­wort zu der ihn betref­fen­den Mess­se­rie mitzuteilen.

Zwar ist schon die den Betrof­fe­nen betref­fende Mess­da­tei nicht Akten­be­stand­teil. Da sie jedoch Grund­lage und ori­gi­nä­res, unver­än­der­li­ches Beweis­mit­tel der Geschwin­dig­keits­mes­sung ist, ist sie – recht­zei­tig vor dem Pro­zess – einem Betrof­fe­nen auf des­sen Wunsch hin zugäng­lich zu machen (OLG Olden­burg, Beschluss vom 06.05.2015 – 2 Ss (OWi) 65/15 m.w.N.). Dem­ent­spre­chend hat die Buß­geld­stelle dem Ver­tei­di­ger des Betrof­fe­nen hier sogar nicht nur die ihn betref­fende Mess­da­tei über­mit­telt, son­dern die gesamte Messserie.

Da eine Über­prü­fung die­ser Daten in Bezug auf die Ord­nungs­ge­mäß­heit des Mess­vor­gangs durch einen Sach­ver­stän­di­gen auf­grund von deren Ver­schlüs­se­lung jedoch nur bei Zugäng­lich­ma­chung der dazu­ge­hö­ri­gen Token-Datei und des Pass­worts mög­lich ist, ist die Buß­geld­stelle dane­ben auch anzu­wei­sen, dem von dem Betrof­fe­nen beauf­trag­ten Sach­ver­stän­di­gen die Token-Datei und das Pass­wort zu der ihn betref­fen­den Mess­se­rie mitzuteilen.