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Arglistig falsche Angaben beim PKH-Antrag gemacht, oder: Aufhebung der Bewilligung von PKH

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Eine Entscheidung des LG Münster zeigt, dass nicht „gefahrlos“ mit unrichtigen Tatsachenvortrag ein Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt werden kann. Stellt sich nämlich heraus, dass falsche Angaben getätigt worden sind und hätte bei richtiger Darstellung des streiterheblichen Sachverhaltes keine Prozesskostenhilfe gewährt werden können, liegt die Voraussetzung für eine Entziehung nach § 124 ZPO vor.

Dazu äußert sich der LG Münster, Beschl. v. 15.08.2024 – 115 O 144/23. Der Kläger hatte für eine Klage gegen seine Versicherungsgesellschaft Prozesskostenhilfe beantragt. Dabei hat er arglistig falsche Angaben zur Behebung von vor dem streitgegenständlichen Versicherungsfall eingetretenen Vorschäden gemacht. Nachdem die falschen Angaben des Klägers zur Abweisung seiner Klage geführt haben, hat das LG die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach § 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgehoben:

„Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe war nach § 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufzuheben, da der Kläger durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat.

Hierzu war der Klägervertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 01.08.2024 auch bereits angehört worden, während die Anhörung dabei nicht gesondert in das Terminsprotokoll aufgenommen worden ist.

Die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gem. § 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erfordert, dass die Partei in ihrem Antrag nach § 117 Abs. 1 S. 2 ZPO oder in einem in Bezug genommenen sonstigen Vortrag das Streitverhältnis unrichtig dargestellt hat. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn eine das Streitverhältnis betreffende Tatsache von der Prozesskostenhilfepartei entgegen der sie treffenden Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) falsch dargestellt, nicht richtiggestellt oder verschwiegen worden ist, so dass das Gericht sie nicht erkannt und bei seiner Entscheidung im Hinblick auf die hinreichende Erfolgsaussicht und die fehlende Mutwilligkeit (§ 114 ZPO) deshalb nicht berücksichtigt hat. Falsch kann eine Darstellung schließlich auch deshalb sein, weil sie unvollständig ist. Die klagende Prozesskostenhilfepartei muss deshalb auch diejenigen Tatsachen vortragen, aus denen sich die möglichen, insbesondere die schon vorprozessual geltend gemachten Einwendungen und Einreden des Beklagten ergeben (vgl. BeckOK, § 124 ZPO, Rn. 10 m.w.N.).

Weiter muss die Prozesskostenhilfepartei das Streitverhältnis auch jedenfalls bedingt vorsätzlich falsch dargestellt haben. Dies ist der Fall, wenn die Partei zumindest damit gerechnet hat, bei wahrheitsgemäßem und vollständigem Vortrag keine oder nur teilweise Prozesskostenhilfe zu erhalten (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 22.3.1999, 2 W 69/99, BeckRS 1999, 7804).

So liegt es hier.

Der Kläger hat vorliegend arglistig falsche Angaben zur Behebung der vor dem streitgegenständlichen Versicherungsfall eingetretenen Vorschäden gemacht, was zu einer Leistungsfreiheit der Beklagten wegen arglistiger Obliegenheitsverletzung nach E.1.1.3, E.2.1 AKB i.V.m. § 28 Abs. 2 VVG führt.

Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Urteils der Kammer vom 01.08.2024.

Ob die unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kausal gewesen sein muss (so MüKo, § 124 ZPO, Rn. 8; BeckOK, § 124 ZPO, Rn. 14) oder dies wegen des Sanktionscharakters der Vorschrift nicht erforderlich ist (BGH, Beschl. v. 10. 10. 2012, IV ZB 16/12, NJW 2013,68), bedurfte vorliegend keiner Entscheidung. Denn jedenfalls hat sich die Falschangabe des Klägers hier kausal ausgewirkt. Hätte der Kläger hier bereits im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens eingeräumt, dass der Vorschaden am rechten Stoßfänger entgegen seiner mit Schreiben an die Beklagte vom 02.02.2023 getätigten Äußerungen vor dem streitgegenständlichen Versicherungsfall tatsächlich noch nicht repariert worden war, sodass damit ein Altschaden weiterhin bestand, wäre dem Kläger die begehrte Prozesskostenhilfe wegen dieser Aufklärungspflichtverletzung zu versagen gewesen.“

Teilwahlanwaltsvergütung neben Prozesskostenhilfe, oder: Eine ganz „besondere“ Vergütungsvereinbarung

Heute bei den RVG-Tag zunächst etwas zur Vergütungsvereinbarung, und zwar das OLG Brandenburg, Urt. v. 25.04.2023 – 6 U 78/22. Allerdings nicht eine der „normalen“ Entscheidungen zu § 3a RVG, sondern etwas Ungewöhliches. Und zwar:

Kläger und Beklagter sind in S. zugelassene Rechtsanwälte. Der Kläger begehrt von dem Beklagten, es zu unterlassen, mit Mandanten Vergütungsvereinbarungen zu treffen, durch die diese für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe verpflichtet werden, an ihn zusätzlich zu der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung (Abschlags-)Zahlungen in Höhe der Differenz zur Wahlanwaltsvergütung (§ 13 RVG) zu leisten. Weiterhin verlangt er von dem Beklagten, es zu unterlassen, entsprechende Gebühren zu verlangen bzw. in Empfang zu nehmen.

Der Klage liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:

Am 23.11.2020 hatte der Beklagte mit seiner damaligen Mandantin Frau B… eine „Vergütungsvereinbarung“ getroffen, die auszugsweise lautete:

„I Vergütung

Die Auftraggeberin schuldet dem Rechtsanwalt gemäß § 49b BRAO mindestens die gesetzliche Vergütung.

Der Rechtsanwalt erhält für die Vertretung im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Cottbus wegen Kündigung eine Abschlagszahlung in Höhe von insgesamt 252,30 €. Dieser Berechnung liegt ein Gegenstandswert von 6.000,00 € zu Grunde. Sollte durch das Gericht ein anderer Gegenstandswert festgelegt werden, ist eine Neuberechnung erforderlich.

Diese Abschlagszahlung wird bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühr durch die im Rahmen der Prozess-/Verfahrenskostenhilfe aus der Landeskasse geleisteten Zahlungen ergänzt. (…)

Die Summe von Abschlagszahlung und die von der Landeskasse geleisteten Zahlung entsprechen der gesetzlichen Mindestgebühr.“ (…)

III Fälligkeit

Die vereinbarte Abschlagszahlung ist in monatlichen Raten zu je 50,– auf das Konto der … zu zahlen.“ (Anlage K1, Bl. 8 d.A.).

Am 25.11.2020 fertigte der Beklagte als Prozessbevollmächtigter der Mandantin B… eine Klageschrift verbunden mit einem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und reichte diese bei dem Arbeitsgericht Cottbus ein. Mit Schriftsatz vom 2.12.2020 erweiterte der Beklagte die Klage um 2.000 €. Der Rechtsstreit endete in mündlicher Verhandlung vom 17.12.2020 mit einem Vergleich (vgl. Anlage K3, Bl. 13f. d.A.). Mit Beschluss vom 07.01.2021 gewährte das Arbeitsgericht der Mandantin des Beklagten unter dessen Beiordnung antragsgemäß Prozesskostenhilfe mit Rückwirkung zum 25.11.2020 (Anlage K4, Bl. 15 d.A.). Unter dem 26.01.2021 berechnete der Beklagte gegenüber seiner Mandantin die von ihm beanspruchte Anwaltsvergütung auf Grundlage des nach Klageerweiterung auf 8.000 € erhöhten Gegenstandswerts. Diese übersandt er der Mandantin mit Anschreiben vom selben Tag, in dem er u.a. ausführte: „Ich erlaube mir daher, Ihnen die Neuberechnung, die in der Anlage beigefügt ist, bekannt zu geben und bitte Sie, diesen neuen Betrag in Höhe von 686,14 € bei Ihrer Ratenzahlung zu berücksichtigen“ (Anlage K 5, Bl. 16 f. d.A.).

Der Kläger sah dieses Abrechnungsverhalten des Beklagten als unlauter im Sinne des §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 122 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. §§ 4, 50 RVG, § 307 BGB, § 3a RVG und § 352 StGB an, weil der Beklagte Gebühren verlange und entgegennehme bzw. sich versprechen lasse, die ihm nicht zustünden. Er forderte den Beklagten mit Schreiben vom 01.02.2021 auf, dies künftig zu unterlassen und eine entsprechende Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben. Dem kam der Beklagte nicht nach.

Der Kläger hat dann Klage erhoben und beim LG Recht bekommen. Dagegen dann die Berufung des Beklagten, die weitgehend keinen Erfolg hatte.

Das OLG hat sein Urteil umfassen begründet. Ich stelle daraus hier nichts ein, sondern verweise auf den verlinkten Volltext. Das OLG setzt sich umfassend mit der Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung auseinander. M.E. lesenswert.