Archiv der Kategorie: StPO

Neues aus Berlin I: Geschäftsverteilung und Schöffen, oder: Beschränkung der Laienverteidigung

Bild von megapixel.click – betexion – photos for free auf Pixabay

Und dann starte ich in die neue Woche mal nicht mit Entscheidungen, sondern mit zwei Beiträgen zu Gesetzesvorhaben, die in Berlin in der Pipeline sind.

Zunächst der Hinweis auf einen am 30.08.2024 veröffentlichen Referentenentwurf des BMJ zu geplanten Änderungen im GVG. Vorgesehen sind zwei Änderungen, und zwar.

  • In Zukunft sollen Gerichte verpflichtet sein, ihre Geschäftsverteilungspläne im Internet zu veröffentlichen.
  • Zudem soll der Zugang zum Schöffenamt strenger reguliert werden. Es sollen Personen als Schöffen ausgeschlossen sein, die wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden. Bisher lag die Schwelle bei sechs Monaten Freiheitsstrafe, Geldstrafen hatten gar keine Bedeutung.

Und dann gibt es noch einen Gesetzesentwurf zur Änderung der StPO aus Bayern (BR-Drucksache 206/24), und zwar zur Beschränkung der Laienverteidigung. Hintergrund ist § 138a Abs. 2a StPO. Danach darf ausnahmsweise vom Gericht im Einzel-
fall auf Antrag eine andere Person als ein Rechtsanwalt oder Hochschullehrer, der die Befä-
higung zum Richteramt hat, als Verteidiger zugelassen werden (sogenannte
Laienverteidiger). Diese muss kein Rechtsanwalt oder Volljurist sein. Es genügt,
dass sie nach Ansicht des Gerichts ausreichend sachkundig und vertrauenswürdig
für eine ordnungsgemäße Verteidigung ist und keine sonstigen Bedenken gegen die
gewählte Person bestehen.

Vorgeschlagen wird, eine Genehmigung nur noch folgenden Personen zu erteilen:

„1. Volljährigen Angehörigen des Beschuldigten,
2. Personen mit Befähigung zum Richteramt, wenn die Vertretung nicht im
Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit für den Beschuldigten
steht,
3. Vertretern von Berufsverbänden, Gewerkschaften oder Vereinigungen von
Arbeitgebern sowie von Zusammenschlüssen solcher Verbände für ihre
Mitglieder oder für andere Verbände oder Vertreter von Zusammenschlüssen mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder oder
4. Vertretern von juristischen Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaft-
lichen Eigentum einer der in Nummer 3 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und
Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer
Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit ihrer Vertreter haftet.“

Mal sehen was aus den beiden Vorhaben wird.

 

Ablehung von PKH wegen fehlender Erfolgsaussicht, oder: Ablehnungsbeschluss ist nicht anfechtbar

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Und dann die Gebührenentscheidungen am Freitag.

Ich starte zum Warmwerden mit dem BayObLG, Beschl. v. 30.04.2024 – 203 StObWs 150/24. Nicht direkt Gebühren, aber der Beschluss hat damit zu tun. Es geht um die Anfechtbarkeit der PKH-Entscheidung im Strafvollzugsverfahren. Da sagt das BayObLG: Nicht anfechtbar:

„Der Senat hat das Rechtsmittel aufgrund der ausdrücklichen Bezeichnung durch die Rechtsanwältin als Rechtsbeschwerde und hilfsweise als sofortige Beschwerde geprüft. Das Rechtsmittel gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer erweist sich als unzulässig.

1. Eine Rechtsbeschwerde nach § 116 Abs. 1 StVollzG wäre gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer nicht eröffnet, da sich das Tatgericht – insoweit auch rechtsfehlerfrei – isoliert mit dem ihm zur Entscheidung unterbreiteten Begehren des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe befasst hat.

2. Die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe ist ebenfalls unzulässig. Nach überwiegender obergerichtlicher Auffassung, der sich der Senat anschließt und die auch im Schrifttum Zustimmung erlangt hat, ist im Strafvollzugsverfahren ein die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht ablehnender Beschluss der Strafvollstreckungskammer ungeachtet des Verfahrenswerts nicht anfechtbar (vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 12. Mai 2020 – 1 Ws 129/19 –, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25. März 2020 – 2 Ws 38/20 –, juris Rn. 7; OLG Koblenz, Beschluss vom 5. November 2019 – 2 Ws 627/19 Vollz –, juris Rn. 10; KG, Beschluss vom 16. Februar 2018 – 5 Ws 20/18 Vollz -, juris Rn. 2 ff.; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18. Februar 2014 – 1 Ws 294/13-, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 4. Dezember 2012 – III-1 Vollz (Ws) 672/12-, juris; OLG Hamburg, Beschluss vom 17. November 2008 – 3 Vollz (Ws) 64/08 –, juris Rn. 8; OLG Naumburg, Beschluss vom 9. September 2003 – 1 Ws 275/03, juris; Spaniol in Feest/Lesting/Lindemann, Strafvollzugsgesetze, 8. Aufl., Teil IV § 120 StVollzG Rn. 21; Laubenthal in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 7. Aufl., 12. Kapitel § 120 Rn. 12; Euler in BeckOK Strafvollzug Bund, §120 StVollzG, 25. Ed., § 120 Rn. 11; Bachmann in Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baier, Strafvollzugsgesetze, 13. Aufl., P § 120 StVollzG Rn. 140; diff. nach Beschwerdewert wohl Arloth/Krä, StVollzG, 5. Aufl. § 120 Rn. 7; diff. nach zulässig eingelegter Rechtsbeschwerde OLG Rostock, Beschluss vom 6. Februar 2012 – I Vollz [Ws] 3/12 – BeckRS 2012, 04285). Denn im Strafvollzugsverfahren ist gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer keine weitere Tatsacheninstanz eröffnet (vgl. KG a.a.O.; OLG Hamburg a.a.O.).“

StPO III: Entfernung des Soldaten aus dem Dienst? oder: Missbrauchsverfahren nach § 153a StPO eingestellt

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Und als dritte Entscheidung dann noch etwas zu den Folgen einer Einstellung nach § 153a StPO. Die Entscheidung, es handelt sich um das BVerwG, Urt. v. 25.06.2024 – 2 WD 15.23 -, befasst sich mit einem Kindesmissbrauch durch einen Soldaten, der aufgrund dieses Missbrauchs aus dem Dienst etnfernt wird. Dagegen hatte der Soldat geklagt. Ohne Erfolg.

ich stelle hier nur den Leitsatz des BVerwG ein, soweit er § 153a StPO betrifft, das Strafverfahren gegen den Soldaten war nämlich nach § 153a StPO eingestellt worden. Dazu heißt es:

Die Einstellung eines Strafverfahrens wegen Kindesmissbrauchs nach § 153a Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO, hindert das Wehrdienstgericht nicht, den Soldaten wegen dieser Tat im Disziplinarverfahren aus dem Dienst zu entfernen.

Das darf man als Verteidiger bei der Beratung des Mandanten nicht aus den Augen verlieren. Im Übrigen verweise ich, vor allem wegen des Ausführungen des BVerwG zum Vorsatz, auf den Volltext.

StPO II: Einstellung der Einziehungsvollstreckung, oder: Sporadische erfolglose Vollstreckung

Bild von Andrew Khoroshavin auf Pixabay

Die zweite Entscheidung kommt dann auch noch einmal aus dem Bereich „Einziehung“.

Der Verurteilte ist im April 2018 wegen Steuerhinterziehung zu einer ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt worden. Außerdem wurde die Einziehung von Wertersatz i.H.v. 52.801,38 EUR angeordnet. Das Urteil ist rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft leitete daraufhin die Vollstreckung ein, um die Verfahrenskosten und den Wertersatz beizutreiben. Dabei hatte sie nur insoweit Erfolg, als sie vom mittlerweile in die Türkei ausgewanderten Verurteilten bei dessen Wiedereinreise über den Berliner Flughafen am 26.01.2023 200 EUR an Bargeld zugunsten des Finanzamtes beschlagnahmen konnte.

Der Verurteilte bezieht in der Türkei eine Rente von 11.367,62 Türkischen Lira (entspricht aktuell rund 310 EUR), sowie eine deutsche Rente von 423,80 EUR. Beide werden nicht gepfändet. Inländisches Vermögen ist nicht bekannt.

Mit E-Mail vom 23.04.2024 beantragte der Verurteilte unter Vorlage von Belegen bei der Staatsanwaltschaft einen Zahlungserlass. Er sei mittellos, von den beiden Renten könne er sich in der Türkei nicht einmal eine Mietwohnung leisten und er werde auch künftig nicht in der Lage sein, den geforderten Betrag zu bezahlen. Auf Aufforderung der Staatsanwaltschaft machte er sodann weitere Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen, die seine Mittellosigkeit bestätigten.

Die Staatsanwaltschaft lehnte den Antrag ab und legte die Sache dem LG vor. Sie beantragte, den Antrag auf Einstellung der Vollstreckung abzulehnen. Das LG ist dem im LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 06.08.2024 – 12 KLs 505 Js 871/18 – gefolgt:.

„1. Die Kammer war als Gericht des ersten Rechtszugs zur Entscheidung berufen (§ 459g Abs. 5, § 462 Abs. 1 Satz 1, § 462a Abs. 1, 2 Satz 1 StPO).

2. Der Antrag ist nach § 459g Abs. 5 StPO n.F. (also i.d.F. vom 25. Juni 2021) zu beurteilen. Es handelt sich bei dieser Vorschrift im Kern um eine verfahrensrechtliche Bestimmung, für die die Regelungen über die Anwendung des milderen Rechts (§ 2 Abs. 3, 4 StGB) keine Anwendung finden (KG, Beschluss vom 7. Juni 2024 – 5 Ws 47/24-161 GWs 24/24, juris Rn. 6; OLG Nürnberg, Beschluss vom 31. Mai 2023 – Ws 307/23, juris Rn. 13; OLG Hamburg, Beschluss vom 5. Januar 2023 – 5 Ws 52/22, juris Rn. 11 ff.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 20. Dezember 2022 – 4 Ws 514/22, juris Rn. 18; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 67. Aufl., § 459g Rn. 13c m.w.N. auch zur a.A.).

3. Anders als in den Vorgängerfassungen des § 459g Abs. 5 StPO n.F. reicht es für die Einstellung der Vollstreckung nicht mehr aus, dass der Wert des Erlangten – was hier der Fall zu sein scheint – nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist. Ausweislich der Gesetzesbegründung sei die frühere gesetzliche Einordnung des Falls, dass der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Einziehungsadressaten vorhanden sei (§ 459g Abs. 5 Satz 1 StPO a.F.), als unverhältnismäßig zu weitgehend gewesen. Sie widerspreche der Zielsetzung, durch Straftaten erlangtes Vermögen effektiv abzuschöpfen und den Wertungen des Bereicherungsrechts. Soweit der Wertersatzeinziehung die Funktion zukomme, eine durch die Begehung einer Straftat geschaffene rechtswidrige Vermögenslage zu beseitigen, führe die zwischenzeitliche Entreicherung durch Verbrauch des Erlangten – wozu auch die hier ersparten Aufwendungen für die Einkommensteuer gehören (vgl. Fischer, StGB, 71. Aufl., § 73 Rn. 18 m.w.N.) – im Grundsatz nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckung. Die Annahme einer Unverhältnismäßigkeit würde nämlich denjenigen privilegieren, der die Tatbeute schnell verbrauche. Der Straftäter könnte sich alleine dadurch der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung entziehen, dass er den erlangten Vermögenswert schnell ausgebe (BT-Drs. 19/27654, S. 111). Dem Übermaßverbot werde durch die Pfändungsschutzvorschriften ausreichend Rechnung getragen (vgl. § 459 Abs. 1 Satz 2 StPO, § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG, § 850 ff. ZPO), sodass als unverhältnismäßig im Wesentlichen die Fälle in Betracht kämen, in denen das vom Gesetz zugrunde gelegte Bedürfnis der Vermögensordnung stark herabgesetzt sei, beispielsweise, weil der Einziehungsadressat das Erlangte auf schicksalhafte und nicht von ihm zu vertretende Weise (etwa infolge schwerer Krankheit) verloren habe (BT-Drs. 19/27654, S. 112). Derlei ist hier weder vorgetragen noch ersichtlich.

Mit Blick auf ihre tatsächliche Durchführung ist die Vollstreckung aber auch sonst nicht unverhältnismäßig. Denn sie findet quasi nur virtuell statt. Auf die laufenden deutschen Rentenbezüge des Antragstellers – die auch mit der türkischen Rente zusammengerechnet die Pfändungsfreigrenzen des deutschen Rechts unterschreitet (vgl. § 54 Abs. 4 SGB I mit § 850c ZPO) – greift die Staatsanwaltschaft nicht zu. Die diffizile Frage, ob und inwieweit mit Blick auf den türkischen Wohnort des Antragstellers und die dort möglicherweise niedrigeren Lebenshaltungskosten ein Abschlag von den Pfändungsfreigrenzen vorzunehmen sein könnte (vgl. dazu etwa LG Kaiserslautern, Beschluss vom 26. Mai 2023 – 5 T 37/23, juris Rn. 23 ff.), hat die Staatsanwaltschaft bislang nicht zum Nachteil des Antragstellers aufgegriffen. Die einzige Gefahr, die dem Antragsteller aktuell droht, liegt darin, dass er bei einer Wiedereinreise in die Bundesrepublik wegen der aktiven Fahndung zur Einziehung von Taterträgen aufgegriffen wird. Diese Gefahr hat sich seit Einleitung der Vollstreckung vor rund sechs Jahren bislang einmalig realisiert, wobei 200 € beschlagnahmt wurden. Das mag dem Antragsteller lästig gefallen sein. Zu einer ernstlichen Beeinträchtigung seiner Lebensführung im Alltag führte das Vorgehen der Staatsanwaltschaft bislang jedoch nicht. Treffen die Ausführungen des Antragstellers zu seinen Vermögensverhältnissen zu, so hat er auch in Zukunft keine einschneidenden Beeinträchtigungen durch die Vollstreckungsbemühungen der Staatsanwaltschaft zu befürchten.

In der praktischen Handhabung stellt sich der Sachverhalt fast als Anwendungsfall des § 459g Abs. 5 Satz 2 StPO dar, der ähnlich auch schon in der alten Fassung der Norm geregelt war. Danach wird die Vollstreckung wieder aufgenommen, wenn Umstände bekannt werden oder eintreten, die einer Einstellung der Vollstreckung entgegenstehen, insbesondere, weil der Vollstreckungsschuldner doch Vermögen hat oder solches erwirbt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 67. Aufl., § 459g Rn. 14; KK-StPO/Appl, 9. Aufl., § 459g Rn. 19). Das entspricht – bis auf das Erfordernis der gerichtlichen Anordnung – dem hiesigen Vorgehen. Denn die ansonsten ruhende Vollstreckung wird nur beim Aufgreifen des Antragstellers im Inland und nur in dem Fall aktiviert, dass er pfändbare Wertsachen bei sich führt.

StPO III: Verfahrensrüge nach Berufungsverwerfung, oder: Corona-Selbsttest genügt ggf. nicht

Bild von Alexandra_Koch auf Pixabay

Und zum Schluss des Tages dann noch etwas aus Bayern, und zwar den BayObLG, Beschl. v. 04.06.2024 – 203 StRR 212/24.

Das LG hat die Berufung des vom AG wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilten Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO nach der Einholung einer ärztlichen Stellungnahme verworfen, weil er unentschuldigt trotz ordnungsgemäßer Ladung in dem Termin zur Hauptverhandlung am 12.12.2023 ausgeblieben war. Eine vom Verteidiger am Vormittag des Terminstages vorgelegte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 11.12.2023, die auf fernmündlichen Angaben des Angeklagten beruhe und eine Mandelentzündung bescheinige, die schriftliche Mitteilung des Angeklagten vom 11.12.2023, wonach er an „39.8 Fieber Husten Gliederschmerzen Kopfschmerzen“ leide und corona positiv im Bett läge und ein vom Angeklagten stammendes Lichtbild, das zwei Covid-19-Testbehälter sowie Teststreifen mit jeweils zwei Strichen, den handschriftlich aufgebrachten Namen des Angeklagten und das Datum „11.12.2023“ zeigen würde, könnten den Angeklagten nicht entschuldigen, nachdem ein Telefonat des Vorsitzenden mit dem ausstellenden Arzt ergeben hätte, dass sich der Angeklagte lediglich telefonisch krank gemeldet und gegenüber dem Arzt von einer Coronaerkrankung nichts erwähnt hätte. Nach der Beurteilung des Arztes wäre es dem Angeklagten ausgehend von den geschilderten Symptomen aus medizinischer Sicht möglich gewesen, zum Termin anzureisen und an der Verhandlung teilzunehmen.

Dagegen die Revision des Angeklagten, die keinen Erfolg hatte. Da wir mit den Fragen immer wieder zu tun haben, stelle ich nur die Leitsätte vor; die Einzelheiten dann bitte in dem wie immer umfangreich begründeten Beschluss selbst nachlesen:

1. Will die Revision mit ihrer Rüge einer Verletzung von § 329 Abs. 1 StPO im Falle einer Erkrankung des Angeklagten eine unrichtige Beurteilung der Entschuldigung geltend machen, hat sie die Tatsachen darzulegen, aus denen sich ergeben soll, dass dem Angeklagten das Erscheinen unmöglich oder unzumutbar war und das Berufungsgericht von diesem Entschuldigungsgrund Kenntnis hatte. In der Revision genügt allein die Mitteilung einer ärztlichen Bescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit ohne belastbare Aussagen zum Krankheitszustand diesen Anforderungen nicht.

2. Der Vortrag der Revision, es sei nicht ausgeschlossen, dass die Ergebnisse von Corona-Selbsttests vom Angeklagten herrührten, genügt nicht, um eine Verletzung von § 329 Abs. 1 StPO nach § 344 Abs. 2 S. 2 StPO hinreichend bestimmt zu behaupten. Die Revision muss Verfahrensverstöße als Tatsachen, nicht als bloße Möglichkeiten darstellen.

Na ja, hätte man m.E. auch anders sehen können. Mit Corona in die HV? Ich weiß nicht.