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beA II: Einspruch im OWi-Verfahren nur elektronisch?, oder: Ebenfalls „Nein“, sagt das OLG Karslruhe

folgenden Text dazu nutzen:
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Ich hatte vor einigen Tagen über den OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 28.02.2023 – 1 Ss-OWi 1460/22 – berichtet. Das ist/war die Entscheidung, in der das OLG klar gestellt hat, dass die Einlegung des Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid auch nach der Einführung der Pflicht zur elektronischen Übermittlung von Dokumenten nicht der Formvorschrift gemäß § 110c OWiG, § 32d Satz 2 StPO unterliegt. Die Frage war bis dahin ja obergerichtlich noch nicht entschieden.

Nun gibt es eine zweite OLG-Entscheidung zu der Frage, nämlich den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.03.2023 – 2 ORbs 35 Ss 125/23. Das OLG Karlsruhe nimmt im Rahmen einer Rechtsbeschwerde – Stichwort: Wirksamkeit des Einspruchs – ebenfalls zu der Frage Stellung. Es löst sie wie das OLG Frankfurt am Main:

„1. Der Bußgeldbescheid des Landratsamts des X-Kreises vom 3.6.2022 ist nicht bestandskräftig geworden, weshalb das Amtsgericht nicht am Erlass des angefochtenen Urteils gehindert war.

a) Aus den Akten, die dem Senat bei der Prüfung von Verfahrenshindernissen uneingeschränkt zugänglich sind, ergibt sich dazu folgender Verfahrensablauf: Einen ersten am 19.4.2022 erlassenen und dem Betroffenen am 22.4.2022 zugestellten Bußgeldbescheid nahm die Bußgeldbehörde mit dem Erlass des Bußgeldbescheids vom 3.6.2022, der dem Betroffenen am 9.6.2022 zugestellt wurde, zurück. Der Betroffene legte gegen den Bescheid vom 3.6.2022 am 17.6.2022 Einspruch mittels Schriftsatz seines Verteidigers ein, der als Telefax eingereicht wurde.

b) In der Instanzrechtsprechung ist bisher unterschiedlich beurteilt worden, ob die Formvorschriften der §§ 110c Satz 1 OWiG, 32d Satz 2 StPO auch für die Einlegung des Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid gelten, bei der Einlegung durch Rechtsanwälte also nur die Einreichung als elektronisches Dokument zugelassen ist und ansonsten die Erklärung unwirksam ist. Dies ist vom Amtsgericht Hameln (Beschluss vom 14.2.2022 – 49 OWi 23/22 = NZV 2022, 333, ebenso Seitz/Bauer in Göhler, OWiG, 18. Aufl., § 67 Rn. 21a; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, 3. Aufl./32. Lfg., § 110c Rn. 24; wohl auch KK-Graf, OWiG, 5. Aufl., § 110c Rn. 49, 53) verneint, vom Amtsgericht Tiergarten (Beschluss vom 5.4.2022 – 310 OWi 161/22 = StraFo 2022, 318; ebenso Stahnke in Gassner/Seith, OWiG, 2. Aufl., § 110c Rn. 25 unter Bezugnahme auf die in der 5. Aufl. von Krenberger/Krumm, OWiG, § 110c Rn. 13 vertretene Auffassung, wohingegen dort die Frage in der aktuellen 7. Aufl. offen gelassen wird; ebenso offenlassend BeckOK-OWiG/Valerius, 37. Ed., § 110c Rn. 1.1) hingegen unter Hinweis auf die Regelung in § 335 Abs. 2a HGB und die Entstehungsgeschichte bejaht worden. Obergerichtlich ist die Frage bislang – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden worden.

c) Der Senat schließt sich der vom Amtsgericht Hameln vertretenen Auffassung an; die hiergegen in der Entscheidung des Amtsgerichts Tiergarten vorgebrachten Argumente vermögen nicht zu überzeugen. Soweit dabei an Materialien zum Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften (BT-Drs. 29/28399) angeknüpft wird, geht dies schon deshalb fehl, weil die Vorschriften des § 110c OWiG und § 32d StPO gar nicht Gegenstand dieses Gesetzes waren. In der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs, mit dem die genannten Vorschriften eingeführt wurden, heißt es hingegen zur maßgeblichen Bestimmung des § 32d StPO unmissverständlich: „Satz 2 sieht demgegenüber eine Rechtspflicht zur elektronischen Einreichung von Dokumenten nur für bestimmte Verfahrenserklärungen vor, die aufgrund der Besonderheiten des Strafverfahrens auf die hier abschließend aufgeführten Erklärungen beschränkt werden soll.“ (BR-Drs. 236/16 S. 49 f.) Mit dieser bewussten Entscheidung des Gesetzgebers für das Enumerationsprinzip ist es unvereinbar, die Rechtspflicht des § 32d Satz 2 StPO auf dort nicht genannte Rechtshandlungen bzw. über § 110c OWiG ihre Entsprechungen im Bußgeldverfahren auszudehnen. Da § 110c OWiG die entsprechende Anwendung von § 32d Satz 2 StPO anordnet, aber § 32d Satz 2 StPO die Rechtspflicht zur Einreichung als elektronisches Dokument nicht für eine dem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid entsprechende Handlung im Strafverfahren vorschreibt, wird danach der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid von diesen Vorschriften nicht erfasst.

d) Infolge der danach wirksamen rechtzeitigen Einlegung des Einspruchs ist der Bußgeldbescheid vom 3.6.2022 nicht in Bestandskraft erwachsen.“

Damit sollte die „Kuh vom Eis“ sein. Aber: Sicher ist sicher – also Einspruch ggf. doch als elektronisches Dokument.

 

beA I: Fristversäumung wegen Computerausfall, oder: Anforderungen an die Glaubhaftmachung

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Heute ist Samstag und damit „Kessel-Buntes-Tag“. Und an dem stelle ich zwei weitere Entscheidungen zumbeA bzw. zum elektronischen Dokument vor.

Zunächst kommt hier der BGH, Beschl. v. 01.03.2023 – XII ZB 228/22 – zur Frage der Wiedereinsetzung in den Fällen eines unverschuldeten Computerausfalls. Folgender Sachevrhalt:

Ergangen ist die Entscheidung in einem Verfahren, in dem vom Antragsgegner Zahlung von Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht wegen geleisteter Unterhaltsvorschusszahlungen gefordert  worden ist. Das AG hat den Antragsgegner zur Zahlung verpflichtet. Gegen den ihm am 25.10.2021 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner form- und fristgemäß Beschwerde eingelegt.

Der Familiensenat beim OLG Rostock hat dann die Frist zur Begründung der Beschwerde bis zum 27.01.2022 verlängert. Die Begründung ist dann allerdings erst am 28.01.2022 um 0.03 Uhr per beA eingegangen. Nachdem das OLG auf die mögliche Fristversäumung hingewiesen hatte, wird ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Der wird damit begründet, dass der Prozeßbevollmächtigte des Antragsgegners den Schriftsatz zunächst auf einem älteren PC der Kanzlei erstellt habe. Um 23.50 Uhr habe er die Begründung dann auf seinem Laptop signieren und über das beA an das Gericht übermitteln wollen. Dabei sei es zwischen 23.54 Uhr und 23.58 Uhr zu einem Ausfall des Notebooks gekommen, der durch einen Neustart behoben werden konnte. Der IT-Fachmann der Kanzlei habe später ermittelt, dass das Gerät bereits ab 23.20 Uhr Fehlermeldungen aufgezeichnet habe, die mit dem Neustart um 23.54 Uhr geendet hätten. Den Hintergrund hierfür habe man nicht klären können.

Das OLG Rostock hat Wiedereinsetzung abgelehnt. Der BGH hat das bestätigt:

„“a) Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zu Recht gemäß §§ 112 Nr. 1, 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen, weil der Antragsgegner diese nicht innerhalb der bis zum 27. Januar 2022 verlängerten Beschwerdebegründungsfrist begründet hat.

b) Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Oberlandesgericht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde abgelehnt.

aa) Nach §§ 117 Abs. 5 FamFG, 233 Satz 1 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn ein Verfahrensbeteiligter ohne sein Verschulden verhindert war, die Beschwerdebegründungsfrist einzuhalten. Das Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten ist dem Beteiligten zuzurechnen (§ 113 Abs. 1 FamFG iVm § 85 Abs. 2 ZPO). Der Verfahrensbeteiligte muss die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen glaubhaft machen (§ 113 Abs. 1 FamFG iVm § 236 Abs. 2 ZPO). Dabei verlangt ein auf einen vorübergehenden „Computer-Defekt” oder „Computer-Absturz” gestützter Wiedereinsetzungsantrag nähere Darlegungen zur Art des Defekts und seiner Behebung (vgl. BGH Beschluss vom 17. Mai 2004 – II ZB 22/03NJW 2004, 2525, 2526). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn nach den glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit offenbleibt, dass die Fristversäumung von dem Beteiligten bzw. seinem Verfahrensbevollmächtigten verschuldet war (vgl. Senatsbeschluss vom 6. April 2011 – XII ZB 701/10NJW 2011, 1972 Rn. 8 mwN).

bb) Gemessen hieran ist die Auffassung des Beschwerdegerichts, der Antragsgegner habe nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass sein Verfahrensbevollmächtigter die Fristversäumung nicht verschuldet hat, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Zwar stellen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vorhersehbare und nicht vermeidbare Störungen einer EDV-Anlage einen Wiedereinsetzungsgrund dar, wenn sie das rechtzeitige Erstellen oder Absenden eines Schriftsatzes verhindern (BGH Beschlüsse vom 22. November 2017 – VII ZB 67/15FamRZ 2018, 281 Rn. 23 und vom 12. Februar 2015 – V ZB 75/13NJW-RR 2015, 1196 Rn. 10 mwN). Nach dem vom Antragsgegner zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags gehaltenen Vortrag besteht jedoch im vorliegenden Fall nicht die zur Glaubhaftmachung erforderliche überwiegende Wahrscheinlichkeit (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Januar 2022 – XII ZB 227/21FamRZ 2022, 647 Rn. 11 mwN) dafür, dass der Computerdefekt auf einem unvorhersehbaren und nicht vermeidbaren Fehler der verwendeten Hard- oder Software beruhte.

Der Antragsgegner räumt in seinem Wiedereinsetzungsantrag selbst ein, dass der Grund für die Funktionsstörung des verwendeten Laptops letztlich nicht aufgeklärt werden konnte. Auch dem von seinem Verfahrensbevollmächtigten beauftragten IT-Berater war es nach Auswertung der im Ereignisprotokoll aufgezeichneten Fehler nicht möglich, eine Ursache für den Computerabsturz zu benennen. Aus dem Vortrag des Antragsgegners ergibt sich weiter, dass der Laptop offensichtlich vor dem hier maßgeblichen Zeitraum fehlerfrei funktionierte, es nach dem Neustart des Computers auch zu keinen weiteren Funktionsstörungen mehr kam und eine Reparatur oder Wartung des Laptops nicht erforderlich war.

Für die Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax hat der Bundesgerichtshof jedoch bereits entschieden, dass ein einen Bedienungsfehler ausschließendes, auf einem technischen Defekt beruhendes Spontanversagen eines Faxgeräts nicht hinreichend glaubhaft gemacht wird, wenn vor und nach dem erfolglosen Versuch der Übermittlung eines Schriftsatzes erfolgreiche Übermittlungen an die jeweiligen Empfänger stattgefunden haben, ohne dass zwischenzeitlich eine technische Wartung oder Reparatur erfolgt ist (BGH Beschluss vom 10. Oktober 2006 – XI ZB 27/05NJW 2007, 601 Rn. 12). Unter diesen Umständen begegnet die Annahme des Beschwerdegerichts, dass ein von dem Verfahrensbevollmächtigten verschuldeter Bedienfehler mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein unerwartet aufgetretener Hard- oder Softwarefehler, der sich nach 30 Minuten ohne weitere Maßnahmen von selbst behoben hat, keinen rechtlichen Bedenken.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde spricht gegen einen vom Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners verschuldeten Bedienfehler auch nicht, dass dieser mit dem elektronischen Versand und der Signierung von Schriftstücken über den hier eingesetzten Laptop vertraut war. Im vorliegenden Fall nutzte der Verfahrensbevollmächtigte zur Fertigung und Übermittlung der Beschwerdebegründungsschrift einen aufwendigen Weg, obwohl ihm bis zum Ablauf der Begründungsfrist nur noch wenig Zeit zur Verfügung stand. Nach dem Vortrag des Antragsgegners hatte sein Verfahrensbevollmächtigter den Schriftsatz zunächst unter Verwendung einer Spracherkennungssoftware auf einem älteren Desktop-PC erstellt. Gegen 23:26 Uhr begann er mit den erforderlichen Korrekturen des Schriftsatzes. Anschließend wechselte er zu seinem Laptop, um gegen 23:50 Uhr den Schriftsatz zu signieren und ihn an das Beschwerdegericht per beA zu übermitteln. Unter diesen Umständen ist es nicht auszuschließen, dass es auch bei jemandem, der mit der Bedienung eines Computers und den Arbeitsabläufen vertraut ist, aufgrund des Zeitdrucks zu einer Fehlbedienung des Computers kommt.

cc) Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es im vorliegenden Fall auch an der Darlegung fehlt, weshalb der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners nicht von der in § 130 d Satz 2 ZPO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Berufungsbegründungsschrift vor Ablauf der Begründungsfrist in herkömmlicher Weise – etwa per Telefax – einzureichen. Denn die in dieser Vorschrift vorgesehene Möglichkeit, bei einer technischen Störung ein Dokument nach den allgemeinen Vorschriften zu übermitteln, besteht unabhängig davon, ob die Störung auf einem Defekt des Übertragungsgeräts beruht oder in der Sphäre des Einreichenden liegt (vgl. Thomas/Putzo/Seiler ZPO 43. Aufl. § 130 d Rn. 2).“

beA II: Vorübergehende technische Unmöglichkeit, oder: Warum hatte der Anwalt keine aktive Chip-Karte?

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Und als zweite Entscheidung zum beA dann der OVG Lüneburg, Beschl. v. 03.02.2023 – 12 ME 6/23 – zur vorübergehenden technischen Unmöglichkeit der Übermittlung. Dort war eine Beschwerde nur per Fax eingereicht worden. Das hat dem OVG nicht gereicht:

„….. Aus der Zusammenschau dieser Regelungen ergibt sich, dass anwaltliche Besc/hwerdeschriften gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes – wie hier gemäß § 80 Abs. 5 VwGO – grundsätzlich als elektronisches Dokument eingereicht werden müssen.

Diesem Erfordernis genügte die am 6. Januar 2023 bei dem Verwaltungsgericht Lüneburg eingegangene Beschwerdeschrift des anwaltlichen Prozessbevollmächtigten des Antragstellers nicht. Denn sie ist per Telefax übermittelt worden, und ein Telefax ist kein elektronisches Dokument im Sinne des § 55a Abs. 3 und 4 VwGO (vgl. OVG Schl.-Hol., Beschluss vom 13.6.2022 – 1 LA 1/22 -, BeckRS 2022, 15028, Rn. 6).

Zwar bleibt in Abweichung von § 55d Satz 1 VwGO die anwaltliche Übermittlung (hier der Beschwerdeschrift) nach den allgemeinen Vorschriften – und damit auch per Telefax – zulässig, wenn eine Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend unmöglich ist (§ 55d Satz 3 VwGO). Die vorübergehende Unmöglichkeit ist dann aber bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) danach gemäß § 55d Satz 4 Halbs. 1 VwGO, § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 294 ZPO glaubhaft zu machen (vgl. Gerken, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2022, § 130d Rn. 8).

Diese Voraussetzungen liegen hier indessen nicht vor.

Der Antragsteller hat in der Beschwerdeschrift lediglich mitgeteilt und durch seinen Prozessbevollmächtigten anwaltlich versichern lassen, dass diesem eine Übersendung der Beschwerdeschrift „via beA“ technisch nicht möglich sei, da dessen „beA-Karte“ noch nicht habe aktiviert werden können. Weiterer Vortrag dazu fehlte zunächst. Erst auf Nachfrage des Senatsvorsitzenden hat er unter dem 19. Januar 2023 ergänzend vorgetragen und nach einem weiteren gerichtlichen Hinweis unter dem 27. Januar 2023 einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Wegen der Einzelheiten dieses weiteren Vortrags wird auf die genannten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

Der Vortrag des Antragstellers läuft im Wesentlichen darauf hinaus, dass sein Prozessbevollmächtigter aus dem elektronischen Anwaltspostfach die Beschwerdeschrift nicht zeitgerecht habe übermitteln können, da er, der Anwalt, in der Zeit vom 19. bis zum 31. Dezember 2022 arbeitsunfähig erkrankt und deshalb an einer Vornahme der Aktivierung der neuen Chipkarte gehindert gewesen sei, deren es für solche Übermittlungen ab dem 1. Januar 2023 bedurft hätte. Diese Chipkarte sei dem Anwalt zwar bereits im September 2022 übersandt worden. Der Bestätigungslink (für den Karteneingang), über dessen Zugangszeitpunkt er keine  Angaben machen könne, habe aber nicht mehr funktioniert, als ihn der Anwalt habe verwenden wollen. Letzterer habe sich deswegen bereits am 3. Januar 2023 über die Hotline an die Bundesnotarkammer gewandt. Erst am 11. Januar und 13. Januar 2023 seien dem Anwalt daraufhin aber ein neuer Bestätigungslink für den Erhalt der Chipkarte bzw. die PIN für deren Verwendung zugegangen. Hätte die Bundenotarkammer – anstatt zuvor die anwaltliche E-Mail-Adresse zu überprüfen – schneller positiv auf den Anruf reagiert, wäre bereits am 6. Januar 2023 eine Übermittlung der Beschwerdeschrift aus dem besonderen Anwaltspostfach (wieder) möglich gewesen.

Dieses Geschehen genügt aus den folgenden Gründen nicht den nach § 55d Satz 3 und Satz 4 Halbs. 1 VwGO zu stellenden Anforderungen:

Eine Unmöglichkeit der Einreichung als elektronisches Dokument kann sich zwar auch aus Ursachen ergeben, die in der Sphäre des einreichenden Rechtsanwalts liegen. Es muss sich dann aber um einen „Ausfall der technischen Einrichtungen“ des Anwalts (vgl. Gesetzentwurf der BReg. für ein Gesetz zur Förderung des elektr. Rechtsverkehrs mit den Gerichten, BT-Drucks. 17/12634, S. 27, zu Nr. 4 [§ 130d ZPO]) – also eine bei wertender Betrachtung „technische“ Ursache – handeln. Denn § 55d Satz 3 VwGO entbindet professionelle Einreicher nicht von der Notwendigkeit, die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen (vgl. Gesetzentwurf, a. a. O., S. 28). Eine Unmöglichkeit der Einreichung als elektronisches Dokument aus „technischen Gründen“ liegt folglich insbesondere dann nicht vor, wenn zwar die Technik einwandfrei funktioniert, sie aber dem Rechtsanwalt nicht zugänglich ist, weil dieser es versäumt hat, beizeiten die Zugangsvoraussetzungen zu ihr zu schaffen. Deshalb erfasst § 55d Satz 3 VwGO beispielsweise nicht die Fälle, dass ein Rechtsanwalt über keine Chipkarte verfügt, weil ihm bei seinem ersten Antrag auf Ausstellung derselben ein Fehler in der Schreibweise seines Vornamens unterlaufen war, sodass ihm die Karte nicht früh genug übersandt wurde (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10.3.2022 – 19 E 147/22 -, juris), oder dass sein spät gestellter signaturrechtlicher Antrag von der Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer nicht mehr früh genug bearbeitet werden konnte (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 4.4.2022 – I-8 U 23/22 -, FamRZ 2022, 1219 f., hier zitiert nach juris). Anders als es in der Literatur teilweise vertreten wird (vgl. Gädeke, in: Ory/Weth, juris-PK-ERV, Bd. 3, 2. Aufl., § 55d VwGO, Rn. 31 [Stand: 15.12.2022]), dürfte die Lösung von Abgrenzungsfragen nicht in einer Großzügigkeit bei der Zuschreibung zu technischen Ursachen zu suchen sein. Denn den Prozessbeteiligten soll zwar erspart werden, die Ursachen technischer Störungen zu eruieren (vgl. OVG Schl.-Hol., Beschluss vom 13.6.2022 – 1 LA 1/22 -, BeckRS 2022, 15028, Rn. 3). Tritt aber klar zutage, dass typisch menschliches Versagen des professionellen Einreichers (wie etwa Vergesslichkeit oder Säumigkeit) das entscheidende, durch die Technik gleichsam nur in seiner Wirkung weitergegebene Hindernis für die zeitgerechte Übermittlung eines elektronischen Dokuments ist, liegt keine technische Störung vor. Das gilt namentlich dann, wenn gerade das Funktionieren von technischen Sicherungen gegen die unbefugte Nutzung eines besonderen Anwaltspostfachs dazu geführt hat, dass dieses Postfach seinem Inhaber im entscheidenden Moment nicht für eine aktive Nutzung zur Verfügung stand. Wer also seine Chipkarte nicht zeitgerecht beantragt, vorwerfbar den Aktivierungsvorgang verzögert, die Chipkarte unerreichbar verschlossen, verlegt oder verloren hat, ist nicht anders zu behandeln, als hätte er die technischen Einrichtungen seiner Anwaltskanzlei zur maßgeblichen Zeit deshalb nicht nutzen können, weil er sich aus deren Räumen ausgesperrt, den Türschlüssel verloren und nicht rechtzeitig einen (anderen) Schlüsselträger oder den Schlüsseldienst erreicht hätte. Auch dann liegen keine „technischen Gründe“ vor.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ließ sich aus dem Vortrag in der Beschwerdeschrift allenfalls ableiten, dass eine Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung der  Beschwerdeschrift aus „technischen Gründen“ für den 6. Januar 2023 nicht ausgeschlossen werden konnte, nicht aber, dass sie damals tatsächlich vorgelegen hat. Denn für „technische Gründe“ im Sinne des § 55d Satz 3 VwGO reicht es keineswegs schon aus, dass ein Prozessbevollmächtigter – warum auch immer – über keine aktivierte Chipkarte verfügt, sondern kommt es maßgeblich darauf an, weshalb das nicht der Fall war. Darüber hat der Antragsteller jedoch weder am 6. Januar 2023 noch unverzüglich (vgl. dazu näher: BGH, Beschluss vom 21.9.2022 – XII ZB 264/22 -, FGPrax 2022, 287 f., Rn. 17) danach – und das hätte geheißen jedenfalls deutlich vor dem 19. Januar 2023 – im Sinne des § 55d Satz 4 Halbsatz 1 VwGO genügenden Aufschluss gegeben. Schon deshalb schied eine Anwendung des § 55d Satz 3 VwGO hier aus.

Davon abgesehen ergibt sich weder aus dem bereits in der Beschwerdeschrift vorgetragenen Geschehen noch den späteren Ergänzungen eine vorübergehende Unmöglichkeit der Übermittlung aus technischen Gründen im Sinne des § 55d Satz 3 VwGO.

Sie wäre vielmehr auch bei einem frühzeitig umfassenderen Vortrag nicht in Betracht gekommen. Wie auf der Website der Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer recherchiert werden kann, sind nämlich im Zuge des sogenannten „beA-Kartentauschs 2022“ die mit dem 31. Dezember 2022 ablaufenden Chipkarten zahlreicher Rechtsanwälte im letzten Quartal 2022 ausgewechselt worden. Hierzu wurden den Anwälten – ohne Antragserfordernis – postalisch eine neue Chipkarte übersandt sowie (per E-Mail) ein Bestätigungslink. Dieser Link war allerdings lediglich für 48 Stunden nutzbar. Erfolgte keine umgehende Bestätigung des Erhalts der Chipkarte durch den betroffenen Anwalt wurden daher bis zu drei „Erinnerungs-E-Mails“ an diesen versandt. Ohne wirksame Bestätigung des Erhalts der neuen Karte versandte die Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer indessen keine PIN an den Karteninhaber. Insbesondere die seitens des Antragstellers mit Schriftsatz vom 27. Januar 2023 vorgelegten E-Mails vom 29. Dezember 2022 und 11. Januar 2023 rechtfertigen die Annahme, dass der seinem Prozessbevollmächtigten übersandte Bestätigungslink deshalb nicht mehr funktioniert hat, weil die 48-Stunden-Frist für seine Nutzung (längst) abgelaufen war, als der Anwalt erstmals versuchte, den Link zu verwenden. Da dem Rechtsanwalt die neue Chipkarte bereits im September 2022 zugegangen war, kann das auch nicht verwundern. Vielmehr hat er sich offenbar um die Aktivierung der neuen Chipkarte deshalb nicht beizeiten gekümmert, weil seine bisherige Chipkarte noch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2022 funktionierte. Diese Ursache für den zeitlichen Verzug, mit dem er erst im Jahr 2023 seine PIN erhielt und daraufhin die neue Chipkarte aktivieren konnte, hat aber keine „technischen Gründe“…….“

beA I: Anforderungen an eine „beA-Ersatzeinreichung“, oder: Nicht nur eine Geschichte erzählen….

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Und am Ostermontag dann ein wenig „beA“. Dazu zunächst der schon etwas ältere KG, Beschl. v. 17.10.2022 – (3) 121 Ss 105/22 (42/22) – zu Anforderungen an eine „beA-Ersatzeinreichung“

Das AG hatte den Angeklagten am 11.08.2021 wegen des Einschleusens von Ausländern zu einer Geldstrafe verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das LG mit Urteil v. 12.05.2022 verworfen. Am 18.05.2022 hat der Verteidiger per beA gegen das Urteil des LG Revision eingelegt.

Nachdem dem Verteidiger am 31.05.2022 die schriftlichen Urteilsgründe zugestellt worden sind, hat er mit Schriftsatz vom 30.06.2022, beim LG eingegangen per Fax am 30.6.2022 um 21:45 Uhr „wegen beA-Problem“, die Revision begründet und die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Der Verteidiger hat mit weiterem Schriftsatz vom 12.07.2022 über das beA „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist zum 30. Juni 2022“ beantragt und den Schriftsatz mit der Revisionsbegründung vom 30.06.2022 mitübersandt. Zur – anwaltlich versicherten – Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags führt er u.a. aus, am 30.06.2022 habe er keine Versendung per besonderem elektronischen Anwaltspostfach vornehmen können. Morgens sei der PC „heißgefahren“ und habe „Geräusche von sich“ gegeben. Der PC sei dann vom Strom getrennt worden. Vormittags sei ein PC-Notdienst eingeschaltet worden, der das Gerät abgeholt habe. Ein Ersatzteil habe bestellt werden müssen, das angeblich noch am selben Tag hätte kommen sollen, jedoch erst am 01.07.2022 eingetroffen sei. Der PC-Notdienst habe lediglich die Kurzdiagnose abgegeben, dass die Festplatte beschädigt sei, so habe er – der Verteidiger – das Gerät am frühen Nachmittag des 01.07.2022 wieder abgeholt und einen Bekannten, der Programmierer ist, gebeten, „sich der Sache anzunehmen“. Er habe sich noch am 01.07.2022 abends mit diesem getroffen und bei Amazon ein sog. „M2 Gehäuse“ bestellt, um die Festplatte gesondert prüfen zu können. Dieses sei am 02.07.2022 angekommen und er habe noch am selben Tag eine „MAC-Ausstattung“ gekauft. Gegen 3:30 Uhr in der Nacht hätten sie dann „die Festplatte auf eine Windows-Ebene innerhalb des Macs installieren und auch die Neuinstallation des [besonderen elektronischen Anwaltspostfachs] abschließen“ können. Das beA habe er jedoch nicht verwenden können, da der Windows-Scanner Samsung C1860SW mit dem Mac-Programm nicht kompatibel gewesen sei und ein neuer Scanner „am gleichen Freitag den 08.07.2022“ habe installiert werden müssen. Erst dann sei ihm eine Versendung über das besondere elektronische Anwaltspostfach wieder möglich gewesen.

Das KG hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Revision als unzulässig verworfen:

„Gemessen an diesem Maßstab ist die am 30. Juni 2022 per Fax und nicht über das besondere elektronische Anwaltspostfach (nachfolgend beA) übermittelte Revisionsbegründung formunwirksam und die Monatsfrist, die aufgrund der Zustellung des Urteils am 31. Mai 2022 an den Verteidiger am 30. Juni 2022 endete (§ 43 Abs. 1 StPO), nicht gewahrt.

b) Eine Befreiung von dem Formerfordernis, den der Ausnahmefall nach § 32d Satz 2 StPO vorsieht, ist nicht durch die Ersatzeinreichung eingetreten, da weder der knappe Hinweis auf ein Problem mit dem beA bei der Ersatzeinreichung am 30. Juni 2022 noch der weitere anwaltliche Vortrag vom 12. Juli 2022 die Voraussetzungen einer wirksamen Ersatzeinreichung nach § 32d Satz 3 und 4 StPO erfüllen. Danach hat der Verteidiger:

aa) unter Hinweis auf eine grundsätzlich einsatzbereite technische Infrastruktur eine vorübergehende technische Störung, die eine elektronische Übermittlung mittels beA unmöglich gemacht hat, vorzutragen,

bb) die Tatsachen glaubhaft zu machen und

cc) diesen glaubhaft gemachten Sachverhalt zeitgleich mit der Ersatzeinreichung vorzubringen.

War der Verteidiger verhindert, die zeitliche Vorgabe zu erfüllen, etwa weil er erst kurz vor Fristablauf feststellt, dass eine elektronische Einreichung nicht möglich ist, muss er unverzüglich danach den erforderlichen Vortrag (vgl. aa) und bb)) einschließlich der Umstände seiner Verhinderung, die ebenfalls glaubhaft zu machen sind, dem Gericht mitteilen (vgl. BT-Drucks. 18/9416, S. 51). Unverzüglich bedeutet dabei ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB; vgl. Bosbach in Dölling/Duttge/Rössner, Gesamtes Strafrecht 5. Aufl., § 32d StPO Rn. 4; Radke a.a.O., § 32d Rn. 18; BT-Drucks. 18/9416, S. 51).

Nicht erforderlich ist – schon ausweislich des insoweit eindeutigen Wortlauts von § 32d StPO und insbesondere von Satz 2 und Satz 4 a.E. („auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen“) und vor dem Hintergrund des Sinns und Zwecks der Ausnahmeregelung –, dass dies selbst in der Form nach §§ 32d Satz 2, 32a StPO zu geschehen hat (vgl. zu den Anforderungen an einen entsprechenden Vortrag auch LG Arnsberg NStZ 2022, 639).

Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, ist die Übermittlung der in § 32d Satz 2 StPO genannten Prozesshandlungen in Papierform oder durch Telefax ausnahmsweise zulässig und form- und fristwahrend (vgl. BGH, Beschluss vom 30. August 2022 – 4 StR 104/22 –, juris).

Diesen Anforderungen genügt das Verhalten des Verteidigers, der ersichtlich diese Ausnahmevorschrift zur Fristwahrung in Anspruch nehmen wollte, nicht.

Denn der per Fax am Tag des Fristablaufs übersandte Schriftsatz vom 30. Juni 2022 enthält weder einen Tatsachenvortrag zu der vorübergehenden technischen Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung noch eine entsprechende Glaubhaftmachung.

Auch der Schriftsatz vom 12. Juli 2022 erfüllt nicht einmal ansatzweise die o.g. Voraussetzungen. Offen bleibt bereits, warum es dem Verteidiger, dessen Faxgerät nach seinem Vortrag nicht beeinträchtigt war, nicht möglich gewesen ist, zugleich mit der um 21:45 Uhr bei Gericht eingegangen Ersatzeinreichung entsprechend vorzutragen.

Der Vortrag im Schriftsatz vom 12. Juli 2022 befasst sich – bereits im Ansatz unzutreffend – lediglich mit der geschichtlichen Schilderung der Beseitigung der technischen Störung und deren Glaubhaftmachung. Es fehlt das Vorbringen, warum es ihm nicht möglich gewesen ist, noch vor dem 12. Juli 2022 zur vorübergehenden technischen Unmöglichkeit vorzutragen. Offen bleibt auch, ob es in der Kanzlei neben dem defekten PC nicht noch – etwa im Sekretariat – ein oder mehrere funktionstüchtige weitere Geräte gab. Dass grundsätzlich überhaupt eine entsprechende technische Infrastruktur vorgehalten worden ist, ergibt sich aus den Ausführungen zudem nur ansatzweise und mittelbar.“

beA II: Vorübergehende technische Unmöglichkeit, oder: Unverzügliche Glaubhaftmachung ist erforderlich

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Und auch die zweite Entscheidung hat heute eine beA-Problematik zum Gegenstand. Der BGH hat im BGH, Beschl. v. 15.12.2022 – III ZB 18/22 – zur Frage der Unverzüglichkeit der Glaubhaftmachung bei vorübergehender technischer Unmöglichkeit im Sinne von § 130d Satz 2 und 3 ZPO Stellung genommen. Die Entscheidung ist schon etwas älter, ich hatte sie bisher übersehen. Aber man kann gerade im Hinblick auf § 130d ZPO als Anwalt nicht vorsichtig genug sein. Daher kann man auch jetzt noch über die Entscheidung berichten.

Nach dem Sachverhalt hatte das LG die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 6.904,17 EUR nebst Zinsen verurteilt. Gegen das der Beklagten am 20.11.2021 zugestellte Urteil hat diese am 19.12.2021 durch Einwurf der Berufungsschrift in den Briefkasten des OLG form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten am 20.12.2022 ebenfalls durch Einwurf in den Briefkasten des OLG eingereicht. Der Klägerin ist sodann mit Vorsitzendenverfügung vom 09.02.2022 eine Frist zur Berufungserwiderung gesetzt worden. Nachdem die Klägerin unter dem 10.02.2022 um Mitteilung gebeten hatte, ob die Berufungsbegründung gemäß § 130d ZPO als elektronisches Dokument eingereicht worden sei, ist die Beklagte mit Vorsitzendenverfügung vom 11.02.2022 unter Einräumung einer Stellungnahmefrist von zwei Wochen darauf hingewiesen worden, bei Setzung der Berufungserwiderungsfrist sei nicht aufgefallen, dass die Berufungsbegründung entgegen § 130d ZPO nicht als elektronisches Dokument eingereicht worden sei. Eine vorübergehende Unmöglichkeit (iSd § 130d Satz 2 und 3 ZPO) sei weder in der Berufungsbegründung noch unverzüglich danach glaubhaft gemacht worden. Bei dieser Sachlage sei die Berufung möglicherweise nicht formgerecht entsprechend § 520 Abs. 3 ZPO begründet worden. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat daraufhin mit Schriftsatz vom 24.02.2022 eidesstattlich versichert, dass am 20.01.2022 nach dem Aufspielen eines Updates die „beA Client Security“ nicht mehr habe gestartet werden können. Diese habe erneut aufgespielt werden müssen, um die Störung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) zu beseitigen. Die Berufungsbegründung sei daher zur Fristwahrung als Brief in den Nachtbriefkasten des OLG eingelegt worden. Mit Beschluss vom 02.03.2022 hat das OLG die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde der Beklagten, die keinen Erfolg hatte. Der BGh führt zu § 130d ZPO aus:

„….. Das Berufungsgericht hat den Zugang der Beklagten zur Berufungsinstanz jedoch nicht in unzumutbarer Weise erschwert. Die Auslegung und Anwendung von § 130d Satz 3 Halbsatz 1 ZPO ist rechtsfehlerfrei erfolgt. Insbesondere hat das Berufungsgericht den Rechtsbegriff „unverzüglich“ zutreffend im Sinne der in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB enthaltenen Legaldefinition als „ohne schuldhaftes Zögern“ ausgelegt. Entgegen der Auffassung der Beschwerde war das Berufungsgericht nicht gehalten, die Vorschrift des § 130d Satz 3 Halbsatz 1 ZPO nach ihrem Inkrafttreten während einer (weiteren) Übergangsfrist nicht oder nur „behutsam“ anzuwenden.

aa) Die Vorschrift des § 130d ZPO, die auf § 130a ZPO aufbaut, ist durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I 3786) eingeführt worden und gemäß Art. 26 Abs. 7 dieses Gesetzes mit Wirkung zum 1. Januar 2022 in Kraft getreten. § 130d Satz 1 ZPO sieht unter anderem eine Pflicht für alle Rechtsanwälte vor, Schriftsätze, Anträge und Erklärungen den Gerichten nur noch in elektronischer Form zu übermitteln. Die Einreichung in dieser Form ist eine Frage der Zulässigkeit und daher von Amts wegen zu beachten. Bei Nichtbeachtung ist die Prozesserklärung unwirksam. Auf die Einhaltung der elektronischen Form kann der Gegner weder verzichten noch sich rügelos einlassen (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten, BT-Drucks. 17/12634, S. 27). Ist die Übermittlung des elektronischen Dokuments – wie im vorliegenden Fall – aus technischen Gründen vorübergehend unmöglich, darf der Nutzungspflichtige gemäß § 130d Satz 2 ZPO das Dokument ausnahmsweise nach den allgemeinen Vorschriften, das heißt in Papierform oder als Telefax, übermitteln. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Ursache für die vorübergehende technische Unmöglichkeit in der Sphäre des Gerichts oder in der des Einreichenden zu suchen ist (BT-Drucks. aaO). Um Missbrauch auszuschließen, bestimmt § 130d Satz 3 Halbsatz 1 ZPO allerdings, dass der Nutzungsberechtigte die vorübergehende technische Unmöglichkeit unaufgefordert schon bei der Ersatzeinreichung oder jedenfalls unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) danach glaubhaft zu machen hat, wobei die Glaubhaftmachung möglichst gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung erfolgen soll (BT-Drucks. aaO S. 28; BeckOK ZPO/von Selle, § 130d Rn. 5 [46. Edition, Stand: 1. September 2022]; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, 19. Aufl., § 130d Rn. 3; siehe auch BGH, Beschluss vom 12. September 2022 – XII ZB 264/22, NJW 2022, 3647 Rn. 13 zu § 14b Abs. 1 Satz 3 FamFG).

bb) Diese Rechtslage musste dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten als Rechtsanwalt beim Inkrafttreten der Vorschrift am 1. Januar 2022 bekannt sein. Ein etwaiger Rechtsirrtum wäre schuldhaft und müsste von der Beklagten im Wege der Zurechnung nach § 85 Abs. 2 ZPO hingenommen werden. Der Prozessbevollmächtigte einer Partei muss alles ihm Zumutbare tun und veranlassen, damit die Frist zur Einlegung und Begründung eines Rechtsmittels gewahrt wird. In seiner Verantwortung liegt es, die gesetzlichen Formerfordernisse zu wahren (vgl. BGH, Beschluss vom 30. März 2022 – XII ZB 311/21, NJW 2022, 2415 Rn. 15). Der (fahrlässige) Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts über die gesetzlichen Formerfordernisse für die Einlegung und Begründung eines Rechtsmittels vermag ihn nicht zu entlasten und rechtfertigt erst recht nicht die Gewährung einer Übergangsfrist. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Rechtsanwalt die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen (BGH aaO Rn. 16). Dazu zählen ohne jeden Zweifel die Vorschriften über den elektronischen Rechtsverkehr (§§ 130a, 130d ZPO).

cc) Vor diesem Hintergrund besteht keine Veranlassung, die Vorschrift des § 130d Satz 3 Halbsatz 1 ZPO nach dem Inkrafttreten der Norm für eine (weitere) Übergangszeit nicht oder nur „behutsam“ anzuwenden. Vielmehr hätte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten der Vorschrift gerade im Hinblick auf die zum 1. Januar 2022 eingetretene Rechtsänderung eine erhöhte Aufmerksamkeit zukommen lassen müssen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass § 130d ZPO, obwohl er erst am 1. Januar 2022 in Kraft getreten ist, bereits durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 in die Zivilprozessordnung eingefügt worden ist. Im Hinblick auf das Merkmal „unverzüglich“ hätte sich der Prozessbevollmächtigte der Beklagten für den sichersten Weg entscheiden müssen (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 280 Rn. 69). Dieser hätte darin bestanden, die Art der technischen Störung bereits bei der Einreichung der Berufungsbegründung in Schriftform oder unmittelbar danach glaubhaft zu machen. Dazu wäre er auch in der Lage gewesen, weil ihm die Probleme mit der Client Security des beA von Anfang an bekannt waren. Die mit Schriftsatz vom 24. Februar 2022 – fünf Wochen nach der Ersatzeinreichung der Berufungsbegründung und lediglich als Reaktion auf einen gerichtlichen Hinweis – erfolgte Glaubhaftmachung war nicht mehr „unverzüglich“, zumal nach dem Willen des Gesetzgebers die Glaubhaftmachung möglichst gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung erfolgen und die Nachholung der Glaubhaftmachung auf diejenigen Fälle beschränkt sein soll, bei denen der Rechtsanwalt erst kurz vor Fristablauf feststellt, dass eine elektronische Einreichung nicht möglich ist und bis zum Fristablauf keine Zeit mehr verbleibt, die Unmöglichkeit darzutun und glaubhaft zu machen (BT-Drucks. aaO S. 28). Dies spricht dafür, den Zeitraum des unverschuldeten Zögerns eng zu fassen und ein wochenlanges Zuwarten regelmäßig als zu lang anzusehen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. September 2022 aaO Rn. 17).

b) Das Berufungsgericht hat auch den Anspruch der Beklagten auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK) nicht verletzt. Der Umstand, dass das Gericht den Formmangel im Sinne des § 130d Satz 1 ZPO zunächst übersehen hatte, vermag daran nichts zu ändern. Denn das Berufungsgericht hat auf die Anfrage der Klägerin nach der Wahrung der elektronischen Form seinen Irrtum korrigiert und die Beklagte auf den Formmangel unter Einräumung einer angemessenen Stellungnahmefrist hingewiesen. Dass das Gericht sodann die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen hat, ist die zwingende Konsequenz aus der Nichteinhaltung der elektronischen Form und der verspäteten Glaubhaftmachung im Sinne des § 130d Satz 3 Halbsatz 1 ZPO.

c) Aus den vorgenannten Gründen scheidet auch ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen Art. 103 Abs. 1 GG aus. Eine Überraschungsentscheidung liegt offenkundig nicht vor.“