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StGB II: Bezeichnung einer BT-Abgeordneten als „es“, oder: Beleidigung, Schmähkritik, Menschenwürde

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Und als zweites Posting dann die erste „Beleidigungsentscheidung“, und zwar das KG, Urt. v. 29.01.2024 – 2 ORs 38/23 – zum Begriff der Schmähkritik und den Voraussetzungen eines Angriffs auf die Menschenwürde bei der Bezeichnung einer Bundestagsabgeordneten als „es“

Das KG geht von folgenden Feststellungen des Berufungsgerichts aus:

„Am 7. April 2022 fand im Bundestag die Abstimmung zur Impfpflicht gegen Sars-CoV-2 statt. Der Angeklagte hielt sich im Rahmen seiner Tätigkeit als „Go“-Journalist – gemeinsam mit dem gesondert verfolgten R B – auf dem Platz der Republik vor dem Reichstagsgebäude auf und führte mehrere Interviews mit Bundestagsabgeordneten, unter anderem mit Ar La (CDU) und C Li (FDP), die er jeweils auf Video aufzeichnete und später auf seinem Telegramkanal veröffentlichte. Ebenso filmte er mit seiner Kamera, wie die Bundestagsabgeordnete T Ga auf dem Weg zur parlamentarischen Abstimmung das Reichstagsgebäude betrat. Während die Abgeordnete sich dem Eingang des Gebäudes näherte, äußerte der Angeklagte in deren Richtung: „Haben Sie sich umoperieren lassen? Mann ist Mann und Frau ist Frau, vergessen Sie das nicht! Menschenskinder, ich find das oberpeinlich, was Sie abziehen. Und das von meinen Steuergeldern, was soll der Scheiß? Hörn Sie mal auf damit, Mann ist Mann und Frau ist Frau. […] Wir beobachten Sie ganz genau, Schritt für Schritt.“ In dem folgenden Gespräch mit dem gesondert verfolgten B äußerte der Angeklagte sodann in Bezug auf T Ga: „Ja, das ist dieser umoperierte Typ da. […] Das ist ’n Bundestagsabgeordneter, der hat sich zur Frau umoperieren lassen.“ Daraufhin bekundete der gesondert verfolgte B: „Der hat seinen Dödel noch“, woraufhin der An-geklagte antwortete: „Ach der hat den noch, ja, ok. Ja es ist ’n Mann. Mann ist Mann und Frau ist Frau.“ Dies kommentierte der gesondert verfolgte B mit den Worten: „Es fühlt sich als Frau“, die der Angeklagte anschließend zustimmend – und in die Kamera lächelnd – wiederholte.

Das Video mit den vorgenannten Worten des Angeklagten in Richtung der Abgeordneten Ga und dem anschließenden Dialog zwischen ihm und dem gesondert verfolgten B veröffentlichte der Angeklagte am selben Tag gegen 18.00 Uhr auf seinem für jedermann frei abrufbaren Telegramkanal „Ak Man“. Am Folgetag löschte er das Vi-deo. Es konnte nicht näher festgestellt werden, wie viele Personen das Video in der Zeit der Veröffentlichung sahen.“

Das AG hatte verurteilt, das LG dann frei gesprochen. Und das KG verwirft die gegen den Freispruch gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft. Es führt u.a. aus:

„2. Der Angeklagte hat mit der Äußerung „Es fühlt sich als Frau“ nach der revisions-rechtlich nicht zu beanstandenden Wertung der Berufungskammer eine als Ehrkränkung der Betroffenen anzusehende Meinung geäußert.

Das Landgericht hat die Äußerung des Angeklagten ausgehend von deren objektivem Sinngehalt ausgelegt. Es hat sich damit auseinandergesetzt, inwieweit die Äußerung – insbesondere der Teil „fühlt sich als Frau“ – einen Bezug zur Person, zu Bekundungen und zu politischen Aktivitäten der betroffenen Bundestagsabgeordneten hat. Des Weiteren hat es in der Verwendung des Wortes „es“ einen Bezug zu aktuellen Debatten um die Verwendung geschlechtsneutraler Pronomen gesehen. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung hat das Landgericht dann den Schluss gezogen, dass der Angeklagte aus Sicht des alle maßgeblichen tatprägenden Umstände kennenden unbefangenen verständigen Dritten der Betroffenen mit seinen Worten ab-gesprochen hat, Mann oder Frau zu sein. Zurecht, ohne dass ein Verstoß gegen Auslegungsregeln oder eine Außerachtlassung weiterer Deutungsmöglichkeiten zu erkennen wäre, hat die Berufungskammer in der Äußerung daher ein ehrverletzen-des Werturteil gesehen.

3. Die Berufungskammer hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die verfahrensgegenständliche Äußerung keine Schmähkritik, keine Formalbeleidigung und keinen Angriff auf die Menschenwürde darstellt. Sie hat erkannt, dass eine Verurteilung auf der Grundlage des § 185 StGB daher eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits erfordert (vgl. BVerfG NJW 2016, 2870 mwN; Burkhardt/Pfeier, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl., Kap. 5 Rn. 192; Mann, Die Strafbarkeit wegen Beleidigung im „Kampf ums Recht“, in: FS für Alexander Ignor, S. 191ff).

a) Soweit die Revision vorträgt, dass in der Äußerung des Angeklagten eine Schmähung zu sehen sei, hinter der die Meinungsfreiheit ohne eine Einzelfallabwägung zurücktritt (vgl. BVerfG NJW 2020, 2622 mwN; BVerfGE 82, 43), hat das Landgericht eine solche zutreffend verneint.

aa) Die Rechtsprechung hat den Begriff der Schmähkritik eng definiert (vgl. BVerfG EuGRZ 2013, 637; BVerfGE 93, 266). Auch eine überzogene, völlig unverhältnismäßige oder sogar ausfällige Kritik macht eine Äußerung noch nicht zur Schmähung, so dass selbst eine Strafbarkeit von Äußerungen, die die persönliche Ehre erheblich herabsetzen, in aller Regel eine Abwägung erfordert (vgl. BVerfG NJW 2020, 2622; BVerfG NJW 2020, 2631). Denn gerade Kritik darf auch grundlos, pointiert, pole-misch und überspitzt geäußert werden, und die Grenze zulässiger Meinungsäußerung liegt nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist oder wo Gründe für die geäußerte kritische Bewertung nicht gegeben werden (vgl. BVerfG NJW 2020, 2622 mwN).

Im verfassungsrechtlichen Sinn ist Schmähung danach anzunehmen, wenn eine Äußerung unter Berücksichtigung ihres Anlasses und Kontextes (vgl. BVerfG NJW 2009, 749 mwN) keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr im Grunde nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht. Davon abzugrenzen sind Fälle, in denen die Äußerung, auch wenn sie gravierend ehrverletzend und damit unsachlich ist, letztlich als (überschießendes) Mittel zum Zweck der Kritik eines Sachverhaltes dient. Dann geht es dem Äußernden nicht allein darum, den Betroffenen als solchen zu diffamieren, sondern stellt sich die Äußerung als Teil einer anlassbezogenen Auseinandersetzung dar (vgl. BVerfG NJW 2020, 2622; NJW 2020, 2636 mwN).

b) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hat das Landgericht zurecht angenommen, dass die Äußerung des Angeklagten in ihrem Kontext keine Schmähung dar-stellt. Der Revision ist dabei zuzugeben, dass die Worte des Angeklagten (auch) auf den persönlichen Geltungsanspruch der Betroffenen abzielen. Dem steht jedoch – entgegen der Revisionsbegründung – ein vom Landgericht unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Urteilsgründe knapp, aber zutreffend beschriebener Sachbezug gegenüber.

Betroffen von der verfahrensgegenständlichen Äußerung des Angeklagten ist eine Bundestagsabgeordnete, die sich nach den Urteilsfeststellungen in der Vergangen-heit unter anderem öffentlich zu ihrem Personenstand und ihrer persönlichen Haltung zu Verfahren für Namens- und Personenstandsänderungen erklärt hat. Sie hat sich zudem zum geltenden Transsexuellengesetz geäußert. Sie betrat das Reichstagsge-bäude zur Abstimmung, als der Angeklagte, der sich vor Ort befand und verschiede-ne andere Politiker interviewte, sie filmte, sich in ihre Richtung äußerte und schließlich das Gespräch mit der verfahrensgegenständlichen Bemerkung aufnahm. Es liegt daher ersichtlich kein Fall vor, in dem eine vorherige Auseinandersetzung nur äußerlich zum Anlass für eine diffamierende Bemerkung dient oder in dem aus dem Schutz der Anonymität des Internets heraus Verunglimpfungen getätigt worden sind (vgl. BVerfG NJW 2020, 2622). Auch die Revisionsbegründung weist auf keinen der-artigen Sachverhalt hin.

Das Landgericht hat anhand des Videos zudem festgestellt, dass sich der Redebeitrag des Angeklagten nicht in den inkriminierten Worten erschöpfte. Vielmehr äußerte er sich mehrfach – in Richtung der Betroffenen sowie im Gespräch mit dem gesondert verfolgten B – und brachte dabei insgesamt polemisch, überspitzt und unsachlich zum Ausdruck, dass er die von ihrem rechtlichen Personenstand differieren-de geschlechtliche Identität der Betroffenen nicht anerkennt. Dass die Betroffene ihm gerade aufgrund ihrer Tätigkeit als Bundestagsabgeordnete bekannt war und er dieser Tätigkeit Bedeutung zumaß, ergibt sich ebenfalls aus seinem Redebeitrag. Die für strafwürdig befundene Äußerung dient damit entgegen der Revisionsbegründung nicht allein der abschätzigen Bewertung des äußeren Erscheinungsbildes und der gelebten Geschlechtsidentität der Betroffenen. Vielmehr steht sie auch (noch) im Zusammenhang mit deren Wirken in der öffentlichen Meinungsbildung zu einer Neu-regelung von Rechten für transgeschlechtliche Menschen.

Dem steht nicht entgegen, dass der vom Landgericht festgestellte Anlass für den Angeklagten, sich vor dem Bundestag aufzuhalten, die anstehende Abstimmung zur Impfpflicht gegen Sars-CoV-2 gewesen ist. Denn eines Grundes für eine geäußerte Kritik bedarf es gerade nicht. Die abfällige Äußerung des Angeklagten ist daher nicht schon deshalb als Schmähung zu qualifizieren, weil sich kein inhaltlicher Zusammen-hang zu dem Thema der anstehenden Abstimmung herstellen lässt.

b) Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht zudem verneint, dass die Äußerung des Angeklagten die Menschenwürde angreift, die als Fundament aller Grundrechte mit keinem Einzelgrundrecht abwägungsfähig ist (vgl. BVerfG 93, 266; BVerfGE 107, 275; KG, Beschluss vom 26. November 2019 – [5] 161 Ss 165/19 [34/19] – mwN).

……

bb) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe liegt ein Angriff auf die Menschenwürde nicht vor, obwohl der Angeklagte die Betroffene herabwürdigt, wenn er das Pronomens „es“ verwendet, um über sie zu sprechen.

Zum einen gehört die geschlechtliche Identität einer Person nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur engeren persönlichen Lebenssphäre, die nicht primär durch Art. 1 Abs. 1 GG, sondern durch das Grundrecht der freien Persönlichkeitsentfaltung als allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG iVm Art. 1 Abs. 1 GG) geschützt wird (vgl. BVerfGE 115, 1 [14] mwN; BVerfGE 96, 56 [61]). Art. 2 Abs. 1 iVm Art 1 Abs. 1 GG garantiert insoweit als Teil dieser Lebenssphäre den intimen Sexualbereich, der die sexuelle Selbstbestimmung de Menschen und damit das Finden und Erkennen der eigenen geschlechtlichen Identität sowie der eigenen sexuellen Orientierung umfasst (BVerfGE 128, 109 [124]; BVerfGE 115, 1 [14]). Zwar nimmt die Zuordnung zu einem Geschlecht typischerweise eine Schlüsselposition sowohl im Selbstverständnis einer Person als auch dabei ein, wie die betroffene Person von anderen wahrgenommen wird. Ihr kommt für die individuelle Identität unter den gegebenen Bedingungen herausragende Bedeutung zu und auch in alltäglichen Lebensvorgängen spielt sie eine wichtige Rolle (vgl. BVerfGE 147, 1 [19]). Dennoch wird die geschlechtliche Identität in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung regelmäßig als „ein“ konstituierender Aspekt der eigenen Persönlichkeit (vgl. BVerfGE 147, 1 [19]; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 17. November 2023 – 1 BvR 1915/23 –, juris), nicht als der die menschliche Würde ausmachende Kern bezeichnet. Durch die Bezeichnung einer Person als „gleichsam geschlechtsloses Wesen“ (UA S. 5) wird daher nicht per se die Menschenwürde angegriffen.

Zum anderen ergibt auch die erforderliche Gesamtschau der Umstände (vgl. KG, Beschluss vom 27. Dezember 2001 – [4] 1 Ss 297/01 [166/01] –, juris mwN), dass kein Angriff auf die Menschenwürde vorliegt. Einzubeziehen ist, dass der Angeklagte der Betroffenen zunächst vorwirft, sich „oberpeinlich“ zu verhalten, und unter anderem – unsachlich und mit diskriminierender Konnotation – ausdrückt, dass er einen Wechsel der Geschlechtsidentität ablehnt. Die insoweit von ihm verwendete Ansprache „Sie“ mag überspitzte Höflichkeit und ebenfalls herabwürdigend gemeint gewesen sein. Der Redebeitrag in seiner Gesamtheit adressiert die Betroffene aber als Person. Unter Berücksichtigung ihres Gesamtzusammenhangs ist die Äußerung da-mit nicht dahingehend zu verstehen, dass der Angeklagte der Betroffenen mit dem Wort „es“ das Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abspricht.

4. Die von der Strafkammer vor dem Hintergrund der Verneinung der Fallkonstellationen der Schmähung, der Formalbeleidigung und des Menschenwürdeangriffs vorgenommene Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht der betroffenen Bundestagsabgeordneten und der Meinungsfreiheit des Angeklagten hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

a) Liegt keine Schmähkritik, keine Formalbeleidigung oder kein Angriff auf die Menschenwürde vor, begründet dies bei Äußerungen, mit denen eine Person in ihrer Ehre herabgesetzt wird, kein Indiz für den Vorrang der Meinungsfreiheit (vgl. BVerfG NJW 2022, 1523).  Voraussetzung einer strafrechtlichen Sanktion ist dann allerdings – wie es der Normalfall für den Ausgleich von Meinungsfreiheit und Persönlichkeits-recht ist – eine grundrechtlich angeleitete Abwägung, die an die wertungsoffenen Tatbestandsmerkmale und Strafbarkeitsvoraussetzungen des Strafgesetzbuchs, ins-besondere die Begriffe der „Beleidigung“ und der „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ anknüpft. Hierfür bedarf es einer umfassenden Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Falls und der Situation, in der die Äußerung erfolgte (vgl. BVerfG aaO; NJW 2020, 2622 jeweils mwN).

Zu den hierbei zu berücksichtigenden Umständen können insbesondere Inhalt, Form, Anlass und Wirkung der betreffenden Äußerung sowie Person und Anzahl der Äußernden, der Betroffenen und der Rezipienten gehören. Das bei der Abwägung an-zusetzende Gewicht der Meinungsfreiheit ist umso höher, je mehr die Äußerung da-rauf zielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, und umso geringer, je mehr es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen geht (vgl. BVerfG NJW 2020, 2622; BayObLG, Beschluss vom 15. August 2023 – 204 StRR 292/23 –, juris).

Bei der Gewichtung der durch eine Äußerung berührten grundrechtlichen Interessen ist zudem davon auszugehen, dass der Schutz der Meinungsfreiheit gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet. Teil dieser Freiheit ist, dass Bürgerinnen und Bürger von ihnen als verantwortlich angesehene Amtsträgerinnen und Amtsträger in anklagender und personalisierter Weise für deren Art und Weise der Machtausübung angreifen können, ohne befürchten zu müssen, dass die personenbezogenen Elemente solcher Äußerungen aus diesem Kontext herausgelöst werden und die Grundlage für einschneidende gerichtliche Sanktionen bilden. In die Abwägung ist daher einzustellen, ob die Privatsphäre der Betroffenen oder ihr öffentliches Wirken mit seinen – unter Umständen weitreichenden – gesellschaftlichen Folgen Gegenstand der Äußerung ist und welche Rückwirkungen auf die persönliche Integrität der Betroffenen von einer Äußerung ausgehen können (vgl. BVerfG aaO mwN; KG, Beschluss vom 1. Juni 2023 – 4 ORs 37/23 –).

b) Entsprechend diesen Grundsätzen hat die Berufungskammer eine Abwägung vor-genommen, in die sie die maßgeblichen Tatumstände, insbesondere Inhalt und Form der betreffenden Äußerung sowie die Person des Äußernden, der Betroffenen und die Anzahl der Rezipienten, eingestellt hat.

aa) Das Landgericht hat zutreffend berücksichtigt, dass der Angeklagte die Äußerung des gesondert verfolgten B wiederholte. Die Äußerung sei einerseits spontan und mündlich erfolgt, durch die Veröffentlichung auf dem Telegramkanal des Ange-klagten jedoch der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Das Landgericht hat diesbezüglich zudem festgestellt, dass der Angeklagte das Video nach einem Tag löschte. Die sich daraus ergebende Würdigung des Landgerichts, dass die Zugänglichkeit des Videos nur für einen begrenzten Zeitraum und für einen begrenzten Personenkreis bestand, ist möglich und weder lückenhaft noch unklar oder widersprüchlich.

bb) Das Landgericht hat zudem in seine Abwägung einbezogen, dass der Angeklagte vor dem Bundestag zu der damals unmittelbar bevorstehenden Abstimmung zur Corona-Impfpflicht mehrere Politiker interviewte und die verfahrensgegenständliche Äußerung im Rahmen dieser Beschäftigung tätigte. Er habe sich dort „zur kritischen Auseinandersetzung mit dem parlamentarischen Handeln aufgehalten“ (UA S. 9). Insoweit hat das Landgericht angenommen, dass der Angeklagte auch auf das öffentliche Wirken der Betroffenen als Bundestagsabgeordnete abzielte. Es hat daraus unter erschöpfender Würdigung der dazu getätigten Feststellungen den nachvoll-ziehbaren Schluss gezogen, dass es sich bei der Äußerung um zulässige Machtkritik handelt; zumal der Angeklagte die Betroffene nach den Urteilsgründen auch als mit (seinen) Steuergeldern finanzierte Abgeordnete ansprach.

In diesem Zusammenhang berücksichtigt die Kammer zutreffend, dass unter dem Gesichtspunkt der Machtkritik nicht jede auch ins Persönliche gehende Beschimpfung von Amtsträgern erlaubt ist (vgl. BVerfG NJW 2022, 680; BVerfG NJW 2022, 1523). Gerichte haben unter dem Aspekt der Machtkritik aber Auslegung und An-wendung des Art. 10 Abs. 2 EMRK durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu berücksichtigen, der in ständiger Rechtsprechung betont, dass die Grenzen zulässiger Kritik an Politikerinnen und Politikern, die bewusst in die Öffentlichkeit treten, weiter zu ziehen sind als bei Privatpersonen (vgl. BVerfG NJW 2022, 680 mwN). Dies gilt mithin auch für die Betroffene, deren persönliche Herabwürdigung das Landgericht ebenso gewürdigt hat wie die Tatsache, dass sie als Bundestagsabgeordnete weithin bekannt ist und erhebliche öffentliche Aufmerksamkeit beansprucht.

cc) Revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass die Berufungskammer in einer Gesamtbetrachtung die herabwürdigende Äußerung des Angeklagten als einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung betrachtet hat, hinter den der Ehr-schutz der Betroffenen im Ergebnis zurücktritt. Denn die Berufungskammer hat ins-besondere die maßgeblichen tatprägenden Begleitumstände rechtsfehlerfrei festgestellt und in ihrer Abwägung berücksichtigt. Soweit das Landgericht zuletzt darauf verweist, dass die Benutzung des Wortes „es“ auch einen „Bezug zur aktuellen Debatte um die Verwendung geschlechtsneutraler Pronomen“ aufweist (UA S. 11), ist auch diese Wertung ohne Verstoß gegen Sprach- und Denkgesetze, Erfahrungssätze und allgemeine Auslegungsregeln. Zwar wäre dagegen einzuwenden, dass es die aktuellen Debatten nicht gäbe, wenn das Pronomen „es“ geschlechtliche Identitäten hinreichend abbilden würde, und erkennt auch die Berufungskammer an, dass der Angeklagte mit „es“ gerade kein (gängigeres) geschlechtsneutrales Pronomen verwendet hat. Allerdings ist die sprachliche Entwicklung hinsichtlich verschiedener geschlechtlicher Identitäten weder in Bezug auf die Selbstbezeichnung noch in Bezug auf die Fremdbezeichnung bisher abgeschlossen. Die Würdigung des Landgerichts hält daher revisionsrechtlicher Prüfung stand.“

Ich weiß, war viel Text. Ist aber ja meist so bei diesen Verfahren.

StGB I: Rechtsbeugung im Unterbringungsverfahren, oder: Nicht alles, was falsch ist, beugt das Recht

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Und heute dann – seit längerem – mal wieder StGB, und zwar einmal Rechtsbeugung und zweimal Beleidigung.

Ich eröffne mit der Entscheidung, die sich mit einem Rechtsbeugungsvorwurf befasst. Es handelt sich um den BGH, Beschl. v. 18.04.2024 – 6 StR 386/23. Entschieden hat der BGH über ein Urteil des LG Stade. Das hatte die Angeklagte wegen Rechtsbeugung (§ 339 StGB) in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.

Nach den Feststellungen des LG hatte die RiAG, die sowohl für Zivil- als auch für Betreuungs- und Unterbringungssachen zuständig war, in der Zeit von Mai 2016 bis Dezember 2017 in 15 Fällen einstweilige und dauerhaft geschlossene Unterbringungen angeordnet. Dabei hatte sie die Betroffenen nicht vor der Unterbringung oder ? bei einstweiligen Unterbringungen ? unverzüglich nach der Entscheidung persönlich angehört. Grund: Sie wollte – so heißt es im BGH-Beschluss – „ihre beruflichen Aufgaben, insbesondere die von ihr erstrebte umfassende und genaue Bearbeitung von Zivilsachen, mit ihren privaten Belastungen in Einklang bringen.“

Das LG ist jeweils von Rechtsbeugung (§ 339 StGB) ausgegnagen. Die Angeklagte habe in jeder Entscheidung einen elementaren Verstoß gegen die Rechtsordnung begangen und sich subjektiv bewusst sowie aus sachfremden Erwägungen in schwerwiegender Weise von zentralen Verfahrensnormen entfernt.

Die Revision der Angeklagten hatte Erfolg. Der BGh hat das Urteil des LG mit en Feststellungen aufgehoben. Er beanstandet u.a., dass das LG insbesondere keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob die Angeklagte in Fällen einstweiliger Unterbringungen ausnahmsweise wegen Gefahr im Verzug von einer Anhörung absehen durfte (§ 332 FamFG). Ferner fehle es in den Urteilsgründen an der gebotenen wertenden Gesamtbetrachtung aller subjektiven und objektiven Umstände des Einzelfalls. Dazu führt der BGH aus:

„3. Schließlich fehlt es an einer wertenden Betrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalles.

a) Nicht jede unrichtige Rechtsanwendung beugt das Recht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfasst § 339 StGB vielmehr nur den Rechtsbruch als elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege, bei dem sich der Amtsträger bewusst in schwerwiegender Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei vom Gesetz entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an seinen eigenen Maßstäben ausrichtet (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 9. Mai 1994 – 5 StR 354/93 , BGHSt 40, 169, 178 ; vom 6. Oktober 1994 – 4 StR 23/94 , BGHSt 40, 272, 283 ; vom 21. Januar 2021 – 4 StR 83/20 Rn. 22). Ob ein elementarer Rechtsverstoß vorliegt, ist auf der Grundlage einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände zu entscheiden. Bei einem Verstoß gegen Verfahrensrecht kann neben dessen Ausmaß und Schwere insbesondere auch Bedeutung erlangen, welche Folgen dieser für die Partei hatte, inwieweit die Entscheidung materiell rechtskonform blieb und von welchen Motiven sich der Richter leiten ließ (vgl. BGH, Urteile vom 5. Dezember 1996 – 1 StR 376/96 , BGHSt 42, 343 ; vom 18. August 2021 – 5 StR 39/21 Rn. 32; Beschlüsse vom 14. September 2017 – 4 StR 274/16 , BGHSt 62, 312, 315 ; vom 29.November 2022 – 4 StR 149/22 , JR 2024, 249, 251).

b) Daran fehlt es.

aa) Im Ausgangspunkt ist das Landgericht mit Recht davon ausgegangen, dass in einem Verstoß gegen die Anhörungspflicht vor einer Unterbringungsmaßnahme regelmäßig ein schwerer Rechtsverstoß zu erblicken ist (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 2009 – 1 StR 201/09 , NStZ 2010, 92). Die persönliche Anhörung der Betroffenen nach § 319 Abs. 1 Satz 1 , § 331 Satz 1 Nr. 4 FamFG gehört zu den besonders bedeutsamen Verfahrensgarantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 GG fordert und zum Verfassungsgebot erhebt (vgl. BVerfG, NJW 1990, 2309, 2310 [BVerfG 17.01.1990 – 2 BvR 1592/88] zum baden-württembergischen Unterbringungsgesetz; BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 – XII ZB 330/13 , NJW-RR 2014, 642, 644). Es ist unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen ( Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ), auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfGE 58, 208, 222; 70, 297, 308). Der Richter muss danach die beabsichtigte Maßnahme eigenverantwortlich prüfen; er muss dafür Sorge tragen, dass die sich aus der Verfassung und dem einfachen Recht ergebenden Voraussetzungen beachtet werden (vgl. BVerfGE 103, 142, 151 [BVerfG 20.02.2001 – 2 BvR 1444/00] ).

bb) Weder das besondere Gewicht der Rechtsverletzung noch die festgestellte systematische Rechtsverletzung enthoben die Strafkammer hier von der Pflicht zur wertenden Betrachtung der weiteren Tatumstände. Soweit sie anderes aus einer Unterbringungsmaßnahmen betreffenden Entscheidung des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs gefolgert hat (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 2009 – 1 StR 201/09 Rn. 4), geht sie fehl.

Das Landgericht hat in objektiver Hinsicht nicht in den Blick genommen, ob die Entscheidungen der Angeklagten materiell rechtskonform blieben (vgl. BGH, Urteile vom 5. Dezember 1996 – 1 StR 376/96 , BGHSt 42, 343, 353 ; vom 13. Mai 2015 – 3 StR 498/14 Rn. 12; vom 18. August 2021 – 5 StR 39/21 Rn. 40; Beschluss vom 29. November 2022 – 4 StR 149/22 , JR 2024, 249, 251). Angesichts der in den Urteilsgründen teilweise mitgeteilten erheblichen psychotischen Erkrankungen der Betroffenen, der jeweiligen „ärztlichen Stellungnahmen“ und der bestellten Verfahrenspfleger liegt, auch eingedenk des hier jeweils gewahrten Grundsatzes der Aktenwahrheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2022 – 4 StR 149/22 , JR 2024, 249, 252 mwN), eine Rechtmäßigkeit der Maßnahmen nicht fern. Im Übrigen hat die Strafkammer die Folgen der Rechtsverletzung, etwa ob und über welchen Zeitraum jeweils eine Freiheitsentziehung erfolgte, nicht eingestellt. Dies gilt gleichermaßen für den Umstand, dass die Angeklagte in Einzelfällen die Anhörung kurz nach ihrer Entscheidung nachgeholt oder die Betroffenen kurz zuvor angehört hat.“

Nun ja, m.E. einerseits schon recht „großzügig“, andererseits gebietet der Beschluss aber auch denjenigen Einhalt, die bei jeder falschen Entscheidung gleich „Rechtsbeugung“ rufen.

StPO III: Neufestsetzung einer Strafe nach dem KCanG, oder: Welches Gericht ist zuständig?

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Und dann im dritten Posting drei OLG-Entscheidungen zur – inzwischen in Rechtsprechung und Literatur – umstrittenen Frage: Wer ist eigentlich in den vom KCanG betroffenen Fällen für die erforderliche Neufestsetzung einer Strafe nach Art. 316p, Art. 313 Abs. 3 S. 2 EGStGB sowie für die Neufestsetzung einer Gesamtstrafe nach Art. 316p, Art. 313 Abs. 4 S. 1 EGStGB zuständig? Ist das das erkennende Gericht oder ist das die Strafvollstreckungskammer?

Die OLG scheinen mehrheitlich zum Gericht des ersten Rechtszuges und nicht zur SttVK zu tendieren, so dass folgender Leitsatz passt:

Für die Neufestsetzung einer Strafe nach Art. 316p, Art. 313 Abs. 3 S. 2 EGStGB sowie für die Neufestsetzung einer Gesamtstrafe nach Art. 316p, Art. 313 Abs. 4 S. 1 EGStGB ist das erkennende Gericht und nicht die Strafvollstreckungskammer zuständig.

Und dazu verweise ich auf:

Wie gesagt, die Frage ist umstritten. Nachweise zu den abweichenden Meinungen stehen in den verlinkten Volltexten. Da findet man dann auch weitere Nachweise zu den Gerichten, die es ebenso sehen wi OLG Dresden, OLG Nürnberg und OLG Stuttgart.

StGB III: „Ungeimpft“ „Judenstern“ während Corona, oder: „from the river to the sea – Palestine will be free“

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Und dann zum Abschluss des Tages noch zwei Entscheidungen, und zwar einmal aus der „Abteilung“ „Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates“, und zwar „§ 86a StGB – Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“ bzw. aus der „Abteilung“ „Straftaten gegen die öffentliche Ordnung“, und zwar  „§ 130 StGB – Volksverhetzung“. Von beiden Entscheidungen gibt es aber nur die Leitsätze, die doch rechtlangen Begründungen dann bitte ggf. in den verlinkten Volltexet selbst nachlesen.

Also:

1. Der Wortlaut des § 130 Abs. 3 StGB ist allein auf die Billigung, Leugnung und Verharmlosung von unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Taten nach § 6 Abs. 1 VStGB bezogen und umfasst damit den Völkermord, nicht aber die weiteren dem Völkermord vorangegangenen Maßnahmen der Ausgrenzung, Schikanierung und Rechtlosstellung von Juden unter dem nationalsozialistischen Unrechtsregime.

2. Die Verwendung eines verfremdeten sogenannten Judensterns als Kritik an der Situation ungeimpfter Personen unter den Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie (sogenannter Ungeimpft-Stern) verwirklicht nicht den Tatbestand einer Volksverhetzung nach § 130 Abs. 3 StGB, wenn die Verwendung dieses Zeichens nach den tatrichterlichen Feststellungen unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls auf Maßnahmen der Ausgrenzung, Schikanierung und Rechtlosstellung von Juden bezogen zu verstehen ist, nicht aber auf den an ihnen unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Völkermord.

1. Es ist fraglich, ob es sich dem Slogan „from the river to the sea – Palestine will be free“ um ein Kennzeichen im Sinne des § 86a StGB handelt. Jedenfalls ermangelt es an einem hinreichenden Verdacht dahingehend, dass es sich hierbei um ein solches der HAMAS handelt.

2. Zur Strafbarkeit der Verwendung des Slogans „from the river to the sea – Palestine will be free“ “ (hier verneint)

StGB II: Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz, oder: Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen

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Und dann hier der BGH, Beschl. v. 28.05.2024 – 6 StR 158/24 -, der sich zu den Erforderlichen Feststellungen bei einer Verurteilung wegen Verstoßes gegen das GewG äußert.

Das LG hat hat den Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen, Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz zuwider gehandelt zu haben, weil er die Taten im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen habe. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine  Revision hatte Erfolg:

„Das Landgericht hat keine ausreichenden Feststellungen zur rechtlichen Wirksamkeit der einstweiligen Gewaltschutzanordnung getroffen. Den Urteilsgründen lässt sich lediglich entnehmen, dass es dem Angeklagten durch einstweilige Anordnungen des Amtsgerichts Zerbst vom 3. Februar 2021 und 12. August 2021 untersagt war, zu der Nebenklägerin und der Nebenklägervertreterin „Verbindung, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen“. Hiergegen verstieß der Angeklagte, indem er diesen drei Briefe übersandte. Die Annahme einer rechtswidrigen Tat nach § 4 Satz 1 GewSchG wegen einer Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG setzt jedoch voraus, dass das Strafgericht selbst die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung überprüft und dabei eigenständig deren tatbestandliche Voraussetzungen ohne Bindung an die amtsgerichtliche Entscheidung feststellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. November 2013 – 3 StR 40/13 , BGHSt 59, 94 ; vom 15. März 2017 – 2 StR 270/16 ; vom 21. März 2023 – 6 StR 19/23 ,StV 2024, 124). Dies ist nicht geschehen.

Zudem belegen die Feststellungen nicht, dass die getroffenen Anordnungen des Familiengerichts im Sinne des § 4 Satz 1 GewSchG schon „vollstreckbar“ waren. Dies setzt grundsätzlich die Zustellung der Entscheidung nach § 87 Abs. 2 FamFG voraus (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2007 – 5 StR 536/06 , BGHSt 51, 257 ; Beschluss vom 3. Februar 2016 – 1 StR 578/15 , NStZ-RR 2016, 155); die bloße Kenntnis des Angeklagten vom Inhalt der Anordnung steht dem nicht gleich (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Mai 2012 – 4 StR 122/12 , NStZ 2013, 108; vom 5. Mai 2020 – 4 StR 137/20 ). Außerdem kann die Zulässigkeit der Vollstreckung auch nach § 53 Abs. 2 Satz 1 oder § 216 Abs. 2 FamFG angeordnet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 4 StR 122/12 , NStZ 2013, 108 [BGH 04.09.2012 – 1 StR 534/11] ; BeckOGK/Schulte-Bunert, GewSchG, 1. April 2024, § 4 Rn. 7). Feststellungen zum Vorliegen der vorgenannten Voraussetzungen enthält das Urteil indes nicht.“