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StPO II: Anforderungen an Durchsuchungsbeschluss, oder: Kreuze/Klammern eigenverantwortliche Prüfung?

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Die zweite Entscheidung des Tages, der LG Münster, Beschl. v. 15.12.2021 -11 Qs-540 Js 3944/21-68/21 -, den mir der Kollege Urbanzyk aus Coesfeld geschickt hat, betrifft auch eine Durchsuchung. Das LG nimmt in dem Beschluss Stellung zu den Anforderungen an den Durchsuchungsbeschluss. Das AG hatte die angeordnete Durchsuchung u.a. nur durch Klammern – „wie Bl. …“ oder Kreuzchen begründet. Das LG sagt – zutreffend: Das geht so nicht:

„2. Die Beschwerde ist auch begründet.

Dabei kann offenbleiben, ob eine Durchsuchung rechtfertigende Verdachtsgründe im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses vorlagen und ob die angeordnete Maßnahme gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Denn es fehlt schon an einer wirksamen Entscheidung des Amtsgerichts, da die Bezeichnung des Tatvorwurfs in den Gründen nicht von der Unterschrift der Richterin abgedeckt ist.

Das Amtsgericht kann die Durchsuchung gemäß § 105 StPO u. a. durch Beschluss anordnen. Dabei wird den gesetzlichen Anforderungen einer außerhalb der mündlichen Verhandlung getroffenen richterlichen Entscheidung (§§ 33 ff. StPO) nicht dadurch Genüge getan, dass die Richterin in ein Formular oder ein von ihr gefertigtes unvollständiges Schriftstück Blattzahlen, Klammern oder Kreuzzeichen einsetzt, mit denen sie auf in den Akten befindliche Textpassagen Bezug nimmt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 24.06.2004, Az: 1 Ws 191/04). Mit der Verweisung auf Aktenbestandteile erteilt sie dann nämlich einer nachgeordneten, zur Entscheidungsfindung nicht befugten Person die Anweisung, die fehlenden Angaben nachzuholen, ohne deren Befolgung zu kontrollieren und dafür selbst die Verantwortung zu übernehmen. Eine solche Verfahrensweise entspricht nicht dem Gesetz (vgl. BGH, NJW 2003, 3136).

3. Aus den gleichen Gründen ist auch die angeordnete Beschlagnahme etwa aufgefundener Beweismittel unwirksam. Hierüber ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen, § 98 Abs. 2 Satz 1 StPO.“

Da hatte es sich das AG dann doch zu einfach gemacht. Nur Kreuzchen sind eben keine „eigenverantwortliche Prüfung“ bzw. belegen die nicht. Das hat schon das BVerfG gesagt.

Und nochmals: Die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags, oder: Anfänger auf Verteidigerseite

entnommen openclipart.org

Nach dem Anfänger in der Berufungskammer beim LG Braunschweig, dann zum Ausgleich 🙂 ein Anfänger – jedenfalls m.E. – auf der „anderen Seite“, nämlich als Verteidiger. Es geht mal wieder um die ausreichende Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags. Versäöumt worden ist die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde. Es wird ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Der ist dann aber unzulässig, weil (mal wieder) nicht ausreichend begründet, so jedenfalls der OLG Bamberg, Beschl. v. 24.10.2017 – 3 Ss OWi 1254/17:

„Der Antrag des Betr. auf Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Frist zur Einlegung des Antrags auf Zulassung der Rechts­beschwerde ist ebenso wie die Zulassungsrechtsbeschwerde selbst als unzulässig zu verwerfen.

1. Nachdem das Urteil vom 30.05.2017 zwar in (erlaubter) Abwesenheit des Betr., jedoch in Anwesenheit des wirksam unterbevollmächtigten Verteidigers des Betr. verkündet wurde, endete die Wochenfrist des § 341 I StPO zur Einlegung der Zulassungsrechtsbeschwerde hier gemäß §§ 73 III, 79 IV [letzter Halbs.] i.V.m. § 80 III Satz 1 OWiG ohne weiteres bereits mit Ablauf des 06.06.2017 (vgl. schon OLG Bamberg, Beschl. v. 29.05.2006 – 3 Ss OWi 430/06 = NStZ 2007, 180; ferner u.a. Göhler-Seitz/Bauer OWiG 17. Aufl. § 73 Rn. 26 f. u. § 79, Rn. 30a, jeweils m.w.N.), so dass die Einlegung der Rechtsbeschwerde erst am 21.06.2017 verspätet erfolgte. Dies verkennt die Verteidigung, wenn sie aus nicht nachvollziehbaren Gründen und noch nach Gewährung von Akteneinsicht durch den Senat irrig von einem mit ihrem Rechtsmittel angefochtenen „Abwesenheitsurteil“ auszugehen scheint.

2. Eine Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die voraussetzt, dass der Betroffene ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO), kommt nicht in Betracht, weil das Gesuch bereits unzulässig ist.

a) Der Antrags auf Wiedereinsetzung ist nicht nur binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 I Satz 1 StPO), vielmehr handelt es sich bei den für die Gewährung der Wiedereinsetzung erforderlichen Angaben ebenso wie hinsichtlich ihrer Glaubhaftmachung um Zulässigkeitsvoraussetzungen des Antrags (vgl. zuletzt nur BGH, Beschl. v. 12.07.2017 – 1 StR 240/17 [bei juris] m.w.N.). Darzulegen und glaubhaft zu machen sind folglich auch diejenigen Umstände, aus denen sich ergibt, dass der Antragsteller ohne eigenes Verschulden gehindert war, die versäumte Rechtsmittelfrist einzuhalten. Dazu gehört der Vortrag eines Lebenssachverhalts, der das fehlende Verschulden an der Säumnis belegt und Alternativen ausschließt, die der Wiedereinsetzung sonst entgegenstehen (BGH a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 60. Aufl. § 45 Rn. 5, jeweils m.w.N.).

b) Diesen Anforderungen genügt das Wiedereinsetzungsgesuch allerdings schon deshalb nicht, weil die Ausführungen der Verteidigung nicht erkennen lassen, dass der Betroffene sie überhaupt mit der Einlegung eines Rechtsmittels gegen das Urteil des AG vom 30.05.2017 beauftragt und die Verteidigung dem Betr. gegenüber dies auch zugesagt hatte, was aber für eine unverschuldete Säumnis des Betr. erste und unabdingbare Voraussetzung wäre (st.Rspr.; vgl. neben BGH a.a.O u.a. BGH, Beschl. v. 14.01.2015 – 1 StR 573/14 = NStZ-RR 2015, 145, 146; BGH, Beschl. v. 23.09.2015 – 4 StR 364/15 = NStZ 2017, 172 = AnwBl 2016, 73 und schon BGH, Beschl. v. 05.08.2008 – 5 StR 319/08 = NStZ-RR 2009, 375 = StraFo 2008, 431; siehe zuletzt auch schon OLG Bamberg, Beschl. v. 23.03.2017 – 3 Ss OWi 330/17 [bei juris] und BGH, Beschl. v. 13.07.2017 – 1 StR 283/17 = StraFo 2017, 418; BeckOK/Cirener StPO [27. Edit.] § 44 Rn. 24a m.w.N.).“

Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung stehen in jedem Kommentar und7oder in jedem Handbuch. Man muss die Bücher aber nicht nur kaufen, sondern auch lesen/gebrauchen.

(Un)Verständnis, oder: Wenn der „Verteidiger die Revision aufgrund mangelnder Kenntnis der Rechtsmittelfrist nicht fristgerecht eingelegt“ hat

Und als dritte BGH-Entscheidung dann der BGH, Beschl. v.30.11.2017 – 3 StR 539/17. Es geht um den verfahrensrechtlichen Dauerbrenner der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 44 ff. StPO), undzwar gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision.Die Angeklagte hatte gegen das das am 02.08.2017 in ihrer Anwesenheit verkündete Urteil mit einem (erst) am 18.09.2017 beim LG eingegangenen Schriftsatz ihres Verteidigers vom selben Tage Revision eingelegt. Zugleich hat sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision beantragt. Den Antrag hat der BGH als unzulässig angesehen:

„Er ist nicht innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO gestellt, da die Angeklagte nach ihrem Vortrag bereits am 4. September 2017 Kenntnis von der Fristversäumung erlangte. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde jedoch erst am 18. September 2017 und mithin verspätet gestellt.

Auch mit ihrem Vorbringen, der Verteidiger, Rechtsanwalt D. , sei vom 4. September 2017 bis zum 13. September 2017 nicht erreichbar gewesen und wegen der versäumten Revisionseinlegung nicht tätig geworden, dringt die Antragstellerin nicht durch. Soweit hierin ein Wie-dereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Frist nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO zu sehen ist, war die Antragstellerin nicht ohne eigenes Verschulden im Sinne des § 44 Abs. 1 StPO an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert. Bereits aus dem eigenen Vortrag ergibt sich, dass die Antragstellerin spätestens am 4. September 2017 Kenntnis davon erlangte, dass ihr Verteidiger die Revision aufgrund mangelnder Kenntnis der Rechtsmittelfrist nicht fristgerecht eingelegt hatte. Folglich musste die Antragstellerin ab diesem Zeitpunkt und damit bereits wesentlich vor dem Datum der Stellung des Wiedereinsetzungsantrags vom 18. September 2017 Zweifel an der Zuverlässigkeit des Verteidi-gers haben. Zur Vermeidung eines eigenen Verschuldens hätte sie einen Antrag auf Wiedereinsetzung binnen der Wochenfrist entweder selber stellen oder durch einen zuverlässigen Verteidiger einreichen lassen müssen (vgl. Senat NStZ-RR 2017, 149). Die Unkenntnis von gesetzlichen Bestimmungen – hier der Wiedereinsetzungsfrist – vermag fehlendes Verschulden ebenfalls nicht zu begründen (BGH NStZ-RR 2017, 48 mwN).

Schließlich fehlt es hinsichtlich der Gespräche mit der Kanzlei oder dem Verteidiger ab dem 4. September 2017 – und damit einem eigenen Unverschulden an der rechtzeitigen Stellung eines Wiedereinsetzungs-antrags – an der erforderlichen Glaubhaftmachung (§ 45 Abs. 2 Satz 1 StPO). Die eigene Erklärung der Angeklagten reicht hierfür nicht aus (BGHR StPO § 45 Abs. 2 Glaubhaftmachung 3; Senat NStZ-RR 2010, 378 mwN; Meyer-Goßner, aaO, § 45 Rdn. 9). Die eidesstattliche Versicherung des Ehemannes verhält sich hierzu nicht und eine Erklärung des Rechtsanwalts D. hat die Angeklagte nicht vorgelegt.“

Ich frage mich: Wie ist die auf den Verteidiger bezogene Formulierung: „ihr Verteidiger die Revision aufgrund mangelnder Kenntnis der Rechtsmittelfrist nicht fristgerecht eingelegt hatte“, zu verstehen? Hat der Verteidiger wirklich nicht gewusst, dass die Revisionsfrist nach § 341 Abs. 1 StPO eine Woche beträgt? Das wäre kaum zu glauben, oder? Aber dafür, dass der Verteidiger nicht viel Ahnung zu haben scheint, könnte sprechen, dass das Wiedereinsetzungsverfahren ja nun auch nicht profimäßig gelaufen ist.

Begründung des Wiedereinsetzungsantrags, oder: Hast du deinen Verteidiger überhaupt beauftragt?

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Und im dritten Posting des heutigen Tages weise ich dann hin auf den OLG Bamberg, Beschl. v. 23.03.2017 – 3 Ss OWi 330/17, den das OLG Bamberg gerade gestern übersandt hat. Er behandelt den erforderlichen Vortrag bei einem Wiedereinsetzungsantrag. Der Verteidiger des Betroffenen hatte gegen die amtsgerichtliche Verurteilung rechtzeitig einen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt. Der ist dann aber als unzulässig verworfen worden, weil er nicht begründet worden war. Der Verteidiger beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Rechtsmittels, wobei zur Begründung (nur) ausgeführt wurde, dass die Fristversäumung auf einem Versehen des Verteidigers beruhe. Das reicht dem OLG Bamberg nicht:

„I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, weil der Betr. weder dargelegt noch glaubhaft gemacht hat, dass der Betr. ohne Verschulden gehindert war, die versäumte Frist einzuhalten (§§ 46 I OWiG, 44 I StPO). Denn sein Vortrag lässt offen, ob er seinen Verteidiger überhaupt mit der Einlegung des Rechtsmittels beauftragt hatte.

1. Der Verteidiger bringt lediglich vor, dass die Frist infolge seines Versehens versäumt worden sei. Dieser Vortrag reicht indes nicht aus, auch wenn sich der Betr. das Verschulden seines Verteidigers selbstverständlich nicht zurechnen lassen muss. Denn eine Frist versäumt nur derjenige, der sie einhalten wollte, aber nicht eingehalten hat (Meyer-Goßner/Schmitt StPO 59. Aufl. § 44 Rn. 5; Graf/Cirener StPO 2. Aufl. § 44 Rn. 6). Wenn dies nicht der Fall ist, liegt bereits keine Verhinderung an der Fristeinhaltung vor (BGH, Beschl. v. 23.09.1997 – 4 StR 454/97 = BGH NStZ-RR 1998, 109; 10.08.2000 – 4 StR 304/00 = NStZ 2001, 160 und 20.08.2013 – 1 StR 305/13 = wistra 2013, 432 = NStZ-RR 2013, 381; BayObLGSt 1970, 148, jeweils m.w.N.).

2. Dass ein entsprechender Auftrag vor Ablauf der Rechtsmittelfrist vom Betr. erteilt worden wäre (vgl. hierzu BGH a.a.O.), wird indessen nicht dargetan. Aus dem Umstand, dass Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt wurde, kann ein entsprechender Auftrag nicht abgeleitet werden, zumal mangels gegenteiligen Vortrags auch die Möglichkeit besteht, dass der Verteidiger von dem aus §§ 46 I OWiG, 297 StPO resultierenden selbständigen Anfechtungsrecht Gebrauch gemacht hatte, welches auch ohne entsprechenden Auftrag durch den Betr. ausgeübt werden kann.“

Na ja, hätte man m.E. auch anders sehen können. Liegt es nicht (ein wenig) fern, dass der Verteidiger von sich aus Rechtsmittel einlegt und nicht auch zugleich mit dem Auftrag, Rechtsmittel einzulegen, auch Auftrag zur Begründung erteilt wird? M.E.passt auch der (amtliche) Leitsatz nicht. Da heißt es:

„Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung eines Rechtsmittels scheidet aus, wenn nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht wird, dass der Betroffene seinen Verteidiger mit der Einlegung des Rechtsmittels beauftragt hatte (u.a. Anschluss an BGH, Beschl. v. 23.09.1997 – 4 StR 454/97 = BGH NStZ-RR 1998, 109).2

Das steht aber so nicht in dem in Bezug genommenen BGH-Beschluss. Nicht desto trotz: Als Verteidiger wird man aus anwaltlicher Vorsicht den Umstand der Beauftragung nun eben auch noch vortragen. Wenn es das OLG will………..