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Vertrau mir, denn mehr darf ich nicht, drunter bleiben muss ich aber auch nicht…, wenn wir uns absprechen

Die Entscheidungen zur Absprache (§ 257c StPO) nehmen zu. Mit dem Beschl. des BGH v. 27.07.2010 – 1 StR 345/10 liegt jetzt eine der ersten Leitsatzentscheidungen vor, und zwar zur Strafunter- und -obergrenze. Danach ist das Gericht, wenn es gemäß § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO eine Ober- und Untergrenze der Strafe angibt, nicht gehindert, die angegebene Obergrenze als Strafe zu verhängen.

Also: Mehr darf es nicht, wenn die Absprache zustande gekommen ist, drunter bleiben muss es aber auch nicht. Und eine Punktstrafe ist so oder unzulässig (nur: Hält sich die Praxis daran?).

Nachträgliche Sicherungsverwahrung: Was sind neue Tatsachen? – Auswirkungen auf die Verständigung

Der 2. Strafsenat des BGH hat noch einmal/erneut zum Begriff der „neuen Tatsachen“ i.S. des § 66b Abs. 2 StGB Stellung genommen. Das sind – so der Senat – Tatsachen, die erst nach der Verurteilung erkennbar geworden sind. Zwar können nach Auffassung des BGH auch psychiatrische Befundtatsachen im Einzelfall „neue Tatsachen“ im Sinne des § 66 b Abs. 2 StGB darstellen. Maßgeblich sei aber nicht eine neue sachverständige Bewertung von Tatsachen. Entscheidend sei vielmehr, ob die dieser Bewertung zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen im Zeitpunkt der Aburteilung bereits vorlagen und bekannt oder erkennbar waren (vgl. auch BGHSt 50, 275, 278; jetzt Beschl. v. 12.05.2010 – 2 StR 171/10).

Die Frage, was eine neue Tatsache ist, kann auch bei einer Verständigung eine Rolle spielen, wenn es darum geht, ob sich das Gericht von der Verständigung lösen lann (§ 257c StPO StGB). Die bloß andere Bewertung von bereits bei der Abgabe der Zusage/Verständigung dem Gericht bekannter oder erkennbarer Umständen ist also kein „neuer“ Umstand.

Ich habe es ja immer schon gesagt/geraten… man muss die StA „einbinden“

Gestern war der Tag der Anfragen, die mich erreichten. Diese hier ist m.E. von allgemeinerem Interesse. Der Kollege fragte:

Wie entgehe ich folgendem Problem? Die Geschwindigkeit meines Mandanten ist mittels Radarpistole überprüft worden. Ergebnis: 31 Km/h zu schnell. Mandant hat bereits mehrere Eintragungen im VRZ einschlägiger Art. Zusätzlich vor 9 Monaten Geschwindigkeitsüberschreitung von 50 km/h. Bei letzterer Tat konnte erreicht werden, das gegen Erhöhung der Geldbuße vom Fahrverbot abgesehen wurde. Zur Vorbereitung auf die Verhandlung über die jetzige Tat hatte ich mehrere Beweisanträge vorbereitet, da es Anhaltspunkte dafür gab, das die Messung nicht korrekt durchgeführt wurde. Zu meiner Überraschung bot der Richter vor der eigentlichen Verhandlung an, bei einem Geständnis des Mandanten vom Fahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße abzusehen. So geschehen. Nunmehr legt die Staatsanwaltschft Rechtsbeschwerde ein, beschränkt auf das Strafmaß. Läßt sich mit § 257 c StPo argumentieren, obwohl die StA bei der Verhandlung nicht dabei war. Oder gibt es einen sonstigen Ausweg aus der Falle in die ich reingetappt bin? Dieses Problem dürfte kein Einzelfall sein und sicherlich von allgemeinem Interesse…

In der Tat eine missliche Situation, in dem aber dem Kollegen m.E. kaum noch zu helfen ist. Ich habe ihm in etwa geantwortet, dass er mit einem Hinweis/Verweis auf § 257c StPO, der über die §§ 46, 71 OWiG grds. auch im OWi-Verfahren gilt, nicht weiter kommen wird. Abgesehen davon, dass nach der Gesetzesbegründung die Vorschrift im OWi-Verfahren eh nur beschränkt anwendbar sein soll (wegen des Gleichbehandlungszwecks des BKat kaum im straßenverkehrsrechtlichen OWi-Verfahren), setzt die Verständigung zur Wirksamkeit voraus, dass Angeklagter/Betroffener und StA zustimmen. Und letzteres ist nicht erfolgt. Die Rechtsbeschwerde ist vielmehr eine deutliche Zustimmungsverweigerung :-(.

Ich weise daher immer darauf hin, dass in solche Vereinbarungen, wie sie hier getroffen worden sind, die StA eingebunden werden muss, wenn man keine Überraschung, so wie jetzt der Kollege, erleben will. Es tröstet sicherlich nur ein wenig, dass er natürlich von dem erfreulichen Vorschlag des Richters überrascht worden ist und eine Einbindung/Zustimmung der StA nicht mehr möglich war. Wenn das noch geht, muss man ggf. mal den Telefonhörer in die Hand nehmen…

Absprache und Verschlechterungsverbot, oder die „Vertragsgrundlage“ im Strafverfahren

Es ist deutlich zu merken, dass die Neuregelung des § 257c StPO (Verständigung) bei den Instanzgerichten und damit auch beim BGH angekommen ist. Denn die Entscheidungen zur Neuregelung nehmen zu. Es gibt zwar m.E. noch keinen richtigen Knaller – so z.B. zur Frage des Scheiterns einer Absprache (was sind neue Umstände usw), aber immerhin viele kleine „Anmerkungen“ des BGH. So auch eine im Beschl. v. 24.02.2010 – 5 StR 38/10. Dort ist nach einer Verständigung ein Geständnis abgegeben worden, das aber die Anklage wohl nicht erschöpfte. Der BGH hat das landgerichtliche Urteil – Verstoß gegen BtM-Gesetz – aufgehoben, weil keine ausreichenden Feststellungen vorgelegen haben, und führt aus:

„Dabei wird das – die Anklage freilich nicht erschöpfende – Geständnis des Angeklagten nicht dem Verwertungsverbot des § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO unterliegen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor. Bei Einhaltung der auch vom Angeklagten im Rahmen der Verständigung akzeptierten Strafobergrenze führt das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) zu deren Perpetuierung im weiteren Verfahren. Zudem ist bei dem hier zu Lasten des Angeklagten vom Tatgericht unzutreffend bewerteten Geständnis nach Korrektur des Wertungsfehlers durch das Revisionsgericht zugunsten des Angeklagten die „Vertragsgrundlage“ für das Geständnis nicht entfallen ….“.

M.E. zutreffend, denn es liegt kein Fall des Scheiterns der Verständigung vor. Zutreffend dann auch die bestehenbleibende Bindung an die Verständigung – sehr schön der Begriff der „Vertragsgrundlage“. Im Fall des Scheiterns der Verständigung fällt die natürlich weg. Beide Seiten sind dann wieder frei :-).

BGH: Absprache/Verständigung, Rechtsmittel, Rücknahme – ist zulässig und kein „Umgehungsgeschäft“

Nach der Neuregelung des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO werden auf einer Absprache nach § 257c StPO beruhende Urteile grds. erst nach einer Woche rechtskräftig, da ein Rechtsmittelverzicht in diesen Fällen ausdrücklich unzulässig ist. Das ist in der Praxis manchmal misslich, so z.B., wenn der Angeklagte ggf. schnell aus der U-Haft in Strafhaft überstellt werden möchte.

Aus diesem „Dilemma“ zeigt jetzt die Entscheidung des BGH v. 14.04.2010 – 1 StR 64/10 einen Ausweg. Es kann Rechtsmittel eingelegt und dieses noch vor Ablauf der Rechtmittelfrist wieder zurückgenommen werden. Das sieht der BGH nicht als eine Umgehung des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO an, die unzulässig wäre.

Aber Vorsicht: Diese Vorgehensweise kann nicht zum Gegenstand der Verständigung gemacht werden. Das wäre – so der BGH – als eine Umgehung anzusehen.