Archiv der Kategorie: Urteil

Verkehrsrecht I: Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter, oder: Entziehung der Fahrerlaubnis

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Und in die 2. KW., zu deren Beginn ich möglichst wenig Behinderungen durch die „Bauernproteste“ wünsche, starte ich dann mit verkehrsrechtlichen Entscheidungen.

Ich beginne hier mit zwei OLG-Entscheidungen zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter, einer der derzeitigen verkehrsrechtlichen Dauerbrenner. Ich stelle, da ich zu den damit zusammenhängenden Fragen ja schon häufiger berichtet habe, hier allerdings nur die Leitsätze der beiden Entscheidungen vor. Die Einzelheiten dann bitte den verlinkten Volltexten entnehmen:

1. Für Führer eines als Elektrokleinstfahrzeug einzuordnenden E-Scooters kann zur Bestimmung der absoluten Fahruntüchtigkeit jedenfalls der für Fahrradfahrer geltende BAK-Grenzwert herangezogen werden.

2. Die Nutzung eines solchen E-Scooters an sich kann weder ein Absehen von der Regelvermutung des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB begründen noch ist sie stets als mildernder Umstand für die An-nahme eines Ausnahmefalles von dieser zu werten. Ob ausnahmsweise von der Regelvermutung abzusehen ist, hängt jeweils von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab.

Ausführungen, die sich im Wesentlichen auf die allgemeine Betrachtung der Besonderheiten von sog. E-Scootern beschränken und die Würdigung der Umstände des Einzelfalles im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung vermissen lassen, werden den Anforderungen an die Begründung eines Abweichens vom Regelfall betreffend die Entziehung der Fahrerlaubnis bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter nicht gerecht.

 

 

 

 

StPO III: Berufungsverwerfung wegen Ausbleibens, oder: AG-Urteil ohne Unterschrift

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Und als dritte Entscheidung dann noch der BayObLG, Beschl. v. 29.08.2023 – 203 StRR 331/23. Mit dem bin ich mal ganz mutig. In der Entscheidung spielt nämlich eine Urteil ohne Unterschrift eine Rolle. Ich befürchte, dass es nun wieder los gehen wird 🙂 : Das Kommentieren und Schreiben zu dieser wichtigen 🙂 Frage, die manche nicht verstehen.

In dem dem Beschluss zugrunde liegenden Verfahren war das Urteil des AG nicht unterschrieben. Das LG hat dann die Berufung des Angeklagten trotzdem nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen, als der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung unentschuldigt ausgeblieben ist. Und das war richtig, sagt das BayObLG:

„Ergänzend bemerkt der Senat:

Wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme zutreffend ausgeführt hat, steht der Umstand, dass das erstinstanzliche schriftliche Urteil keine Unterschrift des Tatrichters aufweist, einer Verwerfung der Berufung nach § 329 StPO nicht entgegen. Das Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 setzt voraus, dass zulässig Berufung eingelegt worden ist, die Verfahrensvoraussetzungen gegeben sind, keine Prozesshindernisse vorliegen, der Angeklagte ordnungsgemäß geladen wurde, weder der Angeklagte noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsmacht erschienen ist und das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 329 Rn. 6 ff.; Gössel in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 329 Rn. 60, 63). Liegen diese Voraussetzungen vor, hat das Berufungsgericht das Verfahren ohne jede sachliche Nachprüfung des angefochtenen Urteils zu beenden (Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. Rn. 32). Die Bestimmung nimmt die Möglichkeit in Kauf, dass ein sachlich unrichtiges Urteil allein darum rechtskräftig wird, weil der Angeklagte in der Berufungsverhandlung ohne genügende Gründe ausgeblieben ist (BGH, Urteil vom 3. April 1962 – 5 StR 580/61 –, BGHSt 17, 188-190, juris Rn. 4). Ein Urteil ohne Gründe ist, sofern es nach § 268 Abs. 2 StPO verkündet worden ist, grundsätzlich wirksam und kann in Rechtskraft erwachsen (BGH, Urteil vom 8. Juli 1955 – 2 StR 144/55 –, BGHSt 8, 41-42, juris).“

Und ja, die Entscheidung ist zutreffend.

StPO II: Bei Urteilsverkündung Maßregel vergessen, oder: (kein) Verkündungs-/Fassungsversehen?

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Und dann die zweite Entscheidung. Die kommt aus Bayern. Es handelt sich um den BayObLG, Beschl. v. 06.09.2023 – 203 StRR 342/23. Der behandelt eine Frage, die sich sicherlich gar nicht so selten stellen dürfte, nämlich: Wie geht man damit um, wenn im erstinstanzlichen Urteil eine Maßregel „vergessen“ worden ist. Zumindest im verkündeten Urteil?

Hier war der Angeklagte durch Urteil des AG wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren trotz Fahrverbots verurteilt worden. Nach der laut Hauptverhandlungsprotokoll in der Hauptverhandlung verkündeten und inhaltsgleich in der schriftlichen Urteilsurkunde wiedergegebenen Urteilsformel hat das AG den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt und ein Fahrverbot von 5 Monaten, jedoch keine Sperrfrist ausgesprochen. In den schriftlichen Gründen der Urteilsurkunde hat es allerdings eine isolierte Sperre nach § 69 a Abs. 1 Satz 3 StGB von einem Jahr begründet. Eine Protokollberichtigung ist nicht erfolgt.

In der Berufung hat das LG eine wirksame Anordnung einer Sperrfrist von einem Jahr angenommen und die Berufung des Angeklagten mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die verhängte Sperrfrist noch 9 Monate beträgt. Das Fahrverbot von 5 Monaten hat es aufrechterhalten.

Das geht so nicht, sagt das BayObLG:

„Die zulässige Revision ist teilweise begründet. Mit der – erstmaligen – Anordnung einer isolierten Sperrfrist hat das Landgericht gegen das in der Revision von Amts wegen zu prüfende (BGH, Beschluss vom 23. August 2000 – 2 StR 171/00 –, juris; Franke in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2012, § 358 Rn. 23 m.w.N.) Verbot der Schlechterstellung (§ 331 Abs. 1 StPO) verstoßen und den Umfang der von Amts wegen zu beachtenden Teilrechtskraft (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – 1 StR 336/20-, juris Rn. 4 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 23. August 2000 – 2 StR 171/00 –, juris Rn. 7; Gericke in KK-StPO, 9. Aufl., § 358 Rn. 22) nicht berücksichtigt. Für die Bestimmung des Umfangs der Bestrafungsgrenze ist die verkündete Urteilsformel maßgeblich (BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – 1 StR 336/20-, juris Rn. 4 m.w.N.). Das Amtsgericht hat bei der Verkündung des Urteils am 1. März 2023 wie auch im Tenor der schriftlichen Urteilsurkunde keine isolierte Sperrfrist für die Erteilung der Fahrerlaubnis ausgesprochen. Auf die Streitfrage, ob in der Revision das Übereinstimmen von verkündeter und im schriftlichen Urteil niedergelegter Urteilsformel von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – 1 StR 336/20-, juris Rn. 3), kommt es hier nicht an.

Im einzelnen:

1. Um die Auswirkung der Rechtskraft bestimmen zu können, hat das Berufungsgericht den Verkündungsinhalt von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmen (BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – 1 StR 336/20-, juris Rn. 4). Das Erfordernis einer Verfahrensrüge gibt es im Berufungsverfahren nicht.

2. Nach § 268 Abs. 2 S. 1 StPO wird das Urteil durch Verlesung der Urteilsformel und Eröffnung der Urteilsgründe verkündet. Nach § 260 Abs. 2 und 4 StPO sind alle Rechtsfolgen in die Urteilsformel mit aufzunehmen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 260 Rn. 38). Mit der Verkündung ist der Urteilsspruch grundsätzlich nicht mehr änderbar und nicht mehr ergänzbar. Die Urteilsformel als Grundlage für die Vollstreckung und die Eintragung der Verurteilung in die Register muss aus sich selbst heraus verständlich sein (vgl. Stuckenberg in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 260 Rn. 30, 31). Rechtsfolgen, die notwendig in die Formel aufzunehmen sind, gelten als nicht verhängt oder als abgelehnt, wenn die verkündete Urteilsformel über sie schweigt (Stuckenberg a.a.O. Rn. 34). Eine nachträgliche Ergänzung der Formel im Wege der Berichtigung ist nur zur Korrektur offensichtlicher Verkündungsversehen in Ausnahmefällen möglich (Stuckenberg a.a.O.).

3. Die verkündete Urteilsformel ist als wesentliche Förmlichkeit der Hauptverhandlung gemäß § 274 StPO zu protokollieren (vgl. Bartel in KK-StPO, a.a.O. § 268 Rn. 3). Der authentische Wortlaut der Urteilsformel ergibt sich demgemäß aus der Sitzungsniederschrift (BGH, Beschluss vom 13. September 1991 – 3 StR 315/91 –, juris; BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2001 – 2 StR 42/01- und vom 6. Februar 2013 – 1 StR 529/12 Rn. 3 m.w.N., zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2019 – 1 StR 632/18-, juris). Allein das Protokoll beweist nach § 274 Satz 1 StPO, welche Urteilsformel der Vorsitzende tatsächlich verkündet hat (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2019 – 1 StR 632/18 –, juris Rn. 15), während es auf den Wortlaut der niedergelegten Urteilsformel nicht ankommt (Bartel in KK-StPO, a.a.O., § 268 Rn. 3; Stuckenberg in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 268 Rn. 29). Die bloße schriftliche Niederlegung der Anordnung einer Sperrfrist könnte demnach eine unterbliebene Verkündung nicht ersetzen.

4. Nach dem Hauptverhandlungsprotokoll hat das Amtsgericht hier keine Anordnung einer Maßregel nach § 69a StGB verkündet.

a) Die Sitzungsniederschrift ist insoweit eindeutig, der Urteilstenor leidet für sich betrachtet nicht an offensichtlichen Mängeln, ist weder unklar, erkennbar lückenhaft oder widersprüchlich. Die vom Tatgericht niedergeschriebene Urteilsformel haben die beiden Urkundspersonen weder in das Protokoll eingefügt noch als Anlage zum Protokoll genommen (vgl. dazu OLG Köln, Urteil vom 7. November 2006 – 83 Ss 70/06 –, juris Rn. 27; Stuckenberg, a.a.O., Rn. 28, 29), so dass insoweit keine Widersprüchlichkeit innerhalb des Protokolls, die die Beweiskraft des Protokolls erschüttern könnte, vorliegt. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Aufnahme der §§ 69, 69a StGB in die angewandten Strafvorschriften. Denn die Liste der angewandten Vorschriften ist kein Bestandteil des Urteilstenors (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 – 2 StR 280/07 –, juris; Tiemann in KK-StPO, a.a.O. § 260 Rn. 52). Sie ist weder zu verlesen noch sonst bekannt zu geben (BGH, Urteil vom 25. September 1996 – 3 StR 245/96 –, juris; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 260 Rn. 51; Tiemann a.a.O.).

b) Eine förmliche Berichtigung des Protokolls (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 23. April 2007 – GSSt 1/06 –, BGHSt 51, 298-317 juris) ist nicht erfolgt. Keine der Urkundspersonen ist von der protokollierten Fassung abgerückt (vgl. dazu OLG Hamm, Urteil vom 14. August 1980 – 2 Ss 367/80 –, juris).

c) Der Senat hat daher die Beweiskraft des Protokolls zu beachten. Danach ist die Urteilsformel wie protokolliert verkündet worden. Das Amtsgericht hat in der Urteilsformel keine Anordnung einer Sperrfrist ausgesprochen.

5. Entgegen der Rechtsauffassung der Generalstaatsanwaltschaft liegt hier kein offensichtliches Verkündungs- oder Fassungsversehen vor.

a) Das Verschlechterungsverbot steht der Nachholung unterlassener Entscheidungen nicht in jedem Fall entgegen (vgl. Gericke a.a.O. § 358 Rn. 19).

b) Das Rechtsmittelgericht kann offensichtliche Versehen im Ausspruch des angefochtenen Urteils berichtigen. Nach der gefestigten Rechtsprechung sind „offensichtlich“ jedoch lediglich solche Fehler, die sich ohne weiteres aus der Urkunde selbst oder aus solchen Tatsachen ergeben, die für alle Verfahrensbeteiligten klar zu Tage treten und auch nur den entfernten Verdacht einer späteren sachlichen Änderung ausschließen. Es muss – auch ohne Berichtigung – eindeutig erkennbar sein, was das Gericht – zum Zeitpunkt der Verkündung – tatsächlich gewollt und entschieden hat (vgl. zur Berichtigung in der Revision BGH, Beschluss vom 5. Juni 2013 – 4 StR 77/13 –, juris Rn. 3; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. § 354 Rn. 33; Franke a.a.O. § 354 Rn. 47 ff.; Gericke a.a.O. § 354 Rn. 20 f.). Bei dieser Prüfung ist ein strenger Maßstab anzulegen, um zu verhindern, dass mit einer Berichtigung eine unzulässige nachträgliche Abänderung des Urteils einhergeht (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2017 – 2 StR 345/16 –, juris Rn. 17; BGH, Beschluss vom 20. Juni 2017 – 1 StR 113/17 –, juris Rn. 6; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 268 Rn. 10). Hinsichtlich der Frage einer möglichen Berichtigung der mündlich verkündeten Urteilsformel könnte auch die mündliche Urteilsbegründung Berücksichtigung finden (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. Rn. 10 m.w.N.). Grundsätzlich ist jedoch in Ansehung der überragenden Bedeutung der Urteilsformel, die – anders als die schriftlichen Urteilsgründe – bei Verkündung schriftlich vorliegen muss, bei einer Berichtigung der Urteilsformel Zurückhaltung geboten (BGH, Urteil vom 23. Oktober 1952 – 5 StR 480/52, BGHSt 3, 245, 247, juris; BGH, Urteil vom 8. November 2017 – 2 StR 542/16 –, juris Rn. 18).

c) Gemessen daran kann im vorliegenden Fall in der unterlassenen Verkündung einer Entscheidung über die Anordnung einer Sperre keine Unrichtigkeit erblickt werden, deren Offensichtlichkeit sich zwanglos aus Tatsachen ergeben würde, die für alle Verfahrensbeteiligten klar zu Tage liegen und die jeden Verdacht einer unzulässigen nachträglichen Änderung ausschließen. Die verkündete Urteilsformel selbst war in sich widerspruchsfrei und eindeutig. Für weitere aus dem Ablauf der Urteilsverkündung ergebende und für die Verfahrensbeteiligten klar zu Tage liegenden Tatsachen, die ein reines Versehen bei der Fassung des Tenors offenkundig machen könnten, ist hier nichts ersichtlich, insbesondere fehlen Anhaltspunkte, dass die mündliche Mitteilung der Entscheidungsgründe, die gemäß § 268 Abs. 2 StPO mit der Verlesung der Urteilsformel eine Einheit bildet, den Verfahrensbeteiligten ohne weiteres die Gewissheit über die Anordnung einer Sperre – etwa im Wege der mündlichen Erörterung der Sperrfrist – vermittelt hätte. Die spätere schriftliche Urteilsbegründung, die für die Verfahrensbeteiligten erkennbar Ausführungen zu einer Sperre enthält, reicht für sich allein nicht aus, um nachträglich die wahre Entscheidung des Amtsgerichts zum allein maßgeblichen Zeitpunkt der Urteilsverkündung aufzuzeigen (vgl. Stuckenberg a.a.O. Rn. 54; Franke a.a.O. § 354 Rn. 49). Wird eine bestimmte Rechtsfolge als Teil des Urteilsspruchs nicht verkündet, liegt kein offensichtliches Verkündungs- oder Fassungsversehen vor, das vom Revisionsgericht nachträglich richtig gestellt werden könnte (so auch BGH, Beschluss vom 10. Mai 1988 – 5 StR 47/88 –, juris ebenfalls zu einer versehentlich unterbliebenen Verkündung der Anordnung einer Sperre; vgl. auch BGH, Beschluss vom 28. Mai 1974 – 4 StR 633/73 –, BGHSt 25, 333-338 juris; im Ergebnis auch Franke a.a.O).

d) Der Umstand, dass die nach der Urteilsverkündung gefertigten schriftlichen Urteilsgründe des Amtsgerichts für sich genommen rechtlich einwandfreie Erwägungen enthalten, die die Festsetzung der nicht verkündeten Anordnung einer Sperrfrist rechtfertigen würden, vermag aufgrund des Widerspruchs von Tenor und Gründen an dem Ergebnis somit nichts mehr zu ändern.

6. Mangels Anordnung einer Maßregel in der ersten Instanz durfte das Landgericht auf die Berufung des Angeklagten hin nach § 331 Abs. 1 StPO keine Entscheidung zur isolierten Sperre treffen. Das in der Revision angefochtene Urteil ist somit entsprechend zu korrigieren…..“

Strafzumessung III: Festsetzung der Tagessatzhöhe, oder: Mitteilung der Schätzgrundlagen

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Und zum Tagesschluss dann noch eine Entscheidung des BayObLG betreffend die Verhängung einer Geldstrafe.

Es handelt sich um den BayObLG, Beschl. v. 18.10.2023 – 202 StRR 76/23. Das BayObLG hebt den Strafausspruch eine LG-Urteil wegen rechtsfehlerhafte Festsetzung der Tagessatzhöhe wegen fehlender Mitteilung der Schätzgrundlagen auf:

„Die statthafte (§ 333 StPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO), wegen der jeweils wirksamen Berufungsbeschränkung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft auf die Bemessung der Tagessatzhöhe nur noch diese betreffende Revision des Angeklagten ist begründet. Die Berufungskammer hat die Tagessatzhöhe auf 50 Euro festgesetzt, ohne dies rechtsfehlerfrei zu begründen. Die Darlegungen beschränken sich auf den vagen Hinweis, dass der Angeklagte „zuletzt in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen, auch von Ersparnissen, lebte“. Weshalb sich hieraus unter Berücksichtigung des § 40 Abs. 2 StGB eine Tagessatzhöhe von 50 Euro ergeben soll, bleibt im Dunkeln.

1. Das Landgericht unternimmt nicht den Versuch, das nach § 40 Abs. 2 Satz 1 StGB erzielbare Nettoeinkommen zu bestimmen, sondern schätzt ein solches in Höhe von 1.500 Euro pro Monat, ohne auch nur ansatzweise die konkreten Schätzgrundlagen, von denen es ausgeht, darzulegen. Dies stellt nicht nur ein einfach gesetzliches Begründungsdefizit dar, weil das Revisionsgericht nicht in die Lage versetzt wird, die Richtigkeit der getroffenen Entscheidung nachzuprüfen (OLG Köln, Beschl. v. 23.03.2021 – III-1 RVs 50/21 bei juris; KG, Beschl. v. 19.11.2019 – [3] 121 Ss 143 = OLGSt StGB § 219a Nr 1; MüKo-StGB/Radtke 4. Aufl. § 40 Rn. 121), sondern auch einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschl. v. 01.06.2015 – 2 BvR 67/15 = wistra 2015, 388 = DAR 2015, 576 = NStZ-RR 2015, 335 = NZV 2016, 48 = NStZ-RR 2016, 46 = StV 2016, 554).

2. Das erzielbare Nettoeinkommen in Höhe von 1.500 Euro, das das Landgericht zugrunde gelegt hat, versteht sich auch nicht etwa von selbst. Die Berufungskammer hat von vornherein nicht in ihre Überlegungen eingestellt, dass das erzielbare Nettoeinkommen mit Blick auf die allgemein bekannte, äußerst prekäre Einkommenssituation in dem Heimatland des Angeklagten nicht mit der in der Bundesrepublik Deutschland vorherrschenden durchschnittlichen Einkommenssituation gleichgesetzt werden kann.“

Strafzumessung II: Strafe beim sexuellen Missbrauch, oder: Doppelverwertung und psychologische Betreuung

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Und im zweiten Posting dann eine Entscheidung vom BGH, und zwar der BGH, Beschl. v. 26.09.2023 – 2 StR 336/23 – mal wieder zum Doppelverwertungsverbot.

Das LG hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in sechs Fällen und sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Revision hatte hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg:

„2. Allerdings hält der Strafausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand (§ 349 Abs. 4 StPO).

Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Nicht bedenkenfrei unter dem Gesichtspunkt des Doppelverwertungsverbots nach § 46 Abs. 3 StGB sind schon die zu Lasten des Angeklagten gewerteten Strafzumessungserwägungen im Fall 1 der Urteilsgründe, bei der Tat sei es „ohne langsame Annäherungsversuche direkt zum Oralverkehr mit der jungen Geschädigten gekommen“ (UA S. 14) und der Angeklagte habe „mit ihr als völlig unbedarftem Kind als erste Missbrauchshandlung den Oralverkehr“ vorgenommen (UA S. 17).

Zudem hat das Landgericht sowohl bei der Prüfung, ob in den Fällen 1 und 2 sowie 4 bis 7 der Urteilsgründe ein minder schwerer Fall nach § 176 a Abs. 4 StGB a.F. vorliegt, als auch bei der konkreten Strafzumessung bei sämtlichen Einzeltaten jeweils zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt, dass die Geschädigten infolge des erlebten Missbrauchs der psychologischen Betreuung bedürfen (UA S. 14 f.). Dabei hat es nicht beachtet, dass festgestellte Tatfolgen einer Serie von Sexualdelikten nur dann bei der Einzelstrafbemessung mit ihrem vollen Gewicht berücksichtigt werden können, wenn sie unmittelbare Folge allein einzelner Taten sind; sind sie Folge mehrerer Taten einer Tatserie, können sie strafzumessungsrechtlich nur einmal bei der Gesamtstrafenbildung berücksichtigt  werden (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2022 – 1 StR 369/21 -, NStZ-RR 2022, 170;  Senat, Beschluss vom 18. Februar 2021 – 2 StR 7/21 -, juris Rn. 4, jeweils mwN).

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die rechtlich bedenklichen strafschärfenden Erwägungen die Bemessung der Einzelstrafen zum Nachteil des Angeklagten beeinflusst haben. Die Einzelstrafaussprüche und damit auch die daraus gebildete Gesamtstrafe – auch wenn deren Höhe nicht unangemessen ist – können daher keinen Bestand haben.“

Dem schließt sich der Senat an. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Strafausspruchs; jedoch können die Feststellungen aufrecht erhalten bleiben, da nur ein Wertungsfehler vorliegt.“