Archiv der Kategorie: Verfahrensrecht

Vollstreckung III: Widerruf von Strafaussetzung, oder: Vertrauenstatbestand

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Und die dritte Entscheidung kommt heute dann auch vom OLG Hamm. Das hat im OLG Hamm, Beschl. v. 21.12.2023 – 3 Ws 478/23 – im Rahmen einer Beschwerde gegen eine Widerrufsentscheidung zum ggf. dem Widerruf entgegenstehenden Vertrauenstatbestand Stellung genommen, und zwar wie folgt:

„Ein dem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung entgegenstehender Vertrauenstatbestand kann gegeben sein, wenn zum Zeitpunkt der nachträglichen Gesamtstrafenbildung bereits bekannt war, dass die verurteilte Person zeitlich nach der Verhängung der im Gesamtstrafenbeschluss zusammenzuführenden Strafen erneut straffällig geworden und deswegen bereits rechtskräftig verurteilt worden ist und der Richter die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe dennoch zur Bewährung aussetzt. Das gilt aber nur dann, wenn der Verurteilte entweder davon Kenntnis hatte, bei Abfassung des Gesamtstrafenbeschlusses dem Gericht die neue Verurteilung bekannt war oder er aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte hiervon ausgehen durfte.“

Vollstreckung II: Zulässigkeit einer Abstinenzweisung, oder: Ggf. ausnahmsweise zulässig

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Und auch im zweiten Posting dann etwas zur Zulässigkeit einer Abstinenzweisung bei einer suchtkranken Person im Rahmen der Führungsaufsicht. Der OLG Frankfurt am Main , Beschl. v. 18.10.2023 – 7 Ws 176/23 – macht von dem Grundsatz, dass eine Abstinenzweisung bei einer suchtkranken Person im Rahmen der Führungsaufsicht nach § 68b Abs. 1 S. 1 Ziff. 10 StGB nicht zumutbar ist:

„Die beanstandete Abstinenzweisung ist gesetzlich ausdrücklich vorgesehen (§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB). Sie setzt voraus, dass aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird. Solche Umstände liegen, wie die Strafvollstreckungskammer in ihrem angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegt hat und auch mit der Beschwerde nicht in Abrede gestellt werden, bei dem Verurteilten unzweifelhaft vor. Die Abstinenzweisung ist geeignet, dem entgegenzuwirken.

Entgegen der Auffassung des Verurteilten stellt die Abstinenzweisung auch nicht bereits wegen der fehlenden erfolgreichen suchttherapeutischen Behandlung eine unzumutbare Anforderung an seine Lebensführung (§ 68b Abs. 3 StGB) dar.

Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des OLG Frankfurt am Main, die im Einklang mit der gefestigten Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte steht, bei einer manifest suchtkranken Person, die nicht oder nicht erfolgreich behandelt worden ist, eine Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Ziffer 10 StGB in der Regel nicht zumutbar (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 15. Juni 2023 – 3 Ws 207 + 213/23 m.w.N.).

Doch kann von dieser Regel unter Umständen abgewichen werden, wenn sich der Verurteilte während des Strafvollzuges über einen längeren Zeitraum als zur Abstinenz fähig erwiesen hat (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 15. Juni 2023 – 3 Ws 207 + 213/23; 19. März 2019 – 3 Ws 112 + 115/19 und vom 30. August 2018 – 3 Ws 669/19 m.w.N.; OLG München, Beschluss vom 21. Juni 2011 – 1 Ws 488 – 494/11; OLG Köln, Beschluss vom 13. September 2010 NStZ-RR 2011, 62).

Denn es ist zu bedenken, dass die strafbewehrte Abstinenzweisung vom Gesetzgeber zu Recht als ein grundsätzlich taugliches Instrument zur Beförderung eines künftig straffreien Lebens verstanden wird. Dass sie gerade auch gegenüber Personen zulässig ist, die nach Vollverbüßung unter Führungsaufsicht stehen, belegt, dass die Abstinenzweisung auch in Fällen ungünstiger Prognose in Betracht kommt. Bei Verurteilten, denen es immerhin gelungen ist, im eng strukturierten und kontrollierten Rahmen des Strafvollzugs abstinent zu leben, kann es deshalb unter Umständen auch dann gerechtfertigt sein, eine Abstinenzweisung zu erteilen, wenn es keineswegs gesichert erscheint, dass der Verurteilte in Freiheit dauerhaft abstinent wird leben können. Andererseits gibt es Fälle, in denen es bei einer jahrelang schwer suchtmittelabhängigen Person, bei der Therapieversuche mehrfach gescheitert sind und sich auch im Strafvollzug keine wesentlichen Gesichtspunkte dafür ergeben haben, dass es ihr künftig gelingen könnte, suchtfrei zu leben, trotz eines in Bezug auf Abstinenz im Wesentlichen beanstandungsfreien Verhaltens im Vollzug, so hochgradig wahrscheinlich ist, dass der Betreffende außerhalb der eng strukturierten Bedingungen des Strafvollzugs nicht zu Abstinenz in der Lage sein wird, dass bei einer Abstinenzweisung Straftaten nach § 145a StGB regelrecht vorprogrammiert wären (st. Rspr. des OLG Frankfurt am Main, vgl. Beschlüsse vom 5. Februar 2021 – 3 Ws 6/21; 20. Januar 2022 – 3 Ws 736 + 737/21 und 15. Juni 2023 – 3 Ws 207 + 213/23).

Die Strafvollstreckungskammer, die die Führungsaufsicht ausgestaltet und eine strafbewehrte Abstinenzweisung erteilen will, hat die Gesichtspunkte der Eignung und der Verhältnismäßigkeit mit Blick auf den jeweiligen Einzelfall konkret gegeneinander abzuwägen. Dabei wird sie je nach Konstellation auch das Gewicht derjenigen Straftaten in den Blick nehmen müssen, die durch die Abstinenzweisung verhindert werden sollen (OLG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 15. Juni 2023 – 3 Ws 207 + 213/23 und 6. Juni 2019 – 3 Ws 326/19).

Daran gemessen stellt die angefochtene Abstinenzweisung keine unzumutbaren Anforderungen an die Lebensführung des Verurteilten und damit keinen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit dar. Die Ausführungen des Beschlusses tragen die getroffene Entscheidung, trotz der langjährigen, nicht erfolgreich behandelten Drogensucht des Verurteilten, eine strafbewehrte Abstinenzweisung zu erteilen. Die Strafvollstreckungskammer hat im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung die zu verhindernden Straftaten wie die Teilnahme im Straßenverkehr unter dem Einfluss von Alkohol und Betäubungsmitteln aufgrund der damit verbundenen Gefahren für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer zutreffend als schwere Straftaten berücksichtigt und bei der Frage der Zumutbarkeit der Abstinenzweisung insbesondere darauf abgestellt, dass der Verurteilte erfolgreich substituiert wird und nach seinen eigenen Angaben keinerlei Suchtdruck verspürt. Sie hat zudem in ihre Entscheidung eingestellt, dass der Verurteilte weiterhin um eine therapeutische Aufarbeitung seiner langjährigen Drogensucht bemüht ist und zwischenzeitliches Scheitern einzelner therapeutischer Maßnahmen in der Vergangenheit nicht zwangsläufig nur auf seine Abhängigkeit, sondern auch auf seine anderen problematischen Persönlichkeitsanteile zurückzuführen sind. So fiel es ihm u.a. in der Vergangenheit schwer, allgemeinverbindliche Strukturen für sich zu akzeptieren (Therapiebescheinigung Therapiezentrum Waldmühle vom 2. September 2019) und hat der Verurteilte in seiner Anhörung im Rahmen der Prüfung einer Reststrafenaussetzung am 9. April 2021 für sich reklamiert, dass die damals wohl letzte Therapie im Kernbereich abgeschlossen gewesen sei und er nur deshalb „rausgeflogen“ sei, weil er wegen eines allergischen Schocks bei seinem Sohn die Klinik sofort („allerdings nach Absprache“) verlassen habe. Wenn die Strafvollstreckungskammer unter diesen Umständen bei gleichzeitiger Berücksichtigung der weiteren Weisungen, insbesondere der engen Anbindung an die Bewährungshilfe, eine ausreichende Chance sieht, dass der Verurteilte einer mit Nachdruck eingeforderten Abstinenzweisung nachkommen kann, hält sich dies noch in dem Beurteilungsspielraum, den der Senat hinzunehmen hat.

Die mit der Abstinenzweisung verbundene Kontrollweisung ist ebenfalls nicht zu beanstanden und genügt insbesondere dem Bestimmtheitserfordernis.“

 

Vollstreckung I: Zulässigkeit einer Abstinenzweisung; oder: Zulässigkeit beim Suchtkranken?

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Und heute dann einige vllstreckungsrechtliche OLG-Entscheidung.

Ich beginne mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 25.05.2023 – III 2 Ws 67/23 – zur Frage der Zulässigkeit einer sog. Abstinenzweisung bei einem Suchtkranken. Das OLG sagt – wie die h.M. – unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG:

„Nach § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB kann das Gericht einer verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anweisen, keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird, und sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind. Eine solche Abstinenzweisung kommt vor allem für im Vollzug erfolgreich behandelte rauschmittelabhängige Probanden in Betracht. Problematisch ist ein Konsumverbot hingegen bei Personen, die eine langjährige, nicht (erfolgreich) therapierte Suchtmittelabhängigkeit aufweisen. Voraussetzung ist zunächst, dass bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Rauschmittelkonsum zur Gefahr weiterer Straftaten beitragen könnte. Maßgeblich ist nicht das Rückfallrisiko an sich, sondern die Wahrscheinlichkeit eines „Beitrags“ zu strafbaren Handlungen, zum Beispiel auch die Gefahr von Beschaffungskriminalität (vgl. Fischer, StGB, 70. Aufl., § 68b Rn. 14). Demgemäß muss eine solche Weisung geeignet sein, den mit ihr angestrebten Zweck zu erreichen, wobei bereits die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt. Bei einer Abstinenzweisung muss also die Möglichkeit bestehen, dass Straftaten unterbleiben, die im Fall weiteren Suchtmittelkonsums zu erwarten wären. Ungeeignet wäre eine Abstinenzweisung hingegen, wenn eine Verminderung des Risikos der Begehung weiterer Straftaten aufgrund dieser Weisung ausgeschlossen werden kann (BVerfG, Beschluss vom 30.03.2016 – 2 BvR 496/12, NJW 2016, 2170, 2171).

Mit einer entsprechenden Abstinenzweisung dürfen zudem nach § 68b Abs. 3 StGB keine unzumutbaren Anforderungen an die Lebensführung des Verurteilten gestellt werden. Die Abstinenzweisung muss erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinn sein. Letzteres bedeutet, dass sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten darf, sondern diesem zumutbar sein. Insoweit stellt § 68b Abs. 3 StGB eine einfachgesetzliche Ausprägung der sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebenden verfassungsrechtlichen Anforderungen dar. Die Feststellung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne setzt eine Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen, zu deren Wahrnehmung es erforderlich ist, in die Grundrechte des Betroffenen einzugreifen, und den Auswirkungen auf die Rechtsgüter des Betroffenen voraus. Dabei kann nicht außer Betracht bleiben, dass die Abstinenzweisung strafbewehrt ist. Insoweit unterscheidet sich die Abstinenzweisung im Rahmen der Führungsaufsicht von einer Weisung im Rahmen der Bewährungsaussetzung gern. § 56c StGB, sodass an eine Abstinenzweisung gern. § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten erhöhte Anforderungen zu stellen sind. Da im Fall der Verletzung einer Abstinenzweisung gern. § 68 b I Nr. 10 StGB die Möglichkeit der Verhängung einer Strafe als der schärfsten dem Staat zur Verfügung stehenden Sanktion besteht (vgl. § 145 a StGB), kann von dem Betroffenen die Hinnahme des damit verbundenen ethischen Unwerturteils im allgemeinen nur erwartet werden, wenn er überhaupt in der Lage ist, sich normgerecht zu verhalten, und der Schutz überwiegender Interessen anderer oder der Allgemeinheit eine strafrechtliche Sanktionierung gebietet. Von der Verhältnismäßigkeit einer Abstinenzweisung gern. § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB wird regelmäßig auszugehen sein, wenn diese gegenüber einer ohne Weiteres zum Verzicht auf den Konsum von Suchtmitteln fähigen Person angeordnet wird und im Fall des erneuten Alkohol- oder Suchtmittelkonsums mit der Begehung erheblicher, die Sicherheitsinteressen der All-gemeinheit betreffender Straftaten zu rechnen ist. Wenn der Verzicht auf den Konsum von Suchtmitteln lediglich vorn Willen und der charakterlichen Festigkeit des Weisungsunterworfenen abhängt, ist es ohne Weiteres zumutbar, für die Dauer der Führungsaufsicht zur Vermeidung weiterer Straftaten einen solchen Verzicht einzufordern. Anders verhält es sich demgegenüber im Fall eines nicht oder erfolglos therapierten langjährigen Suchtkranken. Ungeachtet der Tatsache, dass § 68 b Abs. 1 Nr. 10 StGB nicht zwischen erfolgreich therapierten und nichttherapierten Suchtkranken unterscheidet, stellt sich die Frage der Zumutbarkeit des Verzichts auf den Konsum von Suchtmitteln in beiden Fällen unterschiedlich dar. Für den Suchtkranken beinhaltet die Abstinenzweisung eine deutlich schwerere Belastung. Dennoch wird auch in diesen Fällen nicht ausnahmslos davon ausgegangen werden können, dass die Weisung, auf den Konsum von Suchtmitteln zu verzichten, unzumutbar ist. Vielmehr ist auch insoweit eine Abwägung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls erforderlich. Dabei sind insbesondere die Fragen, in welchem Umfang überhaupt die Aussicht besteht, den mit einer Abstinenzweisung verfolgten Zweck zu erreichen, ob und inwieweit der Suchtkranke sich (wenn auch erfolglos) Therapieangeboten geöffnet hat und welche Straftaten im Fall weiteren Suchtmittelkonsums zu erwarten sind, in die Abwägung einzustellen. Jedenfalls in Fällen, in denen ein langjähriger, mehrfach erfolglos therapierter Suchtabhängiger aufgrund seiner Suchtkrankheit nicht zu nachhaltiger Abstinenz in der Lage ist und von ihm keine die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit erheblich beeinträchtigenden Straftaten drohen, ist eine strafbewehrte Abstinenzweisung gem. § 68 b I Nr. 10′ StGB als unzumutbare Anforderung an die Lebensführung iSv § 68 b III StGB und damit zugleich als Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit anzusehen (vgl. BVerfG, NJW 2016, 2170 Rn. 18-26, beck-online).

Unter Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabes kann die unter Ziff. 1. d) erteilten Abstinenzweisung in dem Beschluss der 1. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 08.11.2022 (BI. 19 ff. FA-Heft) nach dem bisherigen Sach- und Verfahrensstand keinen Bestand haben.

…..

2. Indes beruht die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer auf einer rechtsfehlerhaften Ermessensausübung bzgl. der Feststellung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Der angefochtene Beschluss unter Ergänzung durch die Nichtabhilfeentscheidung beruht hinsichtlich der Weisung unter Ziff. 1. d) – unter Verstoß gegen die Amtsaufklärungspflicht – auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage und entbehrt daher der vorliegend erforderlichen vertieften Begründung.

Die Strafvollstreckungskammer hat im Rahmen ihrer Amtsaufklärungspflicht die für ihre Entscheidungsfindung maßgeblichen Tatsachen festzustellen und in eine ordnungsgemäße Ermessensabwägung einzubeziehen. Das Institut der Führungsaufsicht nach § 68f StGB hat nämlich die Aufgabe, gefährliche oder (rückfall)gefährdete Täter in ihrer Lebensführung in Freiheit über gewisse kritische Zeiträume hinweg zu unterstützen und zu überwachen, um sie von weiteren Straftaten abzuhalten. Führungsaufsicht soll damit nicht nur Lebenshilfe für den Übergang von der Freiheitsentziehung in die Freiheit geben, sondern auch den Verurteilten führen und überwachen. Wenn diese umfassende Sozialisierungshilfe wirksam sein soll, setzt dies Weisungen voraus, die auf den Täter, die Tat(en), deretwegen er verurteilt wurde, und -damit zusammenhängend – auf die von ihm ausgehende Gefährlichkeit hinsichtlich der Begehung weiterer Straftaten möglichst genau abzustimmen sind. Um dieser kriminalpolitischen Zielsetzung gerecht zu werden, ist eine Schematisierung der zu erteilenden Weisungen nicht möglich (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 27.03.2008 – 2 Ws 147/08, NStZ 2008, 572)……“

Wegen der Einzelheiten des konkreten Falles dann bitte im verlinkten Volltext weiterlesen.

OWi III: Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch, oder: Ausdrückliche Ermächtigung des Verteidigers?

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Und zum Tagesschluss dann noch etwas aus dem OWi-Verfahren, nämlich der BayObLG, Beschl. v. 21.12.2023 – 202 ObOWi 1264/23 – zu den Voraussetzungen für die Annahme/das Vorliegen einer ausdrücklicher Ermächtigung des Verteidigers zur Einspruchsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch.

Dazu das BayObLG:

„Der näheren Erörterung bedarf nur das Folgende:

Die vom Verteidiger in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht erklärte Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch war wirksam, was der Senat aufgrund der erhobenen Sachrüge von Amts wegen zu prüfen hat (st.Rspr., vgl. zuletzt nur BayObLG, Beschl. v. 22.11.2023 – 202 StRR 86/23; 18.10.2023 – 202 StRR 74/23; 12.10.2023 – 202 StRR 72/23, jeweils bei juris).

1. In der nachträglichen Beschränkung des zunächst unbeschränkt eingelegten Einspruchs liegt eine teilweise Zurücknahme des Rechtsbehelfs, die durch den Verteidiger gemäß § 67 Abs. 1 Satz 2 OWiG i.V.m. § 302 Abs. 2 StPO nur mit „ausdrücklicher Ermächtigung“ der Betroffenen erklärt werden konnte. Die nachträgliche Beschränkung des Einspruchs stellt eine teilweise Zurücknahme des Rechtsbehelfs dar (vgl. auch Löwe-Rosenberg/Jesse StPO 26. Aufl. [2014] § 302 Rn. 44), weil hierdurch der Prüfungsumfang des Gerichts reduziert wird. Dem steht nicht entgegen, dass im Falle einer Revision deren Beschränkung auf bestimmte Beschwerdepunkte, die mit der Revisionsbegründung vorgenommen wird, nicht als Teilrücknahme in diesem Sinne, sondern lediglich als Konkretisierung des zunächst offen gebliebenen Anfechtungsumfangs anzusehen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 13.06.1991 – 4 StR 105/91 = BGHSt 38, 4 = NStZ 1991, 501 = MDR 1991, 979 = BGHR StGB § 64 Ablehnung 4 = BGHR StPO § 302 Abs 2 Beschränkung 2 = AnwBl. 1991, 599 = wistra 1991, 348 = NJW 1991, 3162 = StV 1992, 7 = BeckRS 1991, 1981; Urt. v. 23.10.1991 – 3 StR 321/91 = StV 1992, 10 = NStZ 1992, 126 = BGHR StGB § 24 Abs 1 Satz 1 Versuch, unbeendeter 25 = BGHR StGB § 46 Abs 1 Kronzeuge 1 = BGHR StPO § 260 Abs 3 Freispruch 3 = BGHR StPO § 302 Abs 1 Konkretisierung 1 = MDR 1992, 393 = NJW 1992, 989 = JZ 1992, 536 = BeckRS 1991, 3190). Dieser Grundsatz, von dem dann eine Ausnahme gemacht wird, wenn die Beschränkung der Revision erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist erfolgt (BGH, Urt. v. 18.07.2013 – 4 StR 100/13 = NStZ-RR 2013, 352 = BGHR StPO § 302 Abs 1 Rücknahme 7 = BeckRS 2013, 14337), kann auf den Einspruch nicht übertragen werden. Denn er beruht allein auf der Besonderheit des Revisionsrechts, wonach der Beschwerdeführer gemäß § 344 Abs. 1 StPO die Erklärung abzugeben hat, inwieweit er das Urteil anfechten will (KG, Beschl. v. 19.02.1999 – 2 Ss 419/985 Ws [B] 717/98 bei juris). Dagegen wird durch den Einspruch, der nach der gesetzlichen Regelung gerade keiner Begründung bedarf, der Bußgeldbescheid in vollem Umfang angefochten, sofern er nicht bereits mit der Einlegung nach § 67 Abs. 2 OWiG auf einen bestimmten Beschwerdepunkt beschränkt ist (OLG Bamberg, Beschl. v. 03.04.2018 – 3 Ss OWi 330/18 = ZfSch 2018, 588 = OLGSt OWiG § 67 Nr 5 = BeckRS 2018, 7635 m.w.N.; im Ergebnis ebenso für die Berufung: BayObLG, Beschl. v. 01.02. 2021 – 202 StRR 4/21 bei juris = BeckRS 2021, 1622; OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.10.2010 – 2 Ss 618/10 = Justiz 2011, 104 = OLGSt StPO § 302 Nr. 10 = BeckRS 2010, 28143 und für den Einspruch gegen den Strafbefehl: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.06.2010 – III-1 RVs 71/10 = NStZ 2010, 655 = BeckRS 2010, 17408 sowie Löwe-Rosenberg/Jesse a.a.O.).

2. Die Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch war auch mit Blick auf § 67 Abs. 1 Satz 2 OWiG i.V.m. § 302 Abs. 2 StPO rechtswirksam.

a) Allerdings folgt dies entgegen der vereinzelt von Oberlandesgerichten vertretenen Rechtsauffassung (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 07.12.2020 – 2 Ss-OWi 1347/20 = NStZ-RR 2021, 83 = BeckRS 2020, 41406; KG, Beschl. v. 01.07.2020 – [4] 121 Ss 71/20 bei juris = BeckRS 2020, 17854) noch nicht daraus, dass dem Verteidiger eine Vertretungsvollmacht im Sinne des § 73 Abs. 3 OWiG erteilt worden war. Die hierfür angeführte Begründung, die Vorschrift des § 302 Abs. 2 StPO sei nicht anwendbar, weil es sich um eine Erklärung des Angeklagten bzw. Betroffenen handle, der von seinem Verteidiger „im Willen“ vertreten werde, erschöpft sich in einem rein formalen Argument, das überdies außer Acht lässt, dass ein Vertreter – im Gegensatz zu einem Boten, der eine fremde Willenserklärung nur übermittelt – eine eigene Willenserklärung, wenn auch in fremdem Namen abgibt, von einer eigenen Erklärung des Betroffenen deshalb nicht die Rede sein kann. Zudem setzt sich diese Ansicht über den eindeutigen Gesetzeswortlaut hinweg, ignoriert den Zweck, den diese Vorschrift verfolgt, und steht auch im Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Beschl. v. 20.09.1956 – 4 StR 287/56 = BGHSt 9, 356 = NJW 1956, 1727 = BeckRS 1956, 104561; ebenso: OLG München, Beschl. v. 06.12.2016 – 5 OLG 15 Ss 543/16 bei juris = BeckRS 2016, 120867). Der Wortlaut des § 302 Abs. 2 StPO differenziert gerade nicht zwischen einem Verteidiger ohne Vertretungsvollmacht und einem solchen, der zusätzlich mit einer Vertretungsvollmacht ausgestattet ist, sondern postuliert ganz allgemein für die Rechtsmittelrücknahme durch den Verteidiger eine ausdrückliche Ermächtigung durch den Angeklagten. Mit dieser Regelung soll gewährleistet werden, dass die Dispositionsbefugnis über den eingelegten Rechtsbehelf ausschließlich dem Angeklagten bzw. Betroffenen zukommt, also dessen ureigener Wille maßgeblich ist. Die Vorschrift verbietet nicht lediglich eine Rücknahme durch den Verteidiger gegen den Willen des Betroffenen, sondern versagt auch einer Rücknahme, die ohne den ausdrücklichen Willen des Angeklagten erklärt wurde, die Wirksamkeit. Hieraus ergibt sich ohne weiteres, dass eine Vertretung im Willen bei der Rechtsmittelrücknahme durch § 302 Abs. 2 StPO ausgeschlossen ist bzw. die mit der Vollmachtserteilung verbundene Vertretungsmacht gesetzlich eine Einschränkung erfahren hat.

b) Gleichwohl ist das Amtsgericht im Ergebnis zu Recht von einer gemäß § 67 Abs. 2 OWiG in Verbindung mit § 302 Abs. 2 StPO wirksamen Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen, weil die ausdrückliche Ermächtigung in der unter dem 11.10.2022 vom Betroffenen unterzeichneten Vollmachtsurkunde enthalten war.

aa) Zwar muss sich die ausdrückliche Ermächtigung zur Rechtsmittelrücknahme nach § 302 Abs. 2 StPO auf ein bestimmtes Rechtsmittel beziehen, sodass nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung die bei Übernahme des Mandats im Rahmen der Vollmachtserteilung eingeräumte allgemeine Ermächtigung zur Rücknahme von Rechtsmitteln als ausdrückliche Ermächtigung gemäß § 302 Abs. 2 StPO nicht ausreicht (vgl. nur BGH, Beschl. v. 06.2013 – 1 StR 168/13 = NStZ 2014, 54 = BeckRS 2013, 12151 m.w.N.).

(bb) Allerdings genügt es den Anforderungen des § 302 Abs. 2 StPO, wenn die Vollmacht gerade für die Durchführung des konkreten Rechtsbehelfs erteilt worden war (BGH, Beschl. v. 07.05. 2019 – 2 StR 142/19; 31.08.2016 – 2 StR 267/16, jeweils bei juris). Eine derartige Konstellation lag hier vor. Zwar wurde die mit der Rücknahmeermächtigung versehene Vollmacht am 11.10.2022, also noch vor Erlass des Bußgeldbescheids erteilt. Allerdings hatte die Bußgeldbehörde vorher, nämlich am 07.10.2022 die Anhörung der Betroffenen zu dem ihr zur Last gelegten Verstoß bereits angeordnet. Bei dieser Sachlage besteht kein Zweifel daran, dass die Vollmachtserteilung gerade zu dem Zweck des als naheliegend zu erwartenden Erlasses des Bußgeldbescheids und der Einspruchseinlegung hiergegen erteilt wurde, der Verteidiger also gerade für das Einspruchsverfahren beauftragt wurde.“

Nun ja, man hätte es auch kürzer machen können. Für mich ist das mal wieder eine dieser „Herr Lehrer, ich weiß was“-Entscheidungen“ aus Bayern. Voll gestopft mit Zitaten, auch von Fundstellen, die im Zweifl eh niemand zur Verfügung hat. Manchmal habe ich den Eindruck, in Bayern wird nach dem Umfang der Zitate bezahlt 🙂 .

Dabei hätte ich das BayObLg unsterblichen Ruhm erwerben können, wenn es sich mal näher mit dem Einwand der Betroffenen, das AG-Urteil sei nicht unterschrieben, auseinandergesetzt hätte, um diesem – sorry Blödsinn – ein Ende zu setzen. Dazu heißt es aber nur:

„Die Beanstandung, dass das Urteil entgegen § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO von der erkennenden Richterin angeblich nicht unterschrieben worden sei, dringt nicht durch. Die Beschwerdeführerin verkennt, dass diese Bestimmung lediglich die bei den Akten befindliche Urschrift, die von der Richterin unterzeichnet wurde, betrifft, nicht aber die Ausfertigungen.“

Corona I: Ausbleiben in Berufungs-HV „wegen Corona“, oder: Darlegung der genügenden Entschuldigung

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Heute zum Wochenstart mal wieder drei Entscheidungen aus der Katergorie „Corona/Covid-19“. Alle drei kommen vom BayObLG, zwei sind schon etwas älter.

Ich starte dann mit den schon etwas älteren Entscheidungen, und zwar hier mit dem BayObLG, Beschl. v. 28.06.2023 – 206 StRR 174/23 – zum Ausbleiben des Angeklagten im Berufungshauptverhandlungstermin wegen geltend gemachter coronabedingter Verhandlungsunfähigkeit

Das AH hatte den Angeklagten am 12.10.2022 wegen Beihilfe zum Betrug „in einem besonders schweren Fall“  verurteilt. Die Berufung des Angeklagten hat das LG verworfen, weil der ordnungsgemäß geladene Angeklagte im Verhandlungstermin am 14.02.2023 nicht erschienen sei, obwohl ihm die Folgen eines unentschuldigten Fernbleibens mit der Ladung mitgeteilt worden seien. Allein die Übersendung einer Bescheinigung über das Vorliegen eines positiven SARS-CoV-2 Antigentests genüge ohne weitere Informationen darüber, warum der Angeklagte am Erscheinen im Hauptverhandlungstermin gehindert sei, denen das Gericht nachgehen könne, nicht.

Dagegen die Revision des Angeklagten, die beim BayObLG keinen Erfolg hatte:

„Das Rechtsmittel ist unbegründet, weil das Fernbleiben des Angeklagten in der Hauptverhandlung vom 14. Februar 2023 allein durch die kommentarlose Vorlage der Bescheinigung über einen positiven Antigentest auf das Vorliegen einer SARS-CoV-2 Infektion nicht genügend entschuldigt war.

Insoweit kann auf die erschöpfenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 30. Mai 2023 Bezug genommen werden. Ergänzend bemerkt der Senat auch im Hinblick auf seinen Beschluss vom 25. Oktober 2022, 206 StRR 286/22, BeckRS 2022, 30918, dass zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung, die hier am 14. Februar 2023 stattfand, im Gegensatz zu dem mit Beschluss vom 25. Oktober 2022 entschiedenen Fall, in dem am 28. Juni 2022 die Hauptverhandlung im Berufungsverfahren stattgefunden hatte, die Quarantänepflicht nach der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 12. April 2022 (BayMBl. 2022 Nr. 225 vom 12. April 2022) nicht mehr galt. Am 14. Februar 2022 galt die Allgemeinverfügung zu Schutzmaßnahmen bei positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getesteten Personen (AV Corona-Schutzmaßnahmen) gemäß Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 15. November 2022 (BayMBl. 2022 Nr. 631 vom 15. November 2022), deren Gültigkeit durch Allgemeinverfügung vom 20. Januar 2023 bis zum 28. Februar 2023 verlängert worden ist (BayMBl. 2023 Nr. 46 vom 25. Januar 2023). In der Bekanntmachung vom 15. November 2022 war in Nr. 2.1 für positiv getestete Personen unverzüglich nach Kenntniserlangung vom positiven Testergebnis Maskenpflicht nach Nr. 3 außerhalb der eigenen Wohnung für mindestens fünf Tage nach dem Erstnachweis des Erregers angeordnet, aber keine Quarantänepflicht.

Die Feststellungen des Landgerichts belegen schlüssig, dass das Nichterscheinen des Angeklagten zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwerfungsurteils nicht ausreichend entschuldigt war. Die Gründe lassen erkennen, dass der Angeklagte lediglich die Bescheinigung über einen positiven Antigentest übersandt hatte, ohne hierzu weitere Informationen zu erteilen (UA Seite 2). Die Gründe teilen zwar weder mit, wer das Testergebnis übersandt hat, noch wann dies geschehen war. Dies wirkt sich im Ergebnis jedoch nicht aus, denn aus der bloßen Mitteilung des positiven Testergebnisses ergibt sich – wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausführt – noch keine genügende Entschuldigung des Nichterscheinens im Sinne des § 329 Abs. 1 StPO. Es ist nicht erkennbar, dass nach Art und konkreten Auswirkungen der Erkrankung eine Beteiligung des Angeklagten an der Hauptverhandlung unzumutbar gewesen sei.

Die rechtliche Prüfung des Revisionsgerichts erstreckt sich auch darauf, ob das Berufungsgericht auf der Grundlage der festgestellten Umstände die Pflicht zu weiterer Sachaufklärung im Wege des Freibeweises gehabt hätte (BGH Beschluss vom 11. April 1979, 2 StR 306/78, NJW 1979, 2319, 2320; vgl. auch BayObLG, Beschluss vom 12. September 2000, 5 StRR 259/00, juris Rn. 9). Besondere, schon aus den Feststellungen selbst ersichtliche Anhaltspunkte für ein solches Defizit liegen nicht vor. Es ist in den Urteilsgründen ausdrücklich festgestellt, dass nur das Testergebnis mitgeteilt worden war, also weder ein ärztliches Attest vorlag noch sonst ein Arzt mitgeteilt war. Ein Rechtsfehler, der darin liegen könnte, dass eine Nachfrage des Vorsitzenden bei dem betreffenden Arzt unterblieben ist, um von diesem eine Erläuterung der Krankheitssymptome zu erhalten, lässt sich aus den Urteilsgründen nicht ersehen.“

Zur Berufungsverwerfung hatte das BayObLG auch bereits im BayObLG, Beschl. v. 25.10.2022 – 206 StRR 286/22 – Stellung genommen, der folgende Leitsätze hat:

1. Macht der Angeklagte geltend, er habe einen Selbsttest auf eine Infektion mit dem Corona-Virus durchgeführt, der ein positives Ergebnis erbracht habe, ist dies wegen der bei Richtigkeit der Behauptung nicht auszuschließenden Infektionsgefahren für die Verfahrensbeteiligten und die Öffentlichkeit regelmäßig auch dann als ausreichende Entschuldigung für sein Fernbleiben anzusehen, wenn er keine körperlichen Symptome aufweist, die seine Verhandlungsunfähigkeit begründen würden.
2. Bloße Zweifel an der Richtigkeit eines schlüssig vorgebrachten Entschuldigungsgrundes rechtfertigen die Verwerfung der Berufung nach § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht; ihnen hat das Gericht im Rahmen seiner Amtsaufklärungspflicht nachzugehen. Eine Mitwirkungspflicht obliegt dem Angeklagten insoweit nicht. Kommt er der Aufforderung des Gerichts zur Vorlage eines Testergebnisses einer Schnellteststelle nicht nach, ist dies allein zur Begründung einer Verwerfung des Rechtsmittels nicht geeignet. Ist das Gericht davon überzeugt, dass der das Fernbleiben in der Hauptverhandlung ausreichend begründende Entschuldigungsgrund nur vorgeschoben ist, sind die tragenden Gründen hierfür im Urteil nachvollziehbar darzulegen.