Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den OLG Braunschweig, Beschl. v. 24.09.2018 – 1 Ss 55/18, den mir der Kollege Funck aus Braunschweig vor einiger Zeit geschickt hat. Das AG hatte den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubten Handeltreibens von Betäubungsmitteln in nicht geringer verurteilt. Dagegen die Revision.
Das OLG hat das AG-Urteil insgesamt aufgehoben, obwohl der Angeklagte nur den Strafausspruch angegriffen hatte. Begründung für die Aufhebung auch des Schuldspruchs: Unklare und nicht ausreichende Feststellungen zur „nicht geringen Menge“.
Zum Strafausspruch führt das OLG dann weiter aus:
2. Auch der Rechtsfolgenausspruch hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Erwägungen des Amtsgerichts zur Strafrahmenwahl sind nicht rechtsfehlerfrei.
Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Amtsgericht zugunsten des An-geklagten gewürdigt hat, dass der Schwellenwert zur nicht geringwertigen Menge nur um mehr als das Doppelte überschritten worden ist. Der 2. Strafsenat vertritt die Auffassung, dass eine geringe Überschreitung der Untergrenze zur nicht geringen Menge einen Strafmilderungsgrund darstellt (vgl. hierzu: BGH, Urt. v. 25. Februar 2016, Az.: 2 StR 39/16; BGH Urt. v. 10. August 2016 — 2 StR 22/16; dem entgegen tretend: 5. Strafsenat Beschluss vom 08. November 2016, 5 StR 487/16; jeweils zitiert nach beck-online). Vorliegend wirken sich diese unterschiedlichen Auffassungen der Senate nicht aus, da der Angeklagten durch die Vorgehensweise des Amtsgerichts nicht beschwert ist.
Allerdings hat das Amtsgericht daneben auch – in der konkreten Form rechtsfehlerhaft – zu Lasten des Angeklagten gewürdigt, dass „die Menge des aufgefundenen Mittels den Schwellenwert immerhin um mehr als das Doppelte“ überschritten hat. Eine Überschreitung des Grenzwertes der nicht geringen Menge von Betäubungsmitteln um das 2 1/2- fache bzw. das Doppelte darf jedenfalls nicht als bestimmender Strafschärfungsgrund gewertet werden (vgl. BGH, Beschl. v. 25. Februar 2016, Az.: 2 StR 39/16; BGH Beschl. v. 14. März 2017, Az.: 4 StR 533/16). Dass das Amtsgericht dies bedacht hat, lässt sich dem Urteil nicht zweifelsfrei entnehmen.
Dass das Amtsgericht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat, dass es sich bei Amphetamin um eine Droge mit erhöhtem Sucht- und Gefährdungspotential handelt, ist rechtsfehlerfrei (vgl. hierzu Weber, BtMG, vor §§ 29 ff. Rn. 935). Zwar wird Amphetamin als Betäubungsmittel von mittlerer Gefährlichkeit angesehen, die Formulierung des Amtsgerichts, das das Amphetamin insbesondere in Bezug gesetzt hat zu leichteren Drogen wie Cannabis/Marihuana, lässt indes nicht besorgen, dass dieses das in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannte Stufenverhältnis bezogen auf die Gefährlichkeit von Drogen verkannt hat (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 15. Juni 2016 — 1 StR 72/16, zitiert nach juris). Da das Amphetamin jedoch nur teilweise zum Verkauf bestimmt war, hätte es insoweit einer Einschränkung bedurft, da der Umstand des Vorliegens einer Droge mit erhöhter Gefährlichkeit nicht bei Eigenkonsum straferschwerend berücksichtigt werden darf (Patzak in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, Vorb. §§ 29 ff. Rn. 108, 179 m.w.N.).
Es ist im Ansatz auch nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht zu Lasten des Angeklagten angeführt hat, dass es sich um ein sehr reines Produkt gehandelt hat. Denn die Qualität eines Betäubungsmittels (Wirkstoffkonzentration und Wirkstoffmenge) ist für die Strafzumessung von entscheidender Bedeutung, da schlechte bzw. schwache Betäubungsmittel in der Regel eine geringere Gefährlichkeit als hochprozentige Betäubungsmittel ausstrahlen (Patzak in: Körner/Patzak/Volkmer, Betäubungsmittelgesetz 8. Auflage 2016). Solange das Tatbestandsmerkmal der nicht geringen Menge nicht erreicht wird, ist die verhältnismäßig hohe Wirkstoffmenge des Betäubungsmittels bei der Strafzumessung stets strafschärfend zu berücksichtigen. Im Falle des Vorliegens eines Falles des § 29 a BtMG in dem die nicht geringe Menge zu den Tatbestandsmerkmalen gehört, die nach der Menge des darin enthaltenen Wirkstoffes bestimmt wird, kommt eine strafschärfende Berücksichtigung dieser Menge indes nur dann in Betracht, wenn die Untergrenze der nicht geringen Menge deutlich überschritten wird (vgl. Weber, BtMG, vor §§ 29 ff. Rn. 953).
Sofern das Amtsgericht ausgeführt hat, dass „insbesondere berücksichtigt werden müsse, dass es sich vorliegend nicht nur um einen Besitz zum Eigenkonsum, sondern auch zum Handeltreiben“ gehandelt habe, begegnet dies durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Mit diesen Ausführungen hat das Amtsgericht zu Lasten des Angeklagten einen Umstand in die Gesamtabwägung eingestellt, dessen Berücksichtigung gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstößt. Der Angeklagte ist schließlich gerade wegen Handeltreibens verurteilt worden (vgl. hierzu auch: BGH, Beschluss vom 09. November 2010 — 4 StR 532/10, zitiert nach juris).
Im konkreten Fall kann auch nicht strafschärfend gewertet werden, dass hier mehrere Straftatbestände tateinheitlich zusammen treffen. Denn es gilt zwar grundsätzlich, dass das tateinheitliche Zusammentreffen mehrerer Straftatbestände, geeignet ist, den Unrechts- und Schuldgehalt einer Tat zu erhöhen, so dass eine strafschärfende Berücksichtigung in Betracht kommt. Dies darf jedoch nicht bei der tateinheitlichen Begehung zweier Tatbestände durch den Erwerb von Betäubungsmitteln, die teils zum Eigenverbrauch, teils zum Handeltreiben bestimmt sind, erfolgen. Der Tatbestand des unerlaubten Besitzes, den der Angeklagte nach den Feststellungen tateinheitlich mit dem unerlaubten Handeltreiben verwirklicht hat, betrifft jeweils nur die Betäubungsmittel, die er für den Eigenverbrauch erworben hat. Durch diese Betäubungsmittel sind aber andere Personen nicht gefährdet worden. Ausgehend hiervon kann das Zusammentreffen der beiden Straftatbestände nicht strafschärfend gewertet werden (Weber, BtMG, 5. Al., Vorbemerkungen zu den §§ 29 ff Rn. 1071-1072; BGH, Beschluss vom 09. Mai 1990 — 2 StR 172/90, zitiert nach juris).
Soweit das Amtsgericht angeführt hat, dass die bei der Durchsuchung aufgefundenen Gegenstände darauf hindeuten, dass der Angeklagte zur Finanzierung seiner Sucht Straftaten begangen hat, handelt es sich insoweit – da diese Umstände im Urteil nicht näher belegt werden und nicht feststehen- um eine Annahme von Umständen, die ohne hinreichende Substanz ist.“
Also kleiner Grundkurs und dann zurück und insgesamt noch einmal.