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Bußgeldbescheid vor Ablauf der Stellungnahmefrist, oder: Wer nicht warten kann, trägt auch die Auslagen

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Heute dann der „Money-Day“. Und ich habe – zum Glück – noch/wieder zwei Entscheidungen, die ich vorstellen kann. Dann ist der Ordner wieder leer. Es sind allerdings zwei kostenrechtliche Entscheidungen.

Ich beginne mit dem AG Jever, Beschl. v. 27.07.2022 – 7 OWi 171/22 – zur Auslagenentscheidung im Bußgeldverfahren.

In einem Bußgeldverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung wird dem Betroffenen mit Anhörungsbogen vom 02.06.2022, dem Betroffenen zugegangen am 07.06.2022, rechtliches Gehör zu dem Vorwurf binnen einer Frist von einer Woche nach Zugang des Anhörungsbogens gewährt. Bereits unter dem 10.06.2022 erliässt die Verwaltungsbehörde dann gegen den Betroffenen schon einen Bußgeldbescheid. Mit Email vom 14.06.2022 legte der Betroffene Einspruch ein und beantragt Akteneinsicht. Nach Akteneinsicht nennt er mit Email vom 23.06.2022 den wahren Fahrzeugführer zum Tatzeitpunkt. Die Verwaltungsbehörde stellt dmam das Verfahren mit Bescheid vom 27.06.2022 gemäß § 47 Abs.1 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO ein. Die Auslagen des Betroffenen wurden nicht der Staatskasse auferlegt.

Dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung der Erfolg hatte:

„Der von dem Betroffenen gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig und begründet.

Die Kostenentscheidung vom 27.06.2022 ist dahingehend abzuändern, dass der Landkreis die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu tragen hat.

Der Bußgeldbescheid ist am 10.06.2022 erlassen worden. Zu diesem Zeitpunkt war die dem Betroffenen in dem Anhörungsbogen vom 02.06.2022 gesetzte Stellungnahmefrist noch nicht abgelaufen. Ein Fall des § 109a Abs. 2 OWiG liegt nicht vor, denn der Betroffene hatte keine ausreichende Möglichkeit durch rechtzeitiges Vorbringen entlastender Umstände den Erlass des Bußgeldbescheides und damit das Entstehen seiner Auslagen zu vermeiden.“

Na ja, wenn man als Verwaltungsbehörde zu schnell ist…..

OWi I: Bezugnahme in den Urteilsgründen auf den Bußgeldbescheid?, oder: Nicht erlaubt

So, heute dann mal wieder ein ganzer OWi-Tag, und zwar ein wenig Verfahrensrecht. Und den Opener macht der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 08.01.2020 – 1 OWi 2 SsBs 117/19, den mir der Kollege F. Schneider aus Bad Harzburg geschickt hat.

Das AG hat den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße  verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot verhängt. Dagegen die Rechtsbeschwerde, die Erfolg hatte. Grund: Nicht ausreichende Feststellungen

„Das Amtsgericht hat die Regelgeldbuße „aufgrund von Voreintragungen im Fahreig-nungsregister auf 200,– EUR“ (UA S. 4) erhöht und zur Begründung auf Feststellungen des Bußgeldbescheides verwiesen.

Herzu hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 23. Dezember 2019 u.a. folgendes ausgeführt:

„Soweit das Amtsgericht die Regelgeldbuße erhöht hat, sind die entsprechenden Darlegungen lückenhaft, was auf die erhobene Sachrüge dazu führt, dass das Urteil im Hinblick auf die Geld¬buße mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben werden muss. Die angefochtene Entscheidung verhält sich im Hinblick auf frühere Verfehlungen nicht zu deren Art, Zeitpunkten und Sanktionen (vergleiche Senat, Beschluss vom 24.11.2017 — 1 OWi 2 Ss Bs 87/17, juris; OLG Koblenz VRS 64, 215, 216).“

Dem schließt sich der Senat an. Verweise auf den Rechtsfolgenausspruch betreffende Feststellungen des Bußgeldbescheides in den Urteilsgründen sind auch dann unstatt¬haft, wenn der Einspruch auf den Rechtsfolgeausspruch beschränkt worden war.

Das OLG hat zudem auch noch zur Wirksamkeit des dem Verfahrens zugrunde liegenden Bußgeldbescheides Stellung genommen.

Das Verfahren war nicht mangels wirksamen Bußgeldbescheides einzustellen. Der Senat teilt weiterhin die Rechtsauffassung des OLG Koblenz (Beschluss vom 17.07.2018 — 1 OWi 6 SsBs 19/18, juris), dass mit vollständigen Ausdruck der bei der Bußgeldbehörde elektronisch gespeicherten Verfahrensunterlagen ein Übergang zu einer Aktenführung in Papierform vorliegt und die gefertigten Ausdrucke eine ausrei¬chende Grundlage des weiteren Verwaltungs- und des gerichtlichen Verfahrens bilden. Entsprechendes gilt für den ausgedruckten und in Papierform dem Betroffenen zuge¬stellten Bußgeldbescheid. Das Fehlen einer landesrechtlichen Rechtsgrundlage für die elektronische Aktenführung durch die Verwaltungsbehörde in Bußgeldverfahren bleibt daher ohne Einfluss auf die Wirksamkeit des Bußgeldbescheides (OLG Koblenz aaO. Rn. 6). Aus der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 19. November 2019 (VGH B 24/19) ergibt sich nichts Gegenteiliges, Der Verfassungsgerichtshof hat entgegen der Auffassung des Verteidigers gerade nicht einen Verstoß der Verwaltungsbehörde gegen das Willkürverbot festgestellt. sondern lediglich aus¬geführt, dass der (dortige) Beschwerdeführer mit seinem Vortrag von einem solchen Verstoß „offenbar aus(gegangen)“ sei (vgl. Rn. 27 der Entscheidung).“

Ach so: Und wer beim Lesen des Volltextes stutzt: Ja, das OLG hat tatsächlich so formuliert: Es hat den den „Beschluss des Amtsgerichts ….., mit dem es die Rechtsbe­schwerde gegen sein Urteil vom 30. September 2019 als unzulässig verworfen hat, ….. aufgehoben.“ Der Tenor erschließt sich mir nach den Gründen nicht. Irgendetwas fehlt da. 🙂