Schlagwort-Archive: Ausdruck

Ausdruck aus einer elektronischen Verwaltungsakte, oder: Erstattungsfähig, ja oder nein?

Bild von Mateusz Zdrza?ek auf Pixabay

Im zweiten Posting dann etwas zu Auslagen, und zwar den SG Ulm, Beschl. v. 12.07.2024 – S 13 SF 2602/23 E – zur Erstattungsfähigkeit von Ausdrucken aus einer elektronisch überlassenen Verwaltungsakte. Die Entscheidung stammt zwar aus einem sozialgerichtlichen Verfahren, die Problematik kann aber nicht nur da auftreten, sondern auch in Straf- und/oder Bußgeldverfahren.

Die Beteiligten streiten – nur – über die Höhe der dem Kläger zu erstattenden außergerichtlichen Kosten eines – inzwischen erledigten sozialgerichtlichen – Klageverfahrens – hinsichtlich gefertigter Kopien aus einer elektronischen Verwaltungsakte. In dem Verfahren, in dem u.a. um die Höhe eines GdB gestritten worden ist, hatte der Bevollmächtigte des Klägers Akteneinsicht in die ihm elektronisch zur Verfügung gestellte Verwaltungsakte der Behörde genommen; dabei hat es sich um ein PDF-Dokument mit 115 Seiten gehandelt, darunter die Seite 1 mit einem Inhaltsverzeichnis, das explizit Befundunterlagen erwähnt. Die Behörde hatte ein Anerkenntnis erklärt und ein Kostenanerkenntnis abgegeben. Die Anerkenntnisse hatte der Kläger zur Erledigung des Rechtsstreits angenommen.

Der Bevollmächtigte des Klägers hatte dann Kosten nach dem RVG geltend gemacht, darunter eine Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG in Höhe von 27,10 EUR für 64 Kopien und 19% USt. Diese war nach Ansicht der Behörde nicht angefallen. Kosten für Ausdrucke aus der elektronischen Verwaltungsakte seien nur dann zu erstatten, wenn ein Ausdruck der Dokumente für eine sachgerechte Bearbeitung des Mandats notwendig gewesen sei. Dies müsse vom Prozessbevollmächtigten plausibel begründet werden. Ansonsten sei es zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache im Sinne von Nr. 7000 VV RVG nicht geboten, die elektronische Akte, die dem Rechtsanwalt zur dauerhaften Nutzung überlassen worden sei, auszudrucken.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat den Kostenfestsetzungsantrag insoweit dann zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Erinnerung des Klägers hatte keinen Erfolg:

„Streitig ist allein die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Nr. 1a) VV RVG. Zunächst stellt dabei Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 1 VV RVG klar, dass mit den Gebühren auch die allgemeinen Geschäftskosten entgolten sind. Die Pauschale für die Herstellung und Überlassung von Dokumenten beträgt nach Nr. 7000 Nr. 1a) VV RVG für Kopien und Ausdrucke aus Behörden- und Gerichtsakten, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war, für die ersten 50 abzurechnenden Seiten je Seite 0,50 Euro.

Der Gesetzgeber hat mit den Tatbeständen in den Nummern 7000 ff. VV RVG abschließende Regelungen dazu getroffen, wann in den dort aufgeführten Fällen Auslagen für Kopien erstattungsfähig sind. Dies stellt eine auch in Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 1 VV RVG festgehaltene Ausnahme des Grundsatzes dar, dass die allgemeinen Geschäftskosten einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts durch die Gebühren als abgegolten gelten. Wollte man Auslagen für Mehrfertigungen als erstattungsfähig ansehen, die nicht unter die gesondert geregelten Tatbestände der Nummer 7000 VV RVG fallen, wäre dies eine Durchbrechung dieser gesetzlichen Systematik (BVerfG, Beschluss vom 28.09.2023 – 2 BvR 739/17 –, BVerfGE 166, 347-358, Rn. 19 m.w.N.). Darüber hinaus entspricht eine nur auf „notwendige“, das heißt für die Rechtsverfolgung zweckdienliche Maßnahmen beschränkte Kostenerstattung dem allen Prozessordnungen innewohnenden Gebot der Kostenschonung. Aus diesem Gedanken folgt, dass jeder Verfahrensbeteiligte verpflichtet ist, die Kosten seiner Prozessführung, die er im Falle seines Sieges vom Erstattungspflichtigen erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung seiner berechtigten Belange vereinbaren lässt (BVerfG a.a.O. Rn. 20 m.w.N.).

Ein Ausdruck aus der elektronische Akte des Erinnerungsgegners war nicht zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache unter Berücksichtigung der Kostenminimierungspflicht geboten. Denn dem Bevollmächtigten des Erinnerungsführers ist die 115-seitige Verwaltungsakte per elektronischem Rechtsverkehr dauerhaft als PDF-Datei überlassen worden. Diese ist strukturiert und mit einem Inhaltsverzeichnis versehen, das die zeitliche Anordnung der Akte erkennen lässt und das schnelle Auffinden insbesondere von medizinischen Unterlagen ermöglicht. Mit 115 Seiten ist die Akte von unterdurchschnittlichem Umfang im Vergleich zu sonstigen Verwaltungsakten, die in sozialgerichtlichen Verfahren üblich sind. Auch der angehängte „Altaktenteil“ ist bezeichnet und fortlaufend nummeriert, wenn auch selbstverständlich die damalige handschriftliche Paginierung nicht mehr mit der Paginierung des PDF-Dokuments übereinstimmt. Jedenfalls unter diesen Bedingungen besteht für einen Aktenausdruck, auch nur in Teilen, kein Anlass.

Was zur „Bearbeitung“ einer Sache sachgemäß ist, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Auffassung des Rechtsanwalts, sondern nach dem objektiven Standpunkt eines vernünftigen, sachkundigen Dritten (ausführlich Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 26. Auflage 2023, RVG VV 7000 Rn. 62 ff. m.w.N.). Ein solcher Dritter hätte an Stelle des Bevollmächtigten des Erinnerungsführers von einem Ausdruck auch unter Berücksichtig eines bestehenden Ermessensspielraums abgesehen.

Denn die elektronische Aktenbearbeitung ist mittlerweile der Standard (a.A. noch SG Lüneburg, Beschluss vom 29.12.2022 – S 12 SF 33/22 E –, juris, nunmehr aber auch Müller-Rabe a.a.O. Rn. 63b). Jeder Rechtsanwalt ist verpflichtet, ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach zu unterhalten. Damit werden nicht nur einzelne Schriftsätze, sondern seit der Einführung der elektronischen Gerichtsakte am hiesigen Gericht seit nunmehr mehr als vier Jahren auch die Verwaltungsakten (diese sukzessive seit jeweiliger Umstellung der Versicherungsträger und Behörden) standardmäßig in Dateiform elektronisch übermittelt. Es muss also jeder Rechtsanwalt mit elektronischen Akten arbeiten können (VG Hamburg, Beschluss vom 08.01.2024 – 10 KO 5115/23 –, Rn. 13 – 15, juris m.w.N.).

Im Einzelnen ist es dem bearbeitenden Anwalt deshalb überlassen, ob er bei einer – aus seiner subjektiven Sicht unübersichtlichen – Verwaltungsakte mit elektronischen Mitteln (z.B. entsprechender Software zur Ermöglichung elektronischer Annotationen, Kommentare oder farblicher Hervorhebungen) oder einem einfachen handschriftlichen oder digital erstellten Aktenauszug die Übersichtlichkeit der Akte nach eigenen Maßstäben herstellt. Geboten ist jedoch bei der vorliegenden nach objektiven Maßstäben übersichtlichen PDF-Datei weder das Ausdrucken der vollständigen Akte noch der wesentlichen Unterlagen aus der Akte.“

Man wird dazu die Argumentation des SG letztlich nicht von der Hand weisen können, dass die Arbeit mit der elektronischen Akten wohl inzwischen tatsächlich Standard ist und ein Ausdruck nicht erforderlich ist, sondern nur der Arbeitserleichterung des Rechtsanwalts dient und die dadurch entstehenden Kosten daher allgemeine Geschäftskosten sind, die durch die Vorbem. 7 Abs. 1 S. 1 VV RVG abgedeckt sind (s. auch Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., VV 7000 Rn 663b m.w.N.). Das gilt sicherlich bei einer – wie hier – doch recht überschaubaren Akten von 115 Seiten, die offenbar auch gut strukturiert war. Ob man das pauschal aber auch bei umfangreichen und/oder unüberschaubaren Akten auch so sehen kann, kann man m.E. bezweifeln. Das wird man eher dazu neigen (müssen), den Anfall der Dokumentenpauschale zu bejahen (vgl. z.B. LSG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 24.11.2020 – L 5 SF 301/20 B E).

Nochmals: Ausdruck einer elektronischen Akte zur Akteneinsicht, oder: Keine Aktenversendungspauschale

© momius – Fotolia.com

Die zweite Entscheidung des Tages zum Gebühren-/Kostenrecht kommt dann vom AG Idar-Oberstein. Das hat sich im AG Idar-Oberstein, Beschl. v. 15.05.2020 – 5 OWi 73/20 – mit der vor allem für Bußgeldverfahren in Rheinland-Pfalz bedeutsamen Frage des Anfalls der Aktenversendungspauschale bei Übersendung eines Ausdrucks der elektronisch geführten Akte  zur Akteneinsicht befasst.

Gegen den Betroffene wurde seitens des Polizeipräsidiums Rheinpfalz – Zentrale Bußgeldstelle (nachfolgend: Bußgeldstelle) – ein Verfahren wegen eines Verkehrsunfalls beim Einparken geführt. Der Verteidiger hatte schon bei der Polizeiinspektion Idar-Oberstein Akteneinsicht beantragt. Nach Abgabe der Staatsanwaltschaft an die Bußgeldstelle, gewährte die Bußgeldstelle in Form von ausgedruckten Kopien der elektronischen Akte Akteneinsicht. Für die Aktenversendung wurde eine Auslagenpauschale von 12,00 Euro erhoben.

Das AG hat den Anfall – ebenso wie einige andere AG in Rheinland-Pfalz – verneint:

„Der zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist begründet.

Es fehlt im Hinblick auf den durch die Bußgeldstelle an den Verteidiger übersandten Aktenausdrucks derzeit an einer Grundlage für die Auslagenfestsetzung.

Gemäß § 107 Abs. 5 S. 1 OWiG kann von demjenigen, der die Versendung von Akten beantragt, je durchgeführte Sendung einschließlich der Rücksendung durch Behörden pauschal 12 Euro als Auslagen erhoben werden. Wird die Akte elektronisch geführt und erfolgt ihre Übermittlung elektronisch, wird eine Pauschale nicht erhoben, § 107 Abs. 5 S. 2 OWiG.

Die elektronische Führung der Akten erfolgt bei der Bußgeldstelle trotz fehlender Rechtsgrundlage (OLG Koblenz, Beschluss vom 17.07.2018 -1 OWi 6 SsBs 19/18). Bisher fehlt es im Landesrecht von Rheinland-Pfalz an einer Rechtsgrundlage, die eine elektronische Aktenführung durch die Verwaltungsbehörde ermöglicht. Eine Rechtsverordnung auf Grundlage der Verordnungsermächtigungen in § 110a Abs. 1 OWiG n.F. ist bisher nicht erlassen worden.

Insofern ist die Aktenführung bei der Zentralen Bußgeldstelle des Polizeipräsidiums Rheinpfalz, wo alle verfahrensrelevanten Dokumente zunächst nur digital vorhanden sind und erst bei Bedarf ausgedruckt werden, derzeit rechtswidrig: Nichts anderes gilt hier, auch wenn die Akte zum Zeitpunkt des Akteneinsichtsersuchens noch in Papierform bei der Polizei/der Staatsanwaltschaft geführt wurde. Erfolgt ist die Akteneinsicht erst durch die Bußgeldstelle, welche zum Zeitpunkt der Gewährung der Akteneinsicht die Akte bereits elektronisch führte, ohne dass hierfür eine Rechts-grundlage vorliegt. Die Übersendung eines Ausdrucks einer insofern ohne Rechtsgrundlage geführten elektronischen Akte kann keine Aktenversendungspauschale begründen, denn eine solche kann nur dann anfallen, wenn Einsicht in eine zulässigerweise und ordnungsgemäß geführte Akte gewährt wird (vgl. AG Trier, Beschluss vom 02. Februar 2020 — 35a OWi 1/20 —, juris m.w.N.). Infolgedessen war die Auslagenfestsetzung der Bußgeldstelle vom 08.04.2020 aufzuheben. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 62 Abs. 2 S. 2 OWiG, 467 Abs. 1 StPO.“

Die Hinweise/Links zu Entscheidungen anderer AG, die die Problematik ebenso sehen, gibt es hier: Ausdruck einer elektronischen Akte/Akteneinsicht, oder: Aktenversendungspauschale.

Ausdruck einer elektronischen Akte/Akteneinsicht, oder: Aktenversendungspauschale

© Maksim Kabakou Fotolia.com

An meinem „Gebührentatg“ merke ich immer, wie schnell eine Woche dahinfliget, denn, wenn es dann wieder Freitag ist, meine ich immer, dass ich doch gerade erst Gebühren- und/oder Kostenrechtsentscheidungen vorgestellt habe. So auch heute wieder.

Heute eröffne ich mit zwei Entscheidungen zur Aktenversendungspauschale (AVP) nach Nr. 9003 KV GKG. Auf die bin ich beim Kollegen Gratz vom VerkehrsRechtsBlog gestoßen. Es geht um die Frage, ob die AVP geltend gemacht werden kann, wenn es um den Ausdruck einer elektonisch geführten (Bußgeld)Akte (§ 110a OWiG) geht. Grds. ist diese Art der Aktenführung zwar zulässig, allerdings bedarf es dazu nach § 110a Abs. 1 Satz 2 OWiG einer Rechtsverordnung. Und die gibt es in Rheinland-Pflaz (noch) nicht, dennoch werden die Akten aber elektronisch geführt. In dem Fall darf, das hatte u.a. auch schon der AG Pirmasens, Beschl. v. 14.04.2017 – 1 OWi 424/16 – entschieden, die AVP nicht erhoben werden.

Und dem haben sich nun das AG Trier im AG Trier, Beschl. v. 02.02.2020 – 35a OWi 1/20 – und das AG Landstuhl im AG Landstuhl, Beschl. v. 14.01.2020 – 2 OWi 189/19 – angeschlossen. Aus den Gründen des AG Trier, Beschlusses:

„Der Antrag ist auch begründet, da es im Hinblick auf den durch die Bußgeldstelle an den Verteidiger übersandten Aktenausdruck derzeit an einer Grundlage für die Auslagenfestsetzung fehlt.

Gemäß § 107 Abs. 5 S. 1 OWiG kann von demjenigen, der die Versendung von Akten beantragt, je durchgeführte Sendung einschließlich der Rücksendung durch Behörden pauschal 12 Euro als Auslagen erhoben werden. Wird die Akte elektronisch geführt und erfolgt ihre Übermittlung elektronisch, wird eine Pauschale nicht erhoben, § 107 Abs. 5 S. 2 OWiG.

Trotz fehlender Rechtsgrundlage werden die Akten bei der Bußgeldstelle elektronisch geführt (OLG Koblenz, Beschluss vom 17.07.2018 – 1 OWi 6 SsBs 19/18). Bisher fehlt es im Landesrecht von Rheinland-Pfalz an einer Rechtsgrundlage, die eine elektronische Aktenführung durch die Verwaltungsbehörde ermöglicht. Eine Rechtsverordnung auf Grundlage der Verordnungsermächtigungen in § 110a Abs. 1 OWiG n.F. ist bisher nicht erlassen worden.

Insofern ist die Aktenführung bei der Zentralen Bußgeldstelle des Polizeipräsidiums Rheinpfalz, wo alle verfahrensrelevanten Dokumente zunächst nur digital vorhanden sind bzw. digital hergestellt werden und erst bei Bedarf ausgedruckt werden, derzeit rechtswidrig. Die Übersendung eines Ausdrucks einer insofern ohne Rechtsgrundlage geführten elektronischen Akte kann keine Aktenversendungspauschale begründen, denn eine solche kann nur dann anfallen, wenn Einsicht in eine zulässigerweise und ordnungsgemäß geführte Akte gewährt wird (AG Pirmasens, Beschluss vom 14.04.2017 – 1 OWi 424/16; AG Landstuhl, Beschluss vom 29.11 .2019 – 2 OWi 157/19).“

Dokumentenpauschale für den Empfang einer Behördenakte per Computerfax?, oder: Nur in Ausnahmefällen

© kostsov – Fotolia.com

Die zweite gebührenrechtliche Entscheidung kommt heute vom VG Dresden. Ja, richtig: Verwaltungsgericht. Es handelt sich aber um eine Problematik in Zusammenhang mit der Nr. 7000 VV RVG, so dass ich sie hier auch vorstellen kann/möchte.

Das VG Dresden hat im VG Dresden, Beschl. v. 21.08.2019 – 12 K 2345/16.A – über die Abrechnung einer Dokumentenpauschale für den Empfang einer Behördenakte per Computerfax entschieden. Es hat diese nicht gewährt und das wie folgt begründet:

„Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat keinen Anspruch auf eine Pauschale für die Herstellung und Überlassung von Dokumenten nach Nr. 7000 Ziffer 1a) des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG).

Nach Nr. 7000 Ziffer 1a) VV RVG hat der Rechtsanwalt einen Anspruch auf eine Pauschale für Ablichtungen und Ausdrucke aus Behörden- und Gerichtsakten, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Für die Ausdrucke aus der dem Kläger-Prozessbevollmächtigten per PC-Fax übersandten Behördenakte kommt die Erstattung von Auslagen in Form der Dokumentenpauschale zwar grundsätzlich in Betracht. Im vorliegenden Fall ist aber die Gebotenheit der Herstellung der Ausdrucke für die sachgemäße Bearbeitung der Rechtssache nicht dargelegt.

Nr. 7000 VV RVG ist vor dem Hintergrund der Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 1 zu sehen, wonach mit den Gebühren auch die allgemeinen Geschäftskosten entgolten werden. Aus Nr. 7000 VV RVG ergibt sich, dass dazu auch die Herstellung eines Dokuments zählt, soweit nicht Nr. 7000 VV RVG einen Anspruch auf die Dokumentenpauschale begründet. Nr. 7000 Ziffer 1 VV RVG betrifft Kopien und Ausdrucke, Nr. 2 elektronisch gespeicherte Daten. Die Pauschale bringt zum Ausdruck, dass damit alle für die Herstellung des Schreibwerks erforderlichen Aufwendungen pauschal abgegolten sein sollen, insbesondere also Personal- und Materialkosten, z. B. für Papier, Formulare, Schreib- und Kopiergeräte und deren Bedienung und Wartung. Diese dürfen dem Auftraggeber also nicht zusätzlich zu den Gebühren berechnet werden (Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG 23. Aufl., § 7000 VV Rn. 1, 13). Aus der Anmerkung zu Nr. 7000 VV RVG Absatz 1 Satz 2, wonach einer Übermittlung durch den Rechtsanwalt per Telefax die Herstellung einer Kopie gleichsteht, ergibt sich, dass der Rechtsanwalt als Empfänger einer Telefaxsendung jedoch nicht die Dokumentenpauschale dafür berechnen kann, dass er seine Anlage zum Empfang bereithält und das Papier sowie den Toner stellt, auf dem der ihm übermittelte Text gedruckt wird (vgl. Müller-Rabe, a. a. O., Rn. 21f.). In diesem Fall entstehen die Kopien bei ihm ohne sein Zutun und ohne den für die Fertigung von Kopien erforderlichen Arbeitsaufwand (VG Aachen, Beschl. v. 16. Mai 2018 – 6 K 3213/17.A –, juris Rn. 5).

Im vorliegenden Fall hat das Gericht die Behördenakte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht in Papierform, sondern elektronisch durch Computerfax zur Akteneinsicht übermittelt. Die Übermittlung und der Empfang einer vollständigen Behördenakte, hier im Umfang von 176 Seiten plus 3 Seiten Inhaltsverzeichnis/Übersicht, entspricht nicht der üblichen Nutzung eines Faxgerätes. Ob für diese Ausdrucke aus der Akte die Dokumentenpauschale anfällt, kann nicht von der vom Gericht gewählten Form der Übermittlung abhängen, sondern nur davon, ob ihre Fertigung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Es kann nicht darauf ankommen, ob Kopien von einer in Papierform vorliegenden Behörden- oder Gerichtsakte gefertigt werden oder Teile einer elektronisch übermittelten Gerichtsakte ausgedruckt werden. So ist dem Wortlaut von Nr. 7000 Ziffer 1) nicht zu entnehmen, dass die Vorschrift nur eingreifen soll, wenn Kopien von körperlichen Akten erstellt werden. Vielmehr stellt der Rechtsanwalt auch dann Ausdrucke aus einer Gerichtsakte her, wenn ihm eine elektronische Gerichtsakte zugeleitet wird und er hiervon Ausdrucke fertigt – etwa um bestimmte Vorgänge plastischer vor Augen zu haben oder in der Handakte leichter zu finden (Müller-Rabe, a. a. O, Rn. 52). Allerdings ist dem Anwalt zuzumuten, zunächst am Bildschirm zu klären, was er auch noch ausdrucken muss (Hartmann, Kostengesetze, 49. Aufl., VV 7000 Rn. 10; OLG Rostock Strafsenat, Beschl. v. 29. September 2014 – 20 Ws 266/14 –, juris, Rn. 22, 24).

Da sich ein Rechtsanwalt im Rahmen des Verständigen auf alle Eventualitäten der Rechtssache vorbereiten muss, steht ihm bei der Entscheidung, welche Teile der Verwaltungsakten er ablichtet oder ablichten lässt, ein Ermessensspielraum zu. Damit das kostenfestsetzende Gericht und der Kostenschuldner überprüfen können, ob der Prozessbevollmächtigte das ihm über Nr. 7000 Ziffer 1a) VV RVG eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat, ist es jedoch erforderlich, dass der Prozessbevollmächtigte darlegt, dass und warum die gefertigten Ablichtungen aus seiner Sicht geboten waren (VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 12. März 2013 – 1 K 4489/11 –, juris Rn. 8f.). Daran fehlt es hier.

Der Kläger-Prozessbevollmächtigte führt zur Begründung seiner Erinnerung lediglich aus, er habe, soweit möglich, eine entsprechende Auswahl getroffen, die für die Bearbeitung als notwendig angesehen worden sei. Dies sei dem als Anlage vorgelegten Inhaltsverzeichnis der Behördenakte als Nachweis der Prüfung der Notwendigkeit der gefertigten Kopien zu entnehmen. In welcher Form die Notwendigkeit geprüft werde, bleibe dem Anwalt überlassen.

Damit hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Notwendigkeit der gefertigten Ausdrucke jedoch nicht substantiiert dargelegt. Die Dokumentenpauschale ist insgesamt nicht zu berücksichtigen, weil es an differenzierten Angaben zur Notwendigkeit der Ausdrucke fehlt. So fehlt es an einer konkreten Begründung dafür, dass der Ausdruck der kompletten Behördenakte zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Auf der Übersicht des Akteninhalts weist der Prozessbevollmächtigte lediglich darauf hin, dass die Notwendigkeit der Fertigung von 179 Kopien geprüft worden ist. Dieser Hinweis ist allgemein gehalten; es ist nicht nachvollziehbar, weshalb beispielsweise die Eurodac-Belehrungen, die Dublin-Befragungen und die Rückkehrinfos im Verfahren, in dem es um die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ging, mit ausgedruckt worden sind und dies zur sachgerechten Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Es ist aber nicht Aufgabe der Kostenbeamtin oder des Gerichts, das eigene Ermessen nachträglich an die Stelle des anwaltlichen Ermessens zu setzen.“

Kopien der digitalisierten Akte, oder: Leider wie gehabt.

© ProMotion – Fotolia.com

Und als zweites Posting dann eine weitere Entscheidungen, die mit der Erstattung von Kosten der Akteneinsicht pp. zu tun hat.

Im OLG Frankfurt, Beschl. v. 03.04.2018 -2 Ws 1/18 – geht es mal wieder um die Festsetzung der Vergütung betreffend die Dokumentenpauschale Nr. 7000 Nr. lit a in den Fällen, in denen dem Verteidiger die Verfahrensakte komplett in digitalisierter Form zur Verfügung gestellt worden ist. Das OLG Frankfurt sagt/meint (mal wieder): In der Regel wird nicht erstattet.

Hier die Leitsätze der Entscheidung:

  1. Wird dem Verteidiger die komplette Verfahrensakte in digitalisierter Form zum weiteren Verbleib überlassen, sind Kopierkosten nach Nr. 7000 Nr. 1 lit. a VV RVG vom Grundsatz her keine erforderlichen Auslagen im Sinne von § 46 Abs. 1 RVG.
  2. Dieser Grundsatz kann durch entsprechenden Sachvortrag durchbrochen werden, da derzeit noch keine gesetzliche Verpflichtung eines Rechtsanwalts zur ausschließlichen Verwendung einer elektronischen bzw. digitalisierten Verfahrensakte besteht.
  3. Aus dem Regelausnahmeprinzip folgt (insoweit Fortführung von OLG Frankfurt, Beschluss vom 29. März 2012, 2 Ws 49/12), dass den Rechtsanwalt, der die elektronische Akte ausdruckt, eine besondere Begründungs- und Darlegungslast trifft, warum dies „zusätzlich“ zu der zur Verfügung gestellten digitalisierten Akte, die eine sachgerechte Bearbeitung bereits ermöglicht, notwendig war, wenn er diese zusätzlichen Ausdrucke ersetzt verlangt.

Ist leider schwer und für mich nicht nachvollziehbar, in den Fällen die Festsetztung der Dokumentenpauschale zu erreichen. Die OLG lehnen es fast einheitlich ab. Ggf. ändert sich da aber etwas durch ein hoffentlich kommendes 3. KostRMoG.