Pauschgebühr für den Wahlanwalt nach § 42 RVG, oder: Vorsicht bei der Antragstellung!!

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Und dann zum Wochenausklang noch Gebühren. und zwar u.a. auch etwas vom BGH.

Und mit dem BGH, Beschl. v. 02.04.2024 – 1 StR 165/19 – fange ich dann auch an. Es geht um die Pauschgebühr nach § 42 RVG, also Wahlanwaltspauschgebühr. Der Wahlanwalt hatte in dem Verfahren, in dem der BGH mit BGH, Beschl. v. 22.12.2020 – 1 StR 165/19 – entschieden hat, wegen des des besonderen Umfangs und der besonderen Schwierigkeit seiner Tätigkeit  gemäß § 42 RVG eine Pauschgebühr in Höhe von 2.200 EUR für das Revisionsverfahren beantragt. Der BGH hat den Antrag abgelehnt:

„Der Antrag, über den der Senat in einer Spruchgruppe mit fünf Bundesrichterinnen und -richtern zu entscheiden hat (§ 42 Abs. 1 Satz 5 RVG; BGH, Beschluss vom 3. November 2021 – 3 StR 86/16 Rn. 3), ist bereits unzulässig. Denn der Antragsteller hat sich dadurch gebunden, dass er am 15. Oktober 2021 in seinem Kostenfestsetzungsantrag jeweils die „doppelte Wahlverteidigerhöchstgebühr“ geltend gemacht hat, ohne sich eine Pauschgebühr vorzubehalten. Damit hat der Verteidiger sein Bestimmungsrecht nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG wirksam ausgeübt und ist mit einer Pauschgebühr ausgeschlossen (vgl. § 315 Abs. 2, § 130 Abs. 1 BGB; OLG Nürnberg, Beschluss vom 7. Oktober 2022 – AR 28/22 bezüglich der für das erstinstanzliche Verfahren in dieser Strafsache geltend gemachten Pauschgebühr; Thüringer OLG, Beschluss vom 21. Mai 2021 – (S) AR 104/20 Rn. 18, 20; KG, Beschlüsse vom 5. November 2015 – 1 ARs 8/14 Rn. 7 und vom 25. Juli 2011 – 1 ARs 48/09 Rn. 2; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 2012 – III-3 RVGs 48/11 Rn. 13; OLG Bamberg, Beschluss vom 17. Januar 2011 – 2 AR 24/10 Rn. 7, 10; OLG Celle, Beschluss vom 29. Juli 2008 – 1 ARs 46/08 Rn. 6).

Auch in der Sache hätte der Antrag keinen Erfolg gehabt. Der vormals Angeklagte war bereits in erster Instanz freigesprochen worden. Die Tätigkeit des Wahlverteidigers, der nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen hat, in der Revisionsinstanz lässt nicht erkennen, dass die hierfür von Nr. 4130 VV-RVG vorgesehene Gebühr angesichts eines besonderen Umfangs oder einer besonderen Schwierigkeit unzumutbar wäre.“

Die Entscheidung ist zutreffend und mahnt zur Vorsicht bei der Antragstellung nach § 42 RVG. Da muss man sich schon die Formulierung des Antrags und die zeitliche Abfolge der Antragstellung(en) genau überlegen.

StPO III: Versäumte Einspruchsfrist gegen Strafbefehl, oder: Rechtskraft bei erfolgloser Wiedereinsetzung?

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Und dann noch zum Tagesschluss ein kleiner Beschluss des AG Sigmaringen zum Eintritt der Rechtskraft bei Einspruch gegen den Strafbefehl, wenn die Einspruchsfrist versäumt wurde und der Wiedereinsetzungsantrag keinen Erfolg hatte. Dazu der AG Sigmaringen, Beschl. v. 05.03.2024 – 3 Cs 25 Js 5801/23:

„Die Rechtskraft war gem. § 458 Abs. 1 Var. 3 StPO berichtigend festzustellen.

Mit Schreiben des Verteidigers vom 28.02.2024 wurde eine entsprechende gerichtliche Entscheidung beantragt.

Der Strafbefehl des Amtsgerichts Sigmaringen vom 22.06.2023 wurde der Angeklagten ausweislich der Zustellungsurkunde am 27.06.2023 zugestellt. Damit begann die zweiwöchige Einspruchsfrist des § 410 Abs. 1 StPO zu laufen. Der Antrag der Angeklagten auf Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Sigmaringen vom 29.01.2024 als unzulässig verworfen. Im Rechtskraftvermerk auf dem Strafbefehl n Beginn der Rechtskraft der 13.02.2024 aufgeführt.

Der Eintritt der Rechtskraft des Strafbefehls ist maßgeblich für die Berechnung der Führerscheinsperre, § 69a Abs. 5 S. 1 StGB.

Vorliegend bestanden daher Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung dahingehend, ab welchem Zeitpunkt die Sperrfrist des § 69a Abs. 1 StGB zu laufen beginnt.

Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung lassen sich auf das Fehlen allgemeiner Vollstreckungsvoraussetzungen bzw. das Vorliegen von Vollstreckungshindernissen (Identitätsverwechslung. fehlende Rechtskraft, Verjährung, Begnadigung, Strafaussetzung zur Bewährung, bereits erfolgte Vollstreckung) stützen (vgl. Meyer Goßner/Schmitt/Schmitt Rn. 10). Nichts anderes kann gelten, wenn die Rechtskraft versehentlich falsch eingetragen wurde und demnach Unsicherheit über den Beginn der Strafvollstreckungsmaßnahmen besteht.

Nachdem die Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist als unzulässig verworfen wurde, wurde der Strafbefehl rückwirkend mit fruchtlosem Verstreichen der Einspruchsfrist gem. § 410 Abs. 3 StPO zum 12.07.2023 rechtskräftig (vgl. MüKoStP0/Eckstein, 1. Aufl. 2019, StPO § 410 Rn, 34). Demnach ist der Rechtskraftvermerk entsprechend zu berichtigen.“

Die Frage hat, wie in diesem Fall, ja Auswirkungen auf den Beginn des Laufs der Sperrfrist für die Führerscheinsperre.

StPO II: Drei Pflichtverteidigungsentscheidungen, oder: Beweisverwertungsverbot, Sachverständiger, Akten

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Und im zweiten Posting dann drei Entscheidungen „aus der Instanz“ zur Pflichtverteidigung, und zwar zu den Gründen für eine Beiordnung, und zwar:

Für die Frage der Erforderlichkeit der Mitwirkung eines Verteidigers in einem Strafverfahren genügt, dass ein Beweisverwertungsverbot nicht völlig fernliegend ist. Das kann der Fall sein, wenn eine im Rahmen des Zwischenverfahrens durchgeführten Wahllichtbildvorlage ggf. nicht den Anforderungen der Rechtsprechung entspricht.

    1. Nicht jede Hinzuziehung eines Sachverständigen begründet die Schwierigkeit einer Sachlage mit der Folge, dass ein Pflichtverteidiger beizuordnen wäre.
    2. Der Beiordnung eines Pflichtverteidigers steht nicht entgegen, wenn der bisherige Wahlverteidiger des Angeklagten im Berufungsverfahren erklärt hat, er würde eine gegenseitige Berufungsrücknahme befürworten, und die Staatsanwaltschaft daraufhin angekündigt hat, im Falle einer Berufungsrücknahme des Angeklagten die ihrerseits eingelegte Berufung ebenfalls zurückzunehmen.

Ist zur Feststellung, ob eine versehentliche Doppelverfolgung des Beschuldigten vorlag, eine Akteneinsicht ebenso erforderlich, wie das verstehende Lesen der beiden Verfahrensakten, ist die Sach- und Rechtslage schwierig.

StPO I: Haftbeschwerde während laufender HV, oder: Der dringende Tatverdacht beim Beschwerdegericht

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So, zunächst mal allen „Vätern“ einen schönen Vatertag  und viel  Spaß an alle, die sich heute auf Tour begeben. Für die, die zu Hause bleiben, gibt es hier das normale Programm, und zwar wieder mit StPO, OWi-Entscheidungen fehlen derzeit, um darüber zu berichten.

Ich beginne mit einem BGH-Beschluss, und zwar dem BGH, Beschl. v. 23.4.2024 – StB 22/24 – zur Beurteilung des dringenden Tatverdachts durch das Beschwerdegericht während laufender Hauptverhandlung.

Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren wegen Beihilfe zum Mord. Der Angeklagte befand sich vom 06.062023 bis zum 08.032024 in Untersuchungshaft aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des BGH v. 01.062023 (3 BGs 106/23). Das OLG, vor dem seit dem 27.02.2024 die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten wegen des dem Haftbefehl zugrundeliegenden Vorwurfs geführt wird, hat den Haftbefehl durch Beschluss vom 08.03.2024 mit der Begründung aufgehoben, dass ein dringender Tatverdacht in Bezug auf die subjektive Tatseite unter Berücksichtigung der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise nicht mehr bestehe.

Dagegen die Haftbeschwerde des GBA, die beim BGH keinen Erfolg hatte:

„1. Die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, unterliegt im Haftbeschwerdeverfahren in nur eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht. Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht oder weggefallen ist. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme. Allerdings muss es auch im Fall der Aufhebung eines Haftbefehls in die Lage versetzt werden, seine Entscheidung über ein hiergegen gerichtetes Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen. Hieraus folgt indes nicht, dass das erkennende Gericht alle bislang erhobenen Beweise in der von ihm zu treffenden Entscheidung einer umfassenden Darstellung und Würdigung zu unterziehen hat. Seine abschließende Bewertung der Beweise und ihre entsprechende Darlegung ist den Urteilsgründen vorbehalten. Das Haftbeschwerdeverfahren führt insoweit nicht zu einem über die Nachprüfung des dringenden Tatverdachts hinausgehenden Zwischenverfahren, in dem sich das Tatgericht zu Inhalt und Ergebnis aller Beweiserhebungen erklären müsste.

Um dem Beschwerdegericht eine eigenverantwortliche Entscheidung zu ermöglichen, bedarf es daher einer – wenn auch knappen – Darstellung, ob und inwieweit sowie durch welche Beweismittel sich der zu Beginn der Beweisaufnahme vorliegende Verdacht bestätigt oder verändert hat und welche Beweisergebnisse gegebenenfalls noch zu erwarten sind. Das Beschwerdegericht beanstandet die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, soweit die Würdigung des Erstgerichts offensichtliche Mängel aufweist, welche die Einschätzung der Verdachtslage als unvertretbar erscheinen lassen. Der Beschwerde vermag es indes nicht zum Erfolg zu verhelfen, wenn der Rechtsmittelführer die Ergebnisse der Beweisaufnahme abweichend bewertet (s. insgesamt BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2020 – StB 38/20, juris Rn. 12 mwN).

2. Daran gemessen ist die vorläufige Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts hinzunehmen…..“

StPO III: Führungsaufsicht: Ausschreibung zur Beobachtung, oder: Voraussetzungen

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Und dann noch der OLG Saarbrücken, Beschl. v. 12.04.2024 – 1 Ws 42/24 – zur Zulässigkeit der Ausschreibung eines Veruretilten zur Beobachtung im Rahmen der Führungsaufsicht. Dazu reichen hier die Leitsätze, nämlich:

    1. Gegen die Anordnung des Leiters der Führungsaufsichtsstelle, den Verurteilten nach § 463a Abs. 2 StPO zur Beobachtung anlässlich von polizeilichen Kontrollen auszuschreiben, ist ein Antrag auf gerichtliche Bestätigung statthaft.
    2. Über den Antrag hat das für die Durchführung der Führungsaufsicht verantwortliche Gericht zu entscheiden.
    3. Eine Ausschreibung zur Beobachtung anlässlich von polizeilichen Kontrollen nach § 463a StPO ist nur zulässig, wenn sie geeignet und erforderlich ist, um gefährliche Entwicklungen des Verurteilten rechtzeitig zu erkennen und die Einhaltung der Weisungen des Führungsaufsichtsbeschlusses zu überwachen.
    4. Eine Ausschreibung zur Beobachtung anlässlich von polizeilichen Kontrollen nach § 463a Abs. 2 StPO erlaubt keine Beobachtung, Registrierung oder Meldung von Kontakt- oder Begleitpersonen.