Die neue Verständigungsregelung in § 257c StPO und die sie flankierenden Vorschriften beschäftigen den BGH; das merkt man an der doch recht großen Zahl von veröffentlichten Entscheidungen. Der BGH, Beschl. v. 20.10.2010 – 1 StR 400/10 liegt zeitlich schon etwas zurück, ist aber doch einen Bericht wert. Und zwar in zweierlei Hinsicht. Hier will ich zunächst den verfahrensrechlichen Aspekt aufgreifen, die andere Frage werde ich in einem gesonderten Beitrag behandeln.
Folgender Sachverhalt: Das LG hat den Angeklagten wegen Betruges (Verkauf von nicht zum Verzehr bestimmten Fleisch) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit seiner Revision hat der Angeklagte u.a. einen Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO geltend gemacht. Dazu hatte er sich auf folgende Verfahrensvorgänge bezogen: Die Vorsitzende der Strafkammer hatte nach Anklageerhebung mit Anklageschrift vom 30. 8. 2007 im Mai 2009 während eines Telefongesprächs und erneut im Oktober oder Anfang November 2009, als der Verteidiger beim Gericht Akteneinsicht nahm, diesem gegenüber für den Fall eines Geständnisses des Angeklagten eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, als Strafobergrenze angeboten, wozu der sachbearbeitende Staatsanwalt der Vorsitzenden zuvor seine Zustimmung signalisiert hatte. Der Angeklagte, der von seinem Verteidiger über die Anfragen der Strafkammervorsitzenden unterrichtet wurde, lehnte die Ablegung eines Geständnisses ab. Eine zu erwartende Strafhöhe für den Fall einer Verhandlung ohne Geständnis nannte die Strafkammervorsitzende nicht. Das Angebot einer Verständigung seitens der Strafkammervorsitzenden wurde in der Hauptverhandlung nicht erwähnt. Im Protokoll ist lediglich am Ende – zutreffend – vermerkt, dass eine Verständigung nicht stattfand. Die Revision hatte keinen Erfolg.
Der BGH hat zur Rüge der Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 1 SPO ausgeführt: Ein Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO führt nicht zu der unwiderlegbaren Vermutung dahin, dass bei einer Verletzung der Norm eine Beeinflussung des Urteilsspruchs dadurch nie ausgeschlossen werden kann. D.h. also: Es kommt auf das Beruhen an (§ 337 StPO). Und das hat der BGH verneint, weil er asgeschlossen hat, dass sich der Angeklagte im Fall der Mitteilung der Bemühungen der Vorsitzenden vielleicht doch noch eines anderen besonnen und ein Geständnis abgelegt htte. Der immer anwaltlich beratene Angeklagte habe geständige Einlassungen mit Bestimmtheit abgelehnt. Die grundsätzliche Möglichkeit einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung sei ihm bekannt gewesen. Die Strafkammer habe hierzu – offensichtlich zu Recht – keine Möglichkeit mehr gesehen, sonst hätte sie in der Hauptverhandlung den in § 257c Abs. 3 StPO gewiesenen Weg beschritten.
Der Angeklagte hatte außerdem in seiner Revision darauf hingewiesen, dass die Nennung einer Strafobergrenze bzw. eines Strafrahmens (§ 257c Abs. 3 Satz 2 StPO) im Falle der Ablegung eines Geständnisses, auch wenn die Verständigung scheitere, am Ende eines dann streitig durchgeführten Verfahrens im Falle einer Verurteilung zwingend Einfluss auf die Bestimmung der Strafhöhe habe. Diese Orientierungsfunktion der Nennung einer Strafobergrenze sei nicht zum Tragen gekommen, da die übrigen Mitglieder der erkennen-den Strafkammer über die Anfrage der Vorsitzenden nicht informiert gewesen seien. Abgesehen davon, dass nach Auffassung des BGH die behauptete fehlende Unterrichtung der übrigen Angehörigen des Gerichts seitens der Vorsitzenden über ihren Vorstoß unter Nennung einer Strafobergrenze schon nicht erwiesen war, kommt nach Auffassung des BGH einem für den Fall eines Geständnisses vor oder zu Beginn einer Hauptverhandlung in den Raum gestellten Strafrahmen für die Strafzumessung nach langer streitiger Hauptverhandlung i.d.R. keine Bedeutung mehr zu. Dies gelte ebenso für eine in diesem Zusammenhang genannte zu erwartende Strafe für den Fall einer Verurteilung ohne ein Geständnis. Zwingend seien Äußerungen des Gerichts zu Letzterem allerdings nicht und sie seien meist auch nicht zweckmäßig.