Ab heute mal wieder für 8 Tage Auszeit/Urlaub, oder: Mal wieder Leinen los

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Wenn das Bild im Blog erscheint, weiß derjenige, der hier regelemäßig mitliest: Es ist mal wieder so weit: Auszeit. Und zwar  geht es heute Nachmittag ab, zunächst nach Hamburg. Dort geht es heute Abend in die „Eiskönigin“. Und morgen geht es dann aufs Schiff.

Samstagabend startet dann die Kreuzfahrt „,Metropolen“ – also Hamburg – Southampton/London – Le Harve/Paris – Zeebrügge/Brüssel – Rotterdam – Hamburg. Ich wusste übrigens gar nicht, dass London, Paris und Brüssel so nah am Wasser/Meer liegen 🙂 .

Aber das ist dieses mal auch gar nicht von Bedeutung, denn auf die Ziele kommt es gar nicht so an. Sondern der „Weg ist das Ziel“. Wir haben nämlich besondere Begleitung, da Kinder und Enkelkinder mitfahren. Und das ist das Wichtigste an dieser Reise, die im Grunde meine/unsere Goldhochzeitsfeier ist. Und ich werde ganz sicher nicht mit einer 10- und einer 7-jährigen von Southampton auf Panoramafahrt nach London gehen. Dauer ca. 9.15 Stunden mit dem Bus. Noch Fragen 🙂 ? Also Leinen los und das Schiff erkunden und den Tag mit anderen schönen Dingen verbringen.

Hier geht es in den acht Tagen normal weiter: Die Beiträge sind vorbereitet, alles aber vielleicht nicht ganz so aktuell wie gewohnt. Aber klappt schon. Kommentarfunktion habe ich eingeschaltet gelassen. Ich werde aber kaum schnell antworten, wenn es etwas zu antworten gibt.

Also dann bis zum gesunden „Wiedersehen“.

Verfahrensrüge III: Stoßrichtung von mehreren Rügen, oder: Man muss schon sagen, was man will

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Und dann habe ich hier noch einmal etwas vom OLG Frankfurt am Main, nämlich den OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 16.10.2023 – 3 ORs 22/23 – zur Abgrenzung und zur jeweiligen Stoßrichtung der Rüge eines Verstoßes gegen die richterliche Aufklärungspflicht gem. § 244 Abs. 2 StPO einerseits und der Inbegriffsrüge gem. § 261 StPO andererseits betreffend Feststellungen zum Nettoeinkommen des Angeklagten.

Das AG hat die Angeklagte wegen Körperverletzung in einem minder schweren Fall in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in einem besonders schweren Fall und Beleidigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50,00 EUR verurteilt. Auf ihre Berufung hin hat das LG die Angeklagte am 23.03.2023 zu einer Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 100,00 EUR verurteilt. Dagegen u.a. die Revision, die keinen Erfolg hatte:

„1. Soweit der Angeklagte das Verfahren beanstandet, wird eine den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügende Rüge nicht ausgeführt.

a) Die Revision vermag mit der Rüge eines Verstoßes gegen die richterliche Aufklärungspflicht gem. § 244 Abs. 2 StPO bzw. mit einer Inbegriffsrüge gem. § 261 StPO nicht durchzudringen, denn sie entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Kommt nach den vorgetragenen Tatsachen mehr als ein Verfahrensmangel in Betracht, muss die Angriffsrichtung der Rüge bestimmt werden. Es muss im Revisionsvortrag eindeutig konkretisiert werden, welcher behauptete Verfahrensmangel mit welcher Begründung angegriffen wird (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 09.05.2018 – 5 StR 17/18, NJW 2018, 2279, 2280 Tz. 10; Herb, NStZ-RR 2023, 33, 34 f. m.w.N.).

Für den Senat ist schon die Stoßrichtung der Rüge nicht erkennbar. In Betracht käme die – in die Gestalt einer Sachrüge des § 40 Abs. 2 S. 2 StGB gekleidete – Verfahrensrüge, dass das Landgericht seine Feststellungen zum Nettoeinkommen nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung gewonnen hat (§ 261 StPO), da ein Nettoverdienst von 3.600 € sich nicht aus der Vernehmung der Angeklagten herleiten lasse. Der Vortrag lässt sich aber auch so verstehen, dass die fehlende Aufklärung des Nettoeinkommens gerügt wird. Allerdings setzte das ausgebliebene „Hinterfragen“ des Nettoeinkommens zunächst einmal voraus, dass die Angeklagte tatsächlich gerade ihr Nettoeinkommen gegenüber dem Landgericht beziffert hätte; das wird aber nicht mit Bestimmtheit behauptet. Es bleibt somit schon unklar, ob die Angeklagte bei der Vernehmung über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse durch den Vorderrichter ihr Gehalt als brutto, netto oder ohne eine diesbezügliche Klarstellung angeben haben will.

b) Abgesehen hiervon würden beide Stoßrichtungen der Verfahrensrüge nicht zum Erfolg verhelfen.

aa) Zunächst kann die Revision nicht mit Erfolg rügen, der Vorderrichter habe bei der Vernehmung der Angeklagten über ihre persönlichen Verhältnisse bestimmte, sich aufdrängende Vorhalte nicht gemacht oder bestimmte Fragen nicht gestellt. Denn eine Aufklärungsrüge kann nicht erfolgreich allein auf die Behauptung gestützt werden, ein Angeklagter habe in der Hauptverhandlung anders als im Urteil festgestellt ausgesagt und dies habe dem Tatrichter Anlass zu weiterer Beweiserhebung geben müssen (statt Vieler KK-StPO/Krehl, 9. Aufl. 2023, § 244 Rn. 222). Eine solche Rekonstruktion der Beweisaufnahme ist – abgesehen von Ausnahmefällen bestimmter parater Beweismittel (vgl. KK-StPO/Krehl a.a.O., § 244 Rn. 221 m.w.N.) – de lege lata unzulässig. Vorhalte und Nachfragen sind aber nicht protokollierungspflichtig (KK-StPO/Tiemann a.a.O., § 261 Rn. 216). Das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen ist allein Sache des Tatrichters. Der dafür bestimmte Ort ist das Urteil (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 03.07.1991 – 2 StR 45/91, BGHSt 38, 14, 15 f.).

bb) Auch eine Inbegriffsrüge gem. § 261 StPO mit dem Ziel anzugreifen, im Urteil sei die Aussage der Angeklagten unvollständig, unzutreffend oder überhaupt nicht wiedergegeben oder bewertet worden, ist wegen des Rekonstruktionsverbots unbehelflich. Die Rechtsprechung hat Ausnahmen nur dann zugelassen, wenn der Wortlaut einer in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunde im Urteil unrichtig wiedergegeben worden ist oder in Fällen der wörtlichen Protokollierung einer Aussage (vgl. BGH, Beschl. v. 03.09.1997 – 5 StR 237/97, BGHSt 43, 212, 214 m.w.N.). So liegt es hier aber nicht. Die Revision trägt vor, dass die mit der Revisionsbegründung vorgelegte Verdienstabrechnung zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch nicht zur Verfügung stand. Mit ihr lässt sich also nicht der Nachweis führen, dass die – nicht wörtlich protokollierte – Einlassung der Angeklagten zu ihrem Einkommen im Urteil unrichtig wiedergegeben ist.

2. Schließlich dringt die Revision auch nicht mit der sachlich-rechtlichen Beanstandung der Verletzung des § 40 Abs. 2 S. 2 StGB durch.

Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass das Landgericht Gießen bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe ein Nettoeinkommen von 3.600 € zugrunde gelegt hat; das Bruttoeinkommen hat der Vorderrichter nicht festgestellt. Das Vorbringen zur Verdienstabrechnung ist urteilsfremd.“

Verfahrensrüge II: Aufklärungsrüge der StA scheitert, oder: Durchsuchungsbericht fehlt

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Im zweiten Posting stelle ich dann das BGH, Urt. v. 15.05.2024 – 6 StR 374/23 – vor. Das LG hat den Angeklagten vom Vorwurf u.a. des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision. Die hatte keinen Erfolg:

„1. Mit der Anklage hat die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last gelegt, am 18. November 2022 in seiner Wohnung Betäubungsmittel – unter anderem rund 3,7 kg Cannabisblüten und 31,7 g Kokain – gelagert zu haben, die überwiegend zum gewinnbringenden Weiterverkauf durch ihn bestimmt gewesen seien. Zudem habe er in Griffweite der Betäubungsmittel verschiedene Waffen und waffenähnliche Gegenstände aufbewahrt, darunter eine mit Stahlkugeln geladene Druckgaspistole, eine Armbrust, eine Machete und einen Teleskopschlagstock, die zur Absicherung seiner Betäubungsmittelgeschäfte gedient hätten.

Das Landgericht hat zum Anklagevorwurf keine näheren Feststellungen getroffen. Der Angeklagte hat sich auf sein Schweigerecht berufen. Die Ergebnisse einer bei ihm durchgeführten Wohnungsdurchsuchung hat die Strafkammer für unverwertbar erachtet.

a) Hierzu hat sie in dem angegriffenen Urteil festgestellt, dass der Zeuge KHK M. und weitere Polizeibeamte am Vormittag des 18. November 2022, einem Freitag, zur Vollstreckung eines Durchsuchungsbeschlusses wegen des Verdachts des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge die vermeintliche Wohnanschrift des Angeklagten aufsuchten. Seine dort lebende Mutter teilte den Beamten mit, dass ihr Sohn nicht mehr bei ihr wohne. Nachdem ihr der Grund der beabsichtigten Durchsuchung erläutert und sie über ihr Zeugnisverweigerungsrecht belehrt worden war, erklärte sie, Angaben machen zu wollen, weil ihr Sohn schon längere Zeit Probleme habe. Sie teilte seine neue – etwa vier Kilometer entfernte – Anschrift mit und versicherte den Beamten, dass sie ihn nicht über den polizeilichen Einsatz informieren werde. Zudem erklärte sie sich damit einverstanden, dass Polizeibeamte bei ihr bleiben könnten, bis die Wohnung ihres Sohnes durch die Polizei gesichert sei. Zwei Polizeibeamte blieben sodann bei ihr.

Vor Antritt der etwa fünfminütigen Fahrt zur neuen Anschrift des Angeklagten teilte der Zeuge KHK M. die neuen Erkenntnisse zur Wohnanschrift des Angeklagten telefonisch der zuständigen Dezernentin der Staatsanwaltschaft mit, die sogleich die sofortige Durchsuchung der neuen Wohnung des Angeklagten wegen Gefahr im Verzug anordnete. Die Gründe für die Annahme von Gefahr im Verzug wurden nicht in der Akte dokumentiert.

b) Die Strafkammer hat die Ergebnisse der Wohnungsdurchsuchung für unverwertbar erachtet, weil ein bewusster und schwerwiegender Verstoß gegen den Richtervorbehalt nach Art. 13 Abs. 2 GG und § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO vorliege. Für die Annahme von Gefahr im Verzug habe es keine ernsthaften Anknüpfungstatsachen gegeben. Zudem sei ausreichend Zeit und Gelegenheit gewesen, zumindest telefonisch einen Ermittlungsrichter zu erreichen; dies sei aber noch nicht einmal versucht worden.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.

1. Die von der Beschwerdeführerin erhobenen Aufklärungsrügen, die jeweils darauf abzielen, das Landgericht hätte wegen unzutreffender Annahme eines Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot weitere Beweise erheben müssen, genügen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und erweisen sich deshalb als unzulässig.

a) Die Beschwerdeführerin hat es jeweils versäumt, den polizeilichen Durchsuchungsbericht vom 22. November 2022 vorzulegen. Dessen hätte es jedoch bedurft, um dem Senat die erforderliche eigene umfassende Überprüfung des Verfahrens im Hinblick auf den behaupteten Rechtsfehler zu ermöglichen. Der Inhalt des anlässlich der Durchsuchung gefertigten polizeilichen Vermerks ist sowohl für die Annahme von Gefahr im Verzug als auch für die Beurteilung des Gewichts eines eventuellen Verfahrensverstoßes von wesentlicher Bedeutung (vgl. BGH, Urteile vom 12. Juli 2023 – 6 StR 417/22, Rn. 6; vom 10. Juli 2014 – 3 StR 140/14, Rn. 16; Beschlüsse vom 1. Februar 2022 – 5 StR 373/21; vom 16. Februar 2016 – 5 StR 10/16, Rn. 4; vom 24. Januar 2012 – 4 StR 493/11; vom 2. Dezember 2010 – 4 StR 464/10; KK-StPO/Henrichs/Weingast, 9. Aufl., § 105 Rn. 23; MüKo-StPO/Hauschild, 2. Aufl., § 105 Rn. 45).

b) Die Vorlage des polizeilichen Durchsuchungsvermerks durch die Beschwerdeführerin war auch nicht deshalb entbehrlich, weil sie zudem die Sachrüge erhoben und das Landgericht im Rahmen seiner schriftlichen Urteilsgründe nähere Ausführungen zu dem nach seiner Ansicht bestehenden Beweisverwertungsverbot gemacht hat. Denn es ist für den Senat nicht sicher erkennbar, ob die in den Urteilsgründen – in nicht gebotener Weise (vgl. BGH, Urteile vom 12. Juli 2023 – 6 StR 417/22, Rn. 6; vom 14. Dezember 2022 – 6 StR 340/21, Rn. 19) – dargestellten Verfahrenstatsachen die für die Annahme von Gefahr im Verzug und die Verwertbarkeit der Durchsuchungs-erkenntnisse maßgebliche Beweislage vollständig wiedergeben; Zweifel daran bestehen schon deshalb, weil die Revision weitere Inhalte des Telefonats vom 18. November 2022 zwischen dem Zeugen KHK M.    und der Dezernentin der Staatsanwaltschaft behauptet, die nicht Eingang in das Urteil gefunden haben.

Das Landgericht hat lediglich die von ihm für wesentlich erachteten Beweisergebnisse dargestellt und in erster Linie unter deren Würdigung seine Auffassung begründet, es liege ein Beweisverwertungsverbot vor. Die Kenntnisnahme des maßgebenden Akteninhalts durch den Senat selbst kann aber nicht durch die Darstellung vom Landgericht ausgewählter Teile ersetzt werden (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 – 3 StR 140/14, Rn. 17; Beschluss vom 29. April 2015 – 1 StR 235/14, Rn. 50).

2. Mit ihrer in allgemeiner Form erhobenen Sachrüge dringt die Beschwerdeführerin ebenfalls nicht durch.

a) Die Urteilsgründe genügen den sich aus § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO ergebenden formellen Anforderungen an ein freisprechendes Urteil (vgl. BGH, Urteile vom 2. Juni 2022 – 2 StR 353/21, Rn. 15; vom 27. Februar 2020 – 4 StR 568/19, Rn. 6). Das Landgericht hat den Anklagevorwurf dargestellt und in nachvollziehbarer Weise mitgeteilt, dass verwertbare Beweise zum Beleg des Tatvorwurfs nicht vorgelegen haben.

b) Das Urteil genügt auch den sachlich-rechtlichen Anforderungen an einen Freispruch. ……“

Verfahrensrüge I: Rechtlicher Hinweis unterlassen, oder: Urteilsabsetzungsfrist

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Heute dann ein bisschen Rechtsprechung zur Revision, und zwar zunächst:

Die Verfahrensrüge, das Landgericht habe den Angeklagten in der Hauptverhandlung entgegen § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO nicht auf die mögliche und letztlich im Urteil angeordnete Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hingewiesen, bleibt ohne Erfolg. Die Rüge ist bereits unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt. Die Revision ist nicht ihrer Pflicht nachgekommen, alle Tatsachen vorzutragen, die für eine Prüfung, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, nötig gewesen wären. Der Beschwerdeführer teilt nicht mit, dass der Vorsitzende am zweiten Tag der Hauptverhandlung einen protokollierten Verständigungsvorschlag unterbreitet und in dessen Rahmen erklärt hat, die „Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung könne ausdrücklich nicht Bestandteil der Verständigung sein.“

Der Vortrag dieser Erklärung des Vorsitzenden wäre aber erforderlich gewesen, damit der Senat überprüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensverstoß auf der Grundlage des Revisionsvortrags vorliegt. Denn die protokollierte Erklärung des Vorsitzenden könnte den Anforderungen des § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO genügen; das Fehlen des Wortes „Hinweis“ bei der an den Angeklagten gerichteten Erklärung steht dem nicht entgegen (BGH, Beschluss vom 15. September 2022 – 4 StR 307/22, NStZ-RR 2022, 383, 384).“

In der Revisionsbegründung sind alle Tatsachen vollständig vorzutragen, welche für die Prüfung erforderlich sind, ob das Urteil innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 S. 2 und Abs. 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden ist. Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Überschreitung der Frist durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren und unabwendbaren Umstand bedingt war (§ 275 Abs. S. 4 StPO), muss die Revision auch diese besonderen Umstände mit Tatsachen unterlegt darlegen. Eine Verfahrensrüge ist deshalb unzulässig, wenn es die Revisionsbegründung versäumt, über einen entsprechenden Vermerk des Tatrichters zu informieren.

 

 

 

 

 

StPO III: Arrestanordnung bei Geldwäscheverdacht, oder: Allgemeiner Verhältnismäßigkeitsgrundsatz?

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Und dann zum Schluss des Tages mal wieder etwas zum Arrest, und zwar den LG Amberg, Beschl. v. 06.05..2024 – 11 Qs 25/24.

Gegen den Beschuldigten sowie eine Mitbeschuldigte ist ein Ermittlungs-verfahren wegen des Verdachts der vorsätzlichen Geldwäsche gemäß §§ 261 Abs. 1 Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB anhängig. Sie sollen aufgrund eines einheitlichen Tatentschlusses auf ihrem gemeinsam geführten Konto bei der pp-Bank (?)  im Zeitraum vom 14.11.2023 bis 12.01.2024 eingegangene Gelder ihnen unbekannter Geschädigter in Höhe von insgesamt 111.646,59 EUR auf ein in Litauen geführtes Konto der pp. an einen unbekannten Täter weitergeleitet haben, wobei die Beschuldigten jedenfalls damit gerechnet hätten, dass die Geschädigten zuvor in der Absicht rechtswidriger Bereicherung und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Überweisung der Geldbeträge veranlasst worden seien.

Mit Beschluss des AG wurde gegen die Beschuldigten zur Sicherung des Anspruchs auf Einziehung von Wertersatz der Vermögensarrest in Höhe von 111.646,59 EUR in das gesamte Vermögen der Beschuldigten angeordnet.

Dagegen die Beschwerde, die beim LG Erfolg hatte. Das LG verneint die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme:

„c) Allerdings ist vorliegend ein Sicherungsbedürfnis (Arrestgrund) im Sinne von § 111e Abs. 1 StPO nicht gegeben.

Durch die Neuregelung des § 111e Abs. 1 StPO und die ersatzlose Aufhebung des § 111d Abs. 2 StPO a.F. ist der Verweis auf § 917 ZPO, mithin die Besorgnis einer Erschwerung oder wesentlichen Vereitelung der Forderungsvollstreckung, entfallen, womit jedoch das bisherige Erfordernis eines „Arrestgrundes“ und die dazu ergangene Rechtsprechung nicht tangiert werden sollten (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S.76, 77). Nach der Gesetzesbegründung soll auch in der ab dem 1. Juli 2017 geltenden Regelung der Vermögensarrest wie bisher nur zulässig sein, wenn dies zur Sicherung der Vollstreckung erforderlich ist.

Die Regelung beinhaltet nach dem Wortlaut und den gesetzgeberischen Motiven, dass der allgemeine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, das Obermaßverbot und die bisherige Rechtsprechung zum „Arrestgrund“ zu beachten sind (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 49, 76 f.; OLG Stuttgart, Be-schluss vom 25. Oktober 2017 – 1 StR 163/17, NJW 2017, 3731 Rn. 15, KG, Beschluss vom 2. Juni 2020 – 4 Ws 21/20, juris Rn. 25, KK-StPO/Spillecke, 8. Aufl., § 111e Rn. 4, LR/Johann, StPO, 27. Aufl., § 111e Rn. 11 ff., 38). Demnach kommt der Arrest nur in Betracht, wenn zu besorgen ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werde (s. § 917 Abs. 1 ZPO, BGH, Beschluss vom 3. Juni 2014 – KRB 2/14, NJW 2014, 3258 Rn. 6). Hierbei sind alle Umstände zu würdigen, die geeignet sind, Anhaltspunkte für oder gegen eine drohende Vereitelung oder Erschwerung der Vollstreckung zu ergeben. Dazu können die Art und die Umstände der Verfehlung, die darauf bezogene Hartnäckigkeit und Dauer sowie Maß und Mittel der Tatabsicherung Berücksichtigung finden. Allerdings wird allein das Ge-wicht der zugrundeliegenden Tat nur in besonderen Ausnahmefällen ausreichen. Um einen Arrestgrund bejahen zu können, sind vielmehr regelmäßig Erkenntnisse auch aus dem Verhalten nach der Tat, insbesondere unter dem Eindruck des laufenden Verfahrens, erforderlich, die auf eine entsprechende Vollstreckungsvereitelungsabsicht hindeuten könnten (BGH (3. Strafsenat), Beschluss vom 19.01.2021 – StB 46/20, BGH, Beschluss vom 3. Juni 2014 – KRB 2/14, NJW 2014, 3258 Rn. 7 mwN).

Nach diesen Maßstäben ist der Arrest weder möglich noch verhältnismäßig.

Aus der Tat selbst kann nicht ohne weiteres auf eine Vereitelungsabsicht des Beschuldigten geschlossen werden.

Die verfahrensgegenständlichen Beträge wurden nach eigener über seinen Verteidiger abgegebenen Einlassung des Beschuldigten auf das auf seinen Namen lautende Konto der pp. in Litauen transferiert. Der Beschuldigte konnte über dieses Konto jedoch nicht verfügen. Der Verteidiger selbst hat sich seinen Angaben zufolge überdies vergewissern können, dass auf diesem Konto zwar angeblich ein Bitcoin-Guthaben von 225.000,- € hinterlegt, aber als Kontostand 0,00 € verzeichnet sei.

Vom Beschuldigten veranlasste Abbuchungen auf dieses Konto würden für diesen also keinen Sinn ergeben, die Gefahr eines verminderten Zugriffs im Falle späterer Verurteilung zur Einziehung hieraus nicht erwachsen.

Auch zum Vor- und Nachtatverhalten des Beschuldigten, insbesondere seinem unter dem Ein-druck des laufenden Verfahrens stehenden Verhalten, ist nichts Besorgniserregendes bekannt.

Danach kann auch unter der Prämisse, dass auch bezüglich der Besorgnis, ohne die Verhängung des Vermögensarrestes werde die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert, ein (einfacher) Anfangsverdacht iSd § 152 Abs. 2 StPO genügt, ein Sicherungsbedürfnis nicht abgeleitet werden.

Dies gilt nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund von Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit, die dabei besonders in den Blick zu nehmen sind.

Die angeordneten Vollziehungsmaßnahmen binden vorliegend das gesamte Vermögen des Be-schuldigten, das ihm noch zur Verfügung steht und das er für ganz andere, durchaus legale Zwe-cke dringend benötigt. Da die Arrestsumme in solchen Fällen oft nicht erreicht wird, engt dies auch die zukünftigen wirtschaftlichen Spielräume ggf. massiv ein. Dem Betroffenen wird bereits auf relativ unsicherer Tatsachenbasis und ohne seine Position zuvor verdeutlichen zu können, mittelbar angesonnen, das Vermögen, welches mangels Vorhandenseins nicht gesichert werden kann, zukünftig zum Zwecke weiterer Vollziehung des Vermögensarrests neu zu schaffen. Belas-sen wird es ihm im Rahmen der Vollziehung jedoch lediglich bis zur Pfändungsfreigrenze, während diese übersteigende Beträge nur der weiteren Vollziehung des Vermögensarrests dienen. Unabhängig vom bisherigen Lebensstandard zwingt ihn eine bloß vorläufige und allein der Sicherung dienende Maßnahme, ab sofort ein Leben auf Sozialhilfeniveau zu führen. Das trifft den Adressaten viel stärker als eine Beschlagnahme und erhöht deshalb die Zulässigkeitshürden bereits vor Anordnung, weil die Belastungen aufgrund Vollziehung absehbar sind (MüKoStPO/Bittmann, 2. Aufl. 2023, StPO § 111e Rn. 1-8).

Da das nahezu gesamte Vermögen der Verfügungsbefugnis des Beschuldigten entzogen ist, stellt dies für ihn eine gravierende Beeinträchtigung seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit dar (vgl. BVerfG NJW 2004, 2443). Der Beschuldigte betreibt hauptberuflich einen Autohandel. Durch die vorgenannten Einschränkungen droht der Verlust seiner beruflichen Existenz.

Die Anordnung des Vermögensarrestes ist daher unverhältnismäßig und kann keinen Bestand haben.“