Archiv der Kategorie: Auslagen

Erledigterklärung einer Verfassungsbeschwerde, oder: Anordnung der Auslagenerstattung

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Und dann heute der RVG-Tag, allerdings ohne gebührenrechtliche Entscheidungen. Der Ordner ist leer.Ich bin also sehr an gebührenrechtlichen Entscheidungen interessiert.

Aber ich habe dann hier zunächst etwas kostenrechtliches, nämlich den BVerfG, Beschl. v. 08.06.2022 – 2 BvR 13/21 – zur Anordnung der Auslagenerstattung und der Gegenstandswertfestsetzung nach Erledigterklärung einer Verfassungsbeschwerde.

Beim  BVerfG war ein Verfassungsbeschwerdeverfahren anhängig. Die mit einem Eilantrag verbundene Verfassungsbeschwerde betraf die Auslieferung des Verfolgten nach Rumänien zur Strafvollstreckung. Das OLG erklärte mit dem angegriffenem Beschluss vom 08.12.2020 – III-3 AR 64/20 – die Auslieferung für zulässig. Auslieferungshindernisse bestünden nicht. Die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf bewilligte die Auslieferung am 1612.2020.

Unter Bezugnahme auf das BVerfG, Urteil vom 01.12.2020 (BVerfGE 156, 182 ff.) forderte die GStA Düsseldorf am 05.01.2021 die rumänischen Behörden zu ergänzenden Informationen sowie weiteren Zusicherungen hinsichtlich der den Verfolgten im Falle seiner Auslieferung wahrscheinlich erwartenden Haftbedingungen auf. Nachdem das OLG am 07.01.2021 die Entscheidung über einen Antrag des Verfolgten auf erneute Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung im Hinblick auf die angeforderten ergänzenden Informationen der rumänischen Behörden zurückgestellt hatte, erklärte der Verfolgte mit Schriftsatz vom 12.01.2021 das einstweilige Rechtsschutzverfahren vor dem BVerfG für erledigt.

Mit Beschluss vom 10.02.2021 – III-3 AR 64/20 – erklärte das OLG die Auslieferung für unzulässig und hob den Auslieferungshaftbefehl sowie die Haftfortdauerentscheidungen auf. Es bestehe die konkrete Gefahr, dass der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung in Rumänien in einer Justizvollzugsanstalt inhaftiert werden könnte, die europäischen Mindeststandards nicht genüge beziehungsweise in der er entgegen Art. 4 GRCh einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre. Mit Schriftsatz vom 21.02.2022 erklärte der Verfolgte daraufhin auch das Verfassungsbeschwerdeverfahren für erledigt.

Das BVerfG hat dann noch über die Kosten des Verfahrens entschieden. Diese hat es der Staatskasse auferlegt.

„Über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Hauptsache ist nicht mehr zu entscheiden, weil der Beschwerdeführer sie mit Schriftsätzen vom 12. Januar 2021 und vom 21. Februar 2022 für erledigt erklärt hat (vgl. BVerfGE 85, 109 <113>).

2. Dem Beschwerdeführer sind die durch das Verfassungsbeschwerdeverfahren und das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entstandenen notwendigen Auslagen gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG durch das Land Nordrhein-Westfalen zu erstatten.

a) Nach Erledigung der Hauptsache ist über die Auslagenerstattung gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu befinden. Bei der Entscheidung über die Auslagenerstattung kann insbesondere dem Grund wesentliche Bedeutung zukommen, der zur Erledigung geführt hat. Beseitigt die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt oder hilft sie der Beschwer auf andere Weise ab, so kann, falls keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind, davon ausgegangen werden, dass sie das Begehren des Beschwerdeführers selbst für berechtigt erachtet hat. In diesem Fall entspricht es der Billigkeit, sie ohne weitere Prüfung an ihrer Auffassung festzuhalten und dem Beschwerdeführer die Erstattung seiner Auslagen in gleicher Weise zuzubilligen, als wenn seiner Verfassungsbeschwerde stattgegeben worden wäre (vgl. etwa BVerfGE 85, 109 <115>; 87, 394 <397>; BVerfGK 5, 316 <327 f.>). Eine überschlägige Beurteilung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde findet im Hinblick auf die Funktion und die Tragweite der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen der Entscheidung über die Auslagenerstattung nicht statt (vgl. BVerfGE 33, 247 <264 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Mai 2018 – 2 BvR 2767/17 -, Rn. 13).

b) Nach diesen Maßstäben entspricht es der Billigkeit, neben der Erstattung der Auslagen des Beschwerdeführers im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auch die Erstattung seiner notwendigen Auslagen im Hauptsacheverfahren anzuordnen (vgl. BVerfGE 85, 109 <116>). Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit dem Beschluss vom 10. Februar 2021, mit dem es die Auslieferung des Beschwerdeführers nach Rumänien für unzulässig erklärt hat, die Erledigung des Verfassungsbeschwerdeverfahrens herbeigeführt und in der Begründung zum Ausdruck gebracht, dass es das mit der Verfassungsbeschwerde vom 6. Januar 2021 geltend gemachte Anliegen des Beschwerdeführers für berechtigt erachtete.

3. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>; BVerfGK 20, 336 <337 f.>).“

Abgerechnet wird dann nach § 37 RVG.

Termin beim Amtsgericht im Auslieferungsverfahren, oder: Keine Terminsgebühr

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Und als zweite Entscheidung dann der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 24.05.2022 – 1 AR 52/21 A. Ergangen nach einem Auslieferungsverfahren. Der Beschluss enthält nichts Neues, sondern bestätigt nur noch einmal die (falsche) h.M. in der Rechtsprechung, dass im Auslieferungsverfahren ein Termin vor dem Richter beim Amtsgericht – sei es zur Entscheidung über eine Festhalteanordnung, sei es zur Verkündung eines Haftbefehls – eine Terminsgebühr nicht entsteht:

„Die Gebühren der Rechtsanwältin für ihre Tätigkeit im vorliegenden Verfahren bestimmen sich nach Teil 6, Abschnitt 1, Unterabschnitt 2 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG. Diese Regelung ist abschließend, so dass Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses – auch nicht ergänzend – herangezogen werden kann. Dort ist lediglich die mit 348 € festgesetzte Verfahrensgebühr (Nr. 6101) vorgesehen, nicht dagegen eine Grundgebühr. Eine Terminsgebühr ist zwar vorgesehen (Nr. 6102), aber hier nicht angefallen.

Im Auslieferungsverfahren löst ein Termin vor dem Richter beim Amtsgericht – sei es zur Entscheidung über eine Festhalteanordnung, sei es zur Verkündung eines Haftbefehls – eine Terminsgebühr nicht aus (OLG Bamberg, Beschluss vom 07. Mai 2007, 5 Ausl 12/2007, Rn. 8 + 9; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 05. Mai 2011, <1> 53 AuslA 43/10 <20/10>, Rn. 8 + 9; Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 12. September 2018, 1 Ausl A 2/18, Rn. 10 – 19; OLG Dresden, Beschluss vom 01. Dezember 2017, OLGAusl 111/16, Rn. 12 – 15; OLG Frankfurt, Beschluss vom 18. November 2020, 2 Ws 91/20, Rn. 6 – 13; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 16. Februar 2021, Ausl 35/20, Rn. 22 – 36; OLG Hamm, Beschluss vom 25. Oktober 2016, III-1 Ws 241/16; OLG Koblenz, Beschluss vom 29. Februar 2008, <1> Ausl – III – 20/07, Rn. 8 + 9; OLG Köln, Beschluss vom 10. Januar 2018, 6 AuslA 195/17 – 110, Rn. 6 – 15; OLG München, Beschluss vom 19. Juli 2021, 4 Ws 3/21, Rn. 14 – 24; OLG Oldenburg, Beschluss vom 16. März 2009, Ausl 56/08, Rn. 6 – 8; OLG Rostock, Beschluss vom 12. März 2009, Ausl 14/08 I 7/08; OLG Stuttgart, Beschluss vom 01. Oktober 2009, 1 <3>, Ausl 1110/09, Rn. 6; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 11. März 2021, Ausl AR 55/20, Rn. 10 + 11; alle zitiert nach juris).“

Eine Begründung gibt das OLG für seine Entscheidung nicht. Die Zusammenstellung von Rechtsprechungszitaten ist keine Begründung……

Kosten-/Auslagenquotelung in der Kostenentscheidung, oder: Teilweises Obsiegen in der Rechtsmittelinstanz

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Die zweite Entscheidung des Tages kommt mit dem OLG Dresden, Beschl. v. 14.03.2022 – 1 Ws 67/22 – aus den neuen Bundesländnern. Sie nimmt Stellung zur Kosten-/Auslagenquotelung nach teilweisem Obsiegen in der Rechtsmittelinstanz, also § 473 Abs. 4 StPO.

Das AG hatte den Verurteilten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Außerdem wurde eine Einziehungsentscheidung über 3.685 EUR getroffen. Auf die Berufung des Verurteilten ist er vom LG zu einer Geldstrafe von (nur noch) 120 Tagessätzen zu je 10 EUR verurteilt worden. Das LG hat eine Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 4 StPO getroffen, dabei jedoch den Wegfall der Einziehungsentscheidung nicht berücksichtigt. Gegen die vom LG ausgeworfene Quote hat sich der Verurteilte mit der sofortigen Beschwerde gewendet. Diese hatte Erfolg:

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten, mit welcher dieser sich gegen die Kostenentscheidung unter Ziffer 3. des landgerichtlichen Urteils vom 18. Februar 2022 wendet, ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

„Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat insoweit in ihrer Antragsschrift vom 08. März 2022 Folgendes ausgeführt:

„Die Entscheidung des Gerichts, von einem wesentlichen Erfolg des unbeschränkt eingelegten Rechtsmittels der Berufung auszugehen und eine Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 4 StPO zu treffen, ist nachvollziehbar und nicht zu beanstanden, da die amtsgerichtlich erkannte Bewährungsstrafe aufgehoben und stattdessen auf eine Geldstrafe erkannt wurde. Auch ohne den Wegfall der Einziehungsentscheidung, hat die Berufung einen wesentlichen Teilerfolg erzielt.

Die sich anschließende Billigkeitsentscheidung des Gerichts ist jedoch zu beanstanden. Bei der zu treffenden Billigkeitsentscheidung kommt es regelmäßig maßgeblich darauf an, ob der Rechtsmittelführer die angefochtene Entscheidung hingenommen hätte, wenn sie so gelautet hätte, wie die auf das Rechtsmittel hin ergangene (MüKoStPO/Maier, 1. Aufl. 2019, § 473 Rn. 173). Aus der Verfahrensakte ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer die Entscheidung des Landgerichts im Übrigen nicht angegriffen hat.

Daneben ist – als ebenso wesentliches Kriterium – der Umfang des Teilerfolgs zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer obsiegte nicht nur mit dem Rechtsfolgenausspruch zur Tat, sondern auch in der Einziehungsentscheidung in der Hinsicht, als dass diese gänzlich entfallen ist. Aus den schriftlichen Urteilsgründen geht nicht hervor, ob das Landgericht diesen Aspekt in seiner Quotenentscheidung berücksichtigt hat.

Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, was einer Geldstrafe von 450 Tagessätzen entsprechen würde. Ausgehend von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers, wie sie das Landgericht feststellte, wäre der Beschwerdeführer zu einer Geldstrafe von 4.500,00 € verurteilt worden. Hinzu käme der Verlust von 3.685,00 € aufgrund der Einziehungsentscheidung. In der Summe hätte den Angeklagten mithinein Strafübel von 8.185,00 € getroffen.

Aufgrund der landgerichtlichen Entscheidung trifft den Angeklagten nunmehr ein Strafübel von 1.200,00 €. Das nunmehr rechtskräftige Strafübel liegt erheblich unter dem des amtsgerichtlichen Urteils, wenn von derselben Straftat ausgegangen würde. Die nunmehr zum Wegfall gebrachte Einziehungsentscheidung macht hiervon einen wesentlichen Teil aus und ist daher bei der Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen.

Eine Kostenquotelung zwischen der Staatskasse und dem Angeklagten von 6/7 und 1/7 spiegelt das Obsiegen des Angeklagten daher in einem angemessenen Verhältnis wider.“

Den zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an.“

Notwendige Auslagen nicht zu Lasten der Landeskasse, oder: Willkürlich, wenn keine Begründung

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Und als zweite Entscheidung etwas zur Auslagenentscheidung im Bußgeldverfahren, und zwar der VerfGH Berlin, Beschl. v. 27.04.2022 – VerfGH 130/20. Das AG Berlin-Tiergarten hatte ein Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt. Es hat dabei zwar die Kosten des Verfahrens, nicht aber die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Landeskasse auferlegt. Die Entscheidung wurde nicht begründet. Der VerfGH Berlin hat auf die Verfassungsbeschwerde aufgehoben:

„Die Auslegung des Gesetzes und seine Anwendung auf den Einzelfall sind Sache der Fachgerichte und der Nachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof grundsätzlich entzogen. Ein Richterspruch verstößt nicht schon dann gegen das Verbot objektiver Willkür, wenn die angegriffene Rechtsanwendung oder das Verfahren fehlerhaft sind. Hinzukommen muss, dass Rechtsanwendung oder Verfahren unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar sind und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht. Dies ist etwa der Fall, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missdeutet oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird (BVerfG, Beschlüsse vom 13. Oktober 2015 – 2 BvR 2436/14 – juris Rn. 21; vom 24. September 2014 – 2 BvR 2782/10 – juris Rn. 29).

Dieser materiell-verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab verlangt mit Rücksicht auf die Bindung des Richters an Recht und Gesetz eine Begründung auch letztinstanzlicher Entscheidungen jedenfalls dann und insoweit, als von dem eindeutigen Wortlaut einer Rechtsnorm abgewichen wird und der Grund hierfür sich nicht schon eindeutig aus den den Beteiligten bekannten und für sie ohne Weiteres erkennbaren Besonderheiten des Falles ergibt (BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2015, a. a. O., Rn. 22).

Nach diesem Maßstab verletzt der Beschluss vom 11. März 2020 hinsichtlich der angegriffenen Auslagenentscheidung das Grundrecht des Beschwerdeführers auf eine willkürfreie Entscheidung gemäß Art. 10 Abs. 1 VvB. Der Beschluss enthält – ungeachtet der vom Beschwerdeführer rechtlich und tatsächlich in Abrede gestellten Verdachtslage einer Ordnungswidrigkeit – keinen Hinweis auf die Rechtsgrundlage der Auslagenentscheidung und auch keinerlei Erwägungen zu den maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkten für eine vom Grundsatz des § 467 Abs. 1 StPO i. V. m. § 46 OWiG abweichende Kostentragung gemäß § 467 Abs. 4 StPO. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass das Amtsgericht sich insoweit von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen. Anders als in Fällen, in denen eine Begründung vorhanden ist und auf ihre Vertretbarkeit geprüft werden kann, kann Willkür im Falle des Fehlens einer Begründung schon dann vorliegen, wenn eine andere Entscheidung – hier gerichtet auf die Erstattung notwendiger Auslagen als dem gesetzlichen Regelfall – nahegelegen hätte und eine nachvollziehbare Begründung für das Abweichen hiervon fehlt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13. Oktober 2015, a. a. O., Rn. 33; vom 25. Februar 1993 – 2 BvR 251/93 – juris Rn. 4; vgl. zur Frage der Berufungszulassung Beschluss vom 12. März 2008 – 2 BvR 378/05 – juris Rn. 33).

Wird das gerichtliche Verfahren gegen einen Betroffenen nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt, fallen seine notwendigen Auslagen nach § 467 Abs. 1 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG grundsätzlich der Staatskasse zur Last. Ausnahmen hiervon sind in § 467 Abs. 2 Satz 2 StPO, § 467 Abs. 3 StPO oder nach § 109a Abs. 2 OWiG geregelt für den Fall, dass der Betroffene Auslagen durch schuldhafte Säumnis, eine unwahre Selbstanzeige oder eine wahrheitswidrige Selbstbelastung verursacht hat oder die Einstellung allein auf einem Verfahrenshindernis beruhte – was vorliegend jeweils erkennbar nicht gegeben war. Zwar kann ein Gericht im Falle einer in seinem Ermessen liegenden Verfahrenseinstellung gemäß § 467 Abs. 4 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG davon absehen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen. Die Entscheidung des Amtsgerichts über die notwendigen Auslagen enthält jedoch keinerlei Erwägungen, weshalb hier von dem gesetzlichen Regelfall des § 467 Abs. 1 StPO abgewichen wurde. Es fehlt schon der Hinweis, auf welcher Rechtsgrundlage die Auslagenentscheidung getroffen wurde. Auch das Anhörungsschreiben vom 26./27. Februar 2020 und der Rügebeschluss vom 29. Juni 2020 enthalten insoweit keinerlei Begründung. Damit ist ein Verstoß gegen das Willkürverbot festzustellen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich das Amtsgericht von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen.

Ob der Beschwerdeführer durch die Auslagenentscheidung des Amtsgerichts in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 15 Abs. 1 VvB verletzt worden ist, bedarf daneben keiner Entscheidung.“

 

Notwendigkeit einer Reise des Pflichtverteidigers, oder: 80 EUR für eine Übernachtung reichen.

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Und heute dann zunächst zwei BGH-Entscheidungen zu gebührenrechtlichen Fragen. Nichts Dolles, aber immerhin.

Hier zunächst der BGH, Beschl. v. 20.04.2022 – 6 StR 23/22. Es handelt sich ume einen Beschluss, der auf einen Antrag des Pflichtverteidigers nach § 46 Abs. 2 RVG betreffend eine Reise ergangen ist.  Der BGH hat die Erforderlichkeit einer Dienstreise zum Angeklagten in die Jugendanstalt Raßnitz festgestellt:

„Dem nach § 46 Abs. 2 RVG gestellten Antrag des Pflichtverteidigers, dessen Bestellung gemäß § 143 Abs. 1 StPO auch im Revisionsverfahren einschließlich der Hauptverhandlung fortbesteht, war stattzugeben. Erforderlich sind diejenigen Auslagen, ohne die der beigeordnete Rechtsanwalt die Interessen des Angeklagten nicht sachgerecht wahrnehmen kann (vgl. Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 8. Aufl., 2021, § 46 Rn. 26).“

An die Feststellung ist der Kostenbeamte im Festsetzungsverfahren gebunden.

Allerdings: Üppig sind die Übernachtungskosten, die der BGH gewährt nicht. es gibt nur 80 EUR (vgl. BGH, Beschl. v.18. Mai 2022 – 6 StR 643/21). Das entspricht sicherlich den Reisekosten, die auch die Senatsmitglieder abrechnen.