Archiv der Kategorie: Berufsrecht

beA I: beA-Nutzungspflicht für RA-Gesellschaft mbH?, oder: Nicht vor dem 01.08.2022

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Und dann heute noch einmal ein vorbereitetes „Urlaubsposting“, und zwar zum beA, nämlich zur Nutzungspflicht des beA für eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.

Dazu der BFH im BFH, Urt. v. 16.01.2024 – VII R 34/22:

Vor dem 01.08.2022 bestand für eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH als Bevollmächtigte keine Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs gemäß § 52d Satz 1 oder 2 FGO, und zwar auch dann nicht, wenn sie durch einen Rechtsanwalt als Vertreter im Sinne des § 62 Abs. 2 Satz 3 FGO handelte.

Referentenentwurf des BMJ zum KostRÄndG 2025, oder: Kein Grund zum Jubeln, sondern „Gebührenfrechheit“?

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Am Gebührenfreitag komme ich dann noch einmal auf den Referentenentwurf zum KostRÄndG 2025 zurück, über den ich ja am 18.06.2024 schon kurz berichtet habe (vgl. hier: News: Rechtsanwaltsgebühren werden erhöht, oder: Die RVG-Änderungen kommen).

Dazu eine erste Einschätzung, nachdem ich mir den Entwurf mal näher angesehen habe. Und ich muss sagen: Ich bin enttäuscht, um nicht zu sagen: Im Grunde genommen ist dieser Entwurf eine gebührenrechtliche Frechheit; aber was will man von dem Bundesjustizminister auch schon anderes/besseres erwarten.

Und: Meine Aussage in der o.a. Überschrift ist/war falsch. Denn es kommen keine buw. kaum Änderungen im RVG. Zumindest habe ich keine gefunden, die für die Praxis von Bedeutung sind. Bis auf die lineare Erhöhung der Gebühren ist nicht einer der Änderungswünsche aus dem Eckpunktepapier 2023, das vor allem für Verteidiger interessant wäre (vgl. dazu Höhere Anwaltsgebühren/RVG-Änderungen?, oder: Blick in die Zukunft mit dem „Eckpunktepapier“ 2023). umgesetzt bzw. berücksichtigt. Es tut sich weder etwas hinsichtlich der Einführung von Gebühren für das strafrechtliche Zwischenverfahren noch hinsichtlich der Vergütung des beigeordneten Zeugenbeistands, auch die gebührenrechtlich interessanten und für den Verteidiger wichtigen Fragen betreffend Einscannen von Dokumenten packt man nicht. Das, was im Eckpunktepapier vorgeschlagen war, war ja schon nicht viel, aber dieses ist nun gar nichts. Wo sind denn nun die strukturellen Änderungen, die der BMJ so vollmundig angekündigt hat? Ich finde sie nicht. Ich finde nur eine Anhebung der Geldbußenhöhe im Bußgeldverfahren von 60,00 EUR auf 80,00 EUR, das hat man im Blick. Alle Aachtung.

Ich verkenne die lineare Anhebung der anwaltlichen Gebühren um 9 % nicht. Aber: Im Gespräch waren mal 10 %, wo sind die? Nun ja, die 9 % sind dann wohl der berühmte Spatz in der Hand. Und wo ist die Überlegung geblieben, die Gebühren so zu gestalten, dass sie demnächst in regelmäßigen Abständen automatisch steigen? Nichts. Es bleibt dabei, dass die Anwälte hinter dem BMJ herlaufen müssen und immer wieder: Bitte, bitte machen müssen, wenn es um eine Erhöhung ihrer Gebühren geht. Und das dauert dann – wie jetzt auch – vier Jahre. Das ist ein unwürdiges Spiel, das man hier betreibt.

Abschließend: Wenn ich den Entwurf so sehe, frage ich mich auch: Warum hat das so lange gedauert, bis er endlich vorliegt? Hatte man im BMJ keine ausreichende Zahl an Taschenrechnern, um die neuen Beträge auszurechnen oder womit musste man sich dringen beschäftigen?

So, jetzt genug gemotzt. Sehen wir es positiv: Die Anwaltsgebühren werden um 9 % erhöht. Das ist die gute Nachricht. Mehr passiert aber auch nicht. Das ist die schlechte Nachricht.

Ach so: Auf die Stellungnahme von BRAK und DAV bin ich gespannt. Bitte nicht zu sehr jubeln, denn Grund zum Jubeln gibt es (kaum).

StGB I: Missbrauch im Arzt-Patienten-Verhältnis, oder: Berufsverbot?

entnommen wikimedi.org
Urheber Rieser Bauernmuseum Maihingen

Vor dem morgien Gebührenfreitag heute dann StGB-Entscheidungen, und zwar zu Nebenrechtsfolge,

Hier zunächst etwas vom BGH zum Berufsverbot (§ 70 StGB), und zwar der BGH, Beschl. v. 26.03.2024 – 4 StR 416/23. Das LG hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Ferner hat es ihm für die Dauer von fünf Jahren untersagt, den Beruf des Arztes auszuüben. Dagegen die Revision, die wegen des Berufsverbots Erfolg hatte:

„1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte ist von Beruf Arzt. Er absolvierte erfolgreich zwei Facharztausbildungen. Nachdem er seit 2006 – unter anderem als leitender Oberarzt – in verschiedenen Krankenhäusern tätig gewesen war, gründete er im Jahr 2018 eine eigene orthopädische Praxis. Am 16. Oktober 2020 suchte die unter Depressionen leidende Nebenklägerin wegen anhaltender starker Rückenschmerzen absprachegemäß die Praxis des Angeklagten auf und wurde zur manuellen Therapie in ein dafür vorgesehenes Behandlungszimmer geführt. Nach Schmerzmittelgabe mittels Injektion massierte der Angeklagte die auf der Seite liegende und ihm den Rücken zuwendende Nebenklägerin am Gesäß, nachdem er hierzu ihre Hose ein Stück heruntergezogen hatte. Anschließend verließ er den Raum. Nach einer Weile kehrte er zurück, zog die in unveränderter Position liegende Nebenklägerin an ihrer Hüfte zu sich an den Rand der Liege und trat so dicht an sie heran, dass die Nebenklägerin – hiervon völlig überrascht – seinen erigierten Penis spürte. Nach einem erneuten kurzzeitigen Verlassen des Behandlungszimmers zog der Angeklagte die Nebenklägerin, die in der Zwischenzeit versucht hatte, von der Kante der Liege abzurücken, wieder zu sich heran. Er öffnete seine Hose und drückte seinen erigierten Penis zwischen die Pobacken der perplexen Nebenklägerin. Anschließend schob er ihren Slip zur Seite und begann Stoßbewegungen zu vollziehen. Sodann zog der Angeklagte ihr Bein hoch und rieb seinen Penis bis zur Ejakulation zwischen den Gesäßhälften der Nebenklägerin, die das Geschehen „wie paralysiert“ weitestgehend wort- und regungslos über sich ergehen ließ. Der Angeklagte setzte sich dabei über den entgegenstehenden Willen der Nebenklägerin hinweg und hatte zudem erkannt, dass diese wegen der „Überrumpelung“ in der Behandlungssituation zu keiner Abwehr in der Lage war.

2. Der Maßregelausspruch hat keinen Bestand, weil das Landgericht bei der Gefährlichkeitsprognose im Sinne des § 70 Abs. 1 StGB nicht alle maßgeblichen Gesichtspunkte in die gebotene Gesamtwürdigung eingestellt hat.

a) Das Berufsverbot ist ein schwerwiegender Eingriff, mit dem die Allgemeinheit, sei es auch nur ein bestimmter Personenkreis, vor weiterer Gefährdung geschützt werden soll. Es darf nur dann verhängt werden, wenn die Gefahr besteht, dass der Täter auch in Zukunft den Beruf, dessen Ausübung ihm verboten werden soll, zur Verübung erheblicher Straftaten missbrauchen wird. Voraussetzung hierfür ist, dass eine – auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung abgestellte – Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat(en) das Tatgericht zu der Überzeugung führt, dass die Wahrscheinlichkeit künftiger ähnlicher erheblicher Rechtsverletzungen durch den Täter besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2023 – 2 StR 144/23 Rn. 5; Beschluss vom 9. Oktober 2018 – 1 StR 418/18 Rn. 8, jew. mwN). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass an die Annahme einer weiteren Gefährlichkeit im Sinne des § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB ganz besonders strenge Anforderungen zu stellen sind, wenn der Täter erstmalig wegen einer Anlasstat straffällig wird; insbesondere ist zu prüfen, ob bereits die Verurteilung zur Strafe den Täter von weiteren Taten abhalten wird (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2013 – 4 StR 296/12 Rn. 7; Beschluss vom 12. September 1994 – 5 StR 487/94, NStZ 1995, 124).

b) Zur Gefährlichkeitsprognose hat das Landgericht ausgeführt, dass es auch künftig zu vergleichbaren Kontakten mit psychisch labilen Patientinnen kommen werde, bei denen das Risiko einer Aufdeckung und Aburteilung etwaiger Sexualstraftaten reduziert erscheinen könnte. Im Lichte der festgestellten Tatmodalitäten und der Persönlichkeit des Angeklagten lägen daher zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung ähnlich erhebliche Rechtsgutsverletzungen in der Zukunft nahe.

Damit hat das Landgericht maßgebliche Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen. So hat es nicht bedacht, dass der Angeklagte zur Zeit der Begehung der hier abgeurteilten Tat strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten war. Das Landgericht lässt weiter unerörtert, dass gegen ihn mit dem angefochtenen Urteil eine empfindliche Freiheitsstrafe verhängt worden ist und es daher naheliegt, dass die Verurteilung und die (bevorstehende) Vollstreckung den Angeklagten bereits nachhaltig beeindrucken. Auch hat es insoweit nicht in den Blick genommen, wie der 50 Jahre alte und seit 2006 als Arzt tätige Angeklagte seinen Beruf im Übrigen ausgeübt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2018 – 1 StR 418/18 Rn. 8).“

Teilwahlanwaltsvergütung neben Prozesskostenhilfe, oder: Eine ganz „besondere“ Vergütungsvereinbarung

Heute bei den RVG-Tag zunächst etwas zur Vergütungsvereinbarung, und zwar das OLG Brandenburg, Urt. v. 25.04.2023 – 6 U 78/22. Allerdings nicht eine der „normalen“ Entscheidungen zu § 3a RVG, sondern etwas Ungewöhliches. Und zwar:

Kläger und Beklagter sind in S. zugelassene Rechtsanwälte. Der Kläger begehrt von dem Beklagten, es zu unterlassen, mit Mandanten Vergütungsvereinbarungen zu treffen, durch die diese für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe verpflichtet werden, an ihn zusätzlich zu der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung (Abschlags-)Zahlungen in Höhe der Differenz zur Wahlanwaltsvergütung (§ 13 RVG) zu leisten. Weiterhin verlangt er von dem Beklagten, es zu unterlassen, entsprechende Gebühren zu verlangen bzw. in Empfang zu nehmen.

Der Klage liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:

Am 23.11.2020 hatte der Beklagte mit seiner damaligen Mandantin Frau B… eine „Vergütungsvereinbarung“ getroffen, die auszugsweise lautete:

„I Vergütung

Die Auftraggeberin schuldet dem Rechtsanwalt gemäß § 49b BRAO mindestens die gesetzliche Vergütung.

Der Rechtsanwalt erhält für die Vertretung im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Cottbus wegen Kündigung eine Abschlagszahlung in Höhe von insgesamt 252,30 €. Dieser Berechnung liegt ein Gegenstandswert von 6.000,00 € zu Grunde. Sollte durch das Gericht ein anderer Gegenstandswert festgelegt werden, ist eine Neuberechnung erforderlich.

Diese Abschlagszahlung wird bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühr durch die im Rahmen der Prozess-/Verfahrenskostenhilfe aus der Landeskasse geleisteten Zahlungen ergänzt. (…)

Die Summe von Abschlagszahlung und die von der Landeskasse geleisteten Zahlung entsprechen der gesetzlichen Mindestgebühr.“ (…)

III Fälligkeit

Die vereinbarte Abschlagszahlung ist in monatlichen Raten zu je 50,– auf das Konto der … zu zahlen.“ (Anlage K1, Bl. 8 d.A.).

Am 25.11.2020 fertigte der Beklagte als Prozessbevollmächtigter der Mandantin B… eine Klageschrift verbunden mit einem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und reichte diese bei dem Arbeitsgericht Cottbus ein. Mit Schriftsatz vom 2.12.2020 erweiterte der Beklagte die Klage um 2.000 €. Der Rechtsstreit endete in mündlicher Verhandlung vom 17.12.2020 mit einem Vergleich (vgl. Anlage K3, Bl. 13f. d.A.). Mit Beschluss vom 07.01.2021 gewährte das Arbeitsgericht der Mandantin des Beklagten unter dessen Beiordnung antragsgemäß Prozesskostenhilfe mit Rückwirkung zum 25.11.2020 (Anlage K4, Bl. 15 d.A.). Unter dem 26.01.2021 berechnete der Beklagte gegenüber seiner Mandantin die von ihm beanspruchte Anwaltsvergütung auf Grundlage des nach Klageerweiterung auf 8.000 € erhöhten Gegenstandswerts. Diese übersandt er der Mandantin mit Anschreiben vom selben Tag, in dem er u.a. ausführte: „Ich erlaube mir daher, Ihnen die Neuberechnung, die in der Anlage beigefügt ist, bekannt zu geben und bitte Sie, diesen neuen Betrag in Höhe von 686,14 € bei Ihrer Ratenzahlung zu berücksichtigen“ (Anlage K 5, Bl. 16 f. d.A.).

Der Kläger sah dieses Abrechnungsverhalten des Beklagten als unlauter im Sinne des §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 122 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. §§ 4, 50 RVG, § 307 BGB, § 3a RVG und § 352 StGB an, weil der Beklagte Gebühren verlange und entgegennehme bzw. sich versprechen lasse, die ihm nicht zustünden. Er forderte den Beklagten mit Schreiben vom 01.02.2021 auf, dies künftig zu unterlassen und eine entsprechende Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben. Dem kam der Beklagte nicht nach.

Der Kläger hat dann Klage erhoben und beim LG Recht bekommen. Dagegen dann die Berufung des Beklagten, die weitgehend keinen Erfolg hatte.

Das OLG hat sein Urteil umfassen begründet. Ich stelle daraus hier nichts ein, sondern verweise auf den verlinkten Volltext. Das OLG setzt sich umfassend mit der Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung auseinander. M.E. lesenswert.

Höhere Anwaltsgebühren/RVG-Änderungen?, oder: Blick in die Zukunft 2.0 – Stand September 2023

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Und heute geht es hier dann um Gebühren bzw. Kosten.

In dem Zusammenhang komme ich erst noch einmal auf das sog. Eckpunkte-Papier von DAV und BRAK zurück, über das ich ja schon einmal berichtet habe, und zwar hier: Höhere Anwaltsgebühren/
RVG-Änderungen?, oder: Blick in die Zukunft mit dem „Eckpunktepapier“ 2023
.

Mir war das Papier damals „zugespielt“ worden, es hatte den Stand Mai 2023, war aber wohl noch nicht „offiziell“ von DAV und BRAK abgesegnet. Das ist jetzt der Fall und es gibt jetzt ein neues Papier – Stand September 2023,

Das heißt

Gemeinsamer Katalog des Deutschen Anwaltvereins und der Bundesrechtsanwaltskammer – Vorschläge zur linearen Erhöhung der Rechtsanwaltsvergütung sowie
zu strukturellen Änderungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes
„.

Die Forderungen in dem Katalog sind etwas ausführlicher begründet als in dem im August von mir vorgestellten „Eckpunktepapier“ – Stand Mai 2023.

An den „Forderungen“ von DAV/BRAK hat sich allerdings m.E. nichts geändert. Daher stelle ich hier nicht noch einmal das ganze Papier ein, sondern verweise auf den o.a. Link.

Man darf nun gespannt sein, wie es weiter. Ich denke, es werden Änderunge/Klarstellungen kommen, aber wahrscheinlich nicht alles das, was „gefordert“ wird. Dem werden die Bundesländer einen Riegel vorschieben und auf ihre leeren Kassen verweisen. Ich werde die Entwicklung im Auge behalten und hier weiter berichten.

Wir hatten über die geplanten Änderungen übrigens schon im StRR 8/2023 berichtet. Hier geht es zum Beitrag

Änderung im RVG in der 20. Legislaturperiode, oder: Eckpunktepapier
von DAV/BRAK aus Mai 2023

Der enthält auch bereits erste Einschätzungen.