Archiv der Kategorie: Strafrecht

VerkehrsR III: Unfallbegriff bei der Unfalllflucht, oder: Panisches Öffnen der Autotür wegen Spinnenphobie

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Author Rainer Lippert

Und dann noch das AG Calw, Urt. v. 07.03.2024 – 8 Cs 33 Js 364/24 -, das ja auch schon den Weg in die NJW gefunden hat (NJW 2024, 1283).

Folgender Sachverhalt:

„Nach der durchgeführten Hauptverhandlung hat das Gericht folgenden Sachverhalt festgestellt:

Am 21.10.2023 gegen 21:49 Uhr saß die Angeklagte bei geschlossener Türe auf dem Rücksitz des PKW … mit dem amtlichen Kennzeichen pp., welcher sich geparkt im Parkhaus pp. des pp, befand. Die Zeugin pp. war in das Fahrzeug auf den Fahrersitz eingestiegen und wollte später mit der Angeklagten und den weiteren beiden Zeuginnen, die sich noch außerhalb des PKW befanden, aus dem Parkhaus ausfahren, um jeweils nach Hause zu fahren. Der PKW befand sich, so wie die Fahrerin, die Zeugin pp. diesen am Morgen dort geparkt hatte, in Ruhestellung und war vollständig ausgeschaltet und mit Handbremse gesichert.

Plötzlich vermeinte die Angeklagte, die an einer schweren Arachnophobie leidet, auf ihrem Körper ein Krabbeln, welches sie einer Spinne zuordnete. In Panik stieß sie darauf die hintere rechte Fahrzeugtüre auf, so dass diese, wie von ihr aufgrund ihrer Erregung nicht vorhergesehen und wahrgenommen, gegen den auf dem rechts daneben gelegenen Parkplatz ordnungsgemäß abgestellten und verlassenen PKW pp. mit dem amtlichen Kennzeichen pp. des Geschädigten pp. stieß und dort wohl eine helle Lackantragung und eine kleine Delle verursachte, was die Angeklagte aufgrund ihrer Phobie in diesem Augenblick nicht bemerkte.

Nachdem die Angeklagte sich beruhigt hatte, als sie festgestellt hatte, dass es sich um keine Spinne gehandelt hatte, begutachtete sie unter anderem mit der Zeugin … die von ihr geöffnete Türe des … und fand dort keinerlei Schäden oder Auffälligkeiten. Daraufhin fuhr die Zeugin … mit der Angeklagten in deren Einvernehmen und den weiteren beiden Zeuginnen davon, ohne dass sie bzw. die Angeklagte auf eine feststellungsbereite Person wartete oder ohne dass die Angeklagte sonst die Feststellung ihrer Person und Unfallbeteiligung ermöglicht hätte.

III.

Die Angeklagte war – vorrangig – aus rechtlichen Gründen freizusprechen, da das festgestellte Verhalten bereits aus rechtlichen Gründen den Tatbestand des § 142 StGB und einer anderen Strafnorm nicht erfüllt, weshalb es auf den wohl auch aus tatsächlichen Gründe zum Freispruch führenden nicht nachweisbaren Vorsatz bezüglich eines Unfalls im Straßenverkehr, eines relevanten Fremdschadens und der eigenen Unfallbeteiligung nicht mehr ankommt.“

Da das AG sein Urteil umfangreich begründet hat, hier nur der Leitsatz, Rest bitte im Volltext nachlesen:

Bei einem Schaden durch „panisches“ – hier: infolge einer schweren Arachnophobie getätigtes – Öffnen der Türe eines in einem Parkhaus stehenden, ausgeschalteten Kraftfahrzeugs liegt ein „Unfall im Straßenverkehr“ im Sinn von § 142 StGB fern, da sich in dem Ereignis keine straßenverkehrsspezifische Gefahr verwirklicht hat.

KCanG II: Einziehung von sichergestelltem Cannabis, oder: Die am Wohnort erlaubte Menge gibt es zurück

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Und dann als „Mittagshappen“ das AG Westerstede, Urt. v. 02.04.2024 – 42 Ls 209/23 (375 Js 83173/22) – mit einer ganz interessanten Einziehungsentscheidung; die ist der Grund, warum ich die Entscheidung hier vorstelle.

Das AG ist von folgenden Feststellungen ausgegangen:

„Der Angeklagte bevorratete am 12.04.2023 im 2. Obergeschoss des Mehrfamilienhauses in der pp. in mehreren Klemmbeuteln insgesamt 992,40 Gramm Cannabis. Dabei hatte er vor, 800,45 Gramm dieser Gesamtmenge in Kleinstmengen gewinnbringend weiterverkaufen. Der Rest des verbleibenden Cannabis (191,95 Gramm) bevorratete er für seinen täglichen Eigenkonsum. Die Gesamtmenge Cannabis wurde im Rahmen einer Durchsuchung am 12.04.2023 durch die Polizeibeamten sichergestellt.“

Deshlab verurteilt es den Angeklagten wie folgt:

„Der Angeklagte hat sich daher des unerlaubten Besitzes von Cannabis in Tateinheit mit gewerbsmäßigen Handeltreiben mit Cannabis nach dem §§ 34 Abs. 1 Nr. 1 lit. b, Nr. 4, Abs. 3 S. 2 Nr. 4 Konsumcannabisgesetz, 52 Strafgesetzbuch schuldig gemacht. Es findet nunmehr das seit dem 01.04.2024 in Kraft getretene Konsumcannabisgesetz Anwendung, worauf im Rahmen der Hauptverhandlung nach § 265 StPO hingewiesen wurde. Hinsichtlich des Handeltreibens ist das Gericht von einer nicht geringen Menge nach § 34 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 KCanG ausgegangen. Es lag zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung zwar kein Wirkstoffgutachten hinsichtlich des Cannabis vor, allerdings ist bei einer Gesamtmenge von 800,45 Gramm Cannabis selbst unter Zugrundelegung eines sehr niedrigen Wirkstoffgehalts von einer Überschreitung der nicht geringen Menge auszugehen. Ob der ursprüngliche von der Rechtsprechung entwickelte Grenzwert von 7,5 Gramm Cannabis fortan weiter Anwendung findet, kann ebenfalls dahinstehen, da bei der hier aufgefundenen Gesamtmenge jedenfalls von einer Überschreitung auszugehen ist. Hinsichtlich der verbleibenden, aufgefundenen Menge, das zum Eigenkonsum des Angeklagten dienen sollte, von 191,95 Gramm und damit hinsichtlich des unerlaubten Besitzes von Cannabis ist das Gericht zugunsten des Angeklagten nicht davon ausgegangen, dass hier eine nicht geringe Menge im Sinne des § 34 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 KCanG vorlag.“

Festgesetzt wird eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

Und zur Einziehung heißt es dann:

„Das sichergestellte Cannabis in einer Gesamtmenge von 942,40 Gramm wurde durch das Gericht nach § 37 S. 2 KCanG in Verbindung mit § 74 Abs. 2 StGB eingezogen. Hierbei ist das Gericht mangels expliziter gesetzlicher Regelung und Vorliegens obergerichtlicher Rechtsprechung zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass von der Gesamtmenge des aufgefundenen Cannabis (992,40 Gramm) eine Menge von 50 Gramm abzuziehen ist, die der Angeklagte nunmehr legal am Wohnort besitzen kann.“

Nach den mir vorliegenden Informationen hat der StA die Einziehungsentscheidung nicht gepasst. Sie ist daher in die Berufung gegangen. Wir werden dazu dann ggf. bald etwas vom LG Oldenburg hören.

BtM III: Unerlaubter Handel mit Betäubungsmitteln, oder: Positiver Schnelltest reicht nicht für Nachweis

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Und zum Tagesausklang dann noch der schon etwas ältere OLG Naumburg, Beschl. v. 26.10.2023 – 1 ORs 144/23.

Das AG verurteilt den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe. Dagegen die Revision, die Erfolg hat:

„Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen eine Verurteilung des Angeklagten wegen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln gemäß §§ 1, 3, 29 Abs. 1 Nr. 3, 33 BtMG nicht.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts führte der Angeklagte am 30. September 2021 eine Klemmtüte mit 1,6 g netto Heroin mit sich, als er gegen 14.15 Uhr im Hauptbahnhof Halle von den Zeugen PHM pp. und PMin pp. einer Personenkontrolle unterzogen wurde.

Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung nicht zu dem Tatvorwurf eingelassen.

Das Amtsgericht hat seine Feststellung, der Angeklagte habe zur Tatzeit Heroin besessen, auf die glaubhaften Aussagen des Zeugen W., die Inaugenscheinnahme des Bildberichts, BI. 9/10 d.A., sowie auf den in der Hauptverhandlung verlesenen Vermerk zum Schnelltest von BtM-verdächtigen Substanzen vom 13. Oktober 2021, BI. 13/14 d. A., gestützt.

Diese Feststellungen sind indes nicht ausreichend, um mit einer für eine Verurteilung erforderlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der Angeklagte zur Tatzeit tatsächlich Heroin besessen hat.

Die allein aufgrund des positiven Ergebnisses eines Schnelltests gestützte Annahme, bei dem sichergestellten Stoff handele es sich um Betäubungsmittel, ist rechtsfehlerhaft, wenn nicht in den Urteilsgründen dargelegt wird, dass es sich bei beim angewendeten Schnelltest um ein wissenschaftlich abgesichertes und zuverlässiges Standardtestverfahren handelt (OLG Hamm, Beschluss vom 4. März 1999, 5 Ss 136/99; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. April 2013, 32 Ss 94/14; OLG Gelle, Beschluss vom 25. Juni 2014, 32 Ss 94/14; zitiert nach juris). Im angefochtenen Urteil fehlen aber bereits Angaben zu der Qualität des ausweislich des Vermerks vom 13. Oktober 2021 zur Feststellung des Heroins verwendeten Schnelltests M.M.C. Heroin. Auch fehlen Feststellungen zu der Methode, die zur Feststellung des Heroins angewendet worden ist. Ob es sich bei dem verwendeten Test um ein wissenschaftlich abgesichertes und auch in der Praxis als zuverlässig anerkannten Standartverfahren zum sicheren Nachweis von Heroin handelt, hat das Amtsgericht im angefochtenen Urteil nicht dargelegt. Anhand der Urteilsgründe ist dem Senat demnach die gebotene Prüfung nicht möglich.

Insofern kann – unabhängig davon, dass es auch an Angaben zum Wirkstoffgehalt mangelt -, nicht zuverlässig festgestellt werden, ob das Amtsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass es sich bei der bei dem Angeklagten sichergestellten Substanz um Heroin gehandelt hat.

Aufgrund dieser unzureichenden Feststellungen und unzureichenden Beweiswürdigung war das Urteil des Amtsgerichts aufzuheben.“

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen (§§ 353, 354 Abs. 2 StPO).“

BtM II: Urteilsgründe bei Handel mit „Kleinstmenge“, oder: Feststellungen zum Wirkstoffgehalt

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Und dann nach dem Aufreger des Tages, dem BGH, Beschl. v. 23.04.2024 – 5 StR 153/24 – dazu: BtM I: 5. Ss des BGH pampt zur „nicht geringen Menge“, oder: Gesetzesbegründung „verhallt“ beim BGH) geht es mit der nächsten BtM-Entscheidung, dem der OLG Celle, Beschl. v. 04.04.2024 – 2 ORs 17/24 – ruhiger weiter.

Das AG hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt. Nach den den Feststellungen  verkaufte der Angeklagte für insgesamt 220 € gewinnbringend 0,4g Kokain an den gesondert Verfolgten B. und weitere 3,16g Kokain an den gesondert Verfolgten G. Zur Beweiswürdigung hat das AG ausgeführt, Grundlage der getroffenen Feststellungen seien das glaubhafte Geständnis des Angeklagten sowie das in der Hauptverhandlung verlesene Sicherstellungsprotokoll. Zudem habe ein ESA-Schnelltest des sichergestellten Rauschgifts ein positives Ergebnis bzgl. Kokain ergeben, wobei sich eine schlagartig intensive blaue Verfärbung gezeigt habe.

Dagegen die Revision, die keinen Erfolg hatte:

„Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:

1. Die knappen Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen den Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, denn ihnen ist die vorsätzliche Begehungsweise ebenso wie die erforderliche Eigennützigkeit des Betäubungsmittelgeschäftes noch ausreichend zu entnehmen. Für die Annahme von Eigennutz reicht es aus, wenn – wie hier – nach Art und Umfang der auf Umsatz gerichteten Tätigkeit andere als eigennützige Motive ausscheiden (Weber/Kornprobst/Maier/Weber, 6. Aufl. 2021, BtMG § 29 Rn. 350).

2. Die Beweiswürdigung des Tatgerichts unterliegt nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Das Revisionsgericht prüft allein, ob dem Tatgericht bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist lediglich dann der Fall, wenn die Beweis-würdigung widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH NStZ 1984, 180; NStZ-RR 2004, 238).

Unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabes erweist sich die Beweis-würdigung des angefochtenen Urteils als frei von Rechtsfehlern.

Legt der Tatrichter das Geständnis des Angeklagten seinen Feststellungen zugrunde, weil er es für glaubhaft erachtet, so ist er nicht stets verpflichtet, es in den Urteilsgründen in allen seinen Einzelheiten zu dokumentieren; es kann vielmehr bei einfach gelagerten Sachverhalten genügen, auf die Feststellungen Bezug zu nehmen und nachvollziehbar darzulegen, aus welchen Gründen er das Geständnis für glaubhaft erachtet (Senat, Beschluss vom 8. März 2024, 2 ORs 23/24; OLG Celle, Beschluss vom 14.12.2017, 3 Ss 48/17).

So liegt der Fall hier. Das Amtsgericht hat die Glaubhaftigkeit des Geständnisses ersichtlich durch die Erkenntnisse aus der Sicherstellung der von dem Angeklagten verkauften Kokainmengen und deren Untersuchung durch einen durchgeführten ESA-Schnelltest überprüft. Zwar darf die Feststellung, dass es sich bei sichergestellten Substanzen um Betäubungsmittel handelt, nicht allein auf das Ergebnis eines ESA-Schnelltests gestützt werden, da es sich nicht um ein in der Praxis als zuverlässig anerkanntes Standardtestverfahren handelt (Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26. Oktober 2023 – 1 ORs 144/23 –, juris; Senat, Beschluss vom 25. Juni 2014 – 32 Ss 94/14 –, juris). Vorliegend hat das Amtsgericht die Er-kenntnisse aus dem ESA-Schnelltest indes lediglich zur Überprüfung der geständigen Angaben des Angeklagten, der den Verkauf von Kokain an die Zeugen B. und G. eingeräumt hatte, her-angezogen. Dies ist nicht zu beanstanden.

2. Entgegen der Rechtsauffassung der Revision waren Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des Kokains vorliegend entbehrlich.

Zwar ist es zutreffend, dass auf die hier fehlenden konkreten Feststellungen zum Wirkstoffgehalt nur ausnahmsweise verzichtet werden kann. Bei Kleinstmengen von Betäubungsmitteln kommt dem Wirkstoffgehalt indes nach der Rechtsprechung des BGH keine bestimmende Be-deutung (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) für die Strafbemessung zu; Feststellungen zum Wirkstoff-gehalt des verfahrensgegenständlichen Rauschgifts sind vielmehr entbehrlich, wenn es nach den Gesamtumständen ausgeschlossen ist, dass eine genaue Angabe des Wirkstoffgehaltes das Strafmaß zu Gunsten des Angeklagten beeinflusst hätte (BGH, Beschl. v. 31.5.2022 – 6 StR 117/22, NStZ-RR 2022, 250)

Ein solcher Fall ist hier gegeben. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung, wonach eine „Kleinstmenge“ im Sinne der o.g. Rechtsprechung nur bei bis zu 3 Konsumeinheiten anzunehmen ist (vgl. Beschluss vom 25.09.2017 – 2 Ss 104/17) nicht mehr fest. Diese dürfte unter Berücksichtigung der o.g. BGH-Rechtsprechung überholt sein. Denn dieser Entscheidung lag u.a. ein festgestellter Besitz von 9g Cannabis zugrunde und damit eine Gewichtsmenge, die den Grenzwert der geringen Menge i.S.d. § 29 Abs. 5 BtMG überschreitet (vgl. Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Auflage 2021, § 29, Rn. 2125ff.). Der BGH betont, dass „Kleinstmengen“ bereits gegeben sind, wenn das Erreichen des Grenzwerts der nicht geringen Menge rechnerisch von vornherein ausgeschlossen ist (BGH a.a.O.).

So liegt der Fall hier. Denn nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils verkaufte der Angeklagte eine Menge von insgesamt 3,56g Kokain, wobei selbst bei Zugrundelegung „guter Qualität“ im Straßenverkauf von 40 % (vgl. hierzu: Weber/Kornprobst/Maier, a.a.O., vor §§ 29ff., Rn. 1019f.) eine Menge von 1,424g Cocainhydrochlorid und damit weniger als 1/3 des Grenz-wertes der nicht geringen Menge (5,0g Cocainhydrochlorid) gegeben wäre.

Im Übrigen hat zuletzt auch das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 3. März 2023 – (3) 161 Ss 212/22 (73/22) –, juris) in einem Fall, bei dem der Angeklagte nach den Feststellungen eine Tablette Subutex für 10,- € verkauft und im Übrigen 12 weitere Subutex-Tabletten bei sich ge-führt hatte, um auch diese gewinnbringend an weitere Abnehmer zu veräußern, eine „Kleinst-menge“ im o.g. Sinne angenommen, obwohl der Grenzwert der geringen Menge i.S.d. § 29 Abs. 5 BtMG überschritten war. Denn selbst bei Annahme der höchsten am Arzneimarkt erhältlichen Dosis von 8 mg Buprenorphin pro Subutex-Tablette ergab sich eine Gesamtmenge von 104 mg Buprenorphin und damit nur ca. ¼ der nicht geringen Menge (416,67mg Buprenorphin).

Auch das Saarländische Oberlandesgericht hat jüngst bei einer Betäubungsmittelmenge von 10,9 Gramm Marihuana ausgeschlossen, dass die Strafkammer gegen den Angeklagten bei einer Feststellung des Wirkstoffgehaltes nach § 29 Abs. 5 BtMG von Strafe abgesehen oder ein anderes Strafmaß verhängt hätte (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 22. November 2023 – 1 Ss 23/23 –, juris).

Nach alledem waren Feststellungen zum Wirkstoffgehalt im vorliegenden Fall entbehrlich, so dass sich auch die Strafzumessung des angefochtenen Urteils als rechtsfehlerfrei erweist.“

BtM I: 5. Ss des BGH pampt zur „nicht geringen Menge“, oder: Gesetzesbegründung „verhallt“ beim BGH

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Heute gibt es BtM-Entscheidungen, die ich mit einem Paukenschlag aus Leipzig eröffne. Denn von dort kommt der BGH, Beschl. v. 23.04.2024 – 5 StR 153/24 – mit dem dann ein weiterer Senat des BGH zur „nicht geringen Menge“ nach dem Inkrafttreten des KCanG Stellung genommen hat. Über den BGH, Beschl. v. 18.04.2024 – 1 StR 106/24 hatte ich ja schon berichtet (siehe hier: KCanG III: „Nicht geringe Menge“ bleibt bei 7,5 g, oder: Auch beim BGH: Neuer Wein in alten Schläuchen) und auch hier: KCanG I: Peinlicher Lapsus (?) beim BGH zum KCanG, oder: Neufestsetzung JGG-Weisungen/Jugendstrafe).

Jetzt also das zweite Machwerk des BGH. Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren, in dem das LG den Angeklagten u.a. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt hat. Nach den Feststellungen des LG hatte der der Angeklagte einen unbekannten Dritten bei dem gewinnbringenden Absatz von Cannabis unterstützt, indem er dieses für den Unbekannten lagerte und es nach dessen Anweisung an Abnehmer auslieferte. Zu diesem Zweck verwahrte er am etwa 88 Kilogramm Haschisch sowie rund 4 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von zusammen rund 28 Kilogramm THC in seiner Wohnung und weitere 150 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 25 Kilogramm THC in einem vor der Wohnung geparkten Fahrzeug. Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten hatte hinsichtlich der Strafausspruchs Erfolg. Zudem hat BGH denSchuldspruch dahin neu gefasst, „dass der Angeklagte der Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis in Tateinheit mit Besitz voninsgesamt mehr als 60 Gramm Cannabis schuldig ist.“

Zur Aufhebung des Strafausspruchs führt der BGH aus:

„3. Die gesetzliche Neuregelung zwingt zur Aufhebung des Strafausspruchs.

a) Der Senat kann trotz des – angesichts der großen Cannabismenge – beachtlichen Schuldumfangs und der im Verhältnis dazu vergleichsweise milden Strafe, bei deren Zumessung das Landgericht die herabgesetzte Gefährlichkeit von Cannabis ausdrücklich in den Blick genommen hat („weiche Droge“), nicht ausschließen, dass es bei Anwendung der Strafrahmen des KCanG eine niedrigere Strafe gegen den Angeklagten verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO).

b) Die zum Strafausspruch gehörigen Feststellungen werden von der aufgrund der Gesetzesänderung notwendigen Aufhebung des Strafausspruchs nicht berührt und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können um solche ergänzt werden, die den bisher getroffenen nicht widersprechen.

4. Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass hier die Anwendung des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG in Betracht kommen könnte, weil sich die Tat nach den Feststellungen des Landgerichts auf eine nicht geringe Menge Cannabis bezieht und damit die Voraussetzungen des Regelbeispiels nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr.4 KCanG erfüllt sind.

Die nicht geringe Menge liegt auch für das KCanG bei einem Wirkstoffgehalt von 7,5 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) in der Cannabismenge vor. Der Senat sieht keinen Anlass, den bislang unter der Geltung des BtMG für Cannabisprodukte anerkannten Grenzwert abweichend zu bestimmen (so bereits BGH, Beschluss vom 18. April 2024 – 1 StR 106/24; HansOLG Hamburg, Beschluss vom 9. April 2024 – 5 Ws 19/24). Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

a) Den Begriff der nicht geringen Menge hat der Gesetzgeber für das KCanG unverändert dem BtMG entnommen. Beide Gesetze enthalten keine gesetzliche Definition dieses Mengenbegriffs. Für das BtMG hat sich durch gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für Auslegung und Anwendung dieses wertausfüllungsbedürftigen Begriffs ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2023 – 2 BvL 3/20a.).

Danach wird die nicht geringe Menge des jeweiligen Wirkstoffs stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und Wirkungsintensität festgelegt. Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs. Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten. Das Vielfache ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials zu bemessen. Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 10. August 2023 – 3 StR 462/22, NJW 2023, 3248 f. mwN).

Für Cannabisprodukte hat der Bundesgerichtshof den Grenzwert der nicht geringen Menge nach dem BtMG ab einer Wirkstoffmenge von 7,5 Gramm THC angenommen. Maßgebend hierfür waren folgende Erwägungen: Zu einer äußerst gefährlichen, gar tödlichen Dosis des Wirkstoffs durch die bisher bekannten Konsumformen von Cannabisprodukten waren keine Angaben möglich. Deswegen hat sich der Bundesgerichtshof an der durchschnittlichen Konsumeinheit für einen Rauschzustand orientiert und diese gestützt vor allem auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse auf 15 Milligramm THC festgelegt. Das Vielfache der so bestimmten Konsumeinheit hat er mit der Maßzahl 500 bestimmt. Hiermit sollte die wesentlich geringere Gefährlichkeit von Cannabisprodukten im Verhältnis zu Heroin abgebildet, aber auch – angesichts der gegenüber § 29 Abs. 1 BtMG deutlichen Verschärfung der Strafrahmen in § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG und insbesondere in § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG – den Unsicherheitsfaktoren bei der Bestimmung des THC-Gehalts einer durchschnittlichen Konsumeinheit Rechnung getragen werden. Auf dieser Grundlage errechnet sich die nicht geringe Menge als 500 Konsumeinheiten zu je 15 Milligramm, was 7,5 Gramm THC entspricht (BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8 ff.). Dies hat der Bundesgerichtshof unter ausführlicher Auseinandersetzung neuerer Erkenntnisse zur Gefährlichkeit von Cannabis insoweit bestätigt gesehen und am Grenzwert festgehalten (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1995 – 3 StR 245/95, BGHSt 42, 1 unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 – 2 BvL 43/92, BVerfGE 90, 145). Dieser Grenzwert wird von der Rechtsprechung praktisch ausnahmslos zugrunde gelegt (so schon HansOLG Hamburg aaO); er ist allgemein als praktikabel anerkannt und akzeptiert worden (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1995 – 3 StR 245/95, BGHSt 42, 1, 11).

b) Der Senat sieht keinen Grund, den Grenzwert der nicht geringen Menge für das KCanG davon abweichend zu bestimmen.

aa) Der Gesetzgeber hat den seit Jahrzehnten etablierten Begriff der nicht geringen Menge, der durch die skizzierte gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung Konturierung erfahren hat und deshalb insbesondere auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gesetzesbestimmtheit genügt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2023 – 2 BvL 3/20a. Rn. 107), aus dem bisherigen BtMG unverändert in das KCanG übernommen. Diese Vorgehensweise legt nahe, dass er diesem Rechtsbegriff keine andere Bedeutung unterlegen und nicht zwei inhaltlich verschiedene Begriffe der nicht geringen Menge kreieren wollte. Hierzu passt, dass er für andere Begriffe, die auch im BtMG Verwendung finden, auf Definitionen nach dem BtMG zurückgegriffen hat, so zum Beispiel in § 1 Nr. 10 KCanG, und Straftatbestände denjenigen im BtMG nachgebildet hat, so zum Beispiel § 34 Abs. 4 Nr. 2 und 4 KCanG.

bb) Weder der Schutzzweck des KCanG im Allgemeinen noch der Regelungen, die eine nicht geringe Menge zur Voraussetzung haben, rechtfertigen eine abweichende Bestimmung. Ausweislich der Gesetzesbegründung zielt das KCanG darauf ab, zu einem „verbesserten Gesundheitsschutz beizutragen, die cannabisbezogene Aufklärung und Prävention zu stärken, den illegalen Markt für Cannabis einzudämmen sowie den Kinder- und Jugendschutz zu stärken. Zum Schutz von Konsumentinnen und Konsumenten soll die Qualität von Konsumcannabis kontrolliert und die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert werden“ (BT-Drucks. 20/8704, S. 68). Zur strafschärfenden Berücksichtigung des Handels mit einer nicht geringen Menge Cannabis wird ausgeführt, hierdurch werde insbesondere gefördert, „dass Cannabis in einem nicht geringen Ausmaß illegal in den Verkehr kommt bzw. in ihm bleibt“ (BT-Drucks. 20/8704, S. 132). Gemessen an diesen Schutzzwecken wäre nicht einsichtig, die nicht geringe Menge anders als in Abhängigkeit von der Gefährlichkeit zu bestimmen. Diese hängt maßgeblich vom Wirkstoffgehalt ab (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8, 10). Wohl auch deswegen hat der Gesetzgeber mit Blick auf die inzwischen hohen Wirkstoffgehalte jedenfalls bei Cannabisblüten und Haschisch (vgl. auch Patzak/Dahlenburg, NStZ 2022, 146, 149) bestimmt, dass der Wirkstoffgehalt bei Abgabe von Cannabis innerhalb von Anbauvereinigungen an unter Einundzwanzigjährige auf zehn Prozent begrenzt ist (§ 19 3 Satz 3 KCanG).

cc) Muss es danach bei einer an der Gefährlichkeit orientierten Festsetzung eines Grenzwerts des Wirkstoffs THC bleiben, so fehlt es an belastbaren Belegen für eine geänderte Beurteilung der Anknüpfungstatsachen für diese Mengenbestimmung. Weder zur durchschnittlichen Konsumeinheit noch zur Gefährlichkeit in Abgrenzung zu anderen Stoffen gibt es wissenschaftlich fundierte abweichende Erkenntnisse. Auch die Gesetzesbegründung vermittelt solche nicht; vielmehr werden darin die nach wie vor bestehenden gesundheitlichen Risiken aufgezeigt (BT-Drucks. 20/8704, S. 68).

dd) Zwar lässt sich der Gesetzesbegründung entnehmen, dass aufgrund einer „geänderten Risikobewertung“ ein konkreter Wert von der Rechtsprechung zu entwickeln sein werde, man „im Lichte der legalisierten Mengen“ an der bisherigen Definition der nicht geringen Menge nicht mehr festhalten“ könne und „der Grenzwert deutlich höher liegen“ müsse „als in der Vergangenheit“ (BT-Drucks. 20/8704, S. 132). Dies verhallt schon deswegen, weil sich dem Gesetz selbst keine Abstriche von dem durch die Rechtsprechung konturierten Begriff der nicht geringen Menge entnehmen lassen. Dem hierzu legitimierten Gesetzgeber wäre es unbenommen gewesen, einen deutlich höheren Grenzwert, etwa als Vielfaches des nach der Methode der Rechtsprechung gewonnenen Werts, oder zumindest einen Weg zur Bestimmung eines anders als bisher zu ermittelnden Grenzwerts gesetzlich festzuschreiben. All dies hat er nicht getan, sondern sich auf die Verwendung eines im BtMG etablierten Rechtsbegriffs beschränkt.

Darüber hinaus steht die „geänderte Risikobewertung“ hermeneutisch für sich; weder im Gesetzestext noch in dessen Begründung findet sich eine solche Bewertung im Sinne einer Abstufung der Gefährlichkeit von Cannabis etwa im Verhältnis zur bisherigen Bewertung durch die Rechtsprechung. Letztere stellt vor allem auf das Verhältnis von Cannabis zu den Stoffen ab, die weiterhin dem BtMG unterliegen. Die Rechtsprechung hat aber seit nunmehr fast 40 Jahren Cannabisprodukten eine vergleichsweise geringe Gefährlichkeit im Verhältnis zu anderen Betäubungsmitteln bescheinigt und dies bei der Bestimmung des Grenzwerts ausdrücklich berücksichtigt (vgl. BGH, Urteile vom 8. November 2016 – 1 StR 492/15 Rn. 29; vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8, 12 f.).

Schließlich lässt auch die in der Begründung angesprochene Orientierung an den legalisierten Besitzmengen außer Acht, dass andere Umgangsformen, wie das Handeltreiben mit Cannabis, ohne Einschränkung strafbar sind.

ee) Sollte die „geänderte Risikobewertung“ nicht auf die Gefährlichkeit von Cannabis bezogen sein, sondern den Strategiewechsel umschreiben, mit dem durch eine Teillegalisierung trotz erkannter Gefährlichkeit ein „verantwortungsvoller Umgang“ mit Cannabis erleichtert werden soll (BT-Drucks. 20/8704, S. 68), führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Anders als dem Gesetzgeber, der infolge dieser Neubewertung die Strafrahmen bereits reduziert hat und dem es ohne Weiteres möglich gewesen wäre, ein Vielfaches der bisherigen nicht geringen Menge als Grenzwert festzuschreiben, kommt der Rechtsprechung eine solche wertende Bestimmung nicht zu (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1995 – 3 StR 245/95, BGHSt 42, 1, 2). Denn es fehlt hierfür sowohl an Anhaltspunkten im Gesetz, die eine solche Handhabung vorgeben könnten, als auch an gefestigten höchstrichterlichen Vorgaben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2023 – 2 BvL 3/20a.). Danach müsste die nicht geringe Menge, losgelöst von üblichen Auslegungsmethoden frei rechtschöpfend bestimmt werden, was sich verbietet.“

Wenn man es gelesen hat, muss man erst mal Luft holen und fragt sich, ob das alles so sein kann. Man will es nicht glauben.

Aber wenn ich schon lese: „Die gesetzliche Neuregelung zwingt zur Aufhebung des Strafausspruchs.“, ahne, nein besser: weiß ich, was mich erwartet: Eine Entscheidung, der man deutlich anmerkt, dass den Herren und Damen in den roten Roben des 5. Strafsenats des BGH (ich schreibe bewusst nicht: des BGH) die gesetzlichen Neuregelungen und die Intention des Gesetzgebers nicht passen. Das kann ich nachvollziehen, man muss das ja alles nicht mögen. Aber so kann man m.E. mit dem Gesetzgeber auch nicht umgehen. Letztlich ist das der zweite pampige Affront vom BGH gegenüber dem Gesetzgeber. Der wird sich sehr freuen, wenn er liest: „Zwar lässt sich der Gesetzesbegründung entnehmen, dass aufgrund einer „geänderten Risikobewertung“ ein konkreter Wert von der Rechtsprechung zu entwickeln sein werde, man „im Lichte der legalisierten Mengen“ an der bisherigen Definition der nicht geringen Menge nicht mehr festhalten“ könne und „der Grenzwert deutlich höher liegen“ müsse „als in der Vergangenheit“ (BT-Drucks. 20/8704, S. 132). Dies verhallt schon deswegen, weil sich dem Gesetz selbst keine Abstriche von dem durch die Rechtsprechung konturierten Begriff der nicht geringen Menge entnehmen lassen. Dem hierzu legitimierten Gesetzgeber wäre es unbenommen gewesen, einen deutlich höheren Grenzwert, etwa als Vielfaches des nach der Methode der Rechtsprechung gewonnenen Werts, oder zumindest einen Weg zur Bestimmung eines anders als bisher zu ermittelnden Grenzwerts gesetzlich festzuschreiben. All dies hat er nicht getan, sondern sich auf die Verwendung eines im BtMG etablierten Rechtsbegriffs beschränkt.“  Man fragt sich: Warum so viel Worte? Schreibt doch gleich: Der Gesetzgeber und seine Intention interessieren uns nicht, „mia san mia“.

Etwas beruhigt bin ich, wenn man das Gemunkel hört, dass der 6. Strafsenat des BGH die Frage der „nicht geringen Menge“ wohl dem Großen Senat vorlegen will. Das wäre eine zu begrüßende Entwicklung. Allerdings dürfte das dann wohl nur wegen „grundsätzlicher Bedeutung“ gehen Denn wir haben es sowohl beim 1. als auch beim 5. Strafsenat nur mit nicht tragende Erwägungen und/oder  Segelanweisungen zu tun und dürften keine Divergenz begründen (dazu hier bei de legibus-blog: Der Bundesgerichtshof hat keinen Grenzwert für THC „festgesetzt”). Allerdings setzt auch die grundsätzliche Bedeutung eine Entscheidungserheblichkeit beim vorlegenden Senat voraus. Ich hoffe, dass das „Vorlagegerücht“ stimmt und der 6. Strafsenat (oder auch ein anderer) nur auf den richtigen Fall wartet.

Im Übrigen: Man muss sich dann im Grunde auch die Frage stellen: Hätte der 5. Strafsenat nach seinem eigenen Ansatz den Regelbeispieltatbestand nicht als verfassungswidrig ansehen müssen mit der Folge der Vorlage an das BVerfG? Denn wenn es einen solchen Dissens zwischen Gesetzgeber und Rechtsprechung über die Auslegung des Tatbestandsmerkmals gibt, ist der Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG nicht mehr gewahrt, oder? Nun ja, aber solche Fragen sind in der Beratung dann wohl „verhallt.“

Die Knallgeräusche, die man nach der Veröffentlichung gehört hat, waren übrigens die Sektkorken, die beim KG und beim OLG Hamburg geflogen sind.