Archiv der Kategorie: beA/elektronisches Dokument

Wiedereinsetzung II: Selbstvertretung des Anwalts, oder: Elektronische Übermittlung und Verschulden

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Im zweiten Posting geht es jetzt um den OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 16.08.2024 – 2 W 59/22 – und in dem u.a. um die Frage, ob der sich selbst vertretende Rechtsanwalt bei Beschwerden nach GKG den Weg der elektronischen Übermittlung wählen muss und wann ggf. Wiedereinsetzung zu gewähren ist.

Das OLG hat die Frage der Erforderlichkeit der elektronischen Übermittlung bejaht. Hier der Leitsatz der Entscheidung, die umfangreiche Begründung dann bitte im Volltext lesen:

Ein Rechtsanwalt, der in eigener Sache als Rechtsanwalt ein Berufungsverfahren in einem WEG-Verfahren durchführt, und – nach Zurückweisung seiner Berufung durch das LG nach § 522 Abs. 2 ZPO – in einem Beschwerdeverfahren gegen die Festsetzung des Gebührenstreitwerts erneut in eigener Sache als Rechtsanwalt auftritt, ist zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht verpflichtet.

Und zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die das OLG verwehrt hat, führt es aus:

„B. Dem Kläger war auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen des Versäumens der Beschwerdefrist nach § 68 Abs. 2 S. 1 GKG zu gewähren. Nach dieser Vorschrift ist dem Beschwerdeführer, wenn er ohne sein Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten, auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht.

1. Zunächst ist das Oberlandesgericht als Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, zuständig (vgl. NK-GK/Norbert Schneider, 3. Auflage 2021, GKG § 68 Rn. 72; Binz/Dörndorfer/Zimmermann/Zimmermann, 5. Auflage 2021, GKG § 68 Rn. 13), so dass der Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs durch das Landgericht im angefochtenen Beschluss keine Wirkung zukommt, sondern dies dahingehend auszulegen ist, dass das Landgericht der Beschwerde auch deshalb nicht abgeholfen hat, weil – was in der Sache zutreffend ist – ein Wiedereinsetzungsgrund nicht besteht.

2. Der gesetzlich („auf Antrag“) vorgesehene Wiedereinsetzungsantrag des Klägers wurde am 26.09.2022 gestellt und beim Ausgangsgericht angebracht (vgl. hierzu NK-GK/Norbert Schneider, 3. Aufl. 2021, GKG § 68 Rn. 66, 71). Dass der Antrag innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses gestellt wurde, kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, denn nach dem Vorbingen des Klägers war sein beA nach De- und Neuinstallation am 10.09.2022, einem Samstag, wieder betriebsbereit, so dass zu diesem Zeitpunkt das Hindernis beseitigt war, und die zwei Wochen Frist zu laufen begann und sich die Frist, da das Fristende auf einen Samstag, den 24.09.2022 fiel, bis zum 26.09.2022 verlängerte.

3. Allerdings ist der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung vom 26.09.2022 gleichwohl unzulässig. Weder wurde der Antrag als elektronisches Dokument übermittelt, noch wurden innerhalb der Frist die Tatsachen, die die Wiedereinsetzung begründen sollen, glaubhaft gemacht.

Der Wiedereinsetzungsantrag war als elektronisches Dokument einzureichen. Auf die obigen Ausführungen zur Beschwerde, die hier entsprechend gelten, wird verwiesen. Der Kläger hat den Wiedereinsetzungsantrag lediglich per Telefax übermittelt. Ein Hinweis an den Kläger auf den Formverstoß konnte nicht mehr erfolgen, da der Antrag erst am Tag des Fristablaufs um 23:41 Uhr beim Landgericht einging (Bl. 582).

Ein Ausnahmefall, in dem eine Übermittlung eines Schriftsatzes nach den allgemeinen Vorschriften zulässig gewesen wäre, liegt nicht vor. Gemäß § 130d S. 2 ZPO ist dies nur zulässig, wenn die Übermittlung eines elektronischen Dokuments aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Dem liegt die Überlegung des Gesetzgebers zugrunde, dass die zwingende Benutzung des elektronischen Rechtsverkehrs nicht gelten kann, wenn die Justiz aus technischen Gründen nicht auf elektronischem Weg erreichbar ist. Dabei soll es keine Rolle spielen, ob die Ursache für die vorübergehende technische Unmöglichkeit in der Sphäre des Gerichts oder in der Sphäre des Einreichers zu suchen ist. Denn auch ein vorübergehender Ausfall der technischen Einrichtungen des Rechtsanwalts soll dem Rechtsuchenden nicht zum Nachteil gereichen (vgl. KG, Beschluss vom 25.02.2022 – 6 U 218/21, Rn. 14, juris; BT-Drs. 17/12634, 27).

Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass sein beA am 26.09.2022 erneut nicht funktionierte, mithin eine Übermittlung aus technischen Gründen wieder nicht möglich war, ist eine Glaubhaftmachung weder bei der Ersatzeinreichung erfolgt noch unverzüglich danach (§ 130d S. 3 Hs. 1 ZPO). Die Aufforderung nach Hs. 2 bezieht sich allein auf die Nachreichung des elektronischen Dokuments.

Bei der Ersatzeinreichung des Wiedereinsetzungsantrags erfolgt keine Darlegung, dass das beA des Klägers nicht funktionierte, der Kläger hat hierzu überhaupt keine Ausführungen gemacht.

Der Kläger hat auch nicht unverzüglich danach dargelegt, dass sein beA nicht funktionierte. Unverzüglich im Sinne der in § 121 Abs. 1 S. 1 BGB enthaltenen Legaldefinition ist als „ohne schuldhaftes Zögern“ auszulegen, wobei anders als bei § 121 BGB aber keine gesonderte Prüfungs- und Überlegungsfrist zu gewähren ist, sondern der Rechtsanwalt die Glaubhaftmachung abzugeben hat, sobald er Kenntnis davon erlangt, dass die Einreichung an einer technischen Störung gescheitert ist, und er zu einer geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände in der Lage ist. Hierbei ist in die Abwägung einzustellen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Glaubhaftmachung möglichst gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung erfolgen und die Nachholung der Glaubhaftmachung auf diejenigen Fälle beschränkt sein soll, bei denen der Rechtsanwalt erst kurz vor Fristablauf feststellt, dass eine elektronische Einreichung nicht möglich ist und bis zum Fristablauf keine Zeit mehr verbleibt, die Unmöglichkeit darzutun und glaubhaft zu machen. Glaubhaft zu machen ist lediglich die technische Unmöglichkeit einschließlich ihrer vorübergehenden Natur, ohne dass es einer weiteren Sachverhaltsaufklärung über deren Ursache bedarf; es genügt eine (laienverständliche) Schilderung und Glaubhaftmachung der tatsächlichen Umstände, die beispielsweise mit Screenshots unterlegt werden kann, aber nicht zwingend muss (vgl. BGH, Beschluss vom 21.06.2023 – V ZB 15/22, juris, Rn. 21; Anders/Gehle/Anders, 82. Auflage 2024, ZPO § 130d Rn. 9a).

Bei Anwendung dieser Voraussetzungen erfolgte die Glaubhaftmachung nicht unverzüglich. Vielmehr wurde die Frist bei weitem überschritten, indem erst mit Schriftsatz vom 22.11.2022 überhaupt eine Glaubhaftmachung erfolgte, obwohl der Kläger nach seiner Darlegung am 26.09.2022 Kenntnis hatte, dass eine elektronische Einreichung nicht möglich war, und am Folgetag davon, dass das beA wieder funktionierte, so dass die Störung erneut nur vorübergehender Natur war, weil das beA wieder funktionierte.

Hinzu tritt, dass der Kläger Tatsachen, die die Wiedereinsetzung begründen sollen, im Antrag weder dargelegt noch glaubhaft gemacht hat. Der Kläger hat in seinem Wiedereinsetzungsantrag mit keinem Wort eine Störung seines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs dargelegt, sondern nur vermeintliche Störungen beim Versand des Telefaxes an das Landgericht geschildert, was unerheblich ist, weil diese Einreichungsform unzulässig war und dem Kläger als Rechtsanwalt die gesetzlichen Vorschriften über die Übersendung elektronischer Dokumente hätten bekannt sein müssen.

7. Dem Kläger war auch auf seinen Antrag aus dem per Telefax übersandten Schriftsatz vom 07.10.2022 keine Wiedereinsetzung in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist zu gewähren. Auch dieser Antrag entsprach nicht der Form des § 130d S. 1 ZPO als elektronisches Dokument. Die Voraussetzungen einer Ersatzeinreichung nach § 130 S. 2 ZPO liegen nicht vor, nachdem der Kläger dort erneut nur Probleme einer Übermittlung per Telefax thematisiert hat.“

beA: Übereinstimmung von Versender und Urheber, oder: Wenn der Urheber nicht über sein beA versendet

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Und dann kommen hier die beA-Entscheidungen, auch Zivil- und/oder Strafverfahren, und zwar:

Den Anforderungen der §§ 32a Abs. 3, 32d Satz 2 StPO ist nicht Genüge getan, wenn die Revisionseinlegungsschrift den bestellten Verteidiger des Angeklagten  maschinenschriftlich als Urheber ausweist, der Schriftsatz aber von einem Kanzleikollegen qualifiziert signiert und über dessen Postfach versandt worden. Etwas anderes kann gelten, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Versender als Vertreter des Pflichtverteidigers gemäß § 53 BRAO oder als sonstiger Bevollmächtigter des Angeklagten tätig geworden ist. Diese ergeben sich im Zweifel auch  nicht aus einer etwaigen vormaligen Verteidigerstellung, da die Vollmacht des Wahlverteidigers mit Niederlegung des Wahlmandats bei Bestellung zum Pflichtverteidiger erloschen ist.

Die sog. Kongruenz von Versender und Urheber des elektronischen Dokuments ist nicht erforderlich, wenn der Schriftsatz nach § 32a Abs. 3 Var. 1 StPO mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des verantwortenden Rechtsanwalts versehen und das elektronische Anwaltspostfach eines anderen Anwalts gleichsam nur zur technischen Übermittlung genutzt wird.

Reicht ein Rechtsanwalt über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach einen Schriftsatz, den ein anderer Rechtsanwalt verfasst, aber nicht qualifiziert elektronisch signiert hat, bei Gericht ein, ist dies nicht wirksam (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 28.02.2024 – IX ZB 30/23NJW 2024, 1660).

VerfG I: BVerfG ist ab heute – 01.08.2024 – digital, oder: beA/elektronisches Dokument jetzt auch beim BVerfG

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In den neuen Monat – 01.08.2024 – starte ich mit Entscheidungen/Mitteilungen zu verfassungsgerichtlichen Entscheidungen und was damit zu tun hat.

Hier dann zunächst etwas, „was damit zu tun hat“. Denn heute ist eine Gesetzesänderung in Kraft getreten, die man im Verfassungsbeschwerdeverfahren beachten muss. Denn das BVerfG ist digital geworden.

Ab heute, dem 01.08.2024, haben Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts nämlich nicht mehr die Möglichkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren beim BVerfG verfahrensbezogene Dokumente per Post oder Telefax in analoger Form einzureichen. Die §§ 23a ff. BVerfGG sehen vielmehr jetzt für den Kreis der „Nutzer“ die „digitalen Verfassungsbeschwerde“ vor, und zwar in § 23c BVerfGG. Das elektronische Dokument muss – wie auch sonst – mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von ihr signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Sichere Übermittlungswege sind beispielsweise das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA), das elektronische Bürger- und Organisationspostfach (eBo), der Dienst „Mein Justizpostfach“ oder der Postfach- und Versanddienst eines absenderbestätigten De-Mail-Kontos. Per E-Mail können verfahrensbezogenen Dokumente nicht rechtswirksam eingereicht werden.

Informationen rund um die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs hat das BVerfG in einem Frage-Antwort-Katalog (FAQ) auf seiner Homepage bereit gestellt.

Also: Augen auf, sonst kann es Probleme bei der Verfassungsbeschwerde geben.

Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz in Kraft, oder: Die wichtigsten Änderungen in StPO, OWiG, RVG

 

© AKS- Fotolia.com Ich hatte Anfang April 2024 über den Regierungsentwurf zu einem „Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz“ – Die wichtigsten geplanten Änderungen berichtet. Und man mag es kaum glauben: Inzwischen ist am 16.07.2024 das „Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz“ v. 12.07.2024 (BGBl. 2024 I Nr. 234) in Kraft getreten, allerdings nur teilweise bzw. ist das Inkrafttreten in Art  50 des Gesetzes abgestuft geregelt.

Es  kommt damit zu folgenden wichtigen Änderungen in der StPO, im OWiG und im RVG – wegen der weiteren Änderungen verweise ich auf das BGBl (hier geht es dann zu meinem Beitrag in StRR 8/2024, 11):

§ 32d Satz 2 StPO ist neu gefasst worden, und zwar so, dass jetzt/demnächst folgende Dokumente elektronisch übermittelt werden müssen:

  1. die Berufung, ihre Begründung und ihre Rücknahme,
  2. die Revision, ihre Begründung, ihre Rücknahme und die Gegenerklärung,
  3. den Einspruch gegen den Strafbefehl und seine Rücknahme,
  4. die Privatklage und
  5. die Anschlusserklärung bei der Nebenklage.

Für die Stellung eines Strafantrages/einer Strafanzeige gilt in Zukunft:

  • Entsprechend der bisherigen Praxis kann die einfache Strafanzeige i.S. des § 158 Abs. 1 StPO auch elektronisch formlos gestellt werden; sie ist lediglich durch die die Anzeige aufnehmende Person entsprechend zu protokollieren oder in sonstiger Weise zu dokumentieren. Bei schriftlich oder elektronisch eingereichten Strafanzeigen oder -anträgen erfolgt dies dadurch, dass sie zum Ermittlungsvorgang oder zur Akte genommen werden.
  • Ist ein förmlicher Strafantrag für die Strafverfolgung erforderlich (bisheriger Fall des § 158 Abs. 2 StPO), ist entsprechend der bisherigen Rechtsprechung zum nicht digitalen Strafantrag die Schriftform und ihr elektronisches Äquivalent nach § 32a StPO künftig nicht mehr erforderlich sein, sofern die Identität und der Verfolgungswille der antragstellenden Person aus der Erklärung und den Umständen ihrer Abgabe eindeutig ersichtlich sind.

Die bislang noch für die Einwilligungen in Maßnahmen nach den §§ 81f, 81g und 81h StPO, die Bestätigung des Erhalts der Belehrung nach § 114b Abs. 1 StPO oder den Verzicht auf Einwendungen gegen die Einziehung nach § 424 Abs. 2 StPO geltenden Schriftformerfordernisse sind in der StPO entfallen. Künftig besteht die Möglichkeit, dass die Dokumentation der Abgabe der Erklärung durch die Strafverfolgungsbehörden eine Unterschrift entbehrlich macht. Durch die zu dokumentierende Anwesenheit der erklärenden Person ist sichergestellt, dass die Identität der Person verlässlich festgestellt wird.

An der Revisionshauptverhandlung (§ 350 StPO) können künftig Angeklagte, ihre gesetzlichen Vertretern, Verteidiger sowie die Sitzungsvertretung der Staatsanwaltschaft auf ihren jeweiligen Antrag hin durch die Nutzung von Videokonferenztechnik auch von einem anderen Ort aus teilnehmen. Das gleiche gilt für Nebenkläger, Nebenklageberechtigte sowie die Personen, die nach § 397 Abs. 2 Satz 3, § 404 Abs. 3 und § 406h Abs. 2 Satz 2 sowie § 429 Abs. 1 und § 444 Abs. 2 Satz 1 StPO von dem Termin zu benachrichtigen sind.

Im OWiG gilt nach § 110c Satz 3 OWiG jdann § 32d Satz 2 StPO mit der Maßgabe, dass Verteidiger und Rechtsanwälte

  1. den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid, seine Rücknahme und den Verzicht auf den Einspruch,
  2. die Rechtsbeschwerde, ihre Begründung und ihre Rücknahme,
  3. den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, seine Begründung und seine Rücknahme sowie
  4. die Gegenerklärung

als elektronisches Dokument übermitteln müssen.

Und schließlich hat es eine längst überfällige Änderung bei § 10 RVG gegeben. § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG ist wie folgt neu gefasst worden:

„Der Rechtsanwalt kann die Vergütung nur aufgrund einer von ihm oder auf seine Veranlassung dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung fordern; die Berechnung bedarf der Textform.“

Wie gesagt: Diese Neuregelung war überfällig. In Zeiten von beA war die bisherige gesetzliche Regelung nicht mehr zeitgemäß. So war es z.B. nicht möglich, im gerichtlichen Verfahren eine ordnungsgemäße Kostenrechnung nachzureichen. Während dies zu „Papier-Zeiten“ möglich war, indem eine eigenhändig unterschriebene Rechnung der für den Beklagten bestimmten Schriftsatzausfertigung beigefügt und diese dann dem Beklagten zugestellt werden konnte, war das seit der Einführung des beA nicht mehr möglich, da das Gericht dem Beklagten nur noch eine einfache Kopie per beA zustellt. Das hat sich durch die Neuregelung erledigt: Einer eigenhändigen Unterschrift des Rechtsanwalts unter die Berechnung bedarf es zur Dokumentation der Verantwortungsübernahme nicht mehr.

Aber: Lange diskutiert wurde, wie bei der Übermittlung per Textform sichergestellt werden könne, dass der Anwalt die Verantwortung für die Rechnung trägt. Insoweit ist die anfängliche Fassung, wonach der Rechtsanwalt „die Vergütung nur aufgrund einer dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung“ sollte fordern können, dahingehend ergänzt worden, dass der Rechtsanwalt die Rechnung selbst verschickt oder deren Versand veranlasst haben muss. Damit bleibt es dabei, dass der Anwalt auch bei Übersendung in Textform die berufs- und strafrechtliche Verantwortung für den Inhalt seiner Rechnung übernimmt und hierfür zur Verantwortung gezogen werden kann.

beA II: Revisionsbegründung fristgerecht eingegangen?, oder: Augen auf bzw., wenn Verteidiger „Murks“ macht

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In diesem zweiten beA-Posting habe ich dann noch den BGH, Beschl. v. 29.04.2024 – 6 StR 86/24 -, den ich wegen der Begründung des BGH hier „allein“ vorstelle.

Es geht um den fristgerechten Eingang von elektronischen Dokumenten. Folgender Sachverhalt: Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt. Mit Beschluss vom 11.12.2023 hat das LG die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen. Die Verwerfung der Revision durch das LG beruht auf folgendem Verfahrensgang: Nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe am 08.11.2023 hat der Verteidiger mit Schriftsatz vom 04.12.2023 die zuvor form- und fristgemäß eingelegte Revision begründet und das Dokument am selben Tag mittels beA an das LG versandt. Das anschließend von seiner Softwareanwendung generierte Prüfprotokoll („beA-Nachricht XXX“) hat als Empfänger das LG Göttingen, als „Übermittlungscode“ die Zahlenfolge „9710“ und als „Meldetext“ die Mitteilung „Interner Fehler des Suppliers bei der Zertifikatsprüfung“ ausgewiesen. Die Spalten „OSCI-Nachrichten-ID“, „Zugegangen“ und „Übermittlungsstatus“ waren nicht ausgefüllt.

Seine Verwerfungsentscheidung hat das LG damit begründet, dass eine Revisionsbegründung bis zum Ablauf der Frist nach § 345 Abs. 1 StPO nicht beim LG eingegangen sei. Gegen diesen Beschluss hat der Verteidiger die Entscheidung des Revisionsgerichts beantragt (§ 346 Abs. 2 StPO) und ausgeführt, dass der fristgerechte Zugang der Rechtsmittelbegründung vor dem Hintergrund des dem Antrag beigeschlossenen beA-Prüfprotokolls nicht zweifelhaft sein könne. Der BGH hat den Antrag des Angeklagten als zulässig, aber als unbegründet angesehen:

„2. Das Landgericht hat die Revision mit Recht als unzulässig verworfen. Die Revisionsbegründungsfrist wurde nicht gewahrt.

a) Nach § 32a Abs. 5 Satz 1 StPO ist ein elektronisches Dokument bei Gericht eingegangen, sobald es auf dem für dieses eingerichteten EmpfängerIntermediär im Netzwerk für das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) gespeichert ist; unerheblich ist, ob es von dort aus rechtzeitig an andere Rechner innerhalb des Gerichtsnetzes weitergeleitet oder von solchen Rechnern abgeholt werden konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 8. August 2023 – 3 StR 264/23 ; entsprechend zu § 130a Abs. 5 Satz 1 ZPO , Beschlüsse vom 8. März 2022 – VI ZB 25/20 ; vom 29. September 2021 – VII ZR 94/21 , NJW 2021, 3471 Rn. 9; vom 11. Mai 2021 – VIII ZB 9/20 ; vom 30. März 2023 – III ZB 13/22 , NJW 2023, 1737 [BGH 30.03.2023 – III ZB 13/22] Rn. 10 mwN; siehe auch MüKo-StPO/Beller/Gründler/Kindler/Rochner, 2. Aufl., § 32a Rn. 45; BT-Drucks. 18/9416 S. 47). Die Eingangsbestätigung nach § 32a Abs. 5 Satz 2 StPO , die der Justizserver bei ordnungsgemäßem Zugang der Nachricht automatisch generiert und deren Inhalt von der Justizverwaltung dem Absender mittels strukturiertem Datensatz im XML-Format zur Verfügung gestellt wird (vgl. Fritzsche, NZFam 2022, 1, 6), soll dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Zutun von Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen, ob die Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. September 2022 – XI ZB 14/22 , NJW 2022, 3715 Rn. 7 und vom 24. Mai 2022 – XI ZB 18/21 , NJW-RR 2022, 1069). Sie wird durch das beA-System in die gesendete Nachricht eingebettet und kann nach deren Öffnen vom Absender in der Nachrichtenansicht der beA-Webanwendung auf dem Computerbildschirm anhand des Meldetextes „Request executed“, dem Eingangsdatum und dem Übermittlungsstatus „Erfolgreich“ optisch wahrgenommen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2022 – XI ZB 18/21 , NJW-RR 2022,1069 mwN).

b) Hier hat die Rechtsmittelbegründungsschrift den Empfänger-Intermediär nicht fristgerecht erreicht. Dies ist bereits aus dem vom Verteidiger vorgelegten beA-Prüfprotokoll erkennbar. Es fehlt die eine erfolgreiche Verbindung ausweisende „OSCI-Nachrichten-ID“ und das vom Empfänger-Intermediär bestätigte Eingangsdatum („Zugegangen“). Der fehlende erfolgreiche Kontakt zum Empfänger-Intermediär wird ferner belegt durch die vom Senat eingeholte – dem Verteidiger und dem Angeklagten zur Stellungnahme übersandte – Auskunft des Projektbüros der Bund-Länder-Kommission, Arbeitsgruppe IT-Standards in der Justiz vom 25. März 2024. Hiernach weist auch der im beA-Prüfprotokoll ausgewiesene „Übermittlungscode 9710“ aus, dass es zu keinem Kontakt zum EmpfängerIntermediär kam. Eine Eingangsbestätigung nach § 32a Abs. 5 StPO wurde deshalb nicht generiert.“

Dazu sind m.E. drei Punkte anzumerken:

1. Ich verstehe nicht, wieso der Verteidiger bei dem technischen Verfahrensablauf von einem rechtzeitigen Eingang seiner Revisionsbegründung ausgehen konnte bzw. ausgegangen ist. Da hätte doch ein einfacher Blick in das beA-Prüfprotokoll gereicht. Also: Augen auf.

2. Ebenso wenig verstehe ich, warum nicht, als der Angeklagte/Verteidiger Kenntnis vom Verwerfungsbeschluss des LG hatte, sofort ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt worden ist. Das hätte zu dem Zeitpunkt ggf. Erfolg gehabt, wenn es zutreffend begründet worden wäre. Dazu hätte gehört, dass entweder vorgetragen (oder offenkundig gewesen) worden wäre, wann der Angeklagte Kenntnis vom Verwerfungsbeschluss der Strafkammer genommen hat, der ihm formlos bekannt gemacht worden ist. Jetzt ist es jedenfalls zu spät, zumal die erforderlichen Angaben nicht dargelegt und auch nicht Glaubhaftmachung gemacht waren.

3. Und: Mehr als „deutlich“ im Hinblick auf die „Verteidigerleistung“ ist dann der abschließende Satz des BGH: „Anhaltspunkte für einen ausnahmsweise zur Wiedereinsetzung von Amts wegen nötigenden „offenkundigen Mangel“ der Verteidigung (vgl. EGMR NJW 2003, 1229; BGH, Beschl. v. 12.1.2021 – 3 StR 422/20, NStZ-RR 2021, 112; v. 7.8.2019 – 3 StR 165/19, NStZ-RR 2019, 349; v. 5.6,2018 – 4 StR 138/18, BGHR MRK Art. 6 III Buchst. c Beschränkung 3) liegen noch nicht vor.“ Deutlicher kann man subtil kaum zum Ausdruck bringen, dass der Verteidiger hier wohl „Murks gemacht“ hat. Aber für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen wohl nicht Murks genug.